Leitsatz (redaktionell)
1. Eine ursprünglich zu hoch festgesetzte Minderung der Erwerbsfähigkeit bleibt solange die Grundlage für die in Folge einer Verschlimmerung neu zu ermittelnde Minderung der Erwerbsfähigkeit, bis sie förmlich beseitigt worden ist.
2. Im Wege der Neufeststellung nach BVG § 62 Abs 1 darf nicht die Bestandskraft des Bescheides beseitigt werden, soweit sie auf unverändert gebliebenen Anspruchsgrundlagen beruht. Die Neuregelung des Versorgungsanspruchs darf daher grundsätzlich nur "entsprechend" der Änderung der Verhältnisse erfolgen (vergleiche BSG 1963-03-22 11 RV 844/62 = BSGE 19, 15).
Diese Grundsätze gelten nicht nur in den Fällen, in denen in einem Bescheid mehrere Leiden als Schädigungsfolgen anerkannt worden sind und Rente gewährt wird, die Verhältnisse sich aber später nur bei einem dieser Leiden geändert haben und die Rente deshalb neu festgestellt wird (so der Fall in BSG 1963-03-22 11 RV 844/62 = BSGE 19, 15).
Normenkette
BVG § 62 Abs. 1 Fassung: 1960-06-27
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 19. November 1962 und des Sozialgerichts Oldenburg vom 10. August 1959 aufgehoben und der Beklagte in Abänderung der Bescheide vom 16. Juli 1957 und 23. Januar 1958 verurteilt, dem Kläger vom 1. Februar 1957 an eine Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 40 v. H. zu zahlen.
Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten sämtlicher Rechtszüge zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Dem Kläger waren bereits durch Bescheid des Versorgungsamts (VersorgA) B vom 30. Oktober 1930 folgende Dienstbeschädigungen, die durch einen im Juli 1925 im aktiven Wehrdienst erlittenen Unfall hervorgerufen worden waren, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v. H. anerkannt worden:
1. Alter Quetschungsbruch (Kompressionsfraktur) des 11. und 12. Brustwirbelkörpers, wodurch das Bücken und Gehen in mäßigem Grade erschwert wird;
2. seelisch bedingte nervöse Störungen, die sich hauptsächlich in Stottern und gesteigerter Erregbarkeit äußern.
Ein Erhöhungsantrag des Klägers wurde durch Bescheid des VersorgA B vom 9. September 1933 mit der Begründung abgelehnt, daß eine Verschlimmerung des Quetschungsbruchs nicht eingetreten sei und die seelisch bedingten nervösen Störungen inzwischen abgeklungen seien.
Durch Bescheid vom 24. Mai 1949 gewährte die Landesversicherungsanstalt O dem Kläger eine Versorgungsrente nach einer MdE um 30 v. H. wegen "Verkrümmung der Wirbelsäule nach Bruch der unteren Brustwirbelsäule durch Unfall". Diese Schädigungsfolge und die MdE übernahm das VersorgA O in den Umanerkennungsbescheid vom 3. Februar 1952. Im Februar 1957 stellte der Kläger einen Antrag auf Rentenerhöhung wegen Verschlimmerung des anerkannten Leidens. Dieser wurde durch Bescheid des VersorgA Verden vom 16. Juli 1957 mit der Begründung abgelehnt, daß eine Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen nicht eingetreten sei und die geklagten Rückgratschmerzen die Folge von umformenden Veränderungen im Bereich der gesamten Wirbelsäule seien, die mit dem Unfall im Jahre 1925 in keinem Zusammenhang stünden. Der Widerspruch gegen diesen Bescheid hatte keinen Erfolg (Entscheidung des LVersorgA Niedersachsen vom 23. Januar 1958).
Am 27. März 1958 veranlaßte das VersorgA eine weitere Nachuntersuchung durch den Facharzt für Orthopädie Dr. F der ausführte, daß die jetzt geklagten Schmerzen für unfallbedingte Spätveränderungen als statische Folgen der Wirbelkörperbrüche sprächen. Die im Bereich der unteren Brustwirbelsäule und im Bereich der Lendenwirbelsäule bestehenden und zum Teil auch stark ausgeprägten deformierenden Wirbelveränderungen seien reparative Vorgänge als Antwort auf die Wirbelsäulenverkrümmung im Sinne eines Stabilisierungsversuches ( Baastrup'sche Affektion), die in ihrer Gesamtheit mit Sicherheit teils unmittelbar, teils als Spätveränderungen unfallbedingt seien. Eine wesentliche Verschlimmerung des Versorgungsleidens selbst sei hinsichtlich der Beschwerden und des Befundes nicht eingetreten.
In seinem Urteil vom 10. August 1959 hat sich das Sozialgericht (SG) Oldenburg den bisher vorliegenden Gutachten und ärztlichen Stellungnahmen angeschlossen und die Klage mit der Begründung abgewiesen, daß eine wesentliche Änderung der Verhältnisse i. S. des § 62 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) nicht nachweisbar sei.
Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) ein Gutachten des Prof. Dr. J vom 23. Mai 1962 eingeholt. Dieser Sachverständige, der insbesondere die Röntgenbilder aus dem Jahre 1930 mit den Röntgenaufnahmen aus den Jahren 1957 und 1962 verglichen hat, ist zu dem Ergebnis gekommen, daß zwar gewisse mittelbare Folgen und Spätumwandlungen i. S. einer Verfestigung und Abstützung der Bandscheibenteile vorhanden seien, die keine Verschlimmerung des Unfalleidens darstellten. Als Folge dieser Stabilisierung habe sich jedoch eine Verkrümmung sowohl nach der Seite wie auch nach rückwärts (sogenannte Kyphoskoliose) eingestellt, die erfahrungsgemäß aus statischen Gründen Gegenkrümmungen der weiteren Wirbelsäulenteile nach sich ziehe. Dies sei auch bei dem Kläger in der Weise eingetreten, daß sich die breiten Dornfortsätze der Lendenwirbelsäule untereinander berührten und teilweise aufeinander rieben. Diese nach Baastrup genannte Krankheit sei eine Spätfolge des anerkannten Leidens, die berücksichtigt werden müsse. Gegenüber den früheren Untersuchungsbefunden sei seit dem Jahre 1957 zweifellos eine Verschlimmerung um 10 v. H. eingetreten. Da aber die bisher anerkannt gewesene MdE um 30 v. H. zu hoch gegriffen sei, weil sie nach den neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft nur 20 v. H. betragen habe, ergebe sich heute unter Berücksichtigung der eingetretenen Verschlimmerung eine MdE um 30 v. H. Wenn die versicherungsrechtliche Beurteilung allerdings von dem früher festgesetzten Grad der MdE auszugehen habe, dann müsse die Verschlimmerung um 10 v. H. der früher festgesetzten MdE um 30 v. H. hinzugerechnet werden.
In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 19. November 1962 hat der Beklagte ein Anerkenntnis dahin abgegeben, daß bei dem Kläger folgende Schädigungsfolgen vorliegen: Verbiegung im Bereich der mittleren Halswirbelsäule mit chronischen Verformungen an den Wirbelbogengelenken und Einengung der Zwischenwirbellöcher und Druck auf austretende Nervenstämme sowie Verbiegung und Verkrümmung der unteren Brustwirbelsäule und der Lendenwirbelsäule mit Baastrup'schen Veränderungen an der letzten, insgesamt nach mit Blockbildung knöchern verheiltem Bruch des 10. bis 12. Brustwirbels. Der Kläger hat dieses Anerkenntnis angenommen und erklärt, daß er in diesem Verfahren keine weiteren Schädigungsfolgen mehr geltend mache. Er hat lediglich noch beantragt, den Beklagten zur Zahlung einer Beschädigtenrente nach einer MdE um 40 v. H. seit dem 1. Februar 1957 zu verurteilen.
Durch Urteil vom 19. November 1962 hat das LSG Niedersachsen die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Oldenburg vom 10. August 1959 mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß in Abänderung des Urteils hinsichtlich der Kostenentscheidung der Beklagte dem Kläger die Hälfte der Kosten zu erstatten hat; es hat die Revision zugelassen. Das LSG hat in den Entscheidungsgründen, auf die Bezug genommen wird, die Rechtsauffassung vertreten, daß bei einer wesentlichen Änderung der anerkannten Schädigungsfolge die nunmehr bestehende Gesamt-MdE ohne Rücksicht auf den Grad der bei der Umanerkennung angenommenen MdE neu einzustufen sei. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 15. Dezember 1961 (SozR BVG § 30 Bl. Ca 10 Nr. 13) betreffe einen anderen Sachverhalt, weil in dem dort entschiedenen Falle zu der anerkannten Schädigungsfolge, die nicht im Streit stand, ein neues Leiden hinzugetreten war. Im vorliegenden Falle handle es sich dagegen um eine Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolge, durch die der Umanerkennungsbescheid vom 3. Februar 1952 nach § 62 Abs. 1 BVG nachträglich rechtswidrig geworden sei. Hiervon werde auch die bisherige Bewertung der MdE betroffen, so daß die durch den jetzigen Zustand der anerkannten Schädigungsfolge bedingte MdE in vollem Umfange neu einzustufen sei. Beim Kläger sei die MdE für die ursprünglich anerkannte Schädigungsfolge und deren inzwischen eingetretene Änderung nach dem Gutachten des Prof. Dr. J mit 20 v. H. zu bewerten, die MdE durch die hinzukommenden Folgen des Wirbelbruchs an der Hals- und Lendenwirbelsäule betrage 10 v. H., die MdE für sämtliche Schädigungsfolgen somit insgesamt 30 v. H. Gegen dieses am 11. Dezember 1962 zugestellte Urteil des LSG hat der Kläger mit Schriftsatz vom 14. Dezember 1962, beim BSG eingegangen an demselben Tage, Revision eingelegt und beantragt,
unter Aufhebung der Urteile des LSG Niedersachsen vom 19. November 1962 und des SG Oldenburg vom 10. August 1959 sowie der Bescheide vom 23. Januar 1958 und 16. Juli 1957 den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für die im angenommenen Anerkenntnis aufgeführten Schädigungsfolgen vom 1. Februar 1957 an eine Beschädigtenrente nach einer MdE um 40 v. H. zu zahlen.
Zur Begründung der Revision trägt der Kläger insbesondere vor, es bestehe im vorliegenden Falle kein Zweifel daran, daß im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 16. Juli 1957 ein gleichbleibender Befund gegenüber dem der Erstanerkennung vorgelegen habe. Bei gleicher Befunderhebung könne jedoch auch dann, wenn der ursprünglich festgesetzte Grad der MdE als zu hoch angesehen werden müsse, eine Berichtigung des Grades der MdE über § 62 Abs. 1 BVG nicht erfolgen. Andernfalls wäre der auf diese Vorschrift gestützte Bescheid vom 16. Juli 1957 als "verkappter Berichtigungsbescheid" anzusehen. Zur Berichtigung der MdE habe die Versorgungsverwaltung vier Jahre nach Inkrafttreten des BVG Gelegenheit durch Erlaß eines auf § 86 Abs. 3 BVG gestützten Bescheides gehabt. Von dieser Möglichkeit sei kein Gebrauch gemacht worden. Dieses Versäumnis nunmehr über einen Bescheid nach § 62 Abs. 1 BVG nachzuholen, sei rechtlich unzulässig. Auch bei der Verschlimmerung eines als Schädigungsfolge anerkannten Leidens dürfe die bisher festgesetzte Höhe der MdE nicht wegen einer ursprünglich zu hohen Einstufung eine Nachprüfung und Herabsetzung erfahren.
Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision als unbegründet; er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die durch Zulassung statthafte Revision des Klägers (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG); sie ist daher zulässig. Die Revision ist auch begründet.
Der Kläger rügt mit der Revision, ohne die verletzte Rechtsnorm ausdrücklich zu bezeichnen, eine Verletzung des § 62 BVG mit dem Vorbringen, das LSG habe zu Unrecht die Rechtsauffassung vertreten, daß bei einer wesentlichen Änderung in den Verhältnissen hinsichtlich der anerkannten Schädigungsfolge die nunmehr bestehende gesamte MdE ohne Rücksicht auf den Grad der in dem Umanerkennungsbescheid vom 3. Februar 1952 festgesetzten MdE neu einzustufen sei. Das LSG hat seiner Entscheidung offenbar den § 62 Abs. 1 BVG i. d. F. vor dem Ersten Neuordnungsgesetz (1. NOG) vom 27. Juni 1960 (aF) zugrunde gelegt, wie aus der Wiedergabe dieser Vorschrift in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils hervorgeht. Es hat also die Vorschrift des § 62 Abs. 1 BVG in der Fassung zugrunde gelegt, die gegolten hat, als die Versorgungsverwaltung den angefochtenen Bescheid vom 16. Juli 1957 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 1958 erlassen hat. In der Zeit zwischen dem Erlaß der Verwaltungsbescheide und der angefochtenen Entscheidung des LSG vom 19. November 1962 ist § 62 Abs. 1 BVG allerdings durch das 1. NOG geändert worden. Nach § 62 Abs. 1 BVG aF wurden die Versorgungsbezüge neu festgestellt, wenn in den Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eintrat. Nach § 62 Abs. 1 BVG nF ist der Anspruch "entsprechend" neu festzustellen, wenn in den Verhältnissen, die für die Feststellung des Anspruchs auf Versorgung maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eintritt. Die neue Vorschrift ist mit Wirkung vom 1. Juni 1960 in Kraft getreten (Art. IV § 4 des 1. NOG). Da hier nur die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 16. Juli 1957 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 1958 nachzuprüfen ist und die Änderung des § 62 Abs. 1 BVG die Gestaltung des Versorgungsrechtsverhältnisses durch diese Verwaltungsakte nicht berührt hat, ist § 62 Abs. 1 BVG aF anzuwenden (vgl. auch BSG 19, 77, 78).
Wie das BSG bereits entschieden hat (BSG 19, 15, 16), kommt es auf die Änderung des Wortlauts des § 62 Abs. 1 BVG durch das 1. NOG nicht an, da auch nach § 62 Abs. 1 BVG aF die Rechtslage nicht anders zu beurteilen ist. Das bedeutet, daß bei Anwendung des § 62 Abs. 1 BVG in der alten und neuen Fassung der Anspruch "entsprechend" der Änderung der Verhältnisse neu festzustellen ist, daß also eine uneingeschränkte Neufeststellung, wie sie der Beklagte vorgenommen und das LSG für rechtmäßig angesehen hat, nicht gerechtfertigt ist. Es ist dem LSG allerdings zuzugeben, daß die in dem angefochtenen Urteil angeführte Entscheidung des BSG vom 15. Dezember 1961 (SozR BVG § 30 Bl. Ca 10 Nr. 13) einen anderen Sachverhalt betrifft und somit im vorliegenden Falle keine Berücksichtigung finden kann. In dem dort entschiedenen Falle waren mehrere Leiden als Schädigungsfolge anerkannt, zu denen ein neues Leiden hinzugetreten war, ohne daß sich in den bereits anerkannten Leiden etwas geändert hatte. Im vorliegenden Falle handelt es sich dagegen um die Verschlimmerung des im Umanerkennungsbescheid vom 3. Februar 1952 bei einer MdE um 30 v. H. anerkannten Wirbelsäulenleidens. Das LSG hat in dem angefochtenen Urteil eine Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolge und darüber hinaus noch hinzukommende Wirbelbruchfolgen an der Hals- und Lendenwirbelsäule als Schädigungsfolgen festgestellt. Das Berufungsgericht, das sich insoweit dem Gutachten des Prof. Dr. J vom 23. Mai 1962 angeschlossen hat, hat ferner festgestellt, daß die MdE in dem Umanerkennungsbescheid vom 3. Februar 1952 zu hoch festgesetzt worden war. Der Kläger hat diese tatsächlichen Feststellungen in der Revisionsinstanz nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffen, so daß der Senat von diesem Sachverhalt auszugehen hat (§ 163 SGG).
Zwischen den Parteien ist hiernach lediglich streitig, ob bei einer Verschlimmerung der Verhältnisse, die für die Anerkennung einer Schädigungsfolge maßgebend gewesen sind, bei der Neufeststellung der Versorgungsbezüge die in dem Umanerkennungsbescheid vom 3. Februar 1952 festgesetzte MdE um 30 v. H. als Grundlage für diese Neufeststellung auch dann zu nehmen ist, wenn ursprünglich die MdE in dem Umanerkennungsbescheid zu hoch festgesetzt worden war. Durch § 62 Abs. 1 BVG alter und neuer Fassung wird die Versorgungsbehörde ermächtigt, einen bindend gewordenen Bescheid, der infolge wesentlicher Änderung der Verhältnisse nachträglich rechtswidrig geworden ist, ungeachtet des in § 77 SGG und § 24 Verwaltungsverfahrensgesetz (VerwVG) normierten Grundsatzes der Bindung an unanfechtbar gewordene Bescheide zurückzunehmen. Diese Ermächtigung enthält jedoch nicht ein Recht der Versorgungsverwaltung, den Versorgungsanspruch uneingeschränkt neu zu regeln. Vielmehr hängt das Recht zur Neuregelung davon ab, inwieweit sich infolge Änderung der Verhältnisse eine neue Sachlage ergeben hat, die eine andere rechtliche Beurteilung rechtfertigt. Es darf somit im Wege der Neufeststellung nach § 62 Abs. 1 BVG nicht die "Bestandskraft" des Bescheides beseitigt werden, soweit sie auf unverändert gebliebenen Anspruchsunterlagen beruht. Die Neuregelung des Versorgungsanspruchs darf daher grundsätzlich nur "entsprechend" der Änderung der Verhältnisse erfolgen (vgl. BSG 19, 15, 16 = SozR BVG § 62 Bl. Ca 19 Nr. 21).
Diese vorstehend zu § 62 BVG entwickelten Grundsätze gelten nicht nur in den Fällen, in denen in einem Bescheid mehrere Leiden als Schädigungsfolgen anerkannt worden sind und Rente gewährt wird, die Verhältnisse sich aber später nur bei einem dieser Leiden geändert haben und die Rente deshalb neu festgestellt wird (BSG aaO). Vielmehr muß die Versorgungsverwaltung die Höhe der MdE in einem bindend gewordenen Bescheid auch dann berücksichtigen, wenn sie damals zu hoch festgesetzt worden ist; sie darf in einem solchen Falle bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse die Versorgungsbezüge nur in dem Umfang neu feststellen, in dem sich die Verhältnisse wesentlich geändert haben. Hierbei ist es ohne rechtliche Bedeutung, ob mehrere Leiden anerkannt waren, von denen sich nur ein Leiden geändert hat, oder ob sich die anerkannte Schädigungsfolge - wie im vorliegenden Falle - verschlimmert hat (vgl. BSG 19, 77 = SozR BVG § 62 Bl. Ca 20 Nr. 23). Um die nunmehr maßgebende MdE zu ermitteln, ist somit die bisher anerkannt gewesene MdE zugrunde zu legen und zu prüfen, inwieweit sich die durch die wesentliche Änderung nunmehr hinzugekommenen oder weggefallenen Schädigungsfolgen auf die Funktionstüchtigkeit des Körpers und die gesamte Erwerbsfähigkeit auswirken. Dabei muß auch eine ursprünglich zu hoch festgesetzte MdE berücksichtigt werden; sie muß solange die Grundlage für die neu zu ermittelnde MdE bleiben, bis sie förmlich berichtigt worden ist (BSG aaO).
Das LSG hat sich für seine gegenteilige Ansicht auf die Rechtsprechung des Reichsversorgungsgerichts - RVG - (RVG 5, 24) berufen. Es hat hierbei jedoch übersehen, daß das RVG in der hier zu entscheidenden Rechtsfrage keine einheitliche Auffassung vertreten hat. Es hat zwar in RVG 5, 24 zu § 57 Abs. 1 RVG, der dem § 62 Abs. 1 BVG aF entspricht, die Auffassung vertreten, § 57 Abs. 1 RVG rechtfertige im Falle einer wesentlichen Änderung die Neufeststellung der Versorgungsbezüge "ohne Rücksicht auf das Maß der Änderung", weil diese Vorschrift im Gegensatz zu § 323 der Zivilprozeßordnung (ZPO) keine Regelung dahin enthalte, daß der neue Zustand nur "entsprechend" zu berücksichtigen sei. Das RVG hat jedoch in einer anderen Entscheidung (RVG 5, 36) die entgegengesetzte Auffassung vertreten und ausgeführt, § 57 Abs. 1 RVG schließe sich sinngemäß an die Vorschriften des § 323 ZPO und § 608 der Reichsversicherungsordnung (RVO) an, so daß "gelegentlich eines auf wesentliche Veränderung der Verhältnisse gestützten Verfahrens nicht der ganze Streitstoff aufzurollen und alles wieder in Frage zu stellen ist, was durch die frühere rechtskräftige Feststellung als für den Entschädigungsanspruch maßgebend anerkannt worden ist.
Die frühere Feststellung darf vielmehr nur in derjenigen Richtung abgeändert werden, in der sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben" (vgl. hierzu auch BSG 19, 15, 17). In der Rechtsprechung des RVG kann daher die vom LSG vertretene Auffassung keine hinreichende Stütze finden. Auch der Hinweis des Berufungsgerichts auf die Entscheidungen des erkennenden Senats in BSG 12, 168 und 13, 20 kann seine Rechtsauffassung in dem vorliegenden Falle nicht stützen. In dem in BSG 12, 168 entschiedenen Falle handelte es sich um die Rechtsfrage, ob die Versorgungsbehörde bei der Neufeststellung die gesamten für die Höhe der Ausgleichsrente maßgebenden Tatsachen überprüfen und gegebenenfalls anders beurteilen darf als im Erstbescheid. In dem zweiten Falle (BSG 13, 20) ist die Frage entschieden worden, ob bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse infolge einer Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen der Grad der MdE auch wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht werden kann. Diese beiden Fälle weisen Besonderheiten auf, die im vorliegenden Falle nicht in Betracht kommen. Es kann daher in diesem Zusammenhang offenbleiben, ob es im Anwendungsbereich des § 62 Abs. 1 BVG Ausnahmefälle gibt, in denen die Neufeststellung in gewissem Umfang nicht darauf beschränkt ist, inwieweit sich die Verhältnisse gegenüber der früheren Feststellung wesentlich geändert haben (vgl. hierzu auch BSG 19, 15, 18).
Das LSG hat somit den § 62 BVG dadurch verletzt, daß es im vorliegenden Falle bei der Bewertung der durch die von ihm festgestellte Verschlimmerung bedingten MdE die in dem Umanerkennungsbescheid vom 3. Februar 1952 anerkannte MdE um 30 v. H. der Neufeststellung der Versorgungsbezüge nicht zugrunde gelegt hat. Das angefochtene Urteil, die Entscheidung des SG und die angefochtenen Verwaltungsbescheide waren daher aufzuheben.
Der Senat konnte in der Sache selbst entscheiden, weil die tatsächlichen Feststellungen des LSG hierzu ausreichen. Der Kläger hat mit der Revision lediglich beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihm für die in dem angenommenen Anerkenntnis aufgeführten Schädigungsfolgen vom 1. Februar 1957 an eine Beschädigtenrente nach einer MdE um 40 v. H. zu zahlen. Das LSG hat festgestellt, daß durch die hinzukommenden Wirbelbruchfolgen an der Hals- und Lendenwirbelsäule eine MdE um 10 v. H. bedingt wird. Diese Feststellung reicht aus, um dem Kläger die begehrte Versorgungsrente nach einer MdE um 40 v. H. zu gewähren, da - wie oben dargelegt - von der im Umanerkennungsbescheid vom 3. Februar 1952 festgesetzten MdE um 30 v. H. auszugehen und diese MdE in dem Umfang der eingetretenen und vom LSG festgestellten Verschlimmerung um 10 v. H. zu erhöhen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen