Entscheidungsstichwort (Thema)
Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen Versicherungsträgern. kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage. notwendige Beiladung
Orientierungssatz
1. Zwischen dem Krankenversicherungsträger und dem Rehabilitationsträger der nach RVO § 381 Abs 3a Nr 2 die Beiträge zur KV für einen Übergangsgeld beziehenden Versicherten zu tragen hat, besteht ein Über- und Unterordnungsverhältnis (so auch BSG vom 1978-02-02 12 RK 29/77 = SozR 2200 § 381 Nr 26). Dementsprechend sind Entscheidungen sowohl zur Beitragspflicht als auch zur Rückerstattung von Beiträgen Verwaltungsakte, die mit der Klage angefochten werden können; soweit es sich um die Rückzahlung geleisteter Beiträge handelt, kann die Anfechtungsklage mit einer Leistungsklage gemäß SGG § 54 Abs 4 verbunden werden.
2. Wird die Rückzahlung geleisteter Beiträge zur KV und RV geltend gemacht, so ist der Versicherte und der zuständige Rentenversicherungsträger notwendig beizuladen (vergleiche BSG vom 1978-02-02 12 RK 59/76 = SozR 1500 § 75 Nr 15, BSG vom 1961-09-27 3 RK 74/59 = BSGE 15, 118).
Normenkette
SGG § 75 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03; RVO § 381 Abs. 3a Nr. 2 Fassung: 1974-08-07, § 1227 Abs. 1 S. 1 Nr. 8a Buchst. c Fassung: 1974-08-07; SGG § 54 Abs. 4, 1; RVO § 1399
Verfahrensgang
SG Hannover (Entscheidung vom 02.12.1977; Aktenzeichen S 13 U 121/76) |
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin, die für den bei der AOK Erkelenz - der Rechtsvorgängerin der Beklagten - gegen Krankheit versicherten H. L. (L.) ua für die Zeit vom 1. bis 23. Oktober 1974 wegen der Folgen eines Arbeitsunfalles Verletztengeld/Übergangsgeld gezahlt hat, die für diesen Zeitraum abgeführten Beitrage zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur Arbeiterrentenversicherung zu Unrecht entrichtet hat und zurückfordern darf.
Der bei der Klägerin gegen Arbeitsunfall versicherte L. war ua wegen der Folgen eines im Mai 1973 erlittenen Arbeitsunfalles bis zum 26. November 1974 als arbeitsunfähig krank beurteilt worden. Auf Veranlassung der Klägerin zahlte die AOK Erkelenz dem Verletzten ua vom 1. Juni 1974 bis 23. Oktober 1974 Verletztengeld (ab 1. Oktober 1974 Übergangsgeld). Mit Bescheid vom 27. Mai 1975 stellte die Klägerin rückwirkend ab 1. Juni 1974 eine Verletztendauerrente in Höhe von 50 vH der Vollrente fest. Ebenfalls rückwirkend ab 1. Juni 1974 gewährte die Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz dem Versicherten L. auf dessen Antrag vom 6. Juni 1974 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus der Arbeiterrentenversicherung. Mit ihrer - nicht in der äußeren Form eines Bescheides gehaltenen und insbesondere nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen - Beitragsrechnung vom 4. November 1974 forderte die AOK Erkelenz gemäß §§ 311 Satz 3, 381 Abs 3a Nr 2, 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 8a Buchst c RVO für die Zeit vom 1. bis 23. Oktober 1974 Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung der Arbeiter im Gesamtbetrage von 493,04 DM. Die Klägerin zahlte diesen Betrag am 18. November 1974, forderte ihn jedoch mit Schreiben vom 28. Februar 1975 zurück. Nachdem die Beklagte dies mit Schreiben vom 4. und 21. März 1975 abgelehnt hatte, erhob sie am 3. Mai 1976 Klage auf Aufhebung der Beitragsrechnung und Rückzahlung des vorgenannten Betrages. Sie meint, sie habe diesen Beitrag zu Unrecht entrichtet und deshalb einen entsprechenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, weil die rückwirkende Gewährung der Verletztenrente zum Wegfall des Verletztengeldes/Übergangsgeldes vom Zeitpunkt der Rentengewährung an geführt habe.
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 2. Dezember 1977 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Zahlung des Übergangsgeldes sei nicht ohne Rechtsgrund erfolgt, weil die rückwirkende Bewilligung der Rente aus der Arbeiterrentenversicherung mit dem Bescheid der LVA Rheinprovinz vom 30. Januar 1975 dem von der AOK Erkelenz gezahlten Übergangsgeld nicht rückwirkend die rechtliche Grundlage entzogen habe. Deshalb sei der Unfallverletzte bis zum 23. Oktober 1974 nach § 311 Satz 1 Nr 3 Reichsversicherungsordnung - RVO - versichert gewesen; die Mitgliedschaft zur Rentnerkrankenkasse habe erst am 24. Oktober 1974 begonnen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die - vom SG zugelassene - Sprungrevision der Klägerin. Sie macht zur Begründung geltend, der Versicherte L. sei ab 1. Juni 1974 nicht nach § 311 Satz 1 Nr 3 RVO, sondern nur nach § 165 Abs 1 Nr 3a RVO Pflichtmitglied der AOK Erkelenz gewesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG Hannover vom 2. Dezember 1977 sowie den Beitragsbescheid der AOK Erkelenz vom 4. November 1974 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 493,04 DM zu erstatten.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) einverstanden erklärt.
II.
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des SG muß aufgehoben werden. Der Rechtsstreit ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Das Begehren der Klägerin stellt sich als kombiniertes Anfechtungs- und Leistungsbegehren iSd § 54 Abs 1 iVm Abs 4 SGG dar. Der erkennende Senat hat bereits in dem Urteil vom 2. Februar 1978 - 12 RK 29/77 - (SozR 2200 § 381 Nr 26 S. 65 ff) mit ausführlicher Begründung dargelegt, daß zwischen dem Krankenversicherungsträger und dem Rehabilitationsträger der nach § 381 Abs 3a Nr 2 RVO die Beiträge zur Krankenversicherung für einen Übergangsgeld beziehenden Versicherten zu tragen hat, ein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht. Dementsprechend sind Entscheidungen der AOK Erkelenz sowohl zur Beitragspflicht der Klägerin als auch der Beklagten zur Rückerstattung von Beiträgen Verwaltungsakte, die mit der Klage angefochten werden können; soweit es sich um die Rückzahlung geleisteter Beiträge handelt, kann die Anfechtungsklage mit einer Leistungsklage gem § 54 Nr 4 SGG verbunden werden.
Zu diesem Verfahren sind der Versicherte und die beteiligten Versicherungsträger beizuladen; beide sind notwendig Beizuladende (§ 75 Abs 2 SGG). Der erkennende Senat hat bereits mehrfach entschieden (vgl Urteil vom 2. Februar 1978 - 12 RK 59/76 -, SozR 1500 § 75 Nr 15 mwN), daß ein Versicherter jedenfalls dann nach § 75 Abs 2 SGG notwendig beizuladen ist, wenn von dem Streit der Beteiligten sein Versicherungsverhältnis mitbetroffen wird; die Erstattung der für die Zeit der Gewährung des Übergangsgeldes entrichteten Beiträge wirke sich zwangsläufig auch auf das Versicherungs- und Mitgliedschaftsverhältnis des Versicherten zur Beklagten aus und greife damit in seine Rechtssphäre unmittelbar ein.
Die Beiladung der LVA Rheinprovinz ist erforderlich, weil die Beklagte als Einzugsstelle iSd § 1399 RVO über die Versicherungspflicht L's zur Arbeiterrentenversicherung gemäß § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 8a Buchst c RVO mitentschieden und entsprechende Beitragsteile festgestellt hat. In einem solchen Fall ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (BSGE 15, 118) der zuständige Rentenversicherungsträger - hier die LVA Rheinprovinz - notwendig beizuladen.
Die Unterlassung einer notwendigen Beiladung, die in der Revisionsinstanz nicht nachgeholt werden kann (§ 168 SGG), ist bei einer zulässigen Revision von Amts wegen als Verfahrensmangel zu beachten (BSG SozR 1500 § 75 Nr 1; Urteil des erkennenden Senats vom 16. Dezember 1976 - 12/3/12 RK 23/74 - Breithaupt 1977, 846). Deshalb ist das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, und die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Tatsacheninstanz zurückzuverweisen; der Senat hat es für erforderlich gehalten, das Verfahren an das Landessozialgericht zurückzuverweisen, das für die Berufung zuständig wäre (§ 170 Abs 4 SGG).
Das LSG wird in verfahrensrechtlicher Hinsicht zu beachten haben, daß zwischen den Entscheidungen über die Beitragsfeststellung und der Beitragserstattung zu unterscheiden ist; hieraus folgt die Notwendigkeit der Prüfung, ob und ggf in welchem ihrer Schreiben an die Klägerin die Beklagte überhaupt durch Verwaltungsakt über die Rückerstattung entschieden hat und ob in welcher Weise die Klägerin die Klagefrist gewahrt hat.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen