Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurückverweisung

 

Orientierungssatz

Zur Bindung des LSG an die Rechtsauffassung des BSG bei Zurückverweisung (hier: zum Eintritt des Versicherungsfalls der Erwerbsunfähigkeit).

 

Normenkette

SGG § 170 Abs 5

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 11.01.1989; Aktenzeichen L 4 An 26/88)

SG Schleswig (Entscheidung vom 28.02.1985; Aktenzeichen S 3 An 37/84)

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der Versichertenrente.

Die am 20. Februar 1928 geborene Klägerin war als Hauptgeschäftsführerin bei der Volksbank D.         e.G. beschäftigt. Seit dem 16. Juni 1981 leistete sie dort krankheitsbedingt keinen Dienst mehr. Pflichtbeiträge zur beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) wurden bis einschließlich Juli 1981 abgeführt. Das Arbeitsverhältnis wurde durch gerichtlichen Vergleich im Oktober 1982 mit Wirkung vom 30. September 1982 aufgelöst. Auf den am 29. Dezember 1982 gestellten Rentenantrag gewährte die BfA der Klägerin durch den streitigen Bescheid 1) vom 26. Juli 1983 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) ab 1. Dezember 1982 wegen eines am 16. Juni 1981 eingetretenen Versicherungsfalles. Der dagegen gerichtete Widerspruch der Klägerin wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 1984).

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts -SG- Schleswig vom 28. Februar 1985; Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts -LSG- vom 4. Februar 1987). Der erkennende Senat hat durch Urteil vom 15. März 1988 das vorgenannte Urteil des LSG aufgehoben und den Rechtsstreit an dieses Gericht zurückverwiesen, weil die Entscheidung davon abhänge, wann die Klägerin erwerbsunfähig (eu) geworden ist. Während des gerichtlichen Verfahrens hat die BfA den Antrag der Klägerin, den Bescheid 1), nach § 44 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB 10) abzuändern, mit dem streitigen Bescheid 2) vom 23. Juli 1987, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 3. August 1988, abgelehnt. Ferner hat sie der Klägerin mit Bescheid vom 31. Mai 1988, ersetzt durch den streitigen Bescheid 3) vom 30. August 1988, Altersruhegeld ab 1. März 1988 wegen eines am 19. Februar 1988 eingetretenen Versicherungsfalles gewährt.

Das LSG hat die Berufung der Klägerin durch Urteil vom 11. Januar 1989 erneut zurückgewiesen. Es hat ausgeführt: Nach den Vergleichsberechnungen, die es von der Beklagten eingeholt habe, führe die von der Klägerin gewünschte Umdatierung des Versicherungsfalles der EU im Ergebnis zu keiner für sie vorteilhafteren Berechnung der Rente bzw des Altersruhegeldes. Daher könne sie durch die von ihr beanstandete Datierung in den angefochtenen Bescheiden der Beklagten nicht beschwert sein.

Mit der - vom Senat zugelassenen - Revision rügt die Klägerin, das LSG habe gegen seine Pflicht verstoßen, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 103 Satz 1 Halbsatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG). Die vom LSG der Entscheidung zugrunde gelegten Vergleichsberechnungen der Beklagten seien nicht nachvollziehbar. Dem Beweisantrag, ein Sachverständigengutachten zu dem Thema einzuholen, ob sich bei Zurechnung weiterer Zeiten eine höhere Rente errechne, sei das Berufungsgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt. Das LSG habe die Frage des Eintritts des Versicherungsfalles erneut prüfen müssen.

Die Klägerin beantragt,

"1) das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein

vom 11. Januar 1989, zugestellt am 25. Januar 1989, sowie das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 28. Februar 1985 und den Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 1984, ferner den Bescheid vom 23. Juli 1987 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. August 1988 aufzuheben und der Klägerin unter Abänderung der Bescheide einen neuen Bescheid zu erteilen, durch den unter Anrechnung weiterer Beitrags- und Ausfallzeiten vom 1. Juli 1981 bis 30. September 1982 die Rente bzw das Altersruhegeld neu berechnet wird,

2)

hilfsweise, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 11. Januar 1989 aufzuheben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung zum Landessozialgericht zurückzuverweisen."

Die Beklagte, die keinen Antrag stellt, trägt vor, Probeberechnungen hätten ergeben, bei einem um einen Monat auf den 31. Juli 1981 verschobenen Versicherungsfall erhöhe sich die monatliche Rente um 1,90 DM wegen des für den Monat Juli 1981 hinzuzurechnenden Pflichtbeitrags. Bei einem auf den 30. November 1982 verschobenen Versicherungsfall führten die an die Stelle der Zurechnungszeiten tretenden Ausfallzeiten indessen zu einer Rentenminderung von monatlich 5,70 DM.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist insoweit begründet, als der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden muß. Die vom Berufungsgericht verfahrensfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen reichen zu einer abschließenden Entscheidung nicht aus.

Gemäß § 170 Abs 5 SGG hat das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrundezulegen. Das Berufungsgericht hat bei der weiteren Sachbehandlung von der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts (BSG) auszugehen, soweit sie die aufhebende Entscheidung des Revisionsgerichts trägt (vgl BSG SozR Nrn 4, 10, 13 zu § 170 SGG). Dies hat das LSG in dem Urteil vom 11. Januar 1989 nicht beachtet. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 15. März 1988 die Rechtsauffassung vertreten, für die hier allein zu prüfende Frage, ob die Beklagte bei der Berechnung der Höhe der Rente Beitrags- und uU Ausfallzeiten der Klägerin zwischen dem 16. Juni 1981 und dem 30. November 1982 zu Recht nicht berücksichtigt habe, komme es allein darauf an, wann die Klägerin eu geworden ist (S 5 f des og Urteils). Da die tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht ausreichten, diese Frage zu beantworten, hat der Senat das Urteil des Berufungsgerichts vom 4. Februar 1987 aufgehoben und den Rechtsstreit zur Klärung dieser tatsächlichen Umstände an das LSG zurückverwiesen. Dem Urteil des Berufungsgerichts vom 11. Januar 1989 liegt jedoch eine andere - unzutreffende - Rechtsauffassung zugrunde, nach der die Entscheidung des Rechtsstreits nicht davon abhängt, wann der Versicherungsfall der EU eingetreten ist. Damit ist es entgegen § 170 Abs 5 SGG von der hier maßgeblichen rechtlichen Beurteilung des Revisionsgerichts abgewichen. Der Versicherte kann also beanspruchen, daß seine Rente auf der Grundlage eines zutreffend festgestellten Versicherungsfalles, nicht allein aufgrund von Sachverhaltsannahmen berechnet wird (vgl BSG SozR 2200 § 1251 Nr 8). Auch ist nicht näher darauf einzugehen, daß der Senat an die rechtlichen Ausführungen des Berufungsgerichts, die Klägerin könne "durch eine Umdatierung des Versicherungsfalles keinen - wie auch immer gearteten - Vorteil erreichen", nicht gebunden ist.

Im übrigen hat auch die Beklagte nach erneuten Probeberechnungen darauf hingewiesen, daß sich der Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles sehr wohl auf die Höhe der Rente der Klägerin auswirkt.

Eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits ist dem Senat nicht möglich, weil das LSG im Urteil vom 11. Januar 1989 die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles der EU nicht getroffen hat.

Bei der erneuten Prüfung wird das LSG die Rechtsauffassung des Senats zugrundezulegen haben, die im Urteil vom 15. März 1988, auf das Bezug genommen wird, dargelegt worden ist. Ferner wird das LSG die Hinweise des Senats zur weiteren Sachbehandlung (S 9 f des vorgenannten Urteils) zu beachten haben.

Das LSG wird abschließend über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1660777

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