Leitsatz (amtlich)
Der lebenslängliche Nießbrauch an einem vom Nießbraucher bewohnten Anwesen steht einem eigengenutzten eigentum-ähnlichen der Nießbraucher die auf dem Wohnhaus ruhenden Lasten trägt.
Einkünfte aus einem solchen Nießbrauch bleiben daher bei der Feststellung der Ausgleichsrente unberücksichtigt, wenn der Einheitswert des Grundstückes nicht höher als 6000 DM ist (DV § 33 BVG § 12 Abs 1).
Leitsatz (redaktionell)
Unter dem Begriff "Hausbesitz" iS des DV § 33 BVG § 12 Abs 1 ist nur der Eigenbesitz, sonach unter "Hausbesitzer" nur der "Hauseigentümer" zu verstehen.
Normenkette
BVG § 33 Abs. 2 Fassung: 1956-06-06, § 33 DV § 12 Abs. 1 Fassung: 1961-01-11, § 33 DV § 12 Abs. 9 Fassung: 1961-01-11
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. März 1966 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
Die Klägerin bezieht gemäß § 52 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) Hinterbliebenenrente nach ihrem seit dem 3. März 1945 verschollenen Ehemann O B. Sie hat auf Grund eines Erbauseinandersetzungsvertrages aus dem Jahre 1939/1940 ein lebenslängliches Wohn- und Nutznießungsrecht an dem im Jahre 1928 erbauten Wohnhaus in L. Nr. 124, dessen Einheitswert mit 2.900,- DM bewertet ist und das sie mit Ausnahme von drei Räumen, die gegen eine monatliche Miete von 15,- bzw. später 20,- DM an ihre Schwester und deren Ehemann vermietet sind, selbst bewohnt. Die Klägerin ist vertraglich verpflichtet, die auf dem Grundbesitz ruhenden Steuern und Lasten aller Art, auch Hypothekenzinsen sowie die Kosten der Instandhaltung des Grundbesitzes zu tragen. Da sie diese Umstände dem Versorgungsamt (VersorgA) anläßlich der Antragstellung und auch später nicht angegeben hat, obwohl sie seit August 1954 auf die Notwendigkeit der Angabe sämtlicher Einkünfte hingewiesen worden ist, wobei sie im Jahre 1956 erstmals eingeräumt hat, Einkommen aus Untervermietung in Höhe von 15,- DM zu beziehen, hat das VersorgA B nach umfangreichen Ermittlungen mit Anfechtungsbescheid nach § 42 Abs. 1 Nr. 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) vom 24. April 1963 sowie mit weiterem Bescheid vom 25. April 1963, beide ergänzt durch Teilabhilfebescheid vom 13. November 1963, die Ausgleichsrente der Klägerin rückwirkend ab 1. September 1954 neu festgesetzt und dabei den Nießbrauch an dem Anwesen L Nr. ... mit monatlich ca. 35,- DM bewertet und als Einkommen bei der Berechnung der Ausgleichsrente berücksichtigt. Der zuviel gezahlte Betrag von 2622,- DM wurde zurückgefordert. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg. Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Detmold die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 7. Juli 1964 abgeändert und den Beklagten ua verurteilt, bei der Berechnung der vom Einkommen abhängigen Leistungen ab 1. Juni 1960 Einkünfte aus dem Nießbrauch unberücksichtigt zu lassen. Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat die zugelassene Berufung des Beklagten nach Beiladung der Bundesrepublik Deutschland mit Urteil vom 23. März 1966 zurückgewiesen. Hinsichtlich der Anrechnung der Einkünfte aus dem Nießbrauch der Klägerin auf die Ausgleichsrente hat es im Gegensatz zu der Ansicht des SG Detmold, jedoch im Ergebnis mit diesem übereinstimmend, die Auffassung vertreten, daß § 12 Abs. 1 der Durchführungsverordnung (DVO) vom 11. Januar 1961 unmittelbar und nicht nur entsprechend anzuwenden sei, weil der Nießbrauch nach § 1036 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zum Besitz der Sache berechtige, die Klägerin also Hausbesitzerin sei. Es sei nicht einzusehen, weshalb die Bundesregierung in § 12 Abs. 1 der DVO Einkünfte aus Hausbesitz unter bestimmten Voraussetzungen von der Anrechenbarkeit ausgenommen habe, wenn sie die Freistellung solcher Einkünfte aus Hauseigentum gemeint habe. Aus diesem Grunde sei es auch nicht erforderlich gewesen, eine entsprechende Anwendung des Abs. 1 für den Nießbrauch in der DVO vorzusehen, wie dies in Abs. 9 für die Berechnung der Einkünfte aus einer eigengenutzten Eigentumswohnung oder einem eigengenutzten eigentumsähnlichen Dauerwohnrecht geschehen sei. Da das von der Klägerin bewohnte Haus nur einen Einheitswert von DM 2.900,- habe, müßten nach § 12 Abs. 1 DVO die Einkünfte daraus für die Zeit ab Juni 1960 bei der Feststellung der Ausgleichsrente unberücksichtigt bleiben.
Der Beklagte rügt mit der zugelassenen Revision, mit der er sich nur gegen die Nichtanrechnung der Einkünfte aus dem Nießbrauch auf die Ausgleichsrente ab 1. Juni 1960 wendet, die Verletzung des § 12 Abs. 1 DVO. Die Begründung des LSG, die Rechte aus einem Grundstücksnießbrauch machten den Nießbraucher zum Haus- und Grundbesitzer, weil der Nießbrauch gemäß § 1036 BGB zum Besitz berechtige, erscheine nicht überzeugend. Im Vordergrund rechtlicher Erwägungen hätten Überlegungen stehen müssen, in welcher Weise das Wort "Besitz" in § 12 der DVO zu § 33 BVG auszulegen sei. Welche Art von Besitz bei den nach dem BGB verschiedenen möglichen Besitzarten in § 12 DVO gemeint sei, könne nur aus dieser Vorschrift selbst abgeleitet werden, deren Grundprinzip es sei, alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert ohne Rücksicht auf ihre Quelle und Rechtsnatur zu erfassen, wozu auch Nutzungen aller Art zählten. Der Besitz für sich allein gebe nicht schon ein Nutzungsrecht, das als Grundlage für ein Einkommen angesehen werden könne, weil das Nutzungsrecht ausschließlich auf dem Rechte beruhe, das zum Besitz berechtige. § 12 DVO könne deshalb entgegen der Meinung des LSG nicht jede Art von Besitz umfassen. § 12 DVO lasse erkennen, daß er auf die beim Eigentümer vorliegenden Rechtsverhältnisse zugeschnitten sei; das sei aus dem Katalog der vom Einkommen absetzbaren Leistungen zu schließen. Insbesondere stelle die Abschreibung für Abnutzung (AfA) eine Vergünstigung dar, die nur dem Eigentümer zukomme, weil er in aller Regel auch bei Einräumung von Besitzrechten an Dritte allein die natürliche Abnutzung der Sache zu tragen habe. Schon aus diesem Grunde liege es nahe, unter Besitz i.S. des § 12 DVO nur den Eigenbesitz i.S. des § 872 BGB zu verstehen und § 12 DVO unmittelbar nur auf den "Haus- und Grundbesitzer" anzuwenden, der Haus- und Grundbesitz als ihm gehörend besitze. Zu gleichen Ergebnissen führten auch die Bestimmungen des Einkommensteuerrechts, deren Heranziehung berechtigt sei, weil die in der DVO enthaltenen Vorschriften über die Behandlung des Einkommens in einem engen Zusammenhang zum Einkommensteuerrecht stünden und die einzelnen Einkommensarten mit gleicher Systematik und ähnlicher Kasuistik geregelt seien (vgl. BSG Urteil vom 28.8.1964 - 9 RV 338/62 -). Nach dem Einkommensteuerrecht komme es auf das wirtschaftliche Eigentum an, nicht auf das rechtliche. Wirtschaftlicher Eigentümer sei, wer nach Ansicht der Beteiligten wie ein Eigentümer schalten und walten solle und dies auch tue. Insbesondere werde hierzu nach § 11 des Steuer-Anpassungsgesetzes (StAnpG) der Eigenbesitzer gerechnet (vgl. Littmann, "Das Einkommensteuerrecht", Anm. 68 und 69 zu § 2 Einkommensteuergesetz (EStG). Der Begriff des wirtschaftlichen Eigentümers und des Eigenbesitzers deckten sich daher in wesentlichen Punkten. In der Regel sei der Nießbraucher nicht wirtschaftlicher Eigentümer. Eine Ausnahme gelte im Falle des unentgeltlichen lebenslänglichen Nießbrauchs an eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person, ein Fall, der hier nicht gegeben sei, weil der Nießbrauch zum Zwecke der Erbauseinandersetzung bestellt sei und auch Dienstleistungen der Klägerin als Gegenleistungen vereinbart seien. Man könne den Nießbraucher nur dann als Eigenbesitzer ansehen, wenn seine Stellung nach dem Inhalt des Nießbrauchvertrages der des Eigentümers entspreche. Dabei werde ua ein wesentliches Kriterium sein, ob der Nießbraucher in Abweichung von § 1050 BGB für die natürliche Abnutzung aufzukommen habe. Eine derartige Vereinbarung enthalte die Nießbrauchsbestellungsurkunde im vorliegenden Fall jedoch nicht. Liege sonach kein Eigenbesitz vor, könne auch § 12 DVO keine unmittelbare Anwendung finden, weshalb nur eine entsprechende Anwendung des § 12 DVO diskutiert werden könne. Dies könne jedoch nur insoweit der Fall sein, als dem Nießbraucher die Einkünfte zuflössen und er die Lasten zu tragen habe; insbesondere die AfA könne nur abgesetzt werden, wenn der Nießbraucher dem Eigentümer die Abnutzung vergüte, was hier nicht der Fall sei und auch praktisch nur selten vorkommen werde. Neben der beschränkten entsprechenden Anwendung des § 12 DVO sei noch zu erwägen, ob Abs. 1 für den nicht eigenbesitzenden Nießbraucher zu gelten habe. Dem Sinn und Zweck der Vorschrift, zur Ersparung von Verwaltungsarbeit unwesentliche Einkommen aus Haus- und Grundbesitz außer Ansatz zu lassen, werde nicht mehr Rechnung getragen, wenn ein so wesentlicher Posten wie die Abschreibung bei der Berechnung der Einkünfte wegfalle.
Der Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 23. März 1966 und des SG Detmold vom 7. Juli 1964 insoweit abzuändern, als das beklagte Land verurteilt worden ist, bei der Berechnung der vom Einkommen abhängigen Versorgungsleistungen Einkünfte der Klägerin aus Nießbrauch ab 1. Juni 1960 unberücksichtigt zu lassen.
Die Klägerin und die Beigeladene haben im Revisionsverfahren weder Anträge gestellt, noch sich sonstwie geäußert.
Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -); sachlich konnte sie keinen Erfolg haben.
Streitig ist nur noch, ob sich die Klägerin ab 1. Juni 1960 die Einnahmen aus dem Nießbrauch an dem Anwesen L Nr. ... mit einem Einheitswert von 2.900,- DM, das sie teilweise selbst bewohnt, auf die Ausgleichsrente anrechnen lassen muß. Dies ist nicht der Fall.
Nach § 41 Abs. 4 BVG idF des Ersten Neuordnungsgesetzes (1. NOG) vom 27. Juni 1960 (BGBl I S. 453) (aF) - die hier zur Anwendung kommt - ist die volle Ausgleichsrente um das anzurechnende Einkommen zu mindern, wobei § 33 BVG entsprechend mit der Maßgabe gilt, daß von den übrigen Einkünften i.S. des Abs. 2, letzter Halbsatz, 25 v.H., mindestens jedoch 40,- DM außer Ansatz bleiben. § 33 Abs. 5 BVG aF ermächtigte die Bundesregierung, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung näher zu bestimmen:
a) was als Einkommen gilt und welche Einkünfte bei Feststellung der Ausgleichsrente unberücksichtigt bleiben,
b) wie das Nettoeinkommen zu ermitteln ist.
Welches Einkommen im einzelnen anzurechnen ist, ergibt sich aus der Verordnung zur Durchführung des § 33 BVG vom 11. Januar 1961 (BGBl I S. 19 - DVO -), die in § 1 Abs. 3 Nr. 1 bestimmt, daß Einkünfte aus Haus- und Grundbesitz zu den übrigen Einkünften i.S. des § 33 Abs. 2 BVG zählen und in § 14 Abs. 1 DVO u.a. die Anwendbarkeit des § 12 der DVO auch für Witwen vorsieht. § 12 Abs. 1 DVO bestimmt, daß Einkünfte aus Hausbesitz bei der Feststellung der Ausgleichsrente unberücksichtigt bleiben, wenn der Einheitswert der Grundstücke insgesamt nicht höher als 6.000,- DM ist. Für die Berechnung der Einkünfte aus einer eigengenutzten Eigentumswohnung oder einem eigengenutzten eigentumsähnlichen Dauerwohnrecht gilt nach § 12 Abs. 9 DVO die Vorschrift des Abs. 1 entsprechend, desgleichen für den Fall, daß noch keine Grundbucheintragung als Eigentümer erfolgt ist, der Anspruchsberechtigte jedoch Nutzungen und Lasten aus dem Haus- und Grundbesitz wie ein Eigentümer übernommen hat (vgl. § 12 Abs. 10 DVO). Die auf Grund des Zweiten und Dritten NOG zum BVG vom 21. Februar 1964 (BGBl I S. 85) und 28. Dezember 1966 (BGBl I S. 750) zu § 33 BVG nF ergangenen Rechtsverordnungen vom 22. Juli 1964 (BGBl I S. 538) und 9. November 1967 (BGBl I S. 1133, 1140) haben insoweit keine inhaltlichen Änderungen gebracht, weshalb hier von der Fassung der DVO vom 11. Januar 1961 ausgegangen werden kann.
Zunächst ist zu prüfen, was der Verordnungsgeber unter dem Begriff "Einkünfte aus Hausbesitz", der in § 12 Abs. 1 DVO verwendet worden ist, verstanden hat. Dabei ist der Revision zuzustimmen, daß die vom LSG für richtig gehaltene unmittelbare Anwendung des § 12 Abs. 1 DVO auf den Nießbrauch an einem Haus zu Bedenken Anlaß gibt. § 12 DVO gibt keine nähere Erläuterung, was unter "Haus- und Grundbesitz" zu verstehen ist. Das Steuerrecht, auf das der Beklagte hingewiesen hat, kann zur Auslegung nicht herangezogen werden, weil es die Einkommensart "Einkünfte aus Haus- und Grundbesitz" nicht kennt. Insoweit wird auf das Urteil des erkennenden Senats vom 21. Januar 1969 - 9 RV 470/66 - verwiesen, wo dargelegt worden ist, daß § 12 DVO die Einkünfte aus Grundstücken - abweichend von dem EStG - einer besonderen Einkunftsart zugewiesen hat, die sich von den in § 2 Abs. 3 Nr. 6 EStG genannten "Einkünften aus Vermietung und Verpachtung" unterscheidet. Der Senat ist jedoch der Auffassung, daß unter dem in § 12 Abs. 1 DVO verwendeten Begriff "Hausbesitz" schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht der Fremd-, sondern nur der Eigenbesitz im Sinne des § 872 BGB gemeint sein kann. Jedenfalls gilt dies dann, wenn - wie hier - entsprechende Zusätze fehlen, aus denen sich ergibt, daß auch der Fremdbesitz bzw. ein bloßes schuldrechtliches oder dingliches Recht zum Besitz oder Gebrauch des Hauses (Wohnrecht) gemeint ist. Bestätigt wird diese Auslegung im vorliegenden Fall durch die übrigen in § 12 DVO enthaltenen Vorschriften. Wenn in Abs. 3 und 4 bestimmt ist, daß "Einkünfte aus Haus- und Grundbesitz" der Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten sind (Abs. 3) und daß von den Roheinnahmen eines Jahres Schuldzinsen und sonstige dauernde Lasten, Steuern vom Grundbesitz, sonstige öffentliche Abgaben usw., der Erhaltungsaufwand sowie Absetzung für Abnutzung und sonstige zur Bewirtschaftung notwendige Aufwendungen absetzbar sind (Abs. 4), so ist damit auf die beim Haus- und Grundeigentümer bestehenden Verhältnisse abgestellt. Daß § 12 Abs. 1 DVO nicht auch eigentumsähnliche Besitzverhältnisse miterfaßt, wird ferner durch die bereits erwähnten Absätze 9 und 10 DVO klargestellt, soweit sie bestimmen, daß Abs. 1 für Einkünfte aus einem eigengenutzten eigentumsähnlichen Dauerwohnrecht (Abs. 9) sowie für Fälle, in denen der Berechtigte noch nicht im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist, jedoch Nutzungen und Lasten "wie ein Eigentümer" übernommen hat (Abs. 10) nur "entsprechend" gilt. Die in Abs. 10 verwendeten Ausdrücke: "noch nicht ... als Eigentümer" und "wie ein Eigentümer" lassen keinen begründeten Zweifel daran, daß der "entsprechend" anwendbare Abs. 1 nur "Eigentümer" im Auge hat. Der Auffassung des LSG, Hausbesitzer im Sinne des § 12 Abs. 1 DVO sei auch derjenige, der ohne Eigentümer zu sein, zum Besitz der Sache "berechtigt" sei, kann daher nicht zugestimmt werden.
Zu prüfen war jedoch, ob das lebenslängliche Wohn- und Nutznießungsrecht der Klägerin, mit dem ihr ein Nießbrauch im Sinne der §§ 1030 ff BGB an dem Wohnhaus in L. Nr. 124 eingeräumt worden ist, einem eigengenutzten eigentumsähnlichen Dauerwohnrecht im Sinne des § 12 Abs. 9 DVO gleichzustellen und deshalb die Vorschrift des § 12 Abs. 1 DVO hier entsprechend anzuwenden ist. Dies ist zu bejahen.
Der Begriff des "eigengenutzten eigentumsähnlichen Dauerwohnrechts" ist in § 40 der Zweiten Berechnungsverordnung vom 1. August 1963 (BGBl I, 593) idF vom 20. Dezember 1967 (BGBl I, 1298) (II. BVO) enthalten. Zur näheren Bestimmung dieses Dauerwohnrechts muß auf § 20 Abs. 4 des Ersten Wohnungsbaugesetzes (I. WoBauG) idF vom 25. August 1953 (BGBl I, 1047) zurückgegriffen werden (vgl. Kommentar zum Wohnungsbaurecht von Fischer-Dieskau, Pergande, Schwender, Teilband IV, Anm. 4 zu § 40 der II. BVO und § 7 b Abs. 4 EStG idF des Gesetzes vom 24. Juni 1953 (BGBl I S. 413). Nach § 20 Abs. 4 des I. WoBauG gilt ein Dauerwohnrecht als eigentumsähnlich, wenn der Dauerwohnberechtigte wirtschaftlich einem Wohnungseigentümer gleichgestellt ist. Der allgemeine Begriff des Dauerwohnrechts findet sich im Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG -) vom 15. März 1951 (BGBl I, 175) (§ 31 ff). Dabei räumt § 41 WoEigG dem Dauerwohnberechtigten, wenn das Dauerwohnrecht für einen langfristigen Zeitraum - mehr als 10 Jahre - bestellt ist, eine Sonderstellung ein. Das Dauerwohnrecht i.S. des WoEigG ist mit dem bürgerlich-rechtlichen Nießbrauch verwandt; denn es ist dem dinglichen Wohnungsrecht des § 1093 BGB nachgebildet, für das die für den Nießbrauch geltenden Vorschriften der §§ 1031, 1034, 1036, 1037 Abs. 1 und der §§ 1041, 1042, 1044, 1049, 1050, 1057 und 1062 BGB entsprechend anzuwenden sind (siehe auch § 34 Abs. 1 WoEigG); die Nießbrauchvorschriften sind deshalb für das Verhältnis zwischen Eigentümer und Dauerwohnberechtigtem auch sonst entsprechend heranziehbar (vgl. Palandt, Kommentar zum BGB und WoEigG, Überblick (3) vor § 1 WoEigG 23.Aufl. S. 1911). Dieses Dauerwohnrecht des WoEigG kann befristet, aber auch zeitlich unbegrenzt sein (vgl. § 41 WoEigG). Ist es zeitlich fest begrenzt und stellt die gewährte Kapitalabfindung nur den Gegenwert für Mietzinszahlungen und die Übernahme eines Baukostenzuschusses dar, so wird das Dauerwohnrecht nur als ein dinglich gesichertes Mietrecht anzusehen sein (vgl. Rdschr. des BMA vom 9. Juli 1957 und 11. Februar 1959 in BVBl 1957, 116 bzw. 1959, 31). Anders ist jedoch - in sonstigen Fällen - ein Dauerwohnrecht zu beurteilen, das entweder auf lange Dauer oder auf unbestimmte lange Zeit (zB auf Lebenszeit) bestellt ist. Die langfristige Bestellung eines Dauerwohnrechts ist - unter Berücksichtigung einer gewissen Mindestdauer - jedenfalls ein wichtiges Merkmal für den eigentumsähnlichen Charakter dieses Rechts (vgl. Kommentar zum I. WoBauG von Fischer-Dieskau und Pergande 2. Aufl. Anm. 14 - S. 31 - zu § 20 I. WoBauG). Die Abgrenzung, wann ein Dauerwohnrecht mietähnlich und wann es eigentumsähnlich i.S. des I. WoBauG ist, stößt mangels genauer gesetzlicher Bestimmungen auf Schwierigkeiten (vgl. Palandt aaO, Anm. 5 zu § 31 WoEigG); die komplizierte rechtliche Konstruktion des eigentumsähnlichen Dauerwohnrechts ist auch der Grund dafür, weshalb dieser Rechtsbegriff nicht mehr in das II. WoBauG vom 27. Juni 1956 (BGBl I 523) übernommen worden ist (vgl. Kommentar zum II. WoBauG von Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, Teilband I, Vorbem. zu § 12 II.WoBauG S. 261). Das Dauerwohnrecht des WoEigG unterscheidet sich aber jedenfalls von dem eigentumsähnlichen Dauerwohnrecht nach § 20 Abs. 4 I. WoBauG wesentlich dadurch, daß bei ersterem in der Regel ein Entgelt in Form wiederkehrender mietzinsähnlicher Leistungen (oder als einmaliger Betrag etwa zum Aufbau) vereinbart wird, während bei letzterem der Berechtigte wirtschaftlich einem Wohnungseigentümer insofern gleichgestellt sein muß (§ 20 Abs. 4 I. WoBauG, vgl. ferner Palandt aaO Anm. 4 a und 5 zu § 31 WoEigG S. 1933), als das Dauerwohnrecht langfristig bestellt ist, der Berechtigte die Wohnung selbst nutzt, also darin wohnt, und die Belastung für das Gebäude oder die Wohnung trägt. Der Berechtigte trägt dann die Belastung, wenn er die sich aus dem Kapitaldienst und aus der Bewirtschaftung ergebenden Verpflichtungen erfüllen muß. Ist er nur zur Entrichtung der Miete verpflichtet, ohne daß seine Zahlungen vereinbarungsgemäß auf den Kapitaldienst und die für die Bewirtschaftung entstehenden Kosten zu verrechnen sind, so trägt er nicht die Belastung für die Wohnung (vgl. Kommentar zum Wohnungsbaurecht von Fischer-Dieskau, Pergande, Schwender, Teilband IV Anm. 1 zu § 40 b der II. BVO vom 1. August 1963 idF vom 20. Dezember 1967 S. 390). Im früheren Kommentar von Fischer-Dieskau und Pergande zum I. WoBauG, 2. Aufl., Anm. 14 (S. 30) zu § 20 WoBauG ist zwar angenommen worden, daß eine Veräußerungsbeschränkung dem Eigentumsgedanken widerspräche. Diese Auffassung war jedoch, wie dort vermerkt ist, schon damals nicht unbestritten und wird in dem neuen Kommentar von Fischer-Dieskau (zu § 40 b der II. BVO) nicht mehr erwähnt. Der Umstand, daß der Nießbrauch nach § 1059 BGB im Gegensatz zu dem allgemeinen Dauerwohnrecht des WoEigG (vgl. § 33 Abs. 1) nicht übertragbar (und vererblich) ist, steht nach Auffassung des erkennenden Senats einer Gleichstellung mit dem eigentumsähnlichen Dauerwohnrecht nicht entgegen, zumal die Ausübung des Nießbrauchs einem anderen überlassen werden kann (§ 1059 BGB). Aus dem Begriff "eigentumsähnlich" ist zu entnehmen, daß dieses Dauerwohnrecht ein Recht darstellt, das naturgemäß inhaltlich geringer ist als das Eigentum an einer Wohnung. Wenn daher gefordert wird, daß der Dauerwohnberechtigte wirtschaftlich einem Wohnungseigentümer gleichstehen muß, so ergibt sich daraus, daß "die bürgerlich-rechtlichen Nuancen dieser Rechtsform nicht allzusehr betont werden dürfen" (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs vom 6. Mai 1960 VI 223/59 U und vom 11. September 1964 VI 56/63 U in BStBl Teil III 1960 S. 289, 290 bzw. 1965 S. 8 und 10). Das eigentumsähnliche Dauerwohnrecht im Sinne des § 20 Abs. 4 I. WoBauG erfordert somit nicht die Befugnis zur unbeschränkten Verfügung über den Sachwert. Es setzt im wesentlichen nur voraus, daß der Berechtigte die Wohnung selbst auf lange Dauer nutzt und die auf ihr ruhenden laufenden Lasten wie ein Eigentümer trägt. Demnach stellt sich der Nießbrauch, wenn er langfristig eingeräumt ist, als ein Rechtsinstitut dar, das dem eigentumsähnlichen Dauerwohnrecht noch näher steht als dem Dauerwohnrecht des WoEigG; denn der Nießbraucher, der nach §§ 1036 Abs. 1, 1030 Abs. 1 BGB zum Besitz und zur Nutzung der Sache berechtigt und nach § 1041 BGB zur Erhaltung der Sache verpflichtet ist, muß keinen Mietzins zahlen, sondern gemäß § 1047 BGB - wie ein Eigentümer - die auf der Sache ruhenden öffentlichen und diejenigen privatrechtlichen Lasten tragen, die zur Zeit der Bestellung des Nießbrauchs auf der Sache ruhten, insbesondere Hypotheken und Grundschuldzinsen. Darüber hinaus muß aber der Nießbraucher jedenfalls dann dem Inhaber eines eigentumsähnlichen Dauerwohnrechts gleichgestellt werden, wenn ihm, wie dies bei der Klägerin der Fall ist, ein lebenslängliches Wohn- und Nutznießungsrecht eingeräumt ist - hier wurde der Nießbrauch sogar bis zum Tode des Letztlebenden der 3 Berechtigten bestellt - und er die vorerwähnten Lasten (einschl. Hypothekenzinsen) trägt und ihm damit in Ansehung der Wohnung zu seinen Lebzeiten wirtschaftlich die Stellung eines Eigentümers eingeräumt ist. Auch wenn die Klägerin als Nießbraucherin mit der Sache nicht "schalten und walten" kann, wie sie will, (vgl. § 1037 BGB), so besitzt sie nach alledem doch eine Rechtsstellung, die der eines eigentumsähnlichen Dauerwohnrechts im Sinne des § 12 Abs. 9 DVO entspricht.
Der Umstand, daß die Klägerin einen Teil des Wohnrechts in der Weise nutzt, daß sie drei Räume an ihre Schwester vermietet hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. In § 12 Abs. 1 Satz 2 des II. WoBauG ist der Begriff "eigengenutzte" Eigentumswohnung enthalten. Als eine solche eigengenutzte Eigentumswohnung wird in der Literatur zum WoBauG eine Wohnung angesehen, die zum Bewohnen durch den Wohnungseigentümer oder seine Angehörigen bestimmt ist (vgl. Kommentar von Fischer-Dieskau aaO Anm. 2 b zu § 12 II. WoBauG und Anm. 4 zu § 40 II. BVO). Im vorliegenden Fall ist der Nießbrauch für die Klägerin, ihren Ehemann und einen weiteren Angehörigen bestellt worden. Damit war dieses Wohn- und Nutznießungsrecht für die Klägerin und ihre Angehörigen zur Eigennutzung "bestimmt" worden. Aus § 12 Abs. 9 DVO läßt sich nicht entnehmen, daß das dem Wohnrecht der Klägerin vergleichbare eigentumsähnliche Dauerwohnrecht dann nicht mehr als "eigengenutzt" angesehen werden darf, wenn Angehörige - etwa durch Kriegseinflüsse - verstorben sind und die Hinterbliebene - wie hier - nicht mehr die ganze Wohnung benötigt und sie deshalb z.T. an Dritte vermietet. Ebenso wie ein Familienheim seine Eigenschaft nicht dadurch verliert, daß die Familie des Eigentümers durch Tod, Scheidung oder Wegzug einzelner Familienangehöriger bis auf eine Person zusammengeschrumpft ist (vgl. Kommentar von Fischer-Dieskau aaO Anm. 10 zu § 7 II. WoBauG), muß auch im vorliegenden Falle das Wohnrecht als "eigengenutzt" gelten, solange einer der Nießbraucher die Wohnung - teilweise - noch bewohnt. Eine "Eigennutzung" des Hauses bzw. des Wohnrechts liegt daher auch dann noch vor, wenn die Klägerin nach der Verschollenheit ihres Ehemannes nur einen Teil des Wohnhauses in L Nr. ... selbst bewohnt und die übrigen Räume vermietet. Sonach ist die Klägerin als Nießbraucherin auf Lebenszeit wie die Inhaberin eines eigengenutzten eigentumsähnlichen Dauerwohnrechts im Sinne des § 12 Abs. 9 DVO zu behandeln. Dieser Begriff erfordert nicht die Inanspruchnahme des in § 12 Abs. 4 d, 6 DVO geregelten Rechts der Absetzung für die Abnutzung; denn § 12 Abs. 9 DVO bestimmt - im Gegensatz zu Abs. 10 - nur die entsprechende Anwendung der Absätze 1 und 2. Daraus ergibt sich, daß im Falle des Abs. 9 das Einkommen gemäß Abs. 2 nur nach der VO über die Bemessung des Nutzungswertes der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus vom 26. Januar 1937 zu errechnen ist, die grundsätzlich den Nutzungswert nach Hundertsätzen des Einheitswertes bemißt und daneben lediglich den Ansatz von Schuldzinsen gestattet (vgl. §§ 1, 2, Abs. 1 und 2 dieser VO und Littmann, "Das Einkommensteuerrecht" 1966 Anm. 20, 25 und 26 zu § 21 EStG). Daß bei Anwendung des § 12 Abs. 2 DVO Einnahmen aus der Vermietung von Leerräumen nicht besonders zu berücksichtigen sind, ist im Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 12. Januar 1962 (BVBl S. 14 Nr. 9) betont worden. Die von Littmann vertretene Auffassung, daß bei einem Nießbraucher eines Einfamilienhauses die Verordnung vom 26. Januar 1937 nicht anwendbar und daher der Nutzungswert nach der ortsüblichen Miete zu bemessen sei (vgl. aaO Anm. 20 am Ende), kann nur von steuerrechtlicher Bedeutung für die Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sein.
Ist sonach § 12 Abs. 1 DVO auf den Fall des Nießbrauchs in Form eines lebenslänglichen Wohn- und Nutznießungsrechts an einem Wohnhaus entsprechend anzuwenden, dann sind die Einkünfte der Klägerin aus Hausbesitz - hierzu gehören auch Einkünfte aus der Vermietung leeren Wohnraums (vgl. Rundschreiben des BMA vom 12. Januar 1962 in BVBl S. 14 Nr. 9) - bei der Feststellung der Ausgleichsrente außer Ansatz zu lassen, weil der Einheitswert des Hauses nur 2.900,- DM beträgt. Die Vorschrift des § 12 Abs. 11 Satz 2 DVO, die von der Untervermietung leeren Wohnraums handelt, kommt hier schon deshalb nicht zum Zuge, weil es sich bei der Vermietung von Räumen an die Schwester der Klägerin nicht um eine Untervermietung handelt; denn eine Untervermietung setzt zwangsläufig ein Hauptmietverhältnis voraus, das unstreitig nicht vorliegt (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 21. Januar 1969 - 9 RV 470/66 -).
Da die Entscheidungen der Vorinstanzen nach alledem im Ergebnis nicht zu beanstanden sind, mußte die Revision des Beklagten als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen