Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung der Gesamt-MdE während eines schwebenden Verfahrens. "Relative" Bindung eines. angefochtenen. Bescheides
Orientierungssatz
1. Das grundsätzliche Verbot einer Schlechterstellung, das für die Gerichte, und zwar im Verhältnis zur Verwaltungsentscheidung und in Bezug auf den vorausgegangenen Rechtszug (vgl BSG vom 1958-04-30 10 RV 999/56 = BSGE 7, 178, 179, BSG vom 1976-12-07 8 RU 44/76 = SozR 1500 § 77 Nr 18) gilt, beschränkt sich darauf, allein das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung nicht zu unterschreiten (vgl BSG vom 1964-04-23 9/11 RV 318/62 = SozR Nr 44 zu § 77 SGG). Die Entscheidungsfreiheit der Verwaltung ist bei einem nachgeschobenen Verwaltungsakt nicht weitergehend eingeengt. Wenn - wie hier - die wirklich bestehenden Behinderungen, soweit sie bereits im erstangefochtenen Bescheid berücksichtigt worden sind, tatsächlich nur in einem wesentlich geringeren Ausmaß als bereits festgestellt die Erwerbsfähigkeit insgesamt mindern, so ist der nachträglich anerkannte Ausfall gemeinsam mit jener realen Einbuße wie bei einer Erstfeststellung zu bewerten. Danach ist dann die Gesamt-MdE endgültig zu bestimmen. Lediglich die untere Grenze des schon von der Verwaltung festgesetzten Wertes (hier 40 vH) darf im Ergebnis nicht unterschritten werden.
2. Eine andere Rechtslage bestand für die Verwaltung bei der eigenen weiteren Entscheidung nicht etwa wegen einer "relativen" Bindung an die Feststellungen des ersten Bescheides. Diese einseitige Bindung tritt mit der Bekanntgabe des (ersten) Verwaltungsaktes (KOVVfG § 27) nach KOVVfG § 24 Abs 2 ein (vgl BSG vom 1958-02-12 11/9 RV 948/55 = BSGE 7, 8, 11, BSG vom 1961-04-20 4 RJ 217/59 = BSGE 14, 154, 157 = SozR Nr 24 zu § 77 SGG, BSG vom 1978-04-25 9/10 RV 43/77 = BSGE 46, 127, 135 = SozR 3100 § 89 Nr 6. Damit verbot sich eine Änderung zu Ungunsten des Empfängers, der durch seine Anfechtung grundsätzlich nicht schlechter gestellt werden darf, als wenn er den Verwaltungsakt endgültig und beiderseitig hätte rechtsverbindlich werden lassen (vgl für das Gerichtsverfahren der KOV: BSG vom 1964-04-23 9/11 RV 318/62 = SozR Nr 44 zu § 77 SGG). Ausgeschlossen war durch die "relative" Bindung allein eine Verschlechterung im Gesamtergebnis, soweit die Feststellungen verbindlich werden können. Die Verwaltung durfte also bei der neuen Gesamtbewertung die bereits von ihr selbst auf 40 vH festgelegte Gesamt-MdE nicht unterschreiten. Bei einer allseitig rechtsverbindlichen Entscheidung über die MdE wird grundsätzlich allein der Gesamtbetrag, der im Verfügungssatz des Bescheides festgestellt ist, bindend. Dagegen nimmt nicht jeder einzelne Teilbetrag, je auf einzelne Schädigungsfolgen (in der KOV) oder Behinderungen (im Schwerbehindertenrecht) bezogen, an der Verbindlichkeit teil (vgl BSG vom 1977-09-22 10 RV 63/76 = SozR 3100 § 35 Nr 10). Nicht anders ist es bei einer relativen Bindungswirkung.
Normenkette
SchwbG § 3 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1974-04-29; KOVVfG § 24 Abs. 2 Fassung: 1966-12-28, § 27 Fassung: 1966-12-28; SGG § 77 Fassung: 1953-09-03
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Entscheidung vom 28.02.1978; Aktenzeichen L 4 V 127/78) |
Hessisches LSG (Entscheidung vom 28.02.1978; Aktenzeichen L 4 V 312/77) |
SG Kassel (Entscheidung vom 01.02.1977; Aktenzeichen S 6 V 92/76) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. Februar 1978 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Das Versorgungsamt stellte bei dem Kläger als Behinderungen "Verschleißerscheinungen der Halswirbelsäule und Lendenwirbelsäule, chronische Gastritis, Arthrose der Hüft- und Kniegelenke" mit einer Gesamt-Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 vH fest und lehnte eine Bescheinigung über die Schwerbehinderteneigenschaft ab (Bescheid vom 12. September 1975). Eine chronische Gastritis, die in der zugrunde liegenden ärztlichen Beurteilung mit einer Teil-MdE um 20 vH bewertet worden war, soll nach übereinstimmend von den Beteiligten im Berufungsverfahren abgegebenen Erklärungen nicht mehr festgestellt werden. Bei einer Untersuchung im Vorverfahren fanden sich keine krankhaften Erscheinungen an den Hüft- und Kniegelenken, für die ein MdE-Grad von 10 vH angesetzt worden war, wohl altersentsprechende Verhältnisse. Der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 6. Februar 1976). Während des Gerichtsverfahrens holte das Versorgungsamt die zusätzliche Anerkennung einer geringgradigen Schwerhörigkeit beiderseits nach, bemerkte, daß die Folgen einer Magenoperation die Erwerbsfähigkeit nicht einschränken und daher nicht als Behinderung festgestellt werden könnten, und bewertete die Gesamt-MdE weiterhin mit 40 vH (Bescheid vom 6. September 1976). Das Sozialgericht (SG) verurteilte den Beklagten, für die festgesetzten Behinderungen einen MdE-Grad von 50 vH zu bescheinigen (Urteil vom 1. Februar 1977). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 28. Februar 1978): Nach übereinstimmenden ärztlichen Beurteilungen bestehe beim Kläger keine chronische Gastritis und keine Arthrose der Hüft- und Kniegelenke. Die Gesamt-MdE sei bei "integrierender Betrachtung" der Verschleißerscheinungen der Hals- und Lendenwirbelsäule, die mit 30 vH zu bewerten seien, und der geringgradigen beiderseitigen Schwerhörigkeit, die für sich allein die Erwerbsfähigkeit um 15 vH mindere, weiterhin mit 40 vH zu bemessen. Die Einzelwerte der MdE seien im Verfügungssatz des Bescheides vom 12. September 1975 nicht aufgeführt und daher nicht in Bindung erwachsen, sondern austauschbar. Zu berücksichtigen sei lediglich, in welchem Umfang sich die tatsächlich vorhandenen Gesundheitsstörungen in ihrer Gesamtheit auf die Erwerbsfähigkeit auswirkten. Hier sei wohl eine relative Bindung der Verwaltung nach § 24 Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), aber keine absolute Verbindlichkeit iSd § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu beachten. Der Kläger werde im Ergebnis durch die Änderung im Bescheid vom 6. September 1976 nicht schlechter gestellt. Dies sei entscheidend.
Der Kläger rügt mit der - vom LSG zugelassenen - Revision eine Verletzung der §§ 1 und 3 Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (Schwerbehindertengesetz - SchwbG -) in der Fassung vom 29. April 1974 (BGBl I 1005) / 14. Juni 1976 (BGBl I 1481), der §§ 24 und 41 KOVVfG und des § 77 SGG. Der Kläger meint, nach der zusätzlichen Anerkennung der Schwerhörigkeit hätte der Beklagte den dafür berechneten Anteil von 15 vH zusätzlich zu dem bereits festgesetzten Gesamt-MdE-Grad von 40 vH berücksichtigen und die MdE endgültig auf 50 vH erhöhen müssen. Er hätte nicht die möglicherweise mit 40 vH zu hoch festgestellte MdE mit dem Teilbetrag von 15 vH aufrechnen dürfen. Das Berufungsurteil verkenne im Gegensatz zum Urteil des SG das Ausmaß der rechtlichen Bindung, die aus § 24 KOVVfG folge. Änderungen gegenüber der ersten Einstufung wären nur entsprechend § 62 Bundesversorgungsgesetz (BVG) oder § 41 KOVVfG zulässig.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Kläger, so meint der Beklagte, lasse außer acht, daß ein Teilbetrag von 20 vH für die Gastritis entfalle. Ein Bestandsschutz für eine unanfechtbar gewordene Verwaltungsentscheidung komme hier nicht in Betracht.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat zu Recht die Klage abgewiesen.
Der Kläger ist nicht nach § 1 iVm § 3 Abs 1 Satz 1 SchwbG als Schwerbehinderter anzuerkennen. Das Ausmaß seiner Erwerbsbehinderungen beträgt nicht wenigstens 50 vH. Die Auswirkung der verschiedenen festgestellten Einbußen an Erwerbsfähigkeit ist gemäß § 3 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 SchwbG nach ihrer Gesamtheit zu bewerten. Dabei gelten nach § 3 Abs 1 Satz 2 SchwbG die Maßstäbe des § 30 Abs 1 BVG entsprechend (vgl ergänzend Anhaltspunkte für die ärztliche Begutachtung Behinderter nach dem Schwerbehindertengesetz, 1977, herausgegeben vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung; Urteile des erkennenden Senats vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 = SozR 3870 § 3 Nr 4 und 9 RVs 16/78 -). Beim Kläger ist allein das Zusammenwirken der Wirbelsäulen-Verschleißerscheinungen und der Schwerhörigkeit zu beurteilen. Die beiden anderen ursprünglich angenommenen Gesundheitsstörungen, und zwar eine Gastritis sowie Hüft- und Kniegelenksarthrose, bestehen nach der für das Revisionsgericht verbindlichen Tatsachenfeststellung (§ 163 SGG) überhaupt nicht und müssen daher bei der Gesamtbewertung außer Betracht bleiben; ... eine Gastritis soll auch nach übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten nicht mehr anerkannt bleiben. Der Kläger greift die tatsächliche Beurteilung der Erwerbsfähigkeitsbeschränkung nicht an. Er beanstandet das auf 40 vH festgestellte Ergebnis auch nicht in rechtlicher Hinsicht mit der Begründung, die vom erkennenden Senat festgestellten Maßstäbe für die Bewertung der Gesamt-MdE seien nicht zutreffend beachtet worden. Für eine solche Rechtsverletzung findet ebenfalls der Senat keinen Anhalt in dem angefochtenen Urteil.
Zu dieser Gesamtbewertung, die den wirklichen gesundheitlichen Verhältnissen entsprechen muß, waren Verwaltung und Gerichte während des schwebenden Verfahrens berechtigt und verpflichtet. Der rechtliche Angriff, den der Kläger dagegen richtet, geht fehl. Er wird zu Unrecht auf das zur Kriegsopferversorgung (KOV) ergangene Urteil des erkennenden Senats vom 31. Juli 1975 - 9 RV 354/74 - (= BSGE 40, 120 = SozR 3100 § 30 Nr 8) gestützt. Nach dieser Entscheidung, die bezüglich der Bindungsprobleme grundsätzlich auch für das Schwerbehindertenrecht bedeutsam werden kann (vgl § 3 Abs 1 Satz 2 SchwbG), darf die Verwaltung, wenn sie die MdE - in jenem Fall wegen besonderer beruflicher Betroffenheit (§ 30 Abs 2 BVG) - durch einen Zugunstenbescheid (§ 40 KOVVfG) höher feststellt, nicht den zuvor nach § 30 Abs 1 BVG festgesetzten Grad der MdE als überhöht neu bewerten. Eine Ausnahme von dieser Regel käme nur in Frage, wenn dies wegen ursprünglicher Unrichtigkeit (§ 41 KOVVfG) oder wegen nachträglicher Veränderung der Verhältnisse (§ 62 BVG) angezeigt wäre (BSGE 40, 124). Mit diesem Rechtsgrundsatz hat das Verlangen des Klägers nichts zu tun. Er möchte den MdE-Betrag von 15 vH, der für die nachträglich anerkannte Schwerhörigkeit angesetzt ist, dem vorher mit 40 vH festgestellten Gesamtbetrag hinzugerechnet wissen. Dafür fehlt es an den nötigen Voraussetzungen.
Insbesondere bietet dafür die Möglichkeit eines Zugunstenbescheides nach § 40 KOVVfG keine rechtliche Handhabe. Eine solche Berichtigung setzt eine für alle Beteiligten rechtsverbindliche Entscheidung (§ 3 Abs 6 SchwbG iVm § 77 SGG, § 3 Abs 1 Satz 2 SchwbG iVm § 24 Abs 1 KOVVfG) als unerläßlich voraus. Diese Rechtsverbindlichkeit tritt aber nur dann ein, wenn der gesetzliche Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt worden ist. So war es hier gerade nicht.
Als der Beklagte mit Bescheid vom 6. September 1976, der gemäß § 3 Abs 6 SchwbG iVm § 96 SGG Gegenstand des Gerichtsverfahrens geworden ist, zusätzlich eine von vornherein bescheinigte Schwerhörigkeit als Behinderung feststellte, war der Verwaltungsakt, der über eine MdE von 40 vH ergangen war, noch angefochten. Damit bestand eine grundlegend andere Rechtslage für den Kläger als nach dem Eintritt einer Rechtsverbindlichkeit. Wenn ein Bescheid mit seiner Verbindlichkeit endgültige Bestandskraft erlangt, ist seine inhaltliche Richtigkeit bei zukünftigen Entscheidungen zu unterstellen. Daraus folgt die zuvor dargelegte Rechtslage für eine neue Feststellung zugunsten des Empfängers, soweit es um das Verhältnis einer Neuberechnung der MdE zu einer rechtsverbindlichen Anerkennung geht (vgl auch BSG SozR Nr 13 zu § 30 BVG). Im Unterschied dazu ist ein angefochtener Verwaltungsakt - im Rahmen der Anfechtung - gerade uneingeschränkt auf seine Richtigkeit hin zu prüfen. Das ist Sinn und Ziel der Rechtsbehelfe und Rechtsmittel. Während des vom Anfechtenden betriebenen Verfahrens - hier vor dem SG, als der Bescheid vom 6. September 1976 erging - war in tatsächlicher Hinsicht das volle Ausmaß der Behinderungen zu ermitteln; es war uneingeschränkt für die Entscheidung in freier Beweiswürdigung (für die Gerichte: § 128 Abs 1 Satz 1 SGG) rechtlich zu bewerten. In einem solchen Falle besteht weder für die kontrollierenden Gerichte noch für die Verwaltung selbst, die ihre Akte weiterhin unter eigener Kontrolle halten und ggf berichtigen soll, die vom Kläger für zutreffend gehaltene Einschränkung. Mit dem Bundesverwaltungsgericht läßt sich sogar die Ansicht vertreten, eine vorgesetzte Behörde - wie das Landesversorgungsamt - dürfe im Widerspruchsbescheid (§ 85 SGG, § 73 Verwaltungsgerichtsordnung) grundsätzlich die Rechtsstellung des Anfechtenden verschlechtern (vgl Nachweise bei Renner, Deutsches Verwaltungsblatt 1973, 340; Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, 7. Aufl 1977, § 73, Rz 7). Ob und in welchem Umfang dies auch in dem Verfahren gilt, das im SGG geregelt ist (vgl Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 1977, § 85, Rz 5; ergänzend Renner, aaO, Fußnote 13), kann hier dahingestellt bleiben. Selbst das grundsätzliche Verbot einer Schlechterstellung, das für die Gerichte, und zwar im Verhältnis zur Verwaltungsentscheidung und in Bezug auf den vorausgegangenen Rechtszug (BSGE 7, 178, 179; BSG SozR 1500 § 77 Nr 18) gilt, beschränkt sich darauf, allein das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung nicht zu unterschreiten (für die KOV: Urteil des erkennenden Senats vom 23. April 1964 - 9/11 RV 318/62 - in SozR Nr 44 zu § 77 SGG). Das ist hier die Gesamt-MdE von 40 vH. Die Entscheidungsfreiheit der Verwaltung ist bei einem nachgeschobenen Verwaltungsakt nicht weitergehend eingeengt. Wenn - wie im Fall des Klägers - die wirklich bestehenden Behinderungen, soweit sie bereits im erstangefochtenen Bescheid berücksichtigt worden sind, tatsächlich nur in einem wesentlich geringeren Ausmaß als bereits festgestellt die Erwerbsfähigkeit insgesamt mindern, so ist der nachträglich anerkannte Ausfall gemeinsam mit jener realen Einbuße wie bei einer Erstfeststellung zu bewerten. Danach ist dann die Gesamt-MdE endgültig zu bestimmen. Lediglich die untere Grenze des schon von der Verwaltung festgesetzten Wertes (hier 40 vH) darf im Ergebnis nicht unterschritten werden.
Eine andere Rechtslage bestand für die Verwaltung bei der eigenen weiteren Entscheidung nicht etwa wegen einer "relativen" Bindung an die Feststellungen des ersten Bescheides. Diese einseitige Bindung tritt mit der Bekanntgabe des (ersten) Verwaltungsaktes (§ 27 KOVVfG) nach § 24 Abs 2 KOVVfG ein (BSGE 7, 8, 11; 14, 154, 157 = SozR Nr 24 zu § 77 SGG; BSGE 46, 127, 135 = SozR 3100 § 89 Nr 6; Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 77 SGG, Anm 3, S 258/22). Damit verbot sich eine Änderung zu Ungunsten des Empfängers, hier des Klägers, der durch seine Anfechtung grundsätzlich nicht schlechter gestellt werden darf, als wenn er den Verwaltungsakt endgültig und beiderseitig hätte rechtsverbindlich werden lassen (für das Gerichtsverfahren der KOV: BSG SozR Nr 44 zu § 77 SGG). Aber ausgeschlossen war auch durch die "relative" Bindung allein eine Verschlechterung im Gesamtergebnis, soweit die Feststellungen verbindlich werden können. Die Verwaltung durfte also bei der neuen Gesamtbewertung die bereits von ihr selbst auf 40 vH festgelegte Gesamt-MdE nicht unterschreiten. Bei einer allseitig rechtsverbindlichen Entscheidung über die MdE wird grundsätzlich allein der Gesamtbetrag, der im Verfügungssatz des Bescheides festgestellt ist, bindend (Peters/Sautter/Wolff, aaO, § 77, Anm 4, b; Meyer-Ladewig, aaO, § 77, Rz 5). Dagegen nimmt nicht jeder einzelne Teilbetrag, je auf einzelne Schädigungsfolgen (in der KOV) oder Behinderungen (im Schwerbehindertenrecht) bezogen, an der Verbindlichkeit teil (BSG SozR 3100 § 35 Nr 10). Nicht anders ist es bei einer relativen Bindungswirkung (BSG SozR Nr 44 zu § 77 SGG). Ein MdE-Anteil kann nur ausnahmsweise für sich Gegenstand der Rechtsverbindlichkeit werden, wenn er für weitere Rechtsfolgen rechtlich bedeutsam ist, zB im Recht der KOV für die Erwerbsunfähigkeit infolge Hirnverletzung nach § 35 Abs 1 Satz 4 BVG (BSG SozR 3100 § 35 Nr 10) oder für ein besonderes berufliches Betroffensein nach § 30 Abs 7 BVG (BSG SozR 3100 § 30 Nr 24). Solche Fälle liegen hier außer Betracht. Im übrigen wäre es fraglich, ob der Verfügungssatz des angefochtenen Bescheides, der ausschließlich bindungsfähig wäre (für die KOV: BSG, Bundesversorgungsblatt 1973, 171; BSG SozR 3100 § 35 Nr 10), überhaupt die MdE-Festsetzung - hier um 40 vH - enthält oder ob diese Einschätzung bloß zur Begründung gehört. Daher wäre noch offen, ob dieser Teil des Verwaltungsaktes von jener "relativen" - ebenso wie einer endgültigen - Bindungswirkung umfaßt wird (für die KOV: BSGE 11, 194, 196 ff = SozR Nr 70 zu § 54 SGG; aber auch BSGE 9, 17, 21 f; für die Unfallversicherung: BSGE 37, 177, 180 f = SozR 2200 § 581 Nr 1). Jedenfalls war durch eine "relative" Bindung, wie sie im günstigsten Fall für den Kläger eingetreten wäre, allein eine Verschlechterung im Gesamtergebnis ausgeschlossen.
Schließlich läßt sich das Begehren des Klägers nicht wegen einer Änderung der maßgebend gewesenen Verhältnisse rechtfertigen (dazu: § 3 Abs 1 Satz 2 SchwbG iVm § 62 BVG; BSGE 13, 230, 231 = SozR Nr 10 zu § 62 BVG; BSGE 19, 15, 16 ff = SozR Nr 21 zu § 62 BVG; BSGE 19, 77, 78 ff = SozR Nr 23 zu § 62 BVG; für die Unfallversicherung: BSG SozR 2200 § 622 Nr 12). Auch eine Neufeststellung aus diesem Grunde setzt eine rechtsverbindliche Vorentscheidung voraus. Ob darüber hinaus die für § 62 BVG maßgebenden Rechtsgrundsätze während eines schwebenden Verfahrens im Rahmen der "relativen" Bindung analog anwendbar sind und ob dann in ähnlichen Fällen wie dem gegenwärtigen die endgültige Entscheidung von der ersten nur dementsprechend abweichen darf, kann dahingestellt bleiben; denn die nachträglich beim Kläger anerkannte Schwerhörigkeit war seit Beginn der Sachaufklärung im Verwaltungsverfahren ärztlich bekundet. Sie ist also nicht erst nach der ersten Entscheidung aufgetreten, was aber für eine Neufeststellung nach § 62 BVG erforderlich wäre.
Die mithin unbegründete Revision ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen