Beteiligte
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 10. März 2000 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Streitig ist ein Anspruch auf Konkursausfallgeld (Kaug).
Der in Deutschland wohnende Kläger schloß mit der G. mit Sitz in Rotterdam (Firma G.) am 28. März 1996 einen Arbeitsvertrag, wonach er ab 1. Juli 1996 als Niederlassungsleiter eingestellt wurde. Sein Aufgabenbereich sollte die Binnenschiffahrtsbefrachtung für Mittel- und Osteuropa umfassen. Dem Kläger sollten ua vierzehn Monatsgehälter zu je 8.000 DM brutto, eine jährlich festzulegende Tantieme sowie eine zusätzliche Provision für die Vermittlung von Ladung auf dem Rhein-Main-Donau-Kanal zustehen. Gegen Zahlung eines monatlichen Mietzinses von 2500 DM stellte der Kläger der Firma G. in seinem eigenen Haus ein Büro zur Verfügung. Der bis zum 30. Juni 1997 fest abgeschlossene Vertrag wurde am 21. November 1996 von der Firma G. fristlos gekündigt. In Rotterdam wurde am 23. Dezember 1996 ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma G. eröffnet.
Den am 2. Januar 1997 gestellten Antrag des Klägers auf Kaug lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, daß Kaug auf inländische Insolvenzereignisse begrenzt sei; außerdem sei der Kläger nicht als Arbeitnehmer anzusehen (Bescheid vom 23. April 1997, Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 1997).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 2. Dezember 1998). Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger Arbeitnehmer gewesen sei. Schon wegen der Einbettung der Vorschriften über das Kaug in das deutsche Konkursrecht und der darauf begründeten Rechtsstellung der Beklagten im Konkursverfahren könne ein Insolvenzverfahren im Ausland einen Anspruch auf Kaug nicht auslösen. Gegen die Gleichstellung eines „Auslandskonkurses” mit einem „Inlandskonkurs” spreche auch, daß ein Unternehmen mit alleinigem Sitz im Ausland nach den vor dem 1. Januar 1997 geltenden Vorschriften nicht zur Aufbringung der Kaug-Mittel im Wege der Umlage habe herangezogen werden können (Urteil vom 10. März 2000).
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 141b Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sowie des Gemeinschaftsrechts. Er macht geltend, das in den Niederlanden eröffnete Insolvenzverfahren stehe für den Anspruch auf Kaug einem Inlandskonkurs gleich. Er habe in einem sozialversicherungspflichtigen inländischen Beschäftigungsverhältnis gestanden, da er ausschließlich in Deutschland beschäftigt gewesen sei und laut Arbeitsvertrag deutsches Arbeitsrecht gegolten habe. Auch wenn es infolge der Insolvenz nicht mehr zur formellen Gründung einer Niederlassung in Deutschland gekommen sei, habe die Firma G. jedenfalls eine inländische Lohnabrechnungsstelle in Gestalt einer in Hamburg ansässigen Steuerberatungsfirma unterhalten. Das LSG habe im übrigen nicht beachtet, daß einem der Konkurseröffnung ähnlichen Vorgang im Ausland nach § 141b Abs 3 Nr 2 AFG leistungsauslösende Bedeutung zukomme, wenn ein ausländisches Unternehmen seine Betriebstätigkeit in Deutschland vollständig beende, was hier geschehen sei. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) begründe die Beschäftigung eines Arbeitnehmers in einer Zweigniederlassung eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmens die Zuständigkeit der Garantieeinrichtung des Mitgliedstaats, in dem die Zweigniederlassung errichtet sei. Sein Büro und die Lohnabrechnungsstelle in Hamburg hätten die Zweigniederlassung gebildet. Auf die Sozialversicherungsträger in den Niederlanden könne er nicht verwiesen werden, nachdem er schon vergeblich versucht habe, dort „Kaug” zu erhalten. Es sei mit dem gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbot unvereinbar, in Deutschland beschäftigte Arbeitnehmer ausländischer Firmen anders zu behandeln als deutsche Arbeitnehmer deutscher Arbeitgeber oder ausländischer Arbeitgeber mit förmlicher Zweigniederlassung in Deutschland.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie die ergangenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Kaug zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision des Klägers ist iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.
Gegen die Anwendbarkeit der §§ 141a ff AFG bestehen keine Bedenken. Diese Vorschriften sind zwar nach Art 82 Abs 2 Arbeitsförderungs-Reformgesetz (AFRG) vom 24. März 1997 (BGBl I 594) am 1. Januar 1999 außer Kraft getreten, galten aber 1996 noch und sind weiterhin anzuwenden, wenn das Insolvenzereignis vor dem 1. Januar 1999 eingetreten ist (Art 1 § 430 Abs 5 AFRG). Angesichts des Wohnsitzes des Klägers in Deutschland folgt die Anwendbarkeit des AFG im übrigen aus § 30 Abs 1 Sozialgesetzbuch – Erstes Buch –. Sonstige Regelungen stehen dem nicht entgegen. Insbesondere kann die Anwendung der Kaug-Vorschriften im vorliegenden Fall nicht nach den Grundsätzen der „Einstrahlung” iS des § 5 Sozialgesetzbuch – Viertes Buch – (SGB IV) in Frage gestellt werden, da diese Vorschrift unmittelbar nur die Versicherungspflicht bzw Versicherungsberechtigung betrifft, die beim Kaug keine Rolle spielen, und nichts dafür spricht, daß der Kläger von seinem Arbeitgeber von den Niederlanden iS des § 5 SGB IV nach Deutschland „entsandt” sein könnte (vgl BSGE 60, 96, 98 = SozR 2100 § 4 Nr 3).
1. Zutreffend hat das LSG erkannt, daß sich ein Kaug-Anspruch nicht schon unmittelbar aus § 141b Abs 1 Satz 1 AFG ergibt, auch wenn der Kläger Arbeitnehmer gewesen sein sollte. Nach dieser Bestimmung hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Kaug, der bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers für die letzten der Eröffnung vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat. Anknüpfungspunkt ist hiernach die Eröffnung des Konkursverfahrens (bzw gemäß § 249c Abs 21 AFG der Gesamtvollstreckung) nach deutschem Recht, dh im Inland; die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Ausland, hier in den Niederlanden, genügt nicht (BSG SozR 4100 § 141a Nr 6; Peters-Lange in Gagel, AFG, § 141a RdNrn 27 f und § 141b RdNr 7; Hess in GK-AFG, § 141b RdNr 9); daß die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Ausland im Rahmen des § 141b Abs 3 Nr 2 AFG Bedeutung hat (vgl BSG aaO), steht auf einem anderen Blatt.
Die Beschränkung des § 141b Abs 1 Satz 1 AFG auf die Eröffnung eines Konkurs- (bzw Gesamtvollstreckungs-)Verfahrens folgt aus dem Zweck des Kaug, die Entgeltansprüche von Arbeitnehmern bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers in einem gesetzlich umschriebenen Rahmen zu sichern, wobei die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit, die Voraussetzung der Eröffnung des Konkurs- und des Gesamtvollstreckungsverfahrens ist, grundsätzlich in der Hand des zuständigen deutschen Gerichts liegt (vgl BSG SozR 4100 § 141b Nr 28; BSG SozR 3–4100 § 141b Nr 7). Dieses Gericht kann aber nur in Anwendung deutscher Insolvenzvorschriften tätig werden, weshalb der in § 141b AFG mehrfach erwähnte Begriff der „Eröffnung des Konkursverfahrens” nach Maßgabe der §§ 102 ff Konkursordnung (KO) zu beurteilen ist. Verdeutlicht wird dies durch weitere Verknüpfungen verschiedener Kaug-Regelungen mit den Vorschriften der KO. So verweist § 141b Abs 2 AFG zur Klärung der Frage, welche Ansprüche auf Arbeitsentgelt einen Kaug-Anspruch begründen können, ausdrücklich auf § 59 Abs 1 Nr 3 KO (Masseschulden). Hinsichtlich dieser Ansprüche enthält § 141m Abs 1 AFG eine Regelung zum Anspruchsübergang auf die Beklagte und ermöglicht dieser damit, übergegangene Ansprüche im Konkurs als bevorrechtigte Forderungen geltend zu machen (§ 59 Abs 2, § 61 Abs 1 Nr 1 KO), was nach ausländischen Rechtsordnungen nicht gewährleistet wäre. Schließlich zeigen auch die in den §§ 141g und 141h AFG dem Konkursverwalter auferlegten Auskunfts- und Bescheinigungspflichten, deren Verletzung als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann (§ 230 Abs 1 Nr 6 und 7 AFG), daß für den Insolvenztatbestand des § 141b Abs 1 Satz 1 AFG nur ein inländisches Insolvenzverfahren in Betracht kommt. Denn gegen einen außerhalb des Geltungsbereiches des Gesetzes tätigen Konkursverwalter bzw eine Person mit vergleichbarer Rechtsstellung könnte nicht nach §§ 141g, 141h, 230 AFG vorgegangen werden.
Im übrigen nehmen auch die der Eröffnung des Konkursverfahrens gleichstehenden Insolvenztatbestände des § 141b Abs 3 AFG auf das Recht der KO Bezug. Die Abweisung des Antrags auf Konkurseröffnung mangels Masse (Nr 1) ist eine Entscheidung des zuständigen Konkursgerichts nach § 107 Abs 1 KO. Der Insolvenztatbestand der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit (Nr 2) setzt voraus, daß ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Konkursverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt, dh ein Eröffnungsantrag nach § 107 Abs 1 KO abzuweisen wäre. Wegen der Verknüpfung der Kaug-Vorschriften mit der KO, deren Geltung bei der Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands nicht auf das Beitrittsgebiet erstreckt worden ist, sieht § 249c Abs 21 AFG (idF des Einigungsvertragsgesetzes vom 23. September 1990, BGBl II 885) vor, daß bei der Anwendung der §§ 141a ff AFG anstelle der KO die entsprechenden Vorschriften der Gesamtvollstreckungsordnung gelten, wenn bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers die Gesamtvollstreckungsordnung anzuwenden ist oder wäre. Die enge Verknüpfung des Schutzes von Arbeitsentgeltansprüchen bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers mit dem jeweiligen Insolvenzrecht zeigt sich schließlich daran, daß die Vorschriften des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) über das an die Stelle des Kaug getretene Insolvenzgeld nicht mit dem SGB III, sondern erst mit der Insolvenzordnung am 1. Januar 1999 in Kraft getreten sind (vgl Art 83 Abs 5 AFRG); aus dem gleichen Grunde sind die Vorschriften über das Kaug auch nach ihrem Außerkrafttreten anzuwenden, soweit die begonnenen Verfahren nach der KO bzw der Gesamtvollstreckungsordnung abzuwickeln sind (vgl § 430 Abs 5 SGB III, Art 103 Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994, BGBl I 2911).
Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, daß nach neuerer Rechtsprechung Insolvenzverfahren im Ausland Inlandsvermögen erfassen können (BGHZ 95, 256; 122, 373, 375; 125, 196, 202 f), auch wenn ein Insolvenzverfahren im Ausland ein solches Verfahren im Inland nicht ausschließt (BGHZ 95, 256, 269 f), und infolgedessen die schuldbeschränkenden Wirkungen eines Verfahrens im Ausland, ua eines Zwangsvergleichs, in Deutschland anzuerkennen sein können (BGHZ 122, 373; 134, 79). Diese Rechtsprechung bezieht sich lediglich auf die Wirkung von Insolvenzverfahren im Ausland auf in Deutschland belegenes Vermögen und privatrechtliche Ansprüche deutscher Gläubiger unter der Voraussetzung der internationalen Zuständigkeit der ausländischen Stelle (gemessen an §§ 71, 237, 238 KO). Sie besagt nichts über Anspruchsvoraussetzungen für das deutsche Kaug.
Ebensowenig läßt sich zu Gunsten des Klägers etwas anderes aus zwischen- und überstaatlichen Regelungen ableiten. Zwar werden nach Art 26 Abs 1 des Brüsseler-Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (BGBl II 1972, 774) die in einem Vertragsstaat ergangenen Entscheidungen in den anderen Vertragsstaaten anerkannt, ohne daß es hierfür eines besonderen Verfahrens bedürfte, jedoch bezieht sich dieses Übereinkommen nach seinem Art 1 Abs 1 Nr 2 ausdrücklich nicht auf Konkursverfahren. Zutreffend hat das LSG ausgeführt, daß das europäische Übereinkommen über Insolvenzverfahren (vgl ZIP 1996, 976) nicht ratifiziert worden ist (vgl dazu Balz ZIP 1996, 948). Zwar hat nach der Verkündung des angefochtenen Urteils der Rat der Europäischen Union die Verordnung (EG) Nr 1346/2000 vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren erlassen (ABl L 160 vom 30. Juni 2000), die inhaltlich im wesentlichen dem gescheiterten Übereinkommen entspricht. Diese Verordnung tritt aber nach ihrem Art 47 erst am 31. Mai 2002 in Kraft und ist auf das hier zu beurteilende Insolvenzereignis nicht anzuwenden. Es kann daher offenbleiben, ob sich die Verordnung überhaupt auf Ansprüche der Arbeitnehmer auf Schutz bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers auswirkt, was wohl zu verneinen ist.
2. Der Eröffnung des Konkursverfahrens steht indes nach § 141b Abs 3 Nr 2 AFG die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Konkursverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt. Diese Vorschrift findet, wie die Revision zu Recht geltend macht, auch Anwendung, wenn der Arbeitgeber ein ausländisches Unternehmen ist (BSG SozR 4100 § 141a Nr 6). Die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit erfordert grundsätzlich das Ende jeder vom Arbeitgeber veranlaßten, dem Betriebszweck dienenden Tätigkeit, wobei sich letztere nach der Art des Betriebes bestimmt (BSGE 51, 296, 297 = SozR 4100 § 141b Nr 18; BSGE 52, 40 = SozR 4100 § 141b Nr 19; SozR 4100 § 141b Nr 30; BSGE 70, 9, 10 f = SozR 3–4100 § 141b Nr 3; SozR 3–4100 § 141b Nr 12; Schlegel in Hennig, AFG, § 141b RdNrn 53 ff; vgl auch BAGE 47, 229, 233 f = AP Nr 22 zu § 7 BetrAVG; Blomeyer/Otto, BetrAVG, 2. Aufl, § 7 RdNr 113 mwN). Es genügt insoweit allerdings nicht das Ende wirtschaftlicher Betätigung des ausländischen Arbeitgebers in Deutschland. Vielmehr setzt das Ende betrieblicher Tätigkeit im Geltungsbereich des Gesetzes voraus, daß ein Betrieb als eine Gesamtheit von Personen und Sachen zur Erreichung arbeitstechnischer Zwecke (vgl Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 9. Aufl 2000, § 214 RdNr 2; Küttner/Kreitner, Personalbuch 2000, Stichwort „Betrieb” RdNr 3; vgl auch BAGE 87, 120, 126 f = AP Nr 170 zu § 613a BGB), gleichsam als Mittelpunkt des wirtschaftlichen Betätigungsfeldes des Arbeitgebers, im Inland organisiert war.
Der Betrieb muß den Anforderungen einer gewerblichen Niederlassung iS der §§ 71 und 238 KO entsprechen, die ein inländisches Konkursverfahren ermöglicht hätte. Diese Anforderungen ergeben sich aus dem Zusammenhang der verschiedenen in § 141b AFG geregelten Insolvenztatbestände. Allen Tatbeständen gemeinsam ist die konkursrechtlich relevante Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Die Besonderheit des Abs 3 Nr 2 besteht darin, daß die Zahlungsunfähigkeit nicht durch eine Entscheidung des Konkursgerichts festgestellt wird, sondern von der Beklagten selbst festzustellen ist (BSGE 70, 9, 12 = SozR 3–4100 § 141b Nr 3). Mit der Regelung soll erreicht werden, daß für den Fall offensichtlicher Masseunzulänglichkeit die Anrufung des Konkursgerichts überflüssig wird. Im Verhältnis zu den beiden anderen Insolvenztatbeständen stellt Abs 3 Nr 2 des § 141b AFG somit einen Auffangtatbestand für den Fall der offensichtlichen Masseunzulänglichkeit dar (vgl BSGE 53, 1, 3 = SozR 4100 § 141b Nr 21). Durch den Insolvenztatbestand der vollständigen Einstellung der Betriebstätigkeit soll demnach nicht der Kreis der insolvenzgeschützten Forderungen erweitert werden, sondern nur das formelle Erfordernis eines Konkursantrages ausnahmsweise entfallen (vgl auch BAG AP Nr 30 zu § 7 BetrAVG = NZA 1986, 826, 828). Ein inländisches Konkursverfahren ist indes grundsätzlich nur bei Vorliegen einer gewerblichen Niederlassung des Gemeinschuldners durchführbar. Denn § 71 Abs 1 KO stellt hinsichtlich der Gerichtszuständigkeit für das Konkursverfahren vorrangig auf die gewerbliche Niederlassung des Gemeinschuldners ab; nach § 238 Abs 1 KO umfaßt das Konkursverfahren grundsätzlich nur das im Inland befindliche Vermögen, wenn der Schuldner im Inland eine gewerbliche Niederlassung, aber keinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Unter einer gewerblichen Niederlassung iS des § 71 KO ist die Hauptniederlassung zu verstehen, bei § 238 Abs 1 KO genügt auch eine Zweigniederlassung, wobei die Maßstäbe des § 21 Zivilprozeßordnung (ZPO) heranzuziehen sind (Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl, § 71 RdNr 3 und § 238 RdNr 96). Eine Meldung als Gewerbebetrieb oder eine Eintragung im Handelsregister ist weder erforderlich noch genügend (vgl BayObLG Rechtspfleger 1980, 486; Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl, § 21 RdNr 6; vgl auch BSG SozR 4100 § 141a Nr 6). Entscheidend ist vielmehr, ob die äußeren Umstände für die beteiligten Verkehrskreise ergeben, daß der (Gemein-)Schuldner auf seinen Namen und Rechnung an einem bestimmten inländischen Ort ein Gewerbe im weitesten Sinne in der Weise dauerhaft betrieben hat, daß durch die Art der Geschäftsausstattung, der Organisation und der Tätigkeit ein gewerblicher Mittelpunkt mit einer im wesentlichen selbständigen Leitung besteht (vgl BGH NJW 1987, 3081 f; BayObLG aaO; Kuhn/Uhlenbruck aaO; Zöller/Vollkommer aaO RdNr 8).
Ist dagegen ein Konkursverfahren in Deutschland nicht eröffnet worden, ein Konkursantrag gegen den ausländischen Gemeinschuldner nicht mangels Masse abgelehnt worden und hat der Gemeinschuldner keinen Betrieb in diesem Sinne in Deutschland unterhalten, kommt ein Anspruch auf Kaug nicht in Betracht, auch wenn der Kläger Arbeitnehmer gewesen sein sollte. Daß der Kläger in Deutschland möglicherweise abhängig beschäftigt gewesen ist und „Sozialversicherungs”-Beiträge an deutsche Träger entrichtet hat, ist unerheblich. Zur Umlage, die zur Finanzierung von Kaug erhoben wird, werden Arbeitnehmer nicht herangezogen (vgl §§ 186b ff AFG). Es ist auch nicht vorgesehen, daß die Beklagte an in Deutschland beschäftigt gewesene Arbeitnehmer ausländischer Gemeinschuldner Kaug zahlt, wenn der Arbeitnehmer entsprechende Leistungen im Ausland nicht erlangen kann oder nicht erlangt hat. Aus dem Recht der Europäischen Union ergibt sich nichts anderes. Die Verordnung (EWG) Nr 1408/71 über die Anwendung der Systeme der Sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, gilt nach ihrem Art 4 nur für Rechtsvorschriften über Zweige der Sozialen Sicherheit, die die dort genannten Leistungsarten betreffen. Kaug bzw Leistungen zum Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers gehören dazu nicht. Auch aus der Richtlinie des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (80/987/EWG), die für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet ist, nur hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich ist, den innerstaatlichen Stellen aber die Wahl der Form und der Mittel überläßt (vgl Art 189 Abs 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, jetzt Art 249 Abs 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft – Amsterdamer Fassung –), läßt sich ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte, die von der Bundesrepublik Deutschland geschaffene Garantieeinrichtung, nicht ableiten. Zweifelhaft ist schon, ob Deutschland nach den Richtlinien verpflichtet ist, Leistungen zum Ausgleich bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers vorzusehen, wenn gegen den Arbeitgeber ein Konkursverfahren mangels Zuständigkeit eines deutschen Insolvenzgerichts nicht stattfinden kann. Denn nach Art 2 der Richtlinie gelten nur solche Arbeitgeber als zahlungsunfähig, für die nach den Vorschriften des betreffenden Mitgliedstaates ein Verfahren über das Vermögen des Arbeitgebers zur gemeinschaftlichen Befriedigung vorgesehen ist (vgl dazu EuGHE 1995 I 3843, 3861, 3866 f = EAS C RL 80/987/EWG Art 2 Nr 1). Die Richtlinie enthält auch keine andere Bestimmung, derzufolge der Mitgliedstaat, in dem der Arbeitnehmer wohnt oder in dem der Arbeitnehmer seine Tätigkeit ausgeübt hat, im Falle des Klägers also Deutschland, für den Schutz des Arbeitnehmers durch seine Garantieeinrichtung zu sorgen hätte. Zwar erfaßt die Richtlinie trotz des Fehlens ausdrücklicher Bestimmungen nach ihrer Zielsetzung auch Ansprüche von Arbeitnehmern, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Niederlassung ihres Arbeitgebers wohnen und ihre Berufstätigkeit ausgeübt haben. Nach der Systematik der Richtlinie ist in diesen Fällen jedoch die Garantieeinrichtung des Staates zuständig, in dessen Gebiet gemäß Art 2 Abs 1 der Richtlinie entweder die Eröffnung des Verfahrens zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung beschlossen oder die endgültige Stillegung des Unternehmens oder des Betriebes des Arbeitgebers festgestellt worden ist (EuGHE 1997 I 5017, 5042, 5046 ff = EAS C RL 80/987/EWG Art 3 Nr 1 = NZA 1997, 1155 f). Mit Rücksicht auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in den Niederlanden bedeutet dies ebenfalls, daß es nicht Sache Deutschlands ist, für den Schutz des Arbeitnehmers bei Zahlungsunfähigkeit eines niederländischen Arbeitgebers zu sorgen. Abweichend von Art 2 Abs 1 ist nach Art 3 der Richtlinie zwar die Garantieeinrichtung des Staates, in dem die Arbeitnehmer ihre Arbeitnehmertätigkeit ausgeübt haben, zuständig, wenn dort eine Zweigniederlassung errichtet worden war (EuGH Urteil vom 16. Dezember 1999 – C 198/98 – SozR 3–6084 Art 3 Nr 1 = ZIP 2000, 89 ff). Dem entspricht aber, wie ausgeführt, das deutsche Recht. Es ermöglicht bei Schließung der inländischen Zweigniederlassung des ausländischen Arbeitgebers die Zahlung von Kaug, wenn es nicht zu einem Konkursantrag und damit zu einer Entscheidung des Konkursgerichts über die Zahlungsunfähigkeit gekommen ist, und weist dann der Beklagten die Prüfung der Zahlungsunfähigkeit zu. Angesichts dessen kann keine Rede davon sein, daß das deutsche Recht bzw die erwähnte Richtlinie den Kläger als Arbeitnehmer eines in einem anderen Mitgliedstaat errichteten Unternehmens ungerechtfertigt benachteiligt, wenn in Ermangelung der Schließung eines Betriebes in Deutschland ein Anspruch auf Kaug gegen die Beklagte nicht vorgesehen ist.
3. Ob das im Haus des Klägers unterhaltene, nach § 5 des Arbeitsvertrages von ihm an das Unternehmen vermietete Büro den Anforderungen an eine inländische Betriebstätigkeit genügte und als Niederlassung iS des § 238 Abs 1 KO die Gerichtszuständigkeit für ein auf Inlandsvermögen beschränktes Konkursverfahren hätte begründen können, ist nach den getroffenen Feststellungen nicht abschließend zu entscheiden. Daß es nach dem Vortrag des Klägers zur formellen Gründung einer deutschen Niederlassung nicht mehr gekommen ist, muß eine gewerbliche (Zweig-)Niederlassung nicht ausschließen. Möglicherweise anders als bei der Abgrenzung der gemeinschaftsrechtlichen Zuständigkeit der Garantieeinrichtungen der Mitgliedstaaten nach der Richtlinie 80/987/EWG (EuGH SozR 3–6084 Art 3 Nr 1 = ZIP 2000, 89 ff) erfordert eine gewerbliche Niederlassung iS des § 238 Abs 1 KO nicht, daß sie unter Beachtung der Richtlinie 89/666/EWG registriert worden ist, dh eine Gewerbeanmeldung vorliegt bzw eine Eintragung im Handelsregister erfolgt ist (vgl §§ 13d bis 13g Handelsgesetzbuch); denn eine Anmeldung als Gewerbebetrieb oder eine Eintragung ins Handelsregister sind für die Begründung einer Niederlassung nicht erforderlich, was sowohl für eine gewerbliche Niederlassung im konkursrechtlichen Sinne (BayObLG Rechtspfleger 1980, 486) als auch für eine Zweigniederlassung iS des § 21 ZPO gilt (Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl, § 21 RdNr 6). Auch das Bundessozialgericht hat dem Fehlen einer Eintragung des inländischen Betriebes eines ausländischen Unternehmens im Handelsregister für den Insolvenztatbestand des § 141b Abs 3 Nr 2 AFG keine Bedeutung beigemessen (SozR 4100 § 141a Nr 6). Ebensowenig ist eine Zweigniederlassung allein deshalb zu verneinen, weil es an einer Gründungserklärung fehlt (BayObLG aaO). Maßgebend ist vielmehr, ob die äußeren Umstände für die beteiligten Verkehrskreise ergeben, daß ein Gewerbetreibender an einem bestimmten Ort eine von ihm errichtete, auf seinen Namen und seine Rechnung betriebene Niederlassung unterhält (vgl BGH NJW 1987, 3081 f; BayObLG aaO). Im übrigen ist eine sichere Beurteilung aber noch nicht möglich, weil das LSG diesen Fragen nicht nachgegangen ist und keine Einzelheiten zur Art der Geschäftsausstattung, der Organisation und der Tätigkeit sowie zum Grad der Selbständigkeit des Büros im Verhältnis zur (Haupt-)Niederlassung des Unternehmens in Rotterdam festgestellt hat. Dem Senat ist deshalb eine abschließende Entscheidung nicht möglich, zumal auch die Frage der Arbeitnehmereigenschaft des Klägers offengeblieben ist. Die Sache ist daher gemäß § 170 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das LSG zurückzuverweisen.
Für die erneute Entscheidung wird das LSG feststellen müssen, ob das in Deutschland befindliche Büro vom Verkehr als eine Geschäftseinrichtung angesehen werden konnte, die von dem in Rotterdam ansässigen Unternehmen unter dessen Namen und auf dessen Rechnung unterhalten wurde (vgl BGH aaO). Dafür kommt es zunächst darauf an, ob überhaupt schon eine dauerhafte betriebene gewerbliche Betätigung vorlag, die sich in äußeren Einrichtungen bzw durch eine betriebliche Organisation als eine Art gewerblicher Mittelpunkt kundtat. Dabei spielt insbesondere eine entscheidende Rolle, welches Maß an Selbständigkeit der Kläger als Leiter des Büros hatte. Denn kennzeichnend für eine Niederlassung iS des § 21 Abs 1 ZPO ist, daß von ihr aus unmittelbar Geschäfte geschlossen werden. Die Niederlassung muß das Recht haben, in der Regel selbständig zu handeln, insbesondere aus eigener Entscheidung Geschäfte abzuschließen, deren Abschluß der Niederlassung auch übertragen worden ist (vgl BGH aaO; Zöller/Vollkommer, aaO RdNr 6). Eine bloße Vermittlungstätigkeit in dem Sinne, daß eine nicht zum selbständigen Geschäftsabschluß berechtigte Agentur lediglich Vertragsofferten an das Stammunternehmen weiterleitet, erfüllt dagegen nicht die Voraussetzungen einer Niederlassung iS des § 21 Abs 1 ZPO (BGH aaO). Eine von einem ausländischen Unternehmen im Inland unterhaltene Geschäftsstelle begründet nur dann die internationale Zuständigkeit nach § 21 ZPO, wenn sie die Aufgaben des Unternehmens auf dem deutschen Markt aus eigener Entschließungszuständigkeit wahrnimmt (BGH aaO). Sollten die nachzuholenden Feststellungen ergeben, daß ein Betrieb im vorgegebenen Sinne bestanden hat, die Firma G. ihre Betriebstätigkeit im Geltungsbereich des AFG vollständig beendet hat, ein Konkursantrag (in Deutschland bis zur Beendigung dieser Betriebstätigkeit) nicht gestellt worden ist und ein Konkursverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kam (vgl dazu BSG SozR 4100 § 141a Nr 6; § 238 Abs 3 KO), wird das LSG die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers zu klären haben; denn Anspruch auf Kaug hat nach § 141 Abs 1 Satz 1 AFG nur ein Arbeitnehmer, dh ein abhängig Beschäftigter, der Arbeitnehmer im arbeitsförderungsrechtlichen Sinne ist (vgl dazu eingehend BSG SozR 2100 § 7 Nr 7 und SozR 4100 § 141b Nr 24).
Für die erneute Verhandlung dürfte es sich im übrigen empfehlen, den Klageantrag zu präzisieren, da der Kläger nach dem bei der Beklagten eingereichten Antrag auch den Ausfall von Versicherungsbeiträgen und sonstigen Forderungen wie der Büromiete geltend macht. Die Beschränkung auf ein Grundurteil dürfte wenig sinnvoll sein, weil die vom Kläger geltend gemachten Forderungsausfälle erwarten lassen, daß auch die Höhe eines Kaug-Anspruchs streitig werden dürfte. Das gilt auch deshalb, weil der Kläger Forderungsausfälle bis einschließlich Januar 1997 geltend macht, nach seinen Angaben aber die Betriebstätigkeit am 21. November 1996 beendet worden sein soll. Kam zu diesem Zeitpunkt ein Konkursverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht, ist ausgefallenes Arbeitsentgelt durch Kaug nur insoweit auszugleichen, als es für die letzten drei diesem Tage vorausgehenden Monate des Arbeitsverhältnisses geschuldet wird (§ 141b Abs 1 Satz 1 AFG). Forderungsausfälle für die Zeit danach wären nicht zu berücksichtigen.
Fundstellen
EWiR 2001, 1073 |
ZIP 2001, 1336 |
NZA-RR 2002, 46 |
NZI 2001, 389 |
SGb 2001, 243 |
ZInsO 2001, 818 |
info-also 2001, 217 |