Entscheidungsstichwort (Thema)
Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht. Fernmeldegebühren. Zuständigkeit. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Die Versorgungsämter haben über die gesundheitlichen Voraussetzungen auch für eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht zu entscheiden - § 3 Abs 4 SchwbG -.
2. Gegen die Zuständigkeit der Versorgungsämter für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
3. Die Feststellung, daß die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebühr erfüllt sind, führt über das Rundfunkrecht hinaus zu Vergünstigungen bei den Fernsprechgebühren. Die darüber von der Versorgungsbehörde getroffene Feststellung wirkt, unabhängig von einer Befreiung der Rundfunkgebührenpflicht, auch in diesem anderen Gebührenbereich entgegenkommend. Dagegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Auf diesem Rechtsgebiet hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit (Art 73 Nr 7 GG).
Normenkette
SchwbG § 3 Abs 4 Fassung: 1976-06-14; SchwbG § 3 Abs 4 Fassung: 1979-10-08; GG Art 74 Nr 7; GG Art 73 Nr 7
Verfahrensgang
SG Regensburg (Entscheidung vom 17.11.1980; Aktenzeichen S 10 Vs 228/80) |
Tatbestand
Der Kläger, bei dem verschiedene Behinderungen mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 80 vH anerkannt sind, begehrt vom Versorgungsamt die Feststellung, daß bei ihm die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (Merkzeichen "RF" im Schwerbehindertenausweis) vorliegen. Das Versorgungsamt hat durch Bescheid vom 29. Januar 1980 die Feststellung abgelehnt, weil beim Kläger die erforderlichen Voraussetzungen nicht vorlägen. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 31. März 1980).
Auf die kombinierte Aufhebungs- und Verpflichtungsklage hat das Sozialgericht (SG) Regensburg mit Urteil vom 17. November 1980 den Bescheid des Beklagten aufgehoben, jedoch die Verpflichtungsklage abgewiesen. In den Urteilsgründen wird ausgeführt, die Versorgungsämter seien durch § 3 Abs 4 des Schwerbehindertengesetz (SchwbG) in der Fassung vom 14. Juni 1976 aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht dazu ermächtigt, die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht festzustellen; es fehle ihnen an der sachlichen Zuständigkeit. In Bayern sei bisher die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht in der Rundfunkgebührenbefreiungsverordnung (RGVO) vom 30. September 1975 in der Fassung vom 21. Juli 1978 geregelt gewesen. In § 1 Abs 1 Nr 2 und 3 RGVO seien die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der Befreiung geregelt; für die Entscheidung sei nach § 4 Abs 2 Satz 2 RGVO der Bayerische Rundfunk zuständig, der mit den Kreisverwaltungsbehörden bzw mit den Gemeinden zusammenarbeite. Wenn nunmehr das Versorgungsamt nicht nur die MdE festsetzen, sondern nach § 3 Abs 4 SchwbG auch über die gesundheitlichen Voraussetzungen weiterer Begünstigungen entscheiden solle, so liege darin ein Verstoß gegen das Grundgesetz (GG). Der Bund regele eine Rechtsmaterie, die seiner Gesetzgebung entzogen sei. Das Rundfunkwesen unterliege nach einhelliger Auffassung der Verfassungs- und Verwaltungsgerichte der ausschließlichen Zuständigkeit der Länder und sei deshalb der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes (vgl Art 73 und 74 GG) entzogen. Das Recht zur materiell-rechtlichen Regelung des Gebührenwesens schließe auch die verfahrensmäßige Ausgestaltung der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht ein. Eine Regelungsbefugnis des Bundes kraft Sachzusammenhangs könne ebenfalls nicht angenommen werden, da das Schwerbehindertenrecht nicht unbedingt das Recht der Rundfunkgebührenbefreiung einschließe. Auch sei das SchwbG nicht untrennbar mit dem Recht der Befreiung von den Rundfunkgebühren verbunden; das ergebe sich schon daraus, daß bereits vor Inkrafttreten des neuen § 3 Abs 4 SchwbG der Bayerische Rundfunk in alleiniger Zuständigkeit ohne erhebliche tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten Entscheidungen über die Gebührenbefreiung getroffen habe. Wegen fehlender Zuständigkeit des Versorgungsamtes sei somit sein Bescheid vom 29. Januar 1980 aufzuheben; aus dem gleichen Grunde sei aber eine Verurteilung des Versorgungsamtes zur Feststellung, daß beim Kläger die in § 1 Abs 1 Nr 3 RGVO geforderten Voraussetzungen vorlägen, nicht möglich.
Das SG hat die Berufung und die Revision im Urteil zugelassen.
Der Beklagte hat unter Vorlage einer Einverständniserklärung des Klägers Revision eingelegt und rügt die Verletzung des § 3 Abs 4 SchwbG. Diese Vorschrift schränke die Entscheidungsfreiheit der Rundfunkanstalt insoweit ein, als es um die Tatbestände des § 1 Abs 1 Nr 2 und 3 RGVO gehe. Die Rundfunkanstalt könne nur noch in dem in § 1 Abs 3 RGVO genannten Fällen entscheiden; insoweit sei ihre Zuständigkeit durch die des Versorgungsamtes überlagert. Zwar stehe das Rundfunkwesen in der ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit der Länder. § 3 Abs 4 SchwbG greife aber in diese Freiheit nicht ein. Die landesrechtliche Regelung schließe nicht aus, daß zur Frage der Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen der Gebührenbefreiung bundesrechtliche Regelungen getroffen würden. Dafür spreche der Zusammenhang mit dem SchwbG. Kraft Sachzusammenhangs könnten Bundeszuständigkeiten bei Rechtsgebieten gegeben sein, die sonst der Regelungsbefugnis der Länder Unterstehen. Das Recht der Schwerbehinderten wolle deren Eingliederung in die Gesellschaft fördern. Diese Aufgabe könne sinnvoll nur dann erfüllt werden, wenn eine weitgehend bundeseinheitliche Regelung für alle Vergünstigungen getroffen werde. Da § 1 Abs 1 Nr 3 RGVO als erste Tatbestandsvoraussetzung die Feststellung einer MdE um 80 vH fordere, sei es unerläßlich, daß die weiteren Tatbestandsmerkmale dieser Vorschrift von derselben Stelle zu prüfen seien, welche die MdE um 80 vH festgesetzt habe. Da das Schwerbehindertenrecht der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes unterstehe (vgl Art 74 Nr 7 GG), sei es zulässig, wenn der Bund von seiner Gesetzgebungsbefugnis nur insoweit Gebrauch gemacht habe, als er die verfahrensrechtlichen Vorschriften vereinheitlicht habe. Hierfür sprächen auch praktische Argumente: Die Versorgungsbehörden verfügten über einen ärztlichen Dienst, der jahrzehntelang in sozialen Fragen geschult sei; die SGe seien für die Beurteilung sozialer Fragen im Zusammenhang mit medizinischen Gesichtspunkten prädestiniert.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom
17. November 1980 aufzuheben und die Sache zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückzuverweisen.
Der Kläger ist in einem Schriftsatz, der innerhalb der Revisionsbegründungsfrist beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen ist, der vom Beklagten vertretenen Rechtsauffassung beigetreten, daß die Versorgungsverwaltung für die begehrte Feststellung zuständig sei. Er hat anschließend klargestellt, daß dies als Anschlußrevision zu verstehen sein soll.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG auch insoweit aufzuheben, als die
Verpflichtungsklage abgewiesen wurde, und die Sache
an das SG zurückzuverweisen.
Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hält ebenfalls die Versorgungsämter für befugt, die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht sowie für Erleichterungen bei den Telefongebühren festzustellen. Diese Zuständigkeit greife nicht entgegen der Verfassung in die Regelungskompetenz der Länder ein.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten und die Anschlußrevision des Klägers haben Erfolg. Das angefochtene Urteil des SG ist aufzuheben, und der Rechtsstreit ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Eine Verweisung an das Landessozialgericht (LSG) gemäß § 170 Abs 4 SGG ist nicht tunlich.
Die Sprungrevision des Beklagten richtet sich zulässigerweise entsprechend seiner formalen Beschwer allein gegen die Aufhebung der Verwaltungsentscheidungen, daß die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nicht gegeben seien. Die Beschwer folgt aus dem Abweichen des Urteilstenors vom Antrag des Beklagten (§ 123 SGG; BSGE 11, 161, 162). Ungeachtet dessen ist auch der übrige Teil des Urteils, durch den die Klage auf Verpflichtung des Beklagten zu einer gegenteiligen Feststellung abgewiesen worden ist, Gegenstand des Revisionsverfahrens. Diese Teilentscheidung könnte sonst, falls sie rechtskräftig geworden wäre (§ 141 Abs 1 SGG), einer neuen Sachentscheidung im Sinne des Revisionsbegehrens entgegenstehen. Die Rechtskraft könnte nämlich auch die die Klageabweisung tragende Begründung erfassen (BSGE 14, 99, 101 f = SozR Nr 8 zu § 141 SGG; BSGE 35, 228, 231 = SozR 15 zu § 160 SGG; BSGE 39, 14, 18 = SozR 3640 § 4 Nr 1); denn eine Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde, die das SG damit getroffen hat, könne nach einem allgemeinen Rechtsgrundsatz des sozialgerichtlichen Verfahren, von dem die §§ 180 bis 182 SGG ausgehen (vgl BSGE 50, 111, 115 = SozR 1500 § 181 Nr 1), auch dann rechtskräftig werden, wenn sie bloß in den Urteilsgründen enthalten ist. Diese Rechtskraft könnte zugleich für das weitere Verfahren über die Anfechtungsklage als einheitlichen Klageanspruch (BSGE 12, 185, 187 = SozR Nr 25 zu § 55 SGG) verbindlich wirken. Gleichwohl ist dieser Teil des Urteils des SG ebenfalls im Revisionsverfahren angefochten.
Der Schriftsatz des Klägers, der innerhalb der Revisionsbegründungsfrist (§ 164 Abs 2 Satz 1 und 2 SGG) beim BSG eingegangen ist, ist gemäß seiner nachträglichen klarstellenden Erklärung als Anschlußrevision zu verstehen. Diese ist binnen der genannten Frist auch im sozialgerichtlichen Verfahren zulässig (§ 202 SGG iVm § 556 Zivilprozeßordnung -ZPO-; BSGE 8, 24). Ein entsprechendes Begehren hat der Kläger von vornherein fristgerecht genügend deutlich dadurch zum Ausdruck gebracht, daß er sich gegen die Auffassung des SG, die Versorgungsverwaltung sei für die begehrte Entscheidung nicht zuständig, gewandt und ergänzend auf die Revisionsbegründung des Beklagten bezogen hat. Er hat damit auch das angefochtene Urteil hinreichend bezeichnet (§ 556 Abs 2 Satz 3 iVm § 553 Abs 1 ZPO iVm § 164 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGG). Selbst wenn zugleich mit der Anschlußrevision, abweichend von § 164 Abs 2 SGG, eine Begründung verbunden sein müßte (§ 556 Abs 2 Satz 2 ZPO), wäre dies durch die ergänzende Bezugnahme auf die Revisionsbegründung gegeben. Die erforderliche Beschwer (BSGE 37, 28, 35 = SozR Nr 4 zu § 556 ZPO), besteht ebenfalls, soweit sich die Anschlußrevision gegen das Urteil des SG richtet.
Das SG hat zu Unrecht die Versorgungsbehörden des Beklagten für nicht zuständig erklärt, darüber zu entscheiden, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen für die vom Kläger angestrebte Gebührenbefreiung bestehen.
Nach § 3 Abs 4 des Gesetzes zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft - Schwerbehindertengesetz - vom 29. April 1974 (BGBl I 1005) in der Fassung des 8. Gesetzes zur Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) -8. AnpG-KOV- vom 14. Juni 1976 (BGBl I 1481), neuerdings in der Neufassung vom 8. Oktober 1979 (BGBl I 1649) treffen die Verwaltungsbehörden, die das BVG durchführen, die erforderlichen Feststellungen, wenn eine Vergünstigung für Schwerbehinderte (§ 1) von einem "weiteren gesundheitlichen Merkmal" neben der MdE abhängt. Zuständig sind die Versorgungsbehörden des Beklagten (§ 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung -KOVVfG- vom 2. Mai 1955 - BGBl I 202 -/6. Mai 1976 - BGBl I 1169 -, § 85 Abs 2 Nr 1 SGG iVM § 3 des Gesetzes über die Errichtung der Verwaltungsbehörden der KOV vom 12. März 1951 - BGBl I 169 -/24. Juli 1972 - BGBl I 1284 -). Als solche "gesundheitlichen Merkmale" kommen auch Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nach § 1 Abs 1 Nr 3 der Bayerischen Verordnung über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 30. September 1975 (GVBl 341) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 21. Juli 1978 (GVBl 505) - RGVO - in Betracht. Demnach müßte ein Behinderter, der um 80 vH in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert ist, außerdem entweder infolge seines Leidens ständig an die Wohnung gebunden sein (Buchst a) oder wegen seines Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können (Buchst b); nach § 1 Abs 1 Nr 3 der Verordnung vom 24. März 1981 (GVBl 74) genügt ein Zustand iS von b) (aF). Die Versorgungsbehörden werden hierbei im Verfahren nach § 3 Abs 1 SchwbG tätig (§ 3 Abs 4), dh in der Zeit vor dem 1. Januar 1981 entsprechend dem KOVVfG (§ 3 Abs 1 Satz 2 SchwbG, neuerdings teilweise geändert durch Art 2 §§ 16 und 40 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches -SGB 10- vom 18. August 1980 - BGBl I 1469). Die abschließende Entscheidung ist ein "Bescheid" mit der Rechtsnatur eines Verwaltungsaktes (§ 22 KOVVfG aF, § 31 SGB 10). Dieser kann im sozialgerichtlichen Verfahren angefochten werden (§ 3 Abs 6 SchwbG). Eine unanfechtbar und damit verbindlich gewordene Feststellung nach § 3 Abs 4 SchwbG (§ 24 KOVVfG aF, § 77 SGG) bildet die Grundlage für einen Ausweis; in diesen ist das entsprechende Merkmal einzutragen, hier gekennzeichnet durch "RF" (§ 3 Abs 5 S 1 und 5 SchwbG, §§ 1 und 3 Abs 1 Nr 4 Ausweisverordnung vom 15. Mai 1981 - BGBl I 341). Diese Abkürzung erklärt sich durch einen weiteren Verwendungszweck: Wer von der Rundfunkgebührenpflicht befreit ist oder wer die gesundheitlichen Voraussetzungen dafür erfüllt, ohne daß bereits für das Rundfunkgebührenrecht die Freistellung ausgesprochen ist, erhält Erleichterungen bei den Fernsprechgebühren - eine günstigere Grundgebührengruppe und 30 freie Gesprächsgebühreneinheiten monatlich - (Fernmeldevorschriften idF der Anlage 1 zu Art 2 Nr 1 Buchst a der 11. Verordnung zur Änderung der Fernmeldeordnung vom 29. Mai 1978 - BGBl I 647 - Nr 1.1, zu Nr 1 und 2, Abs 5 bis 7, Anlage 2 zu Art 2 Nr 5 Buchst b, Nr 7.1, zu Nr 1 bis 8, Abs 3a bis 3c). Der Ausweis dient nach § 3 Abs 5 Satz 2 SchwbG (idF des Art 1 Nr 2 des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr vom 9. Juli 1979 - BGBl I 989 -) "dem Nachweis für die Inanspruchnahme von ... Vergünstigungen, die Schwerbehinderte nach diesem Gesetz oder nach anderen Vorschriften zustehen".
Über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht entscheidet allerdings nach § 4 Abs 2 Satz 3 RGVO (§ 5 Abs 2 Satz 2 nF) die Rundfunkanstalt (dazu Bayer VGH, Deutsches Verwaltungsblatt -DVBl- 1967, 332, 334). Sie wird dabei als Anstalt des öffentlichen Rechts (Art 1 Abs 1 Satz 1 Bayer. Rundfunkgesetz idF vom 26. September 1973 - GVBl 563 -) im Bereich der öffentlichen Verwaltung tätig (BVerfGE 12, 205, 243 f, 246; 31, 323, 329; Bayer. VGH, DVBl 1967, 332, 333). Völlig frei ist die Anstalt - jedenfalls - bei der Entscheidung über den bevorrechtigten Personenkreis nach § 1 Abs 2 RGVO und über den Beginn der Befreiung nach § 4 Abs 4 (§ 5 Abs 4 nF) RGVO.
Ob hingegen die im Schwerbehindertenverfahren begehrte Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Rundfunkanstalt rechtsverbindlich wirkt, ist im gegenwärtigen Rechtsstreit nicht zu entscheiden. Darüber haben unter Umständen die Gerichte der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit zu befinden, falls ein ablehnender rundfunkrechtlicher Bescheid gerichtlich kontrolliert werden soll. Den Streitstoff des jetzt anhängigen sozialgerichtlichen Verfahrens bilden dagegen allein Bestehen oder Nichtbestehen der speziellen gesundheitlichen Merkmale.
Entgegen der Auffassung des SG ist § 3 Abs 4 SchwbG nicht etwa verfassungskonform dahin auszulegen, daß die Versorgungsbehörden nicht für das landesrechtliche Rundfunkgebührenrecht über die bezeichneten gesundheitlichen Voraussetzungen entscheiden dürften. Vielmehr haben sie eine solche Feststellung aufgrund eines rechtlich geschützten Interesses des Klägers zu treffen. Gegen diese Zuständigkeit bestehen jedenfalls vorerst und von vornherein keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
An der Aufhebung des angefochtenen Bescheides ist der Kläger schon deshalb hinreichend rechtlich interessiert, weil die Verbindlichkeit dieser Feststellung, daß die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nicht bestehen, einer günstigen Entscheidung durch die Rundfunkanstalt rechtlich oder wenigstens tatsächlich - als gewichtiges Beweismittel - entgegenstehen könnte. Diese behördliche Äußerung ist mindestens beweiserheblich bedeutsam, und zwar für das Glaubhaftmachen der gesundheitlichen Voraussetzungen gem § 4 Abs 3 Satz 1 RGVO (§ 5 Abs 3 Satz 1 nF), dh für einen geringgradigeren als den vollen Nachweis (BSGE 6, 142, 144; 9, 209, 212 ff; 40, 23, 27 = SozR 4100 § 79 Nr 2; BSGE 45, 1, 10 = SozR 3900 § 40 Nr 9; SozR 5070 § 3 Nr 1). Die Beseitigung eines solchen tatsächlich belastenden Ausspruches könnte selbst dann, wenn dieser nicht für die Rundfunkanstalten bindend wirkte, verlangt werden, wie es das Bundesverwaltungsgericht neuerdings für schuldfeststellende Sprüche des Bundesoberseeamtes annimmt (BVerwGE 59, 319, 325 f).
Aber darüber hinaus kann der Antragsteller aufgrund einer gesetzlich geschützten Rechtsposition positiv von der Versorgungsbehörde fordern, daß sie die hier umstrittene Entscheidung über gesundheitliche Voraussetzungen iSd § 1 Abs 1 Nr 3 RGVO trifft. Solche Feststellungen nach § 3 Abs 4 SchwbG betreffen ebenso wie diejenigen über Behinderungen iSd § 1 Abs 1 und über den durch sie bedingten Grad der MdE nach § 3 Abs 1 und 3 SchwbG den Status des Schwerbehinderten. Für derartige Entschließungen sollen die Versorgungsbehörden nach dem Willen des Gesetzgebers ausschließlich zuständig sein (Bericht des Abgeordneten Maucher für den Bundestag-Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zu den Entwürfen des 8. AnpG-KOV, BT-Drucks 7/4960, S 5, vorletzter Spiegelstrich; zustimmend: Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung im "Einvernehmen mit dem Bayerischen Rundfunk" unter Nr 4.3.1 der Bekanntmachung vom 18. August 1978 - Amtsblatt A 180 -; Gröninger, SchwbG, 1980, § 3, Anm 1 und 7; Rewolle, SchwbG, 1980, § 3, Anm II, 3aE; Weber, SchwbG, Stand: Februar 1981, § 3, Anm 7; speziell für die RGVO: Grosser, Bayerische Verwaltungsblätter 1980, 487; anders zum Teil die Verwaltungspraxis: vgl Behn, ZfS 1979, 227, 232). Mittelbar bestätigt wird dieses Entscheidungsmonopol durch die Möglichkeit abweichender Regelungen gem § 34 Abs 1 SchwbG. Nach der Fassung des Satzes 1 der Vorschrift durch Art 2 Nr 1 Buchst a des 8. AnpG-KOV konnte die Landesregierung die Zuständigkeit für die Ausstellung von Ausweisen auf andere Behörden übertragen, jedoch nur, soweit andere Feststellungen als über Merkmale iSd § 3 Abs 1, 2 und 4 SchwbG erforderlich waren, und nicht für die Entscheidungen selbst. Nach der Neufassung durch Art 1 Nr 5 des Gesetzes vom 9. Juli 1979 kann die Landesregierung lediglich die Verlängerung der Gültigkeitsdauer von Ausweisen auch auf andere Behörden übertragen.
Wer als Schwerbehinderter für Erleichterungen auf verschiedenen Rechtsgebieten durch eine Abkürzungsformel bestimmte geistige oder körperliche Funktionsausfälle bestätigt haben will, muß um den Schutz personenbezogener Daten besorgt sein. Er hat ein verständliches und rechtliches Interesse daran, daß die ärztlich ermittelten Befunde nur einmal von einer Behörde ausgewertet werden. Er mag und soll sich nicht wiederholten Untersuchungen aus demselben Erkenntniszweck für verschiedene Verwaltungen unterziehen müssen. Nach der Grundtendenz der Datenschutzvorschriften sollen solche Befunderhebungen nicht im Detail unnötig weiteren Stellen zugänglich gemacht werden. Darauf nimmt § 65 Abs 1 Nr 3 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB 1) vom 11. Dezember 1975 - BGBl I 3015 - ausdrücklich Rücksicht. Die Pflicht, bei einer Untersuchung mitzuwirken (§ 62) besteht nicht, wenn ein Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand die erforderlichen Kenntnisse beschaffen kann. Ausnahmsweise wären Entscheidungen der hier begehrten Art, dh für Zwecke des Rundfunkgebührenrechts, von den Statusfeststellungen der Versorgungsbehörden auszunehmen, wenn sie zwecklos und nutzlos wären, keinen sinnvollen Verwendungszweck hätten und wenn deshalb das notwendige rechtliche Interesse nicht bestände. Das Gegenteil ist aber der Fall. Verwaltungsbehörde nach höchstrichterlicher Rechtsprechung schon gar nicht als ein Verwaltungsakt selbständig anfechtbar (vgl zu derartigen Fällen: BVerwGE 34, 65; 28, 145; 16, 116; 19, 94; 27, 354).
Hingegen steht die Rechtsnatur eines Verwaltungsaktes für die in diesem Verfahren begehrte Feststellung nach den zuvor zitierten Vorschriften nicht in Frage.
Wenn verschiedene Verwaltungsbehörden über den gleichen Tatbestand im Hinblick auf unterschiedliche Rechtsfolgen befinden, mag allgemein die eine Entscheidung nicht für die andere verbindlich sein (BFHE 58, 172; 58, 728; 59, 240; BVerwGE 6, 42; 15, 332, 334 f; 21, 33, 35 ff; 34, 90, 91 f; 35, 316, 317 f; BSG SozR Nr 7 und 9 zu § 1311 RVO; BSGE 28, 111, 113 = SozR Nr 6 zu § 250 RVO; BSGE 34, 289, 291 = SozR Nr 13 zu § 19 BVG; BSGE 37, 135, 136 = SozR 2200 § 250 Nr 1; BSGE 38, 232, 233 f = SozR 5850 § 41 Nr 2; BSGE 38, 236, 237 = SozR 5850 § 41 Nr 3; BSGE 42, 264, 266 = SozR 7350 § 19 Nr 3; BSGE 44, 25, 27 f = SozR 5800 § 1 Nr 1; SozR 3100 § 72 Nr 2; SozR 2200 § 176 c Nr 3; 2200 § 381 Nr 5). Hier ist jedoch das Verhältnis zwischen den Versorgungsbehörden zu den Behörden, die den Schwerbehinderten verschiedenartige Vergünstigungen gewähren, anders. Die Behörden der Versorgungsverwaltung haben im Schwerbehindertenrecht nicht über soziale Leistungen zu entscheiden wie bei ihren sonstigen Aufgaben innerhalb der sozialen Entschädigung (iSd §§ 5 und 24 SGB 1). Vielmehr haben sie stellvertretend für andere Verwaltungen nach einheitlichen Maßstäben gesundheitliche Voraussetzungen festzustellen, die außerhalb ihrer Zuständigkeit verschiedenartige Berechtigungen auslösen. Das oben beschriebene Regelungsmonopol spricht dafür, daß die Statusentscheidungen der Versorgungsbehörden nach § 3 Abs 1 und 4 SchwbG für die jeweils zuständigen Verwaltungsbehörden verbindlich sind. Wenn sie den Schwerbehinderten einen Zugang zu Erleichterungen auf verschiedenen Rechtsgebieten verschaffen sollen, müßte es diese Zielsetzung verbieten, die Rundfunkgebührenbefreiung von der Bindung an Feststellungen nach § 3 Abs 4 SchwbG auszunehmen.
Eine solche Ausnahme erscheint auch nicht als verfassungsrechtlich geboten.
Allerdings haben die Länder das Rundfunkgebührenrecht selbst kraft ausschließlicher Gesetzgebungskompetenz sachlich- und verfahrensrechtlich zu regeln (Art 30 und 70 GG; BVerfGE 12, 205, 228; Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Kommentar zum GG, Art 30, Rdn 1; Art 70, Rdn 12). Die Gesetzgebung im Rundfunkwesen steht mit Ausnahme der Sendetechnik (Art 73 Nr 7 GG) allein den Ländern zu (BVerfGE 12, 205, 225, 229, 230, 237, 238, 243 f, 246, 248, 249; Bayer. VGH, aaO). Zur Länderzuständigkeit rechnet auch das Gebührenwesen und damit zwangsläufig das damit verbundene Verwaltungsverfahren (BVerwGE 29, 214, 215, 217; Bayer. VGH, aaO). Allerdings kann nach Art 7 Abs 1 Nr 1 des Staatsvertrages über die Regelung des Rundfunkgebührenwesens vom 5. Dezember 1974 (Bekanntmachung für Bayern vom 25. April 1975 - GVBl 77 -), worauf die RGVO beruht, ua aus "sozialen Gründen" von der Rundfunkgebührenpflicht befreit werden. Damit verweist das Landesrecht auf Tatbestände, die im allgemeinen zur konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes gehören und daher vom Bund unter den Voraussetzungen des Art 72 Abs 2 GG, insbesondere um der Vereinheitlichung willen, geregelt werden dürfen. Ob auch die nach § 3 Abs 4 SchwbG festzustellenden gesundheitlichen Voraussetzungen zu diesem Bereich zu rechnen sind und ob deshalb der Bund festlegen durfte, welche Behörden für die Entscheidung zuständig sein sollen, könnte abschließend von den Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit im Zusammenhang mit der Verbindlichkeitsfrage zu entscheiden sein. Nach Auffassung des erkennenden Senats spricht aber viel für diese Kompetenz des Bundes, und das genügt für das rechtliche Interesse an der hier umstrittenen Feststellung. Das Schwerbehindertenrecht gehört insgesamt zum Sozialgericht im Sinn des SGB (vgl §§ 10, 20 und 29 SGB 1). Die Gesetzgebungszuständigkeit für dieses Gesetz steht dem Bund aus verschiedenen Gründen konkurrierend zu, teils wegen der Zugehörigkeit zu einigen sozialrechtlichen Leistungsbereichen wie Sozialversicherung, Kriegsopferversorgung und Arbeitsförderung sowie zum Arbeitsrecht (Art 74 Nr 10 und 12 GG; Gesetzesbegründung zum SGB 1, BT-Drucks 7/868, zu Art I § 10), teils wegen des Hauptzweckes des SchwbG, der "Eingliederung in Beruf, Arbeit und Gesellschaft" (vgl dazu BVerfGE 45, 376, 391 = SozR 2200 § 539 Nr 35), und damit wegen der Zuordnung zur Sozialhilfe, der früheren "öffentlichen Fürsorge" iSd Art 74 Nr 7 GG (BVerfGE 39, 148, 154, 155 f; BVerfGE 42, 263, 281 f; BVerfG -1. Senat- 10. März 1981 - 1 BvL 56/78, 57/78 und 58/78 -; Neue Jurist. Wochenschrift 1981, 2107 = Juristenzeitung 1981, 438; Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, aaO, Art 74, Rdn 46, 48, 50; ebenfalls für weite Auslegung des Begriffes: "Fürsorge": BSGE 6, 213, 217 ff; BVerwGE 19, 94, 96 f). Da in diesem Rechtsbereich der Status des Schwerbehinderten einheitlich geregelt werden soll, könnte die Festlegung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Rundfunkgebührenbefreiung, die ihrerseits der Eingliederung des Schwerbehinderten in die Gesellschaft dient, der "öffentlichen Fürsorge" im bezeichneten verfassungsrechtlichen Sinn zuzurechnen sein. Fraglos ist diese Zuordnung zum Sozialrecht für andere Tatbestände, die zur Freistellung von der Rundfunkgebührenpflicht führen, insbesondere für diejenigen, die im Bezug von bestimmten sozialrechtlichen Leistungen bestehen (§ 1 Abs 1 Nr 4, 5 und 6, vgl auch Nr 1, 2 und 7 RGVO). Überdies hat die RGVO selbst durch eine Verfahrensregelung zum Ausdruck gebracht, daß das Verfahren in den Bereich des Sozialhilferechts mindestens hineingreift. Nach § 5 Abs 2 Satz 2 nF entscheidet die Rundfunkanstalt über die Befreiung "auf Vorschlag der Gemeinde", so daß dieser Behörde eine Einwirkung auf die Sachentscheidung eingeräumt wird. Mit dieser Verwaltung ist aber eine Sozialhilfebehörde gemeint, wie § 4 Abs 5b iVm S 1 und 2 aF klarstellt (vgl dazu § 96 Bundessozialhilfegesetz, Art 9 und 11 Bayer. Ausführungsgesetz vom 13. Oktober 1976 - GVBl 455 -).
Selbst dann, wenn der hier umstrittene Tatbestand des § 1 Abs 1 Nr 3 RGVO nicht zum Schwerbehindertenrecht und damit zur konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes gehört, wäre eine Konkordanz zwischen der ausschließlichen Zuständigkeit der Länder für die Regelung der Befreiungstatbestände und der konkurrierenden Zuständigkeit des Bundes für die Ordnung des Schwerbehindertenverfahrens möglich (vgl zu einer ähnlichen Konfliktlage: BVerwGE 39, 100; 39, 110). Mit der Festlegung solcher Tatbestände im Landesrecht wäre vereinbar, daß der Bund nach Maßstäben des Schwerbehindertenrechtes sachlich begrenzt bestimmt, welche Behörden die gesundheitlichen Voraussetzungen festzustellen haben. Jedenfalls erscheint die Vorschrift des § 3 Abs 4 SchwbG für Fälle der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nicht so eindeutig verfassungswidrig, daß deshalb ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung durch die Versorgungsverwaltung ausgeschlossen wäre. Bei dieser Abgrenzung ist vor allem zu bedenken, daß das Bundesrecht nach Art 31 GG Landesrecht "bricht" (vgl Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, aaO, Art 31, Rdn 2 und 7).
Einer Entscheidung nach § 3 Abs 4 SchwbG steht auch nicht die Zuordnung zu einer anderen Gerichtszuständigkeit für ablehnende Entscheidungen der Rundfunkanstalt entgegen. Die Zweigleisigkeit der gerichtlichen Kontrolle eröffnet keine Doppelgleisigkeit und keine Überschneidung. In einem Streitverfahren der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit würde sich eine - erneute - Prüfung derjenigen Voraussetzungen erübrigen, über die bereits nach § 3 Abs 4 SchwbG - uU in einem Sozialgerichtsverfahren - entschieden worden ist.
Das SG hat nunmehr die angefochtenen Bescheide des Beklagten sachlich zu kontrollieren und auch darüber zu entscheiden, ob der Beklagte über die Festsetzung der MdE um 80 vH hinaus zu der Feststellung verpflichtet ist, daß der Kläger infolge der Behinderungen ständig an die Wohnung gebunden ist oder nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen kann.
Das SG hat ebenfalls über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.
Fundstellen