Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersatz für Verwaltungskosten. Ruhen einer Leistung. Ersatzanspruch der Krankenkasse bei rückwirkender Anerkennung des Versorgungsanspruchs
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Regelungen über den Ersatz von Verwaltungskosten nach § 20 BVG sind nur anzuwenden, wenn die Krankenkasse Leistungen nur nach den Vorschriften des BVG zu erbringen hat.
2. Ist die Krankenkasse zum Zeitpunkt der Leistungsgewährung aus eigenem Recht verpflichtet gewesen, richtet sich auch bei rückwirkender Anerkennung des Versorgungsanspruchs nach dem OEG iVm dem BVG ihr Ersatzanspruch nach § 19 BVG, der einen Verwaltungskostenersatz nicht umfaßt.
Orientierungssatz
Sind gemäß § 1 Abs 1 OEG Leistungen in entsprechender Anwendung des BVG zu gewähren und besteht daneben ein Anspruch aus § 182 Abs 1 und 2 RVO, so sind Verwaltungskosten nicht zu ersetzen, weil sich der Erstattungsanspruch der Krankenkasse nicht nach § 20, sondern nach § 19 BVG richtet. Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß nach § 183 Abs 6 RVO ein neben dem Übergangsgeld nach dem BVG zustehendes Krankengeld nach der RVO ruht.
Normenkette
BVG §§ 19-20; OEG § 1 Abs. 1; RVO § 182 Abs. 1-2, § 183 Abs. 6
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 06.01.1983; Aktenzeichen L 7 V 153/82) |
SG Duisburg (Entscheidung vom 29.06.1982; Aktenzeichen S 25 V 110/81) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte (Land) der Klägerin (Krankenkasse) 8 % Verwaltungskosten zu erstatten hat. Die Klägerin gewährte dem bei ihr pflichtversicherten H. A. in der Zeit vom 15. Mai 1977 bis 14. November 1977 Krankenhilfe, und zwar wurden übernommen Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 1.675,30 DM und ein Betrag von 7.343,37 DM, hierüber ist zwischen den Beteiligten streitig, ob es sich dabei um Krankengeld oder um Übergangsgeld nach § 16 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) handelt.
Der Versicherte H. A. (A.) war Opfer eines Angriffes, bei dem er sich eine Gehirnerschütterung zuzog. Mit Bescheid vom 13. Juli 1979 erkannte das Versorgungsamt Münster nach dem Gesetz über die Entschädigung von Opfern von Gewalttaten (OEG) iVm dem BVG postcommotionelle Beschwerden als Schädigungsfolgen an und gewährte vom 1. Mai 1977 bis zum 31. Mai 1978 Versorgungsbezüge nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 vH.
Der von der Klägerin dem Beklagten in Rechnung gestellte Erstattungsbetrag von insgesamt 9.018,67 DM wurde von der Versorgungsverwaltung übernommen, nicht dagegen der von der Klägerin im Kostennachweis aufgeführte Anteil an Verwaltungskosten in Höhe von 587,47 DM = 8 % von 7.343,37 DM.
Auf die Klage hin hat das Sozialgericht (SG) durch Urteil vom 29. Juni 1982 das beklagte Land verurteilt, an die Klägerin 587,47 DM zu zahlen. Die Berufung gegen dieses Urteil hat das SG zugelassen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 6. Januar 1983 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Der pauschale Ersatz von Verwaltungskosten ergebe sich nur aus § 20 BVG, nicht dagegen aus § 19 BVG. Im zugrundeliegenden Fall sei aber ein Anspruch aus § 19 BVG gegeben, da die Klägerin neben ihrer Verpflichtung auf Grund des BVG auch nach dem Recht der Krankenversicherung (§ 182 Abs 1 Nr 2 der Reichsversicherungsordnung -RVO-) selbst unmittelbar leistungsverpflichtet gewesen sei. Infolgedessen sei sie nicht allein für die Versorgungsverwaltung tätig geworden. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Anspruch auf Krankengeld wegen eines möglicherweise zugleich bestehenden Anspruchs auf Übergangsgeld gemäß § 183 Abs 6 RVO geruht habe, weil das nicht schon dann der Fall sei, wenn ein Anspruch auf Übergangsgeld bestehe, sondern erst dann, wenn der Anspruch realisiert worden sei. Allein entscheidend für die Frage, ob § 19 oder § 20 BVG anzuwenden sei, sei der Umstand, ob neben dem sich aus den Vorschriften des BVG ergebenden Anspruch zugleich ein weiterer aus anderen Rechtsvorschriften bestehe, der unmittelbar gegen die Krankenkasse gerichtet sei. Dies gelte auch dann, wenn die Versorgungsverwaltung nicht erst seit dem Bescheid vom 13. Juli 1979, sondern sofort nach dem Unfall zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Die Klägerin sei dann zwar nur subsidiär, aber aus eigener Verpflichtung neben der Versorgungsverwaltung zur Erbringung derselben Leistung verpflichtet gewesen.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Klägerin hat dieses Rechtsmittel eingelegt und rügt die Verletzung der §§ 19, 20, 22 und 60 BVG. Zwar sei der Anerkennungsbescheid des Versorgungsamtes Münster erst nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erlassen worden; da er aber Rückwirkung habe, liege eine Anerkennung im Sinne des BVG bereits seit dem 1. Mai 1977 vor, denn für die Anerkennung komme es nicht auf den zufälligen, vom Beschädigten nicht beeinflußbaren Zeitpunkt des Erlasses des Anerkennungsbescheides an, sondern auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Anerkennung. Das ergebe sich aus § 60 BVG. Aus der Wechselwirkung zwischen Krankenkasse und Versorgungsverwaltung hinsichtlich des Antrags nach § 18 a Abs 1 Satz 3 BVG ergebe sich, daß schon die Meldung der Arbeitsunfähigkeit auch den Antrag an das Versorgungsamt umfasse. Die AOK Duisburg habe im Auftragsbereich des § 18c Abs 2 BVG Übergangsgeld an den Geschädigten ausgezahlt und dadurch gemäß § 183 Abs 6 RVO den Anspruch auf Krankengeld nachträglich zum Ruhen gebracht. Damit sei allein ein Anspruch nach dem BVG erfüllt worden, so daß sich aus § 20 BVG ein Ersatzanspruch hinsichtlich der Verwaltungskosten ergebe. Dazu komme, daß der Geschädigte rentenmäßig günstiger dastehe, wenn er Übergangsgeld, nicht Krankengeld beziehe.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 6. Januar 1983 aufzuheben und die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 29. Juni 1982 zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Beigeladene schließt sich der Rechtsansicht des Beklagten an.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) einverstanden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet, denn das LSG hat zu Recht das Urteil des SG Duisburg vom 29. Juni 1982 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Ein Anspruch auf Ersatz der Verwaltungskosten ist in § 20 BVG, nicht jedoch in § 19 BVG vorgesehen. Hier ist auf das Erstattungsverhältnis § 19 BVG anzuwenden. § 20 BVG, nach dem den Krankenkassen die Kosten sowie ein Betrag von 8 % dieser Kosten als Ersatz für Verwaltungskosten und sonstige mit der Durchführung zusammenhängende Kosten zu ersetzen sind, ist nur anzuwenden, wenn die Krankenkassen Leistungen nur nach den Vorschriften dieses Gesetzes - des BVG - zu erbringen haben. In diesem Fall (des § 20 BVG) werden die Krankenkassen nur deshalb tätig, weil das BVG es verlangt. Sie erfüllen nicht gleichzeitig auch eine eigene Pflicht und müssen somit ihren Verwaltungsapparat nur für die Erfüllung der ihr durch das BVG auferlegten Aufgaben zur Verfügung stellen, woraus sich die Abgeltung des pauschalierten Aufwands rechtfertigt. Hier kommen insbesondere Leistungen für nichtversicherte Beschädigte oder für Beschädigte, die zwar krankenversichert sind, für die aber die Krankenkasse nach Gesetz oder Satzung die Heilbehandlung nicht zu übernehmen oder fortzuführen braucht, in Betracht, bei denen die Leistungen also über die gesetz- oder satzungsmäßige Verpflichtung der Krankenkassen hinausgeht (BSG SozR 3100 § 20 Nr 1). In derartigen Fällen werden von den Krankenkassen Leistungen "nur nach den Vorschriften des BVG" gewährt. Sie werden nicht nach anderen gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere nicht nach der RVO tätig. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Der bei der Klägerin versicherte A. hat durch einen Angriff iS des OEG eine gesundheitliche Schädigung erlitten, so daß ihm Leistungen in entsprechender Anwendung des BVG zu gewähren sind (§ 1 Abs 1 OEG). Neben diesem sich aus dem BVG ergebenden Anspruch des A. steht aber der aus § 182 Abs 1 und 2 RVO. Die Klägerin ist aus zweierlei Gesichtspunkten zur Leistung verpflichtet gewesen; ihr Ersatzanspruch richtet sich nicht nach § 20 BVG.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß nach § 183 Abs 6 RVO ein neben dem Übergangsgeld nach dem BVG zustehendes Krankengeld nach der RVO ruht. "Ruhen einer Leistung" bedeutet nicht, daß das Stammrecht überhaupt entfällt, sondern nur, daß die jeweils fällig werdenden Einzelleistungen nicht bewirkt zu werden brauchen (vgl Großer Senat des BSG in BSGE 33, 280, 286 = SozR Nr 13 zu § 1302 RVO; BSGE 44/226, 228f = SozR 2200 § 1241/5; 9b Senat vom 16. Mai 1984 in SozR 2200 § 615 Nr 5).
Zu dem Urteil des BSG vom 25. Oktober 1978 - 9 RV 60/77 - in SozR 3100 § 20 Nr 1 besteht kein Widerspruch. Das BSG hat dort zwar der Krankenkasse eines Beschädigten, für den während der Dauer einer nicht schädigungsbedingten Arbeitsunfähigkeit eine Kur nach dem BVG durchgeführt worden ist, Ersatz von Verwaltungskosten nach § 20 BVG in Höhe von 8 % der während der Kur bewirkten Leistungen zugesprochen. Das BSG hat aber darauf abgestellt, daß die Krankenkasse weder verpflichtet noch auch nur berechtigt wäre, eine Badekur nach der RVO durchzuführen, so daß die Kasse mit der Befriedigung des mit der Badekur verbundenen Übergangsgeldanspruchs des damaligen Beschädigten Zahlungen erbracht hat, die sie nur nach den Vorschriften des BVG zu leisten hatte. Der Krankengeldanspruch des damaligen Beschädigten beruhte dabei auf einem anderen Sachverhalt, nämlich der nicht schädigungsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Deshalb hatte die Krankenkasse dort einen Ersatzanspruch nach § 20 BVG, der auch 8 % der Verwaltungskosten umschloß. Hier aber tritt neben die Verpflichtung der Klägerin nach dem BVG die nach der RVO.
Aus diesem Grund ist § 20 BVG nicht anwendbar.
Die Revision der Klägerin ist daher unbegründet und muß zurückgewiesen werden, § 170 Abs 1 Satz 1 SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 4 SGG.
Fundstellen