Leitsatz (amtlich)

1. Sinn des AFG § 40 Abs 1 und des A Reha § 16 Abs 1 S 2 (Fassung: 1970-07-02) ist es, den Eltern des Auszubildenden den eigenen angemessenen Unterhalt zu belassen.

2. Bei einem Freibetrag für Eltern, der für alle Fälle in einer starr festgesetzten Geldsumme besteht, kann im Einzelfall (zB bei Familien mit mehreren Kindern, darunter Behinderte) dieses Ziel verfehlt werden.

3. Bei Behinderten ist auch ein besonderer Betrag für ihre Pflege zu berücksichtigen.

4. A Reha § 46 Abs 2 S 1 (Fassung: 1970-07-02) ist nicht dahin zu verstehen, daß die Beklagte nach Stellung des Förderungsantrags veränderten Verhältnissen nicht mehr Rechnung zu tragen braucht.

 

Orientierungssatz

Im Rahmen der Berücksichtigung von Unterhaltsverpflichtungen und -berechtigungen bei der Ausbildung von Behinderten ist der Begriff "offenkundig ungerechtfertigt" (RehaAnO § 16 Abs 1 S 2 F: 1970-07-02) dahin auszufüllen, daß die individuellen Verhältnisse des Einzelfalles zu beachten sind. Das bedeutet, daß mit höheren Einkünften des Unterhaltsverpflichteten der Behinderte durchaus auf seinen Unterhaltsanspruch verwiesen werden darf, wenn dadurch die Belastung im übrigen nicht unverhältnismäßig größer wird, als dies für den Unterhaltsverpflichteten für einen nicht behinderten Auszubildenden der Fall wäre. Das schließt allerdings nicht die Möglichkeit für die Bundesanstalt für Arbeit aus, eine gewisse Obergrenze - zur Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens - festzusetzen; damit kann sie den ihr gegebenen Beurteilungsspielraum zwar ausfüllen, dies allerdings unter dem Vorbehalt, daß jene Obergrenze dort nicht eingreift, wo im gegebenen Einzelfall dadurch mit der Anrechnung weiteren Einkommens dem Unterhaltsverpflichteten eine übermäßige Belastung zugemutet wird.

 

Normenkette

AFG § 40 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, § 56 Fassung: 1969-06-25, § 58 Fassung: 1969-06-25; RehaAnO § 16 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1970-07-02, § 46 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1970-07-02; BGB § 1601 Fassung: 1896-08-18, § 1603 Fassung: 1961-08-11; BVG § 35 Fassung: 1974-08-23; RegelBedV 1974 Fassung: 1974-03-15

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 22.03.1976; Aktenzeichen L 1 Ar 54/75)

SG Koblenz (Entscheidung vom 13.08.1975; Aktenzeichen S 4 Ar 18/75)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. März 1976 aufgehoben, soweit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 13. August 1975 zurückgewiesen worden ist.

In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger bei der Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) das über den Betrag von 4.000,- DM hinausgehende Einkommen seines Vaters anrechnen darf.

Der 1958 geborene Kläger ist querschnittsgelähmt und leidet an einer Blasen- und Mastdarminkontinenz. Seine linke Niere ist entfernt worden. Wegen einer Stauung der rechten Niere mußte eine künstliche Blase angelegt werden. Der Kläger wohnt bei seinen Eltern; seine Mutter betreut ihn pflegerisch. Er hat vier in den Jahren 1959, 1960, 1963 und 1964 geborene Geschwister. Sein Vater ist Pfarrer bei den ... in .... Der Vater bezog im August 1974 ein Gehalt von brutto 4.333,36 DM und von netto 3.627,08 DM. Außerdem erhielt er Kindergeld in Höhe von 215,- DM monatlich. Für seine Dienstwohnung hatte er 475,- DM monatlich zu zahlen. Die Mutter des Klägers ist Eigentümerin eines Mehrfamilienhauses, in dem sie 5 Wohnungen vermietet hat. Die Mieteinnahmen beliefen sich auf 775,83 DM monatlich. Die laufenden Belastungen des Hausbesitzes ohne Berücksichtigung eines Erhaltungsaufwandes betrugen im Monat 381,03 DM.

Im Jahre 1973 brachte die Mutter des Klägers für Erhaltungsarbeiten 507,61 DM auf, im Jahre 1974 1.515,90 DM, wovon der größte Teil im November 1974 anfiel und im Jahre 1975 1.206,09 DM.

Auf den Antrag des Klägers vom 15. August 1974 bewilligte die Beklagte dem Kläger BAB für die Teilnahme an einem Grundausbildungslehrgang bei den Diakonie-Anstalten in der Zeit vom 1. September 1974 bis 31. August 1975.

Die Beihilfe in Höhe von 886,- DM monatlich berechnete die Beklagte wie folgt: Bedarf für den Lebensunterhalt 305,- DM, 15,- DM für Lernmittel, 15,- DM Arbeitskleidung und 737,20 DM Ausbildungsaufwand. Davon zog die Beklagte das anzurechnende Einkommen der Eltern mit 186,88 DM ab. Das anzurechnende Einkommen ergab sich aus dem Nettogehalt des Vaters für den Monat August 1974 zuzüglich Kindergeld und zuzüglich Mieteinnahmen in Höhe von 344,80 DM, abzüglich eines Freibetrages in Höhe von insgesamt 4.000,- DM. Die Mieteinnahmen in Höhe von 344,80 DM ergaben sich aus den Mietzahlungen abzüglich der laufenden Belastungen ohne Kosten für Erhaltungsaufwand und abzüglich einer Pauschale von 50,- DM für Erhaltungsaufwand (Bescheid vom 18. Oktober 1974; Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 1975).

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 13. August 1975). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung des Klägers mit Urteil vom 22. März 1976 das Urteil des SG und die Bescheide der Beklagten abgeändert und die Beklagte verurteilt, bei der Bemessung der dem Kläger zu gewährenden BAB weitere 76,- DM aus den monatlichen Einkommen der Eltern unberücksichtigt zu lassen und um diesen Betrag die BAB des Klägers zu erhöhen. Im übrigen hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Maßgeblich sei die Regelung des § 16 Abs 1 Satz 2 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter (AReha). Danach werde bei minderjährigen Behinderten das Einkommen der zum Unterhalt Verpflichteten dann angerechnet, wenn die Nichtanrechnung offenkundig ungerechtfertigt wäre. Die Beklagte wende diese Bestimmung auf Grund einer vorläufigen Durchführungsanweisung ihres Präsidenten, die am 3. August 1972 neu gefaßt worden sei, dahin an, daß die Voraussetzungen für eine Anrechnung nach § 16 Abs 1 Satz 2 AReha nur vorlägen, wenn und insoweit das Einkommen der Eltern 4.000,- DM im Monat übersteige (DA 16.11; 16.12 Abs 1 und Abs 2). Hiermit fülle die Beklagte im Rahmen einer Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffes "offenkundig ungerechtfertigt" einen ihr eingeräumten Beurteilungsspielraum aus. Sie halte sich damit im Falle des Klägers im Rahmen des Gesetzes. Zwar sei es richtig, daß die Beklagte an der Grenze von 4.000,- DM ohne Rücksicht auf die Größe der Familie, die Schwere der Behinderung und die inflationäre Entwicklung festhalte. Eine solche starre Grenze könne auch nicht in allen Fällen zu gerechten Ergebnissen führen. Ungereimtheiten ergäben sich, wenn man die Verhältnisse verschieden großer Familien, bei denen das Einkommen der Eltern über der Grenze läge, miteinander vergleiche, oder wenn man ältere Grenzfälle neueren gegenüberstelle. Die Grenze sei aber so hoch angesetzt, daß ihre Anwendung im Falle des Klägers unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse seiner Familie und der allgemeinen Entwicklung der Einkommensverhältnisse sowie der Kaufkraft in den Jahren 1974 und 1975 nicht zu beanstanden sei. Die Nichtanrechnung des 4.000,- DM übersteigenden Einkommens der Eltern des Klägers wäre offenkundig ungerechtfertigt. Das mache nämlich ein Vergleich mit der Besoldung im öffentlichen Dienst deutlich. Es könne bei einem solchen Vergleich ohne Bedenken davon ausgegangen werden, daß ein Beamter des gehobenen Dienstes in der letzten Dienstaltersstufe der Besoldungsgruppe A 11 (Amtmann) im Verhältnis zu den allgemeinen Einkommensverhältnissen einen guten Lebensstandard erreicht habe. Dieser Beamte beziehe bei fünf zu berücksichtigenden Kindern neben dem steuerfreien Kindergeld ein Gehalt bestehend aus Grundgehalt und Ortszuschlag von zusammen nur etwa 3.100,- DM brutto monatlich. Auch wenn man berücksichtige, daß die erhöhten Bedürfnisse kinderreicher Familien durch höheren Ortszuschlag und Kindergeld nicht ausgeglichen würden und ein behindertes Kind auch besondere wirtschaftliche Belastungen für die Familie verursache, erscheine ein anrechnungsfreier Betrag von 4.000,- DM netto monatlich im Falle des Klägers angemessen.

Hieraus ergebe sich zwar, daß die Grenze für viele Fälle kleinerer Familien, zumal in Jahren mit einer höheren Kaufkraft des Geldes, sehr großzügig, vielleicht zu großzügig bemessen erscheine und in Fällen mit noch mehr Geschwistern als beim Kläger und weiterem Fortschreiten der inflationären Entwicklung nicht mehr aufrecht erhalten werden könne. Doch darüber sei hier nicht zu entscheiden. Wenn in anderen Fällen aufgrund der Durchführungsanweisung BAB gewährt werde, die höher liege, als es der Regelung in 16 Abs 1 Satz 2 AReha entspreche, so könne der Kläger daraus keine Rechte für sich herleiten. Es handele sich nicht um eine Ermessensentscheidung der Beklagten, bei der mit Rücksicht auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Verwaltung eine Selbstbindung der Verwaltung eintreten könnte, sondern um die Ausfüllung eines unbestimmten Rechtsbegriffs.

Die Beklagte habe aber das Einkommen der Eltern des Klägers zu hoch angesetzt, und zwar das aus dem Hausbesitz der Mutter des Klägers erzielte Einkommen. Nach § 22 Abs 1 AReha seien als Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert anzusehen nach Abzug der Steuern, der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Beklagten oder entsprechende Aufwendungen zur sozialen Sicherung in angemessenem Umfang. Diese Bestimmung sei auf Einkommen bei unselbständig Erwerbstätigen zugeschnitten. Als Einkommen müßten auch Einkünfte aus der Vermietung von Wohnraum angesehen werden, aber nur vermindert um die Belastungen des Hausbesitzes und Aufwendungen, die zur weiteren Erzielung der Mieteinnahmen wirtschaftlich vernünftig aufgewendet würden. Es sei nicht rechtens, die Mieteinnahmen zwar vermindert um die laufenden Belastungen, bezüglich anderer Aufwendungen, die zum Zwecke der weiteren Erzielung von Mieteinnahmen gemacht würden, aber nur vermindert um eine Pauschale von 50,- DM monatlich für Erhaltungsaufwand zu mindern, wenn tatsächlich ein wesentlich höherer Aufwand sachgerecht aufgebracht worden sei. Es werde der Regelung des § 16 Abs 1 Satz 2 AReha nicht gerecht, wenn Beträge aus Mieteinnahmen als Einkommen berücksichtigt würden, obwohl sie wirtschaftlich vernünftig zum Zweck der weiteren Erzielung dieser Einnahme wieder ausgegeben werden müßten.

Es könne nicht "offenkundig ungerechtfertigt" sein, diese Beträge bei der Bemessung von BAB unberücksichtigt zu lassen, denn sie ständen für den Unterhalt der Familie nicht zur Verfügung.

Nach § 46 Abs 2 AReha seien bei der Bewilligung von BAB die wirtschaftlichen Verhältnisse maßgebend, die zur Zeit der Antragstellung nachweisbar seien. Im Falle des Klägers komme es also auf die wirtschaftlichen Verhältnisse im August 1974 an. Bestimmend für die wirtschaftlichen Verhältnisse zu einem bestimmten Zeitpunkt könnten aber auch solche Aufwendungen sein, die vor oder nach diesem Zeitpunkt gemacht werden mußten. Sie könnten sich auf den maßgeblichen Zeitpunkt noch oder schon auswirken, weil sie noch die Höhe der zur Verfügung stehenden Beträge beeinträchtigten bzw. alsbald voraussehbar schon beeinflußten. Die von dem Kläger geltend gemachten Aufwendungen seiner Eltern für das Miethaus seien z. Zt. der Antragstellung nachweisbar gewesen. Sie machten 76,- DM mehr aus, als die Beklagte auf Grund der Pauschale berücksichtigt habe. Entsprechend vermindere sich das anzurechnende Einkommen der Eltern des Klägers, und damit erhöhe sich die dem Kläger zu gewährende BAB. Das gelte jedenfalls im vorliegenden Fall, weil über die Höhe der BAB nur für einen Zeitraum von 12 Monaten zu entscheiden sei.

Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der Art. 3, 6, 20 Grundgesetz (GG) und des § 39 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) iVm § 16 Abs 1 der AReha und Ziff 16.12 der Dienstanweisung zur AReha. Mit dem in Art. 20 GG normierten Sozialstaatsgrundsatz sei es nicht in Übereinstimmung zu bringen, wenn die Beklagte bei der Beurteilung, ob einem Behinderten das Einkommen seiner Eltern anzurechnen sei, an der Grenze von 4.000,- DM festhalte ohne Rücksicht auf die Größe der Familie, die Schwere der Behinderung und die inflationäre Entwicklung. Dieses Verhalten der Beklagten stelle auch eine Verletzung der Art. 3 und 6 GG dar.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 1. September 1974 bis zum 31. August 1975 Berufsausbildungsbeihilfe ohne Berücksichtigung anzurechnenden Einkommens seiner Eltern zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist in dem Sinne begründet, daß das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist, soweit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückgewiesen worden ist. Aufgrund der vom LSG festgestellten Tatsachen kann noch nicht abschließend entschieden werden, ob der Anspruch des Klägers auf BAB in voller Höhe besteht.

Der Kläger ist Behinderter iS der §§ 56 ff AFG, dh, er ist infolge einer von der normalen abweichenden körperlichen Verfassung in seiner beruflichen Sicherheit bedroht (BSG SozR 4100 § 56 Nr 1; § 2 Abs 1 AReha vom 2. Juli 1970, ANBA 1970, 637). Nach § 58 Abs 1 AFG gelten auch für Behinderte die allgemein anwendbaren Vorschriften über die berufliche Bildung. Anzuwenden ist § 58 AFG für die Zeit vor dem 1. Oktober 1974 in der ursprünglichen Fassung, von da an in der Fassung, die diese Bestimmung durch das Rehabilitationsangleichungsgesetz (Gesetz über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7. August 1974, BGBl 1974, 1881 - RehaAnglG -) erhalten hat. § 58 Abs 1 AFG ordnete ursprünglich an, daß für die Förderung der beruflichen Bildung und die Förderung der Arbeitsaufnahme der Behinderten die Vorschriften des 4. und 5. Unterabschnittes gelten. In seinem Urteil vom 21. Mai 1974 (SozR 4460 § 5 Nr 1) hat der Senat entschieden, daß § 58 AFG (in seiner früheren Fassung) uneingeschränkt die Anwendbarkeit der Vorschriften des 4. Unterabschnittes anordne, und daß wegen dieser uneingeschränkten, also nicht nur entsprechenden Anwendung auch bei Behinderten die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen nur dann gefördert werde, wenn diese die gesetzlichen Voraussetzungen (zB Erfordernis der abgeschlossenen Berufsausbildung oder angemessene Berufserfahrung) nach § 41 AFG erfüllten; hierbei sei allerdings der Grundsatz des § 56 AFG aF zu berücksichtigen.

Durch das RehaAnglG hat § 58 Abs 1 AFG folgende Fassung erhalten: "Für die berufsfördernden und ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation gelten die Vorschriften des 2. bis 5. Unterabschnitts entsprechend, soweit sich aus den Vorschriften des Unterabschnitts nichts Abweichendes ergibt". Insoweit wird nunmehr also auf eine "entsprechende" Anwendung jener Vorschriften verwiesen, womit es möglich erscheint, die Förderungsanforderungen der Teilnehme an berufsbildenden Maßnahmen bei Behinderten angemessen anzupassen. Allerdings ergibt sich für den vorliegenden Fall in bezug auf die Voraussetzungen für die Förderung der beruflichen Ausbildung des Klägers nach § 40 AFG durch die Änderung des § 58 AFG am 1. Oktober 1974 keine andere Beurteilung. Nach dieser Vorschrift gewährt die Bundesanstalt (BA) BAB, soweit die Antragsteller "die hierfür erforderlichen Mittel nicht selbst aufbringen können und ihren Unterhaltsverpflichteten die Aufbringung üblicherweise nicht zugemutet wird". An dieser Subsidiaritätsklausel, also daran, daß der Antragsteller zunächst einmal eigene Mittel zu seiner Ausbildung einzusetzen hat, darunter auch Unterhaltsansprüche, hat das RehaAnglG mit der nunmehr in § 58 Abs 1 AFG vorgesehenen "entsprechenden" Anwendung dieser Vorschrift nichts ändern wollen. Mit der lediglich "entsprechenden" Anwendung sollten vielmehr Erleichterungen bei den Voraussetzungen der Förderung überhaupt geschaffen, nicht aber das grundsätzlich nur ersatzweise Eintreten der BA nach Einsatz der eigenen Mittel des Auszubildenden beseitigt werden. Dies zeigt der durch das RehaAnglG neu gefaßte § 59 AFG, welcher bestimmt, daß das Übergangsgeld des Behinderten um eigenes Arbeitseinkommen zu kürzen sei. Einer besonderen Vorschrift über die Kürzung oder den Wegfall von BAB bedurfte es wegen der Verweisung auf § 40 Abs 1 AFG nicht. Hinsichtlich der vom Auszubildenden selbst (möglichen) aufzubringenden Mittel und denjenigen, die die Unterhaltsverpflichteten üblicherweise zumutbar nicht aufbringen können, bestimmt § 16 der AReha 1970, die bis zum Inkrafttreten der AReha 1975 (am 1. Oktober 1975) galt (§ 76 der AReha 1975, ANBA 1975, 994), daß auf den Bedarf für den Lebensunterhalt das Einkommen des Behinderten anzurechnen ist. Bei minderjährigen Behinderten wird das Einkommen der zum Unterhalt Verpflichteten dann angerechnet, wenn die Nichtanrechnung offenkundig ungerechtfertigt wäre. Die AReha 1970 stellt, wie der 12. Senat bereits entschieden hat (SozR 4100 § 56 Nr 4), für die Gerichte bindendes Satzungsrecht dar. Sie ist formell ordnungsgemäß zustande gekommen. Auch soweit es den § 16 Abs 1 AReha 1970 angeht, stellt sie eine im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung (§ 58 Abs 1 AFG aF iVm § 39 AFG) bleibende und mit höherrangigen Rechtsnormen nicht in Widerspruch stehende Konkretisierung des gesetzlichen Auftrages an die BA dar, bei ihren Maßnahmen die besonderen Verhältnisse der Behinderten zu berücksichtigen (§ 56 AFG aF) und geeignete Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung der Behinderten selbst zu treffen (§ 57 AFG aF). Dies folgert der Senat daraus, daß durch die Neufassung des § 58 Abs 1 Satz 2 AFG aufgrund des am 1. Januar 1976 in Kraft getretenen Haushaltsstrukturgesetzes (Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des Bundesversorgungsgesetzes vom 18. Dezember 1975, BGBl 1975, 3113) der Inhalt des § 16 AReha 1970 in nahezu gleicher Form Gesetz geworden ist. Nach § 58 Abs 1 Satz 2 AFG nF erhalten behinderte Auszubildende BAB nach § 40 AFG auch dann, wenn ihnen die erforderlichen Mittel aufgrund eines Unterhaltsanspruches zur Verfügung stehen; dies gilt nicht, soweit die Nichtberücksichtigung des Unterhaltsanspruches offensichtlich ungerechtfertigt wäre. Die Neufassung des § 58 AFG hinsichtlich dieses Teils durch das Haushaltsstrukturgesetz geht zurück auf einen Vorschlag des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) - BT-Drucks. VII/4224 S 36 -. Eine Begründung war dem Änderungsvorschlag des Haushaltsausschusses nicht beigegeben. Da aber gleichzeitig durch das Haushaltsstrukturgesetz § 40 Abs 1 AFG geändert wurde, in dem die Subsidiarität der Leistungen der BA nunmehr mit den Worten umschrieben wird, "... soweit ihnen die erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen", ist davon auszugehen, daß für die Behinderten die von der Änderung des § 40 Abs 1 AFG erwartete Veränderung zum Nachteil der Antragsteller ausgeschlossen werden sollte.

Die Neufassung des § 58 Abs 1 Satz 2 AFG gibt damit nicht nur einen Hinweis darauf, daß § 16 AReha 1970 dem Willen des Gesetzgebers entsprach, sondern weist darüber hinaus auch darauf hin, wie § 40 Abs 1 AFG in der alten Fassung iVm § 16 AReha 1970 verstanden werden muß. Das gilt zunächst, soweit es sich um die Bedeutung des Wortes "wenn" in § 16 AReha 1970 handelt. Das Wort "wenn" in einem Subsidiaritätsvorbehalt kann seinem allgemeinen Sprachgebrauch nach meinen, daß die gesamten Leistungen dann wegfallen sollen, "wenn" bei dem Antragsteller eine gewisse Leistungsfähigkeit einer bestimmten Höhe nach erreicht ist. Das Wort "wenn" kann aber auch bedeuten, daß die Leistungen des Verpflichteten nur entfallen sollen, "soweit" die eigene Leistungsfähigkeit des Antragstellers reicht. Nur im letzteren Falle ist es möglich, daß die BA zu einer Teilleistung verpflichtet sein kann. Nicht nur der Sinn und Zweck des § 16 AReha 1970, sondern auch die Neufassung des § 58 Abs 1 Satz 2 AFG ergeben, daß das Wort "wenn" in § 16 AReha 1970 im Sinne von "soweit" zu verstehen ist. Sowohl § 58 Abs 1 Satz 2 AFG nF als auch § 40 Abs 1 AFG verwenden das Wort "soweit"; dabei ist zu berücksichtigen, daß § 16 Abs 1 AReha 1970 zur Konkretisierung des § 40 Abs 1 AFG führen soll. Damit bringt § 16 Abs 1 AReha 1970 zum Ausdruck, daß der behinderte Antragsteller Unterhaltsberechtigungen nicht uneingeschränkt einzusetzen hat, bevor er sich an die BA wendet. Unterhaltsansprüche des Behinderten sollen aber dann angerechnet werden, "wenn die Nichtanrechnung offenkundig ungerechtfertigt wäre". Allerdings ist dieser Formulierung nicht im einzelnen zu entnehmen, wann die Nichtanrechnung offenkundig ungerechtfertigt wäre.

Versucht man den Sinn zu ermitteln, der dem Begriff "offenkundig ungerechtfertigt" zugrunde liegt, so ist zunächst zu berücksichtigen, daß das Gesetz erkennbar eine Abwägung der Interessen der Versichertengemeinschaft und des Behinderten vorsieht, der nicht in jedem Falle gezwungen sein soll, die Hilfe seiner Angehörigen in vollem Umfange in Anspruch zu nehmen. Es ist dabei einerseits möglich, eine feste Grenze, von der an der Antragsteller auf die Hilfe seiner Unterhaltsverpflichteten verwiesen wird, anzusetzen, also ein fest bestimmtes Einkommen der Unterhaltsverpflichteten (insbesondere der Eltern). Möglich ist aber eine individuelle Begrenzung, bei der nicht ein bestimmtes Vermögen oder Einkommen der Unterhaltsverpflichteten maßgebend ist, also keine absolute Zahl, sondern daß das Einkommen der Unterhaltsverpflichteten in Beziehung zu ihren Bedürfnissen gesetzt wird, insbesondere zur Zahl der von ihnen zu versorgenden weiteren Unterhaltsverpflichteten, etwa weiteren Kindern. Gegen die Festsetzung einer absoluten Grenze zur Ausfüllung des Begriffes "offenkundig ungerechtfertigt" iS des § 16 Abs 1 Satz 2 AReha 1970 spricht der Umstand, daß damit der Lebensstandard einer Familie mit einem auszubildenden Behinderten möglicherweise in einem ihr nicht zumutbaren Umfange herabgesetzt wird. Sinn der Regelung des § 16 Abs 1 Satz 2 AReha 1970 soll es aber sein, gerade unzumutbare Lasten dem Unterhaltsverpflichteten nicht aufzubürden. Wenn einer Familie auch zugemutet werden kann, die mit dem Unterhalt eines behinderten Familienmitglieds verbundenen besonderen Belastungen mitzutragen, so doch nicht in einem Umfang, daß dadurch eine völlige soziale Nivellierung eintritt. Dabei ist ferner zu beachten, daß dann, wenn eine solche starre Grenze zudem nicht berücksichtigt, ob neben dem Behinderten noch weitere Unterhaltsberechtigte vorhanden sind, Familien, die Erziehungspflichten zu tragen haben, gegenüber anderen Familien ohne weitere Unterhaltsverpflichtungen ungleich behandelt werden.

Das entspräche aber weder Art. 3 Abs 1 GG (Gleichbehandlungsgrundsatz) noch Art. 6 Abs 1 und 2 GG (Schutz der Familie) und dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs 1 und Art. 28 Abs 1 GG).

Demnach erscheint es gerechtfertigt, im Rahmen der Berücksichtigung von Unterhaltsverpflichtungen und -berechtigungen bei der Ausbildung von Behinderten den Begriff "offenkundig ungerechtfertigt" dahin auszufüllen, daß die individuellen Verhältnisse des Einzelfalles zu beachten sind. Das bedeutet daß mit höheren Einkünften des Unterhaltsverpflichteten der Behinderte durchaus auf seinen Unterhaltsanspruch verwiesen werden darf, wenn dadurch die Belastung im übrigen nicht unverhältnismäßig größer wird, als dies für den Unterhaltsverpflichteten für einen nicht behinderten Auszubildenden der Fall wäre. Das schließt allerdings nicht die Möglichkeit für die Beklagte aus, eine gewisse Obergrenze - zur Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens - festzusetzen; damit kann sie den ihr gegebenen Beurteilungsspielraum zwar ausfüllen, dies allerdings unter dem Vorbehalt, daß jene Obergrenze dort nicht eingreift, wo im gegebenen Einzelfall dadurch mit der Anrechnung weiteren Einkommens dem Unterhaltsverpflichteten eine übermäßige Belastung zugemutet wird.

Hiervon ausgehend ist die in § 16 Ziff 16.12 der Vorläufigen Durchführungsanweisungen (DA) zu den §§ 21 bis 23 sowie 45 und 46 der Anordnung des Verwaltungsrates der BA über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter vom 2. Juli 1970 idF vom 9. März 1972 (DBl. RdErl. 255/72 erlassene Regelung zulässig, wonach die Nichtanrechnung von Einkommen der zum Unterhalt Verpflichteten nur dann offenkundig ungerechtfertigt ist, wenn es sich um Einkommen der Eltern eines unverheirateten, minderjährigen auszubildenden Behinderten handelt und dieses Einkommen 4.000,- DM im Monat übersteigt.

Dem LSG ist darin zuzustimmen, daß die in dieser DA angenommene Grenze von 4.000,- DM Monatseinkommen so hoch angesetzt worden ist, daß in einer Vielzahl von Fällen dem Einzelnen jedenfalls deshalb bei ihrer Anwendung kein Unrecht widerfährt, weil bei einer stärker den Einzelfall berücksichtigenden Regelung seine Freigrenze noch niedriger angesetzt werden könnte. Dabei ist ferner zu berücksichtigen, daß die Beklagte sich jedenfalls zugunsten von Antragstellern durch ihre Verwaltungsvorschriften binden und daher - möglicherweise auch zur Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens - bei einem unter 4.000,- DM liegenden Monatseinkommen der Unterhaltspflichtigen von einer weiteren Prüfung absehen kann.

Dort aber, wo nach Auffassung der Beklagten ein Einkommen teilweise nach § 16 Abs 1 Satz 2 AReha 1970 angerechnet werden soll, besteht - weil, wie oben ausgeführt, eine starre Grenze nicht jedem Fall gerecht werden kann - Anlaß zur Prüfung, ob in dem betreffenden Einzelfall die in der obigen DA bestimmte Freigrenze von 4.000,- DM dem Zweck des § 16 Abs 1 Satz 2 AReha 1970 entspricht.

Die Maßstäbe für diese Prüfung sind mangels einer ausdrücklichen Regelung dem oben dargestellten Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschriften sowie dem Unterhaltsrecht des Bürgerlichen Rechts zu entnehmen. Grundvoraussetzung ist, daß der Behinderte einen Unterhaltsanspruch hat; er kann nicht auf einen Unterhaltsanspruch, den er, etwa aus besonderen Gründen, nicht geltend machen oder realisieren kann, verwiesen werden. Aber auch wenn ein Unterhaltsanspruch gegeben ist, braucht der Behinderte nicht in jedem Falle auf ihn zurückzugreifen. Einen Hinweis darauf, wann die Nichtgeltendmachung eines Unterhaltsanspruchs offensichtlich ungerechtfertigt wäre, ergibt das Unterhaltsrecht. Nach § 1603 Abs 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist derjenige nicht unterhaltspflichtig, der bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

Offensichtlich ungerechtfertigt wäre es jedenfalls, denjenigen von seiner Unterhaltspflicht freizustellen, der auch bei Berücksichtigung der Unterhaltspflicht noch in der Lage ist, seinen eigenen Unterhalt und den Unterhalt der übrigen von ihm Abhängigen in angemessener Weise zu bestreiten. Nach § 1603 Abs 2 BGB sind aber Eltern gegenüber ihren minderjährigen unverheirateten Kindern von dieser Vergünstigung nicht erfaßt. Nach dieser Vorschrift sind sie nämlich gegenüber ihren minderjährigen unverheirateten Kindern verpflichtet, "alle verfügbaren Mittel" zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Nach § 16 Abs 1 Satz 2 AReha 1970 soll es aber dem Behinderten erkennbar nicht zugemutet werden, auf einen Unterhaltsanspruch iS des § 1603 Abs 2 BGB zurückzugreifen. Dem Unterhaltspflichtigen soll auf jeden Fall der angemessene eigene Unterhalt verbleiben.

In Einklang mit dieser Auslegung der §§ 40 Abs 1 AFG, 16 Abs 1 Satz 2 AReha 1970 steht es, daß auch im Unterhaltsrecht die Auffassung vertreten wird, § 1603 Abs 2 BGB gelte nicht uneingeschränkt, soweit der Unterhaltsanspruch auf die Finanzierung einer Ausbildung gerichtet ist (Blanke FamRZ 1969, 394; Schwab, FamRZ 1971, 1; Lange bei Soergel-Siebert, Komm. z BGB, 10. Aufl, § 1603 Anm 14).

Es ist allerdings nicht Aufgabe der Beklagten, Unterhaltsansprüche des Auszubildenden im einzelnen nach Bürgerlichem Recht zu prüfen und hierüber zu entscheiden (vgl dazu Urteil des Senats vom 3. November 1976 - 7 RAr 160/74 -); sie kann regelmäßig - sofern ein Unterhaltsrechtsverhältnis (etwa zwischen Eltern und Kind) überhaupt besteht - grundsätzlich von einer Unterhaltsverpflichtung ausgehen, sofern nach den jeweiligen Anordnungen ein sog. anzurechnendes Einkommen errechnet wird.

Soweit im vorliegenden Falle auf das Unterhaltsrecht des BGB zurückgegriffen wird, handelt es sich nicht darum, in welcher Höhe im einzelnen dem Kläger ein Unterhaltsanspruch zusteht, sondern vielmehr darum, ob durch die von der Beklagten in der oa DA bestimmte Grenze von 4.000,- DM (als Freibetrag für das Einkommen der Eltern) bei der besonderen Lage, in der sich seine Unterhaltsverpflichteten befinden, der Rahmen des § 16 Abs 1 Satz 2 AReha 1970 zutreffend beurteilt wird.

Der Senat verkennt dabei nicht, daß bei dieser Betrachtungsweise sowohl für die Verwaltung als auch für die Gerichte gewisse Schwierigkeiten bestehen, feste Maßstäbe aufzustellen. Diese Schwierigkeiten sind aber regelmäßig dann vorhanden, wenn ausfüllungsdürftige Rechtsbegriffe - wie hier der Begriff "offenkundig ungerechtfertigt" - im Zusammenhang mit finanziellen Leistungen auszulegen und der insoweit bestehende Beurteilungsspielraum zu begrenzen sind.

Wenn sich auch der Unterhaltsanspruch nach den Umständen des einzelnen Falles richtet, so sind doch durch Literatur und Rechtsprechung Methoden zur Ermittlung der Höhe des Unterhaltsanspruches entwickelt worden, die eine allgemeine Beurteilung erlauben. Sie sind daher geeignet, zur Ausfüllung der §§ 40 Abs 1 AFG, 16 Abs 1 Satz 2 AReha 1970 herangezogen zu werden. Der Senat sieht die von Köhler (Handbuch des Unterhaltsrechts, 3. Aufl, 1973) vorgeschlagene Berechnungsweise deshalb als besonders sachgerecht an, weil sie sich an den jeweils gültigen Regelunterhaltsverordnungen ausrichtet, von denen angenommen werden kann, daß sie sich auf neueste Untersuchungen gründen.

Legt man die von Köhler angegebenen Sätze zugrunde, ergibt sich im Falle des Klägers folgendes Bild: Bei ehelichen wie nichtehelichen Kindern bis zum 18. Lebensjahr sind für einfachste Verhältnisse die Sätze der jeweils gültigen Regelunterhaltsverordnung übernommen. Die Beträge für erwachsene Kinder, Ehefrauen und Ehemänner werden dadurch ermittelt, daß zu dem Satz für Kinder zwischen 13 und 18 Jahren Zuschläge für erwachsene Kinder in Höhe von 50 %, für Ehefrauen in Höhe von 75 % und für Ehemänner in Höhe von 85 % hinzugerechnet werden. Dieser Unterhalt in einfachsten Verhältnissen stellt gleichzeitig den notwendigen Unterhalt für alle Berechtigten und Verpflichteten der verschiedensten Lebensverhältnisse dar.

Im vorliegenden Fall geht es um die Zeit vom 1. September 1974 bis 31. August 1975, in der der Kläger an einem Grundausbildungslehrgang teilgenommen hat. Damals galt die Regelbedarfsverordnung 1974 (Verordnung zur Neufestsetzung des Regelbedarfs vom 15. März 1974 BGBl I 748). Sie setzte für Kinder zwischen 7 und 12 Jahren einen Bedarf von 174,- DM monatlich an und für Kinder zwischen 13 und 18 Jahren 204,- DM. Für erwachsene Kinder ergab sich damit (abgerundet auf volle 5,- oder 10,- DM, Köhler Anhang) ein Betrag von 305,- DM, Ehefrauen 355,- DM und Ehemänner 375,- DM.

Auf diesen Beträgen aufbauend durch Zuschlag von Prozenten wird der angemessene Lebensunterhalt höherer Einkommensschichten errechnet. Für Akademiker sind jeweils hinzuzuzählen: 50 % für Kinder zwischen 7 und 12 Jahren, 65 % für Kinder zwischen 13 und 18 Jahren, 70 % für erwachsene Kinder, 120 % für Ehefrauen und 150 % für Ehemänner.

Im Falle des Klägers ergibt das:

Zwei Geschwister des Klägers waren im Zeitpunkt des Antrages zwischen 7 und 12 Jahre alt

520,- DM

3 Kinder im Haushalt der Eltern waren zwischen 13 und 18 Jahre alt

1.005,- DM

Für die Mutter sind anzusetzen

780,- DM

Für den Vater

935,- DM

3.240,- DM

Mit diesem Betrag, der die Höhe des angemessenen Unterhalts bezeichnet, wäre die von der Beklagten in Ausfüllung des § 16 Abs 1 Satz 2 AReha 1970 in der DA festgelegte Grenze von 4.000,- DM unterschritten, so daß grundsätzlich davon auszugehen wäre, daß ein diese Grenze überschreitendes Einkommen der Eltern des Klägers in der vom LSG entschiedenen Höhe zu berücksichtigen ist. Mit diesem generalisierend errechneten Bedarf für den angemessenen Unterhalt der Familie des Klägers ist jedoch noch nicht berücksichtigt, daß der Kläger ganz erheblich behindert ist. Unter Berücksichtigung der bedeutsamen Aufgabe der Rehabilitation Behinderter erscheint es jedoch erforderlich, bereits bei den allgemein bestimmten Sätzen des Unterhalts, also den Sätzen, die von der BA ohne Ansehung der Besonderheiten des einzelnen Falles (etwa nach Art des Unterhaltsrechts) zugrunde gelegt werden, diese soweit zu individualisieren, daß dabei die Behinderung berücksichtigt wird. Das steht in Übereinstimmung mit dem Gebot, die besonderen Verhältnisse der körperlich, geistig oder seelisch Behinderten zu berücksichtigen (§ 56 AFG aF, § 58 Abs 2 Satz 2 AFG nF).

Hinsichtlich der Höhe der Beträge, die typischerweise aufgrund der Behinderung erforderlich werden, bietet das Bundesversorgungsgesetz (BVG) schon deshalb einen angemessenen Beurteilungsmaßstab, weil dort in § 35 nach der Schwere des Grades der Behinderung bestimmte feste Beträge als Ausgleich bezeichnet werden (anders in der gesetzlichen Unfallversicherung; vgl § 558 Abs 3 der Reichsversicherungsordnung). Das BVG gewährt Beschädigten eine Pflegezulage, die nach der Schwere der Beschädigung gestaffelt ist (§ 35 BVG). Diese Bestimmung ist analog heranzuziehen. Vom 1. Oktober 1974 an galt das BVG idF des 6. Anpassungsgesetzes (6. Anpassungsgesetz - KOV - 6. AnpG-KOV v. 23. August 1974, BGBl I 2069). Die höchste Pflegezulage betrug nach diesem Gesetz 812,- DM. Rechnet man diesen Betrag dem obigen Betrag von 3.240,- DM hinzu, so ergibt sich eine Summe von 4.052,- DM, also 52,- DM über den Freibetrag von 4.000,- DM hinaus, der von der Beklagten als Obergrenze angesetzt worden ist. Dieser über 4.000,- DM hinausgehende Freibetrag ist dem Kläger (bzw seinen Eltern) ggf noch zuzubilligen. Das hängt aber davon ab, ob der Kläger zu dem Personenkreis gehört, dem die höchste Pflegezulage zusteht. Das LSG hat zwar Feststellungen über die Behinderungen des Klägers getroffen, jedoch nicht in der Weise, daß der Senat in der Lage wäre, das Ausmaß der Pflege zu bestimmen, die der Kläger benötigt.

Ferner ist das LSG davon ausgegangen, gemäß § 46 Abs 2 AReha 1970 sei uneingeschränkt von den wirtschaftlichen Verhältnissen auszugehen, die zur Zeit der Antragstellung maßgebend sind. Der § 46 Abs 2 AReha 1970 kann jedoch nur als eine Verfahrensvorschrift verstanden werden, welche die Dienststellen der Beklagten anweist, bei ihrer Entscheidung die zu dieser Zeit (also in der Zeit der - umgehend - auf den Antrag folgenden Entscheidung) nachgewiesenen Tatsachen zugrunde zu legen. Eine Auslegung dieser Vorschrift dahingehend, daß Änderungen in der Zeit nach Antragstellung unberücksichtigt zu bleiben hätten oder daß erst danach verwertbar gewordene Beweismittel außer Betracht bleiben sollten, würde dem § 46 Abs 2 AReha 1970 einen Inhalt geben, der mit der Ermächtigungsgrundlage des § 39 AFG nicht mehr vereinbar wäre. Die Beklagte kann ihren Aufgaben, wie sie insbesondere in den §§ 1 bis 3 AFG genannt sind, nur gerecht werden, wenn sie ihre Entscheidungen aufgrund der Verhältnisse trifft, wie sie sich tatsächlich darstellen und nicht wie sie zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit waren. Jedenfalls hat das Gericht bei seiner Prüfung diejenigen Verhältnisse zugrunde zu legen, die ihm im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bekannt sind. Im Falle des Klägers würde das im übrigen dem Gebote entsprechen, die besonderen Verhältnisse der Behinderten zu berücksichtigen.

Das LSG muß demnach noch Feststellungen darüber treffen, in welche Stufe der Kläger hinsichtlich der Pflegezulage einzuordnen ist, wobei Verbesserungen oder Verschlimmerungen seiner Behinderung jeweils berücksichtigt werden müssen.

Soweit das LSG der Berufung stattgegeben hat, ist sein Urteil nicht angefochten und damit rechtskräftig geworden. Im übrigen ist es aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben wird.

 

Fundstellen

BSGE, 29

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