Leitsatz (amtlich)
1. Eine Lösung von einer bisher verrichteten knappschaftlichen Tätigkeit (RKG § 35 aF) ist unter Umständen auch zu berücksichtigen, wenn der Versicherte diese Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann. Dies ist dann der Fall, wenn der Versicherte später nur vorübergehend eine andere knappschaftliche Tätigkeit aufgenommen hat, die gegenüber seiner früheren Arbeit solche Vorzüge aufweist, daß mit einer Rückkehr zu dieser Arbeit nicht mehr zu rechnen wäre, selbst wenn dies aus gesundheitlichen Gründen wieder möglich wäre.
Eine derartige Aufnahme erscheint jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn die neue Tätigkeit bei geringer körperlicher Anstrengung und bei mindestens gleicher sozialer Wertung ein effektiv höheres Einkommen gewährleistet.
2. Unter bisher verrichteter knappschaftlicher Tätigkeit ist bei einem früheren Gedingehauer, der aus Gesundheitsgründen jene Arbeit aufgeben mußte und später nicht nur vorübergehend als Angestellter der Tarifgruppe B des für den Ruhrbergbau gültigen Tarifs beschäftigt war, von der letztgenannten Tätigkeit auszugehen.
Normenkette
RKG § 35 Fassung: 1942-10-04
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. Mai 1958 und des Sozialgerichts in Münster vom 26. März 1957 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Der 1898 geborene Kläger ist vom Jahr 1915 bis Ende Juli 1939 mit einer Unterbrechung von nicht ganz zwei Jahren Wehrdienst (1917-1919) im Steinkohlenbergbau unter Tage zunächst als Schlepper im Schichtlohn, dann als Lehrhauer und seit April 1919 als Hauer beschäftigt gewesen; vom 1. August 1939 an gewährte ihm die Beklagte wegen einer durch bergmännisches Augenzittern und andere leiden bedingten Berufsunfähigkeit die Invalidenpension. Der Kläger wurde seit seiner Pensionierung bis Ende 1941 als Tagesarbeiter im Büro beschäftigt und am 1. Januar 1942 in das Angestelltenverhältnis übernommen. Er bezog als Angestellter zunächst bis zum Ende des Jahres 1948 das Gehalt der Tarifgruppe C und dann bis Ende 1955 dasjenige der Tarifgruppe B. Seit dem 1. Januar 1956 wird er, weil er nicht mehr voll einsatzfähig ist, nur noch als Hilfskraft wieder nach Tarifgruppe C beschäftigt.
Während zwischenzeitliche ärztliche Untersuchungen in den Jahren 1940 und 1942 weiterhin Berufsunfähigkeit wegen unverändert fortbestehenden Augenzitterns ergeben hatten, kam Dr. St. im Dezember 1945 zu der auch von den Ärzten des Knappschaftskrankenhauses G. am 30. Dezember 1946 gebilligten Auffassung, der Kläger vermöge unter Tage wieder der Hauertätigkeit im wesentlichen gleichwertige Arbeiten als Bohrmeister, Schießmeister, Wetterkontrolleur, Zimmerhauer u.ä. zu verrichten. Beide Gutachten stellten, ohne das Augenzittern zu erwähnen, fest, daß der Zustand nach Meniskusoperation am rechten Knie und die Thrombose im rechten Unterschenkel sich gebessert hätten. Die Beklagte entzog dem Kläger darauf Ende Februar 1947 die Knappschaftsrente.
Im Jahre 1952 lehnte die Beklagte einen neuen Rentenantrag des Klägers mit der Begründung ab, als kaufmännischer Angestellter sei er nach den übereinstimmenden ärztlichen Gutachten noch nicht berufsunfähig.
Mit derselben Begründung lehnte die Beklagte, wieder ausgehend von den Hauptberuf eines kaufmännischen Angestellten, durch Bescheid vom 20. Dezember 1955 bzw. Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 1956 einen erneuten Antrag des Klägers auf Knappschaftsrente ab. Sie stützte sich dabei auf die Gutachten mehrerer Ärzte, aus denen sich ebenso wie aus weiteren während des sozialgerichtlichen Verfahrens erstatteten Gutachten ergab, daß der Kläger zwar immer noch an einem die Tätigkeit eines Hauers ausschließenden bergmännischen Augenzittern mittleren Grades litt, daß jedoch seine Leiden in ihrer Gesamtheit eine weitere Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter noch zuließen.
Das Sozialgericht (SG) in Münster sprach demgegenüber durch Urteil vom 26. März 1957 dem Kläger die Knappschaftsrente zu, weil es als eigentliche, als Hauptberuf zugrunde zu legende Tätigkeit des Klägers noch diejenige eines Hauers ansah, die der Kläger nur aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben habe.
Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in Essen bestätigte in seinem Urteil vom 30. Mai 1958, an dem als beisitzende Berufsrichter zwei Sozialgerichtsräte mitgewirkt hatten, diese Auffassung. Es begründete die Berufungszurückweisung im wesentlichen folgendermaßen:
Bis zum Jahre 1947 habe der Kläger sich jedenfalls nicht vom Hauerberuf gelöst, da er diesen 1939 nur gezwungenermaßen wegen seines bergmännischen Augenzitterns habe aufgeben müssen und, wie die Rentengewährung bis zum Jahre 1947 zeige, bis dahin auch nicht wieder habe aufnehmen können.
Auch im Jahre 1947 oder später sei der Kläger jedoch nicht zur Wiederaufnahme seiner früheren Hauertätigkeit fähig gewesen, wie sich bereits daraus ergebe, daß selbst die der Rentenentziehung zugrunde liegenden Gutachten ihn nur zur Verrichtung gleichwertiger bergmännischer Arbeiten für fähig gehalten hätten. Zudem sei jedoch aus den späteren Gutachten, die das unveränderte Fortbestehen des Augenzitterns festgestellt hätten, zu schließen, daß bei dem Kläger das Augenzittern auch zur Zeit der Rentenentziehung weiter bestanden habe.
Zudem sei zu berücksichtigen, daß sich der Kläger im Jahre 1947 mit 49 Jahren bereits in einem Alter befunden habe, in dem das körperliche Leistungsvermögen eines Hauers ohnehin so weit abzusinken pflege, daß er zu leichteren Tätigkeiten übergehen müsse. Selbst wenn demnach der Kläger im Jahre 1947 Hauerarbeiten gesundheitlich noch habe verrichten können, hätte ihm diese Wiederaufnahme der Hauertätigkeit mit Rücksicht auf sein Lebensalter und auf den alsbald zu erwartenden Leistungsknick, der ihn in kürzerer Zeit möglicherweise doch wieder zur Aufnahme leichterer Arbeiten gezwungen hätte, nicht zugemutet werden können. Dies gelte besonders, weil bei dem Kläger eine langjährige Unterbrechung der schweren körperlichen Arbeit Vorgelegen habe, so daß eine Wiederaufnahme dieser Arbeit mit nicht übersehbaren gesundheitlichen Folgen hätte verbunden sein können. Unter diesen Umstanden könne selbst dann, wenn der Kläger trotz gesundheitlicher Eignung die Gedingearbeit nicht wiederaufgenommen habe, nicht von einer Lösung vom Hauptberuf als Hauer gesprochen werden.
Schließlich sei der Beruf als kaufmännischer Angestellter trotz seiner langjährigen Ausübung nicht an die Stelle des früheren Hauptberufs "Hauer” getreten. Ein derartiger Wechsel könne allenfalls dann angenommen werden, wenn der Kläger dadurch auf die Dauer gegenüber der früheren Beschäftigung eine soziale Besserstellung, mindestens aber eine wirtschaftliche Gleichstellung erlangt habe und die neue Tätigkeit seinem Berufsleben auf die Dauer das Gepräge gebe. Das sei jedoch nicht der Fall. Während der Zeit der Tätigkeit als Tagesarbeiter im Büro und als Angestellter der Tarifgruppe C habe das Einkommen des Klägers unter demjenigen eines Hauers gelegen. Der Tarifgruppe B, deren Gehalt möglicherweise den Hauerdurchschnittslohn erreicht oder überschritten habe, habe der Kläger nur vorübergehend angehört, da diese Zeit - möge sie für sich betrachtet auch nicht unwesentlich erscheinen - gegenüber dem gesamten Erwerbsleben, aber auch schon gegenüber der gesamten Angestelltenzeit zu wenig ins Gewicht falle, um dem ganzen Arbeitsleben des Klägers ihrerseits das Gepräge zu geben.
Sei jedoch vom Hauerberuf auszugehen, so sei der Kläger berufsunfähig im Sinne des § 35 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) a.F., da er - wie das LSG in seinem Urteil weiter im einzelnen darlegt - auch keine der dem Hauer gleichartigen und wirtschaftlich im wesentlichen gleichwertigen Tätigkeiten verrichten könne.
Mit ihrer am 24. Dezember 1958 unter Antragstellung eingelegten und vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die unrichtige Anwendung des § 35 RKG a.F.
Als Hauptberuf sei von der Angestelltentätigkeit auszugehen. Der Kläger habe sich nach der Entziehung der Knappschaftsrente im Jahre 1947 von der Untertagetätigkeit gelöst, da er sie damals nicht wiederaufgenommen habe, obwohl er dazu fähig gewesen sei. Durch den Übergang zur Angestelltentätigkeit habe der Kläger auch einen sozialen Aufstieg erfahren. In diesen Zusammenhang sei neben dem Verdienst auch die arbeitsrechtliche Besserstellung (Fortzahlung des Gehalts im Krankheitsfalle, erhöhter Kündigungsschutz) zu berücksichtigen. Wenn die Änderung des arbeitsrechtlichen Status durch Übergang vom Arbeiter in das Angestelltenverhältnis eine wesentliche, die Rentenentziehung rechtfertigende Änderung in den Verhältnissen im Sinne des § 1293 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) a.F. darstelle (SozR RVO § 1293 a.F. Bl. Ab 2 Nr. 14), müsse dies auch im Rahmen des § 35 RKG a.F. gelten, falls die neue Tätigkeit nicht nur vorübergehend verrichtet worden sei und gleich oder besser entlohnt werde. Das Gehalt, das der Kläger sieben Jahre lang nach Tarifgruppe B bezogen habe, sei gegenüber dem jeweiligen Hauerdurchschnittslohn höher gewesen, zumal bei Angestellten auch das Wohnungsgeld als Einkommensbestandteil zu berücksichtigen sei. Die Tätigkeit in dieser Zeit sei somit die höchst entlohnte während seines Berufslebens gewesen. Er habe diese Tätigkeit auch nicht nur vorübergehend ausgeübt. Es sei nicht ersichtlich, weshalb es sich dabei nur um eine Übergangszeit gehandelt haben solle. Hauptberuf des Klägers sei daher die Angestelltentätigkeit. Da der Kläger diese Tätigkeit noch verrichten könne, liege Berufsunfähigkeit nach § 36 Abs. 1 RKG a.F., § 27 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) a.F. nicht vor.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil und das Urteil des SG Münster aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt demgegenüber die Zurückweisung der Revision und beruft sich im wesentlichen auf das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist frist- und formgerecht unter Antragstellung eingelegt und begründet worden. Sie ist vom LSG zugelassen und daher statthaft.
Die Revision ist auch sachlich begründet.
Die ordnungswidrige Besetzung des LSG mit zwei Hilfsrichtern als beisitzenden Berufsrichtern ist nicht als Mangel gerügt worden. Sie hindert daher eine sachliche Entscheidung nicht, da dieser Mangel, wie der erkennende Senat in der Sache 5 RKn 16/59 entschieden hat, von Amts wegen nicht zu berücksichtigen ist.
Auf den vorliegenden Fall sind noch die Vorschriften des alten Rechts anzuwenden. Es fragt sich daher, ob der Kläger berufsunfähig im Sinne des § 35 RKG a.F. war. Nach den Feststellungen des LSG ist davon auszugehen, daß der Kläger wegen seiner Leiden, insbesondere seines Augenzitterns und seiner Steinstaublungenerkrankung zwar keine Arbeiten als Gedingehauer oder Arbeiten, die diesen gegenüber im wesentlichen gleichartig und wirtschaftlich gleichwertig sind, wohl aber noch eine Angestelltentätigkeit, die seiner bisherigen im wesentlichen gleichartig und gleichwertig ist, verrichten kann. Die Entscheidung hängt unter diesen Umständen allein davon ab, welche Tätigkeit als Hauptberuf des Klägers zugrunde zu legen ist.
Nach den vom erkennenden Senat in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (vgl. BSG 2, 182) ist dann, wenn der Versicherte in seinem Arbeitsleben verschiedene versicherungspflichtige Tätigkeiten ausgeübt hat, nicht schematisch von der zuletzt verrichteten Tätigkeit auszugehen, sondern jeweils nach den Umständen des Einzelfalles zu entscheiden, welche Tätigkeit die eigentliche Berufstätigkeit des Versicherten dargestellt hat. Hat der Versicherte eine Berufstätigkeit, nachdem er die vorgeschriebene Berufsausbildung durchlaufen hat, nicht nur vorübergehend ausgeübt oder hat er ohne eine solche Berufsausbildung nach der sonst üblichen Berufsentwicklung jene Tätigkeit längere Zeit ausgeübt, so wird daraus in der Regel bereits auf den Hauptberuf geschlossen werden können. Verfolgt man den Werdegang des Klägers, so war der Hauerberuf früher eindeutig sein Hauptberuf. Wie der Senat aaO aber gleichseitig dargelegt hat, muß die Berücksichtigung eines derartigen Berufs dann entfallen, wenn der Versicherte sich aus von ihm zu vertretenden Gründen endgültig von jener Berufstätigkeit gelöst hat. Gerade dies war bei dem Kläger jedoch der Fall. Zwar ist die Aufgabe der Hauertätigkeit nach den insoweit eindeutigen Feststellungen des LSG ursprünglich nur aus gesundheitlichen Gründen erfolgt. Da ein derartiger, durch Krankheit bedingter unfreiwilliger Berufswechsel gerade zu den Risiken gehört, für die die knappschaftliche Rentenversicherung ihrem Wesen nach einzustehen hat, ist die Tatsache der Aufgabe der Hauertätigkeit für sich allein noch nicht ausreichend, diesen Beruf trotz der Lösung nicht mehr zugrunde zu legen. Hieran änderte sich auch in der Folgezeit zunächst nichts. Auch nach der Entziehung der Knappschaftsrente im Jahre 1947 war der Kläger nach den mit keiner Rüge angegriffenen Feststellungen des LSG wegen seines unverändert fortbestehenden Augenzitterns nicht in der Lage, seinen früheren Hauptberuf wieder auszuüben.
Damit, daß der Kläger im Zeitpunkt der Rentenentziehung nicht wieder eine andere Tätigkeit unter Tage - und sei es auch eine dem Hauerberuf im wesentlichen gleichartige und wirtschaftlich gleichwertige - aufgenommen hat, ließe sich selbst dann die Auffassung der Beklagten, der Kläger habe spätestens damals eine freiwillige Lösung von diesen früheren Hauptberuf vorgenommen, nicht begründen, wenn er solche Tätigkeiten noch hätte verrichten können. Denn nur der Hauerberuf und nicht irgendeine dieser anderen Tätigkeiten war der damalige Hauptberuf des Klägers und diesen konnte er selbst nach Ansicht der Beklagten unzweifelhaft krankheitshalber nicht wieder verrichten.
Es fragt sich jedoch, ob ein derartiger, durch Krankheit erzwungener Berufswechsel dazu führen muß, daß der Versicherte auch bei späterer langjähriger anderer Tätigkeit immer nur an jenem früheren Beruf zu messen ist. Mit seinem bereits erwähnten Urteil (BSG 2, 182) hat der erkennende Senat einen derartigen allgemeinen Grundsatz jedenfalls nicht auszusprechen beabsichtigt. Der damals zu entscheidende Fall unterschied sich von dem jetzt vorliegenden Sachverhalt grundlegend dadurch, daß der Versicherte dort späterhin stets nur einen an seinen Einkommen und seinem sozialen Ansehen gemessen erheblich geringer zu bewerten - den Beruf ausgeübt hatte als früher; jenes Urteil setzt daher, auch wenn dies in seinem Wortlaut keinen ausdrücklichen Niederschlag gefunden hat, bei seinen Erwägungen voraus (vgl. insbesondere S. 187 aaO), daß der vorhandene körperliche Leistungsabfall auch in späterer Zeit allein oder doch weit überwiegend Veranlassung dazu gab, daß der Versicherte seine frühere Tätigkeit nicht wiederaufgenommen hat.
Anders liegen die Verhältnisse jedoch, wenn sich eindeutig feststellen läßt, daß ein Versicherter, der seine frühere Tätigkeit gesundheitlich nicht mehr verrichten kann, nicht nur vorübergehend einen neuen Arbeitsbereich gefunden hat, der ihm gegenüber seiner früheren Arbeit derartige Annehmlichkeiten und Vorteile bietet, daß schlechterdings nicht mehr angenommen werden kann, der Versicherte würde - selbst wenn seine Gesundheit dies später wieder zuließe - unter Aufgabe der neuen Arbeit zu seiner alten Tätigkeit zurückkehren wollen. In einem derartigen Fall entfällt gleichseitig mit dieser inneren Umstellung des Versicherten der Grund, der allein es rechtfertigt, einen früheren Beruf trotz der zwischenzeitlich aus Gesundheitsgründen erfolgten endgültigen Lösung des Versicherten trotzdem weiter als dessen Hauptberuf anzusehen, nämlich die zu diesem Wechsel zwingende Unfreiwilligkeit. Ist aber anzunehmen, daß der Versicherte aus freiem Willen seinen neuen Beruf auch bei vorhandener Wahlmöglichkeit dem früheren vorziehen würde, so ist nicht einzusehen, warum auch dann noch der frühere Beruf als Hauptberuf betrachtet werden sollte (vgl. dazu auch entsprechend: Urteil des erkennenden Senats vom 3.3.1960, SozR RVO § 1283 Bl. Aa 1-3 Nr. 1). Es muß aus diesen Umständen geschlossen werden, daß sich der Versicherte durch seinen freien Entschluß endgültig von seinen ursprünglichen Hauptberuf gelöst hat.
Die Beschäftigung als Angestellter der Tarifgruppe B, der der Kläger zur Zeit seiner Antragstellung im übrigen noch angehörte, stellte nach der Höhe der Entlohnung und nach ihrer sozialen Wertung die höchsterreichte Tätigkeit dar, die der Kläger nicht nur vorübergehend verrichtet hat. Daß eine Tätigkeit, die ohne Unterbrechung sieben Jahre lang verrichtet worden ist und der zudem eine auf sie ausgerichtete jahrelange Berufsausübung einfacherer Art vorausgegangen ist, nicht nur als vorübergehend gewertet werden kann, erscheint auch unter Berücksichtigung der gegenteiligen Auffassung des LSG als unzweifelhaft.
Unter Anwendung der oben entwickelten Grundsätze ist bei dem Kläger die Beschäftigung als Angestellter der Tarifgruppe B als Hauptberuf zugrunde zu legen.
Aus den Ausführungen des LSG, dem Kläger sei seines Alters und der möglichen Folgen wegen die Wiederaufnahme der Hauertätigkeit auch dann nicht zuzumuten, wenn er dazu gesundheitlich in der Lage wäre, ergibt sich, daß auch das LSG davon ausgeht, daß bei dem Kläger selbst ein derartiger Rückkehrwillen nicht mehr unterstellt wird, weil sich andernfalls die Erörterung der zwangsweisen Verweisbarkeit erübrigte. Es ließe sich auch im übrigen kein vernünftiger Grund erkennen, der dem Kläger zu jenen Zeitpunkt eine Rückkehr zur Gedingetätigkeit noch hätte wünschenswert erscheinen lassen können. Abgesehen von dem bereits gestreiften Umstand, daß die schwere Hauertätigkeit gerade für einen älteren Mann körperlich besonders anstrengend und mühevoll ist und deshalb kaum einer sitzenden Tätigkeit als Angestellter vorgezogen werden dürfte, sind auch aus der sozialen Wertung und den Einkommensverhältnissen keine Gründe für ein derartiges Streben abzuleiten. Die auch heute noch weit verbreitete Auffassung der sozialen Höherschätzung der Angestelltenberufe zeigt, daß ein Vergleich zwischen dem Gedingehauer und dem Angestellten der gehobenen Lohngruppe B jedenfalls nicht zu Ungunsten des Letzteren ausfallen kann.
Bei einem Vergleich der Einkommen ist für diesen Zweck allerdings, anders als sonst, weitgehend der tatsächliche Verdienst zugrunde zu legen, denn für den Entschluß, falls möglich zum früheren Beruf zurückzukehren, wird maßgebend in der Regel nicht der tarifliche Verdienst sein, sondern derjenige Verdienst, mit dem der Versicherte effektiv rechnen kann. Eine solche Betrachtung hat auf der einen Seite im gegebenen Fall auszugehen von dem Gehalt als Angestellter in Gruppe B, wobei zu berücksichtigen ist, daß der Kläger vorher bereits jahrelang der Gruppe C angehört und deshalb jedenfalls im Antragszeitpunkt das Mindestendgehalt bereits erreicht hatte; es ist weiter anteilig das sogenannte 13. Monatsgehalt und schließlich auch das Wohnungsgeld als effektives Einkommen anzurechnen. Auf der anderen Seite entspricht es der Erfahrung, daß der effektive Hauerdurchschnittslohn rd. 20 v.H. über den tariflichen Bezügen zu liegen pflegt. Ein Vergleich ergibt, gleichgültig welcher der in der fraglichen Zeit gültigen Lohn- und Gehaltstarife zugrunde gelegt wird, daß das vom Kläger zu erzielende Einkommen als Angestellter der Lohngruppe B stets - wenn auch zum Teil nicht sehr erheblich - eindeutig über dem als Hauer zu erwartenden Einkommen gelegen hat.
Unter diesen Umständen kann vernünftigerweise nicht angenommen werden, daß der Kläger als Angestellter der Lohngruppe B zur Hauertätigkeit hätte zurückkehren wollen, selbst wenn ihm dies möglich gewesen wäre; eine derartige Annahme würde jeder Lebenserfahrung widersprechen.
Dann jedoch ist davon auszugehen, daß die Lösung des Klägers vom Hauerberuf als seinem Hauptberuf spätestens zu dem Zeitpunkt eingetreten ist, in dem er als Angestellter in die Lohngruppe B aufstieg. Diese Tätigkeit ist, da der Kläger sie auch nicht nur vorübergehend ausgeübt hat, für die Frage nach seiner Berufsunfähigkeit zugrunde zu legen. Nach den Feststellungen des LSG kann alsdann Berufsunfähigkeit alten Rechts nicht angenommen werden, und zwar auch nicht für die spätere Zeit, in der der Kläger möglicherweise aus gesundheitlichen Gründen nur noch Arbeiten der Lohngruppe C ausführen konnte, weil auch deren Entlohnung nicht so niedrig lag, daß damit die hier maßgebliche Lohnhälfte nach § 26 RKG a.F. in Verbindung mit §§ 26, 27 AVG a.F. hätte unterschritten werden können.
Das angefochtene Urteil sowie das Urteil des SG Münster waren daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen