Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 11.12.1986) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. Dezember 1986 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger ein Viertel seiner außergerichtlichen Kosten für alle Instanzen zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger das flexible Knappschafts-Ruhegeld auch für die Zeit von September bis Dezember 1984 zugestanden hat.
Der Kläger bezog zunächst ab August 1983 gemäß § 48 Abs 1 Nr 1 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) das vorzeitige (flexible) Knappschafts-Ruhegeld. Er ist seit dem 6. Juli 1984 ehrenamtlicher Ortsbürgermeister seiner Wohngemeinde G. … und bezieht hierfür eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 1.121,– DM monatlich. Die Beklagte ist der Ansicht, daß die Aufwandsentschädigung in Höhe von zwei Dritteln steuerpflichtiges Entgelt ist und die in § 48 Abs 4 RKG geregelte Verdienstgrenze übersteigt. Sie entzog deshalb mit dem Bescheid vom 16. August 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 1984 für die Zeit vom 1. Juli 1984 bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres – Dezember 1984 – das vorzeitige Knappschafts-Ruhegeld. Gleichzeitig forderte sie die bereits ausgezahlten Renten für Juli und August 1984 zurück. Diesen Bescheid hat sie im Revisionsverfahren zurückgenommen, soweit er die Leistungen für die Monate Juli und August 1984 betrifft.
Das Sozialgericht (SG) Koblenz hat die Klage durch Urteil vom 22. Mai 1986 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die – vom SG zugelassene – Berufung zurückgewiesen. In der Begründung seiner Entscheidung hat das LSG die vom 11. Senat des Bundessozialgerichts in dem Urteil vom 13. Juni 1984 – 11 RA 34/83 (SozR 2200 § 1248 Nr 41) zu § 1248 der Reichsversicherungsordnung (RVO) vertretene Rechtsauffassung auch auf die Anrechnung des Entgelts auf das vorzeitige Knappschafts-Ruhegeld angewendet. Die dem Kläger gewährte, pauschal bemessene Aufwandsentschädigung sei im Hinblick auf die für das Land Rheinland-Pfalz geltende Regelung lediglich zu einem Drittel Aufwands-Anteil und im übrigen Arbeitsentgelt. Der Kläger habe auf diesen Teil der Aufwandsentschädigung auch nicht wirksam verzichten können.
Der Kläger wendet sich in seiner – vom LSG zugelassenen – Revision gegen die rechtliche Beurteilung der Aufwandsentschädigung als Arbeitsentgelt. Die Tätigkeit der ehrenamtlichen Ortsbürgermeister sei nicht auf die Erzielung von Arbeitseinkommen gerichtet; sie sei auch keine Beschäftigung iS des § 7 Abs 1 des Sozialgesetzbuches – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV), weil Ortsbürgermeister keine weisungsgebundenen Arbeiten verrichteten, sondern Organe der Gemeinde seien. Die Ausübung ihres Amtes sei auch keine dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Erwerbstätigkeit. Insoweit sei deshalb auch der Umstand unerheblich, daß die dem Kläger gewährte Aufwandsentschädigung teilweise als steuerpflichtiges Entgelt behandelt werde. Schließlich stehe die Anrechnung der Aufwandsentschädigung auf das vorzeitige Knappschafts-Ruhegeld auch nicht mit den Zielen des Gesetzes im Einklang. Die Vorschrift des § 48 RKG solle den langfristig beschäftigt gewesenen Arbeitnehmern ermöglichen, aus dem Erwerbsleben auszuscheiden. Ziel der Vorschrift sei es aber nicht, die Übernahme von Ehrenämtern zu verhindern und so ältere Arbeitnehmer letztlich von der Ausübung ehrenamtlicher Funktionen abzuhalten.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil, das Urteil des SG Koblenz vom 22. Mai 1986 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. August 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 1984 aufzuheben, soweit die Beklagte diese Bescheide nicht aufgehoben hat.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers gegen das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 11. Dezember 1986 zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist nicht begründet. Soweit die Beklagte die angefochtenen Bescheide im Revisionsverfahren nicht zurückgenommen hat, entsprechen sie der Sach- und Rechtslage.
Die Beklagte durfte den Rentenfeststellungsbescheid nach § 48 Abs 1 SGB X jedenfalls für die Zukunft aufheben, weil der Kläger infolge einer Änderung der Verhältnisse nach § 48 Abs 4 RKG keinen Anspruch auf das Knappschaftsruhegeld hatte. Der Kläger hat in der streitigen Zeit eine Erwerbstätigkeit ausgeübt, die den Rentenanspruch ausschließt. Zwar hat es sich bei dem Amt eines Ortsbürgermeisters um ein Ehrenamt und bei den daraus erzielten Einkünften um eine pauschale Aufwandsentschädigung gehandelt. Das schließt aber die Annahme nicht aus, daß ein Teil der Aufwandsentschädigung Entgelt für geleistete Arbeit war.
Soweit das LSG den Inhalt der nach § 162 SGG nicht revisiblen rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung festgestellt hat, ist der Senat daran ebenso gebunden wie an die Tatsachenfeststellungen des LSG, die der Kläger nicht mit begründeten Verfahrensrügen angegriffen hat.
Auszugehen ist daher davon, daß dem Kläger in der streitigen Zeit Verwaltungsaufgaben zugewiesen waren. Auch wenn der Kläger dadurch nicht Berufsbeamter geworden, sondern Inhaber eines Ehrenamtes geblieben ist, so hat es sich bei der pauschalen Aufwandsentschädigung teilweise doch um Entgelt für geleistete Arbeit gehandelt, dessen Anteil das LSG ohne Rechtsverstoß und in Übereinstimmung mit der steuerlichen Behandlung mit 2/3 bewertet hat.
Damit ist aber die gesetzliche Einkommensgrenze überschritten.
Der 11. Senat des BSG hat in seinem ausführlich begründeten Urteil vom 13. Juni 1984 – 11 RA 34/83 – (SozR 2200 § 1248 Nr 41) zunächst an die Rechtsprechung des 12. Senats des BSG (BSGE 47, 201, 204 = SozR 2200 § 165 Nr 32; BSGE 50, 231 = SozR 2200 § 1229 Nr 12, beide Urteile mwN) und des 1. Senats (BSGE 53, 242, 243 = SozR 2200 § 1248 Nr 36 mwN) angeknüpft und herausgestellt, daß er mit den beiden vorgenannten Senaten sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung übereinstimmend die Tätigkeit eines ehrenamtlichen Bürgermeisters grundsätzlich als abhängige Beschäftigung angesehen hat, soweit der Bürgermeister in diesem Amt über Repräsentationsaufgaben hinausgehende, dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Verwaltungsfunktionen ausübt und hierfür ein Entgelt erhält. Der 1. Senat (aaO) hat ferner bereits dargelegt, daß im Hinblick auf die unterschiedliche Ausgestaltung der Kommunalverfassungen in den einzelnen Bundesländern auch die Abgrenzung der Tätigkeit der ehrenamtlichen Bürgermeister zwischen Repräsentationsaufgaben und entgeltlicher abhängiger Beschäftigung nur für das Bundesland beurteilt werden kann, in dem der Bürgermeister tätig ist. Dieser Rechtsauffassung tritt der erkennende Senat auch unter Berücksichtigung der abweichenden rechtlichen Darlegungen der Revision bei, zumal da diese sich auf Angriffe gegen die sachliche Richtigkeit der zuvor dargelegten Differenzierung beschränken, jedoch keine neuen Gesichtspunkte aufzeigen, die eine andere Abgrenzung der in der Rechtsprechung des BSG seit langem gefestigten Begriffe der unselbständigen Beschäftigung, der Beschäftigung gegen Entgelt und des Entgeltbegriffes selbst erforderlich machen. Schließlich hat der 11. Senat des BSG (aaO) bereits mit ausführlicher Begründung dargelegt, daß auch ein Ortsbürgermeister einer verbandsangehörigen Gemeinde in Rheinland-Pfalz einer Erwerbstätigkeit iS des § 1248 RVO nachgeht und abhängige Arbeit leistet. Der Senat hat – ausgehend von der nicht revisiblen Inhaltsfeststellung des Landesrechts und den Tatsachenfeststellungen des LSG – keine Bedenken, diese zu § 1248 Abs 4 RVO getroffene Abgrenzung auch auf die inhaltsgleiche Vorschrift des § 48 Abs 4 RKG zu übertragen und mithin die einem ehrenamtlichen Ortsbürgermeister gezahlte Aufwandsentschädigung, soweit sie steuerpflichtiges Entgelt ist, auch bei dem Anspruch auf das Knappschafts-Ruhegeld zu berücksichtigen.
Der Senat verkennt nicht, daß bei diesem Ergebnis der von § 48 Abs 1 Nr 1, Abs 4 RKG erfaßte Personenkreis der ehrenamtlich tätigen Ortsbürgermeister in Rheinland-Pfalz möglicherweise im Verhältnis zu einem Ortsbürgermeister, der in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis steht und in diesem Arbeitseinkommen oder Verdienstausfallentschädigungen erhält, benachteiligt sein kann. Diese Folge kann aber nicht durch die anderweitige Abgrenzung des Normgehalts des § 48 Abs 4 RKG, sondern nur durch eine – allein auf dem Gebiet des Kommunalrechts liegende anderweitige Entschädigungspraxis vermieden werden. Andernfalls würde ein solcher Ortsbürgermeister sozialrechtlich besser gestellt sein als ein Bezieher eines vorgezogenen Knappschaftsruhegeldes, der in einem sonstigen Beschäftigungsverhältnis steht.
Dementsprechend steht dem Kläger der im Revisionsverfahren noch streitige Anspruch nicht zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen