Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen des vorzeitigen Altersruhegeldes
Orientierungssatz
Als "rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit" iS des § 1248 Abs 3 S 1 RVO können nur solche Beschäftigungen oder Tätigkeiten berücksichtigt werden, für die auch Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet worden sind oder als entrichtet gelten (vgl BSG 1964-10-29 12 RJ 20/62 = SozR Nr 30 zu § 1248 RVO; BSG 1965-03-23 11/1 RA 42/62 = SozR Nr 6 zu Art 2 § 52 ArVNG).
Normenkette
RVO § 1248 Abs. 3 S. 1 Fassung: 1957-02-23
Verfahrensgang
SG Schleswig (Entscheidung vom 07.12.1960) |
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 07.12.1960) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 10. Oktober 1961 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 7. Dezember 1960 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die am 25. August 1897 geborene Klägerin beantragte am 15. November 1957, ihr das vorzeitige Altersruhegeld gemäß § 1248 Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu gewähren. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 5. Juni 1958 ab, weil die Klägerin in den letzten 20 Jahren nicht überwiegend eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt habe; sie habe nur bis 1928 Pflichtbeiträge und nach einer Pause von über 20 Jahren von 1949 an freiwillige Beiträge entrichtet. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) die Beklagte verpflichtet, der Klägerin mit einem neuen Bescheid das Altersruhegeld ab 1. Dezember 1958 zu gewähren; es hat die Revision zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen des § 1248 Abs. 3 RVO; sie sei am 25. August 1957 60 Jahre alt geworden, habe die Wartezeit von 180 Beitragsmonaten erfüllt und übe die in den letzten 20 Jahren überwiegend verrichtete rentenversicherungspflichtige Beschäftigung nicht mehr aus. Nach dem Arbeitsvertrag vom 11. September 1932 und der Aussage der Zeugin J habe sich der Senat davon überzeugt, daß die Klägerin nach bisherigem Recht rentenversicherungspflichtig von 1932 bis 1952 beschäftigt gewesen sei; sie sei nicht mithelfende Ehefrau ihres Ehemannes gewesen, weil der Arbeitsvertrag auch mit ihr abgeschlossen worden sei. Die Klägerin sei auch zu einem erheblichen wirtschaftlichen Entgelt beschäftigt gewesen. Der Nachweis der versicherungspflichtigen Beschäftigung genüge, es komme daher darauf an, ob Pflichtbeiträge entrichtet worden seien. Im Leistungsrecht könnten zwar Zeiten ohne Beitragsleistung keine Beitragszeiten sein, wohl aber im Sinne des § 1248 Abs. 3 RVO. Dafür spreche auch der Wortlaut dieser Vorschrift, weil sie nicht ausdrücklich verlange, daß die Beschäftigungszeiten mit Beiträgen belegt sein müßten.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Revision eingelegt.
Sie rügt fehlerhafte Anwendung des § 1248 Abs. 3 RVO: Das LSG habe es bei der Feststellung einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung allein darauf abgestellt, daß die Klägerin von 1932 bis 1952 tatsächlich als Arbeiterin gegen Entgelt tätig gewesen sei. Das LSG habe allein aus dem Wortlaut des § 1248 Abs. 3 RVO zu Unrecht geschlossen, daß die fehlende Entrichtung von Pflichtbeiträgen für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nicht hinderlich sei. Das Versicherungsverhältnis werde nicht allein durch die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung, sondern erst mit der Entrichtung von Beiträgen begründet.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 10. Oktober 1961 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 7. Dezember 1960 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes statthafte Revision der Beklagten ist zulässig und begründet.
Streitig ist das vorzeitige Altersruhegeld der Klägerin vom 1. Dezember 1958 an. Der Anspruch hängt nach § 1248 Abs. 3 RVO davon ab, ob die Klägerin in den letzten 20 Jahren überwiegend eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat; dies ist zu verneinen. Das LSG hat eine an sich versicherungspflichtige Beschäftigung der Klägerin von 1932 - 1952 bejaht, aber gestützt insbesondere auf den Wortlaut des § 1248 Abs. 3, von dem Erfordernis einer Beitragsentrichtung absehen zu dürfen geglaubt. Wie aber das Bundessozialgericht schon wiederholt (SozR RVO § 1248 Bl. Nr. 27) ausgesprochen hat, können als "rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit" im Sinne des § 1248 Abs. 3 Satz 1 RVO nur solche Beschäftigungen oder Tätigkeiten berücksichtigt werden, für die auch Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet worden sind oder als entrichtet gelten (vgl. SozR RVO § 1248 Nr. 20, Nr. 24, Nr. 27, Nr. 30, ferner Urteil des 11. Senats des BSG vom 23. März 1965 - 11/1 RA 42/62).
Der erkennende Senat hat auch mit Rücksicht auf die vom LSG angeführten Gründe keine Veranlassung gesehen, von der schon ständig gewordenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts abzugehen. Da die Klägerin in den letzten 20 Jahren nicht überwiegend Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet hat, hat sie wegen Fehlens dieses Erfordernisses keinen Anspruch auf das vorzeitige Altersruhegeld (§ 1248 Abs. 3 RVO). Ob etwa die Ausübung einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit verbunden mit der Entrichtung freiwilliger Beiträge ausreicht, kann hier dahinstehen, da die Klägerin in denjenigen der letzten 20 Jahre, in denen sie an sich versicherungspflichtig beschäftigt war, d. h. in den Jahren von 1937 bis 1952, nur für die Zeit von 1949 bis 1952, also für rund 3 Jahre, freiwillige Beiträge geleistet hat.
Das Urteil des LSG muß daher aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des SG zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Fundstellen