Leitsatz (amtlich)

1. Die Neufeststellung der Leistung nach Abk Österreich SV Art 39 Abs 2 S 2 vom 1951-04-21 ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil seit dem Inkrafttreten des Abkommens (1953-01-01) vom Versicherungsträger oder den Rentenrechnungsstellen der Deutschen Bundespost auf Grund der gesetzlichen Rentenerhöhungen (GEG, RMG, SZG, 2. SZG) der Rentenzahlbetrag geändert und die Rente zum 1957-01-01 nach den Vorschriften des AnVNG Art 2 §§ 30 ff umgestellt wurde.

2. Die Neufeststellung der Leistung nach Abk Österreich SV Art 39 Abs 2 S 2 verstößt nicht deshalb gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (GG Art 3 Abs 1), weil der Versicherungsträger diese Vorschrift nur in den ihm - früher oder später - bekannt werdenden Fällen anwenden kann.

3. Der grundlegenden Neuordnung des deutschen Rentenrechts durch die Renten-Neuregelungsgesetze muß bei einer vom Versicherungsträger erst nach der Rentenumstellung vorgenommenen Neufeststellung der Leistung nach Abk Österreich SV Art 39 Abs 2 S 2 in der Weise Rechnung getragen werden, daß dem Berechtigten die Umstellungsrente vermindert um den Betrag der österreichischen Teilrente als deutsche Teilrente weiterzugewähren und dieser "Nettobetrag" auch für künftige Rentenanpassungen als Rentenzahlbetrag zugrunde zu legen ist.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23; AnVNG Art. 2 § 30 Fassung: 1957-02-23; SZG 2 Fassung: 1956-11-16; RMG Fassung: 1954-11-23; SZG Fassung: 1955-12-02; SVAbk AUT Art. 39 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1951-04-21; GEG Fassung: 1953-04-17; ArVNG Art. 2 § 31 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Die Urteile des Sozialgerichts Braunschweig vom 26. Oktober 1960 und des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 1. Dezember 1961 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung ihres Bescheides vom 14. November 1958 verurteilt, dem Kläger einen neuen Bescheid zu erteilen, in dem die Rente des Klägers vom 1. Dezember 1958 an bis zu einer etwaigen zwischenstaatlichen Neuregelung in Höhe des bis zum 30. November 1958 gezahlten Betrages (497,40 DM) vermindert um den Betrag der von der Pensionsanstalt in Wien für Monat November 1958 zu zahlenden Rente berechnet ist.

Als Zahlbetrag für die Rentenanpassung ist zugrunde zu legen der Betrag von 497,40 DM vermindert um die für den Monat November 1958 vom österreichischen Versicherungsträger zu zahlende Rente.

Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

 

Gründe

Der Rechtsstreit wird um die Höhe des Altersruhegeldes geführt, das die Beklagte dem Kläger als "Teilrente" nach den Vorschriften des Ersten deutsch-österreichischen Abkommens über Sozialversicherung vom 21. April 1951 (BGBl 1952 II 317) gewährt.

Der Kläger, geboren 1883, deutscher Staatsangehöriger, hat Versicherungszeiten in der deutschen und von 1912 an in der österreichischen gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt; von 1939 bis 1945 war er in Österreich beschäftigt und hat Pflichtbeiträge zur Reichsversicherungsanstalt für Angestellte (RfA) geleistet. Im Jahre 1948 gewährte ihm die Landesversicherungsanstalt (LVA) Braunschweig, die damals in ihrem Bereich die Aufgaben der stillgelegten RfA wahrnahm, aus diesen Versicherungszeiten das Altersruhegeld nach § 26 Abs. 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) aF im Betrage von 170,60 DM monatlich (Bescheide vom 26. August und 8. Dezember 1948). Zum 1. Januar 1957 wurde die Rente nach den Vorschriften des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) auf den Betrag von monatlich 343,20 DM umgestellt; hierüber erhielt der Kläger eine formlose Mitteilung der Bundespost. Der Kläger beanstandete der Beklagten gegenüber - die Höhe der Umstellungsrente. Bei der Überprüfung stellte die Beklagte fest, daß in der Rente die österreichischen Versicherungszeiten des Klägers berücksichtigt waren. Sie leitete daraufhin das zwischenstaatliche Rentenfeststellungsverfahren nach den Vorschriften des Ersten Deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens in Verbindung mit Art. 16 ff der Durchführungsverordnung vom 28. November 1952 (BArBl 1953 S. 236) ein. Die Pensionsversicherungsanstalt in Wien erkannte den Anspruch des Klägers auf das Altersruhegeld aus den österreichischen Versicherungszeiten dem Grunde nach an und zahlte dem Kläger vom 1. Mai 1957 an einen laufenden (später zu verrechnenden) Vorschuß von monatlich 951,70 Schilling oder umgerechnet 150,96 DM (Verständigungen vom 21. August 1958 und 27. Januar 1959). Daraufhin stellte die Beklagte die Rente des Klägers unter Berücksichtigung der in die deutsche Versicherungslast fallenden Versicherungszeiten vom 1. April 1957 an neu fest; sie betrug danach monatlich 92,20 DM (Bescheid vom 14. November 1958).

Der Kläger war mit der Neufeststellung der Rente nicht einverstanden. Das Sozialgericht (SG) Braunschweig wies jedoch die Klage ab (Urteil vom 26. Oktober 1960). Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen wies die Berufung des Klägers - unter Zulassung der Revision - zurück; es führte in den Gründen der Entscheidung aus, die Neufeststellung der Rente hätte erst vom 1. Dezember 1958 an vorgenommen werden dürfen; bis dahin habe dem Kläger die Rente mit allen Zulagen zugestanden, die ihm ohne Berücksichtigung des Abkommens nach bisherigem Recht zu gewähren war; über die Frage, ob bei der Rentenumstellung zum 1. Januar 1957 ein zu geringer Steigerungsbetrag berücksichtigt worden sei, müsse die Beklagte erst noch entscheiden. Im übrigen hielt das LSG die Neufeststellung der Rente für rechtmäßig, wenngleich die damit verbundene Herabsetzung der Rentenbezüge für den Kläger eine Härte bedeute (Urteil vom 1. Dezember 1961).

Der Kläger legte Revision ein mit dem Antrag,

die Urteile des SG und des LSG aufzuheben und nach dem Berufungsantrag zu entscheiden,

hilfsweise,

den Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen.

Er rügte die Verletzung von Vorschriften des Ersten deutschösterreichischen Sozialversicherungsabkommens. Nach Art. 21 dieses Abkommens habe er Anspruch auf Zahlung eines Unterschiedsbetrages. Auch Art. 3 des Grundgesetzes (GG) sei verletzt, weil die Neufeststellung in zahlreichen gleichliegenden Fällen unterbleibe und in der Regel nur vorgenommen werde, wenn die Beklagte durch Zufall von den in Österreich zurückgelegten Versicherungszeiten erfahre.

Die Beklagte beantragte die Zurückweisung der Revision. Im Laufe des Revisionsverfahrens zahlte sie dem Kläger - entsprechend den Ausführungen im Urteil des LSG - für die Zeit vom 1. Januar 1957 bis 30. November 1958 den Unterschiedsbetrag zwischen der bis dahin laufend gewährten Rente und der - auch vom Kläger für richtig gehaltenen - Umstellungsrente von 497,40 DM monatlich. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit für die Zeit bis 30. November 1958 als erledigt.

Die Revision des Klägers ist zulässig und im Ergebnis auch begründet.

Der Streit der Beteiligten betrifft jetzt noch die Rente vom 1. Dezember 1958 an. Die Auffassung des LSG, daß die Beklagte zur Neufeststellung (von diesem Zeitpunkt an) berechtigt war, ist nicht zu beanstanden; diese Befugnis ergab sich aus den Vorschriften des am 1. Januar 1953 in Kraft getretenen Ersten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens (Bekanntmachung vom 30. Dezember 1952 - BGBl 1953 II 14). Die Bestimmungen dieses Abkommens finden nach der ausdrücklichen Regelung in Art. 39 Abs. 1 auch auf Versicherungsfälle Anwendung, die vor seinem Inkrafttreten eingetreten sind sowie auf die vorher zurückgelegten Versicherungszeiten. Vor dem Inkrafttreten festgestellte und nachher noch fällig werdende Leistungen können auf Antrag oder von Amts wegen nach den Bestimmungen des Abkommens neu festgestellt werden, dabei steht die Rechtskraft früherer Entscheidungen nicht entgegen (Art. 39 Abs. 2 Satz 2 des Abkommens). Die Beteiligten können sich daher, soweit die Neufeststellung zulässig ist, nicht auf die Bindungswirkung früherer Bescheide oder auf die Rechtskraftwirkung früherer Urteile berufen. Beim Kläger waren die Voraussetzungen für die Neufeststellung der Rente gegeben; ihm wurde das Altersruhegeld aus den deutschen und österreichischen Versicherungszeiten bereits im Jahre 1948 bewilligt, die Neufeststellung der Beklagten betraf nach dem Inkrafttreten des Abkommens fällig werdende Leistungen aus dieser Rentenfestsetzung. Die Voraussetzungen, die nach Art. 39 Abs. 2 Satz 2 des Abkommens für die Neufeststellung erfüllt sein müssen, sind auch nicht deshalb entfallen, weil die Rente des Klägers seit dem Inkrafttreten des Abkommens mehrfach erhöht (Grundbetragserhöhungsgesetz - GEG -, Rentenmehrbetragsgesetz - RMG -, Sonderzulagengesetze - SZG -) und zuletzt nach Art. 2 §§ 30 ff AnVNG zum 1. Januar 1957 umgestellt wurde. Zwar wird in der Rechtsprechung teilweise die Auffassung vertreten, die Neufeststellung sei nur dann zulässig, wenn es sich bei ihr um die erste Feststellung und Neuberechnung der Rente nach dem Inkrafttreten des Abkommens handle, Art. 39 Abs. 2 Satz 2 sei also nicht anwendbar, wenn der Neufeststellung nicht ein vor dem Abkommen liegender Bescheid, sondern ein Bescheid vorausgehe, der nach dem Inkrafttreten des Abkommens auf Grund eines späteren Gesetzes erlassen worden und bindend geworden sei (so LSG München im Urteil vom 12. September 1962 in der beim Senat unter 1 RA 381/62 anhängigen Revisionssache; Hess. LSG im Urteil vom 25. Oktober 1962 in der Revisionsstreitsache 1 RA 384/62; LSG Baden-Württemberg in Breithaupt 1961, 544). Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits konnte der Senat offen lassen, unter welchen besonderen Voraussetzungen jene Entscheidungen ergangen sind und welche Arten von Bescheiden, die eine vor dem 1. Januar 1953 festgestellte Rente nach diesem Zeitpunkt ändern, ohne das Abkommen zu berücksichtigen, die Befugnis zur Neufeststellung der Rente auf Grund des Art. 39 Abs. 2 des Abkommens ausschließen. Diese Befugnis wird dem Versicherungsträger jedenfalls durch solche Bescheide (Verwaltungsakte) nicht genommen, die sich darauf beschränken, den Rentenzahlbetrag zu ändern, weil ein Gesetz alle Renten dieser Art allgemein ändert (zum Beispiel Rentenzulagegesetz - RZG -, GEG, RMG, SZG, AnVNG). Die Versicherungsträger prüfen nämlich in all diesen Fällen nicht den ganzen Sachverhalt neu und stellen daraufhin "die Rente" neu fest, sondern sie ändern nur - entsprechend dem gesetzlichen Antrag und in seinen Grenzen - den Zahlbetrag der Rente. Solche vom Gesetz angeordnete und begrenzte Änderung läßt alle übrigen Elemente des früheren Bescheides unangetastet. Der Versicherungsträger ist durch solche Änderung daher nicht gehindert, im Rahmen der allgemeinen für ihn geltenden gesetzlichen Bestimmungen die Rente auch wegen eines Umstandes zu entziehen oder neu festzustellen, der schon vor der Änderung des Zahlbetrages eingetreten war, zum Beispiel wenn die Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit schon vorher weggefallen war. Eine solche "Neufeststellung" hat freilich in der Regel keine rückwirkende Kraft und wird erst von einem auf den neuen Bescheid folgenden Zeitpunkt an wirksam. So verhält es sich auch mit der Befugnis, die Rente auf Grund der durch das Abkommen geschaffenen neuen Rechtslage neu festzustellen. Auch diese Befugnis wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Rentenzahlbetrag im Rahmen einer allgemeinen, durch Gesetz angeordneten Änderung der Renten neu berechnet worden ist.

Diese Neuberechnung bindet zwar den Versicherungsträger, und sie bindet ihn auch dann, wenn er - wie es vielfach geschieht - die Umrechnung der Rentenrechnungsstelle der Post überlassen hat; sie bindet ihn aber nur hinsichtlich der Höhe und nur, soweit nicht ausdrückliche Vorschriften (zum Beispiel bei offenbaren Unrichtigkeiten) doch eine Änderung zulassen. Ändern sich dagegen die Voraussetzungen des Rentenanspruchs als solchen - wie bei Wegfall der Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit oder bei Übergang der Versicherungslast auf einen ausländischen Versicherungsträger - dann fällt mit der Bindung an die ursprüngliche Feststellung der Rente auch die Bindung an die Höhe der Umrechnung, soweit sich die Änderung der Voraussetzungen auch auf die Rentenberechnung bezieht, wie zum Beispiel bei der Umwandlung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in eine Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Auch im vorliegenden Falle war daher das Recht der Beklagten, die Rente auf Grund des Art. 39 Abs. 2 des Abkommens neu festzustellen, nicht erloschen. Freilich waren ihr dabei Grenzen gezogen, wie noch darzulegen sein wird.

Der Neufeststellung der Rente - in den noch zu erörternden Grenzen - stand auch nicht der Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) entgegen. Zwar räumt die Beklagte ein, daß sie keine genaue Übersicht über die unter das Abkommen fallenden Versicherungsfälle habe, weil sie außerstande sei, die Vielzahl der von ihr verwalteten Rentenakten und Versicherungsunterlagen allein daraufhin durchzusehen, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens vorliegen. Deshalb kann aber - wie das LSG mit Recht ausgeführt hat - noch nicht von einer Willkür der Beklagten bei der Anwendung des Abkommens gesprochen werden. Selbst wenn man - was der Kläger nicht behauptet - weitergehende Anstrengungen der Beklagten für möglich und zumutbar hält, um alle für die Anwendung des Art. 39 Abs. 2 geeigneten Fälle zu ermitteln, kann der Kläger unter Berufung auf den Gelichbehandlungsgrundsatz nicht verlangen, daß die Beklagte bei ihm von der Neufeststellung der Rente Abstand nimmt. Aus einem etwa fehlerhaften Untätigsein der Verwaltung in anderen Fällen kann niemand ein Recht für sich herleiten, daß die Verwaltung auch in seinem Falle das Gesetz nicht anwende. Dies gilt erst recht dann, wenn Tätigwerden oder Untätigbleiben nicht von der Willkür der Beklagten, sondern von in der Sache begründeten "Zufälligkeiten" abhängen.

Unbegründet sind auch die Einwendungen, die der Kläger gegen die Feststellung und Berechnung der Teilrente aus den deutschen Versicherungszeiten unter Hinweis auf Art. 21 des Abkommens erhebt; ihm steht, wie das LSG zutreffend entschieden hat, ein Unterschiedsbetrag nach dieser Bestimmung nicht zu. Schon der Wortlaut steht der Auffassung des Klägers entgegen (vgl. das Memorandum zum Abkommen, abgedruckt in BArBl 1952 S. 78 ff), ebenso der Sinn und Zweck der Bestimmung. Die Nachteile, die durch den Unterschiedsbetrag ausgeglichen werden sollen, konnten nach dem beim Zustandekommen des Abkommens geltenden deutschen Recht vor allem dann eintreten, wenn feste Rentenbestand teile (Grundbetrag, Kinderzuschuß) nach der in Art. 18 Abs. 1 Nr. 2 b des Abkommens enthaltenen "pro rata temperis" - Regelung zu kürzen waren. Beim deutschen Rentenanteil des Klägers hat aber eine derartige Kürzung nicht stattgefunden; er erhält von der Beklagten eine sog. "Faktoren-Rente" aus den 180 für ihn in der deutschen Rentenversicherung zurückgelegten Beitragsmonaten. Für die nach dem AnVNG umgestellte Teilrente hat aber Art. 21 des Abkommens kaum noch Bedeutung. Jedenfalls kann der Kläger unter Berufung auf diese Bestimmung nicht den Ausgleich des Unterschieds zwischen der ihm bis zur Neufeststellung gewährten Rente und der Summe der danach zustehenden Teilrenten verlangen.

War aber die Beklagte befugt, die Leistung nach den Bestimmungen des Abkommens neu festzusetzen und dem Kläger statt der bisherigen, aus allen Versicherungszeiten errechneten Rente die Teilrente aus den von ihr nach Art. 23 und Art. 24 des Abkommens zu berücksichtigenden deutschen Versicherungszeiten zu gewähren, so können doch nicht die tiefgreifenden Änderungen außer Betracht bleiben, welche die Neuordnung der Rentenversicherungen in der Bundesrepublik Deutschland auch für die zwischenstaatliche Wanderversicherung mit sich gebracht hat. Die Änderungen der Rentenversicherung waren u. a. der Anlaß zu einer grundlegenden Neugestaltung des bisherigen Fremdrentenrechts. Die neue Rentenformel paßt nicht recht mehr zu der Berechnung der Teilrenten, wie sie dem Abkommen vorschwebte, vor allem aber entsprechen die Ergebnisse, zu denen die Teilung der schon nach dem neuen Bundesrecht umgestellten Renten führt, nicht den Absichten, die mit Art. 39 des Abkommens verfolgt wurden. Die darin vorgesehene Neufeststellung von Renten bezog sich sowohl auf die Bewilligung von Renten, auf die erst durch die Zusammenrechnung der Versicherungszeiten ein Anspruch entstand, als auch auf die Verteilung der Versicherungslast aus den schon bewilligten Renten auf die Versicherungsträger der Republik Osterreich und der Bundesrepublik Deutschland. Es erscheint fraglich, ob die Ermächtigung, die Renten entsprechend der durch das Abkommen neu begründeten Zuständigkeit "neu festzustellen", auch die Ermächtigung einschloß, den Rentenbezieher schlechter zu stellen, als er vor der Neufestsetzung stand; jedenfalls konnte die Teilung der Versicherungslast nach dem damals in beiden Gebieten geltenden Recht im Einzelfall zu keiner ins Gewicht fallenden Verringerung der Gesamtrente führen. Dies ergibt sich sowohl aus dem System dieser Versicherungen als auch aus dem Ergebnis, das im vorliegenden Falle eine Neufeststellung vor der Rentenreform gehabt hätte: Die beiden Teilrenten hätten zusammen etwa zu demselben Betrage geführt wie die aus allen Beiträgen nach dem bis dahin in der Bundesrepublik geltenden Recht errechneten Renten. Weil dies Ergebnis dem Verhältnis beider Versicherungssysteme und den für sie geltenden Vorschriften in aller Regel entsprach, konnte man in Art. 39 des Abkommens auch auf eine besondere Gewährungsleistung der schon erworbenen Rechte verzichten. Die Teilung der umgestellten Rente nach dem Wortlaut des Abkommens führt im vorliegenden Fall zu einer Halbierung der Gesamtrente; dies Ergebnis widerspricht aber seinem Sinn.

Die neue Teilrente, welche die Beklagte aus den nicht in die österreichische Versicherungslast fallenden Steigerungsbeträgen errechnet hat, wird aber auch nicht den Werten gerecht, die den ihnen entsprechenden Arbeitsentgelten des Versicherten im Verhältnis zum jeweiligen durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelt aller Versicherten zukommen. Die Umstellungsfaktoren sind vielmehr so berechnet, als ob der Versicherte die der Umstellung zugrunde gelegten Steigerungsbeträge gleichmäßig in der ganzen Zeit zwischen 1898 und 1948 - der Vollendung des 15. Lebensjahres und dem Rentenbeginn - erdient hätte. In Wirklichkeit fallen aber die bei seinen Ansprüchen gegen die Beklagte zu berücksichtigenden Versicherungszeiten nahezu ausschließlich in die Jahre von 1899 bis 1912; sie müßten also zu einer höheren Leistung der Beklagten führen, wenn die österreichischen Versicherungszeiten überhaupt nicht berücksichtigt würden und die deutsche Teilrente ganz nach neuem deutschem Rentenversicherungsrecht zu berechnen wäre. Auf Grund dieser Erwägungen hat der Senat die Überzeugung gewonnen, daß die Neufeststellung der Rente, so wie sie die Beklagte vorgenommen hat, weder dem Zweck des Abkommens noch dem Sinngehalt seines Art. 39 entspricht.

Weder die verschiedenen deutsch-österreichischen Abkommen über Sozialversicherung noch die Neuordnung der Rentenversicherung und des Fremdrentenrechts in der Bundesrepublik Deutschland enthalten Vorschriften, die die hierdurch aufgeworfenen Fragen unmittelbar regeln. Die Ansprüche der Rentner, deren Renten - wie die des Klägers in diesem Rechtsstreit - schon vor dem Ersten deutsch-österreichischen Abkommen endgültig festgestellt und nicht vor der Neuordnung der Rentenversicherung in der Bundesrepublik nach Art. 39 des Abkommens neu festgestellt worden sind, können aber nicht bis zu einer neuen - zwischenstaatlichen - Regelung im ungewissen bleiben. Der Senat war daher gezwungen, die bestehende Lücke im Recht auszufüllen. Er hat dabei erwogen, daß er der Entwicklung des Rechts der Rentenversicherung in der Bundesrepublik, dem mit dem deutschösterreichischen Abkommen verfolgten Ziele und der Vielgestaltigkeit denkbar ähnlicher Fälle am ehesten gerecht werde, wenn er von der Regelung in dem Fremd- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG) ausgehe, obwohl dieses gerade im Verhältnis zu Osterreich nicht gilt. Die Parallelen sieht der Senat darin, daß Art. 1 § 31 FANG die Fälle regelt, in denen nachträglich ein fremder Versicherungsträger Leistungen aus Versicherungszeiten übernimmt, die vorher von einem Versicherungsträger in der Bundesrepublik berücksichtigt worden sind, und daß dieser Grundsatz durch Art. 6 § 10 FANG auch auf schon abgeschlossene Fälle ausgedehnt wird. Da aber Art. 39 des Ersten deutsch-österreichischen Abkommens eine endgültige Teilung der Versicherungslast vorsieht und die beteiligten Versicherungsträger nicht zwingt, für die Feststellung ihrer Leistungen immer wieder die sich möglicherweise ändernden Leistungen des anderen Versicherungsträgers zu berücksichtigen, sind die Grundsätze des Art. 1 § 31 FANG nur einmal anzuwenden, und zwar für den Zeitpunkt der Neufeststellung der Leistungen des Versicherungsträgers in der Bundesrepublik nach Art. 39 des Ersten deutsch-österreichischen Abkommens. Die Beklagte hat demnach den Betrag zu zahlen, der sich aus der für November 1958 festgestellten Rente ergibt, vermindert um den Betrag, den der österreichische Versicherungsträger für diesen Monat zu zahlen hatte. Für die Weiterentwicklung der Ansprüche des ursprünglichen Klägers gegen die Beklagte ist der danach zu Lasten der Beklagten verbleibende Betrag als Zahlbetrag seiner Rente zu behandeln.

Die vom Senat gefundene Lösung führt einerseits zu der vom Abkommen gewollten endgültigen Trennung der Versicherungslasten, sie trägt aber andererseits dem Umstand Rechnung, daß sich durch die Neuregelung der Rentenversicherung in der Bundesrepublik die Verhältnisse gegenüber der Zeit des Abschlusses und des Inkrafttretens des Abkommens grundlegend geändert haben und daß für die Umstellung der Bestandsrenten einfachere Maßstäbe anzuwenden sind als bei der Feststellung der Leistungen aus neuen Versicherungsfällen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 199

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