Entscheidungsstichwort (Thema)
Entziehung der Kassenarztzulassung wegen gröblicher Pflichtverletzung durch dauernde und erhebliche Verstöße auf dem Verwaltungssektor. Entziehung der Kassenarztzulassung wegen gröblicher Verletzung kassenärztlicher Pflichten. Nichteignung als Kassenarzt. Wohlverhalten des Kassenarztes während des Streitverfahrens über die Entziehung der Kassenzulassung
Leitsatz (redaktionell)
Ein Kassenarzt, der die Kassenabrechnungen mit zT erheblicher Verspätung vorlegt, der es mehrfach unterläßt, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bzw Bescheinigungen für das Krankengeld auszustellen, und der trotz Erinnerungen Anfragen der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen nicht bearbeitet, verletzt gröblich seine kassenärztlichen Pflichten; er ist zur Fortführung der kassenärztlichen Tätigkeit nicht geeignet, wenn die zuvor gegen ihn verhängten Sanktionen (Geldbuße, Honorarkürzungen) zu keiner Änderung des Fehlverhaltens geführt haben.
Orientierungssatz
1. Ein bloßes Wohlverhalten des Kassenarztes während des über die Zulassungsentziehung geführten Rechtsstreits reicht - jedenfalls grundsätzlich - nicht aus, um die Aufhebung eines rechtmäßig erlassenen Entziehungsbeschlusses wegen gröblicher Verletzung kassenärztlicher Pflichten zu begründen.
2. Die Ausstellung unrichtiger Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen durch Kassenärzte führt nicht nur zu einem finanziellen Schaden für die Versichertengemeinschaft, sondern zu einer unerträglichen Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Kassenärzten und den Organen der kassenärztlichen Selbstverwaltung.
3. Es ist Sache der Zulassungsinstanzen, darüber zu entscheiden, ob die "Bewährung" des Kassenarztes im Laufe des Rechtsstreits zur Erteilung einer neuen Zulassung ausreicht. Dieser Entscheidung dürfen die Gerichte nicht vorgreifen, wenn sie sich nicht selbst in die Rolle der Zulassungsinstanzen begeben wollen.
Normenkette
RVO § 368a Abs. 6 Fassung: 1955-08-17; ZO-Ärzte § 27 Fassung: 1957-05-28; BMV-Ä § 21 Abs. 1 Fassung: 1978-08-28, § 30 Abs. 1 Fassung: 1978-08-28
Verfahrensgang
Tatbestand
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Entziehung einer Kassenarztzulassung.
Der 1931 geborene Kläger wurde im Februar 1967 als Arzt für Allgemeinmedizin in Frankfurt/Main zur Kassenpraxis zugelassen. Ab dem II. Quartal 1969 reichte er die Kassenabrechnungen mit zum Teil erheblicher Verspätung ein, weshalb die Kassenärztliche Vereinigung Hessen, die Beigeladene zu 1), ab dem II. Quartal 1972 (bis zum II. Quartal 1975) gemäß Leitzahl 803 ihrer Honorarverteilungsgrundsätze (HVG) Honorarabzüge in Höhe von 1.200,-- DM pro Quartal vornahm. Wegen dieser und anderer Verletzungen kassenärztlicher Pflichten - der Kläger hatte es in fünf Fällen unterlassen, angeforderte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bzw Bescheinigungen für das Krankengeld für die Krankenkassen auszustellen und in neun Fällen Anfragen von Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung trotz Erinnerungen nicht beantwortet - setzte die Beigeladene zu 1) mit Beschluß vom 23. Mai 1973 gegen den Kläger eine Geldbuße in Höhe des damaligen Höchstbetrages von 1.000,-- DM fest (§ 368m Abs 4 Ziff 1 RVO aF). Gleichzeitig wies sie den Kläger darauf hin, daß die Fortsetzung pflichtwidrigen Verhaltens die Frage nach der Entziehung der Kassenzulassung aufwerfen werde.
Im Juli 1974 stellte die Beigeladene zu 5) über den Beigeladenen zu 4) beim Zulassungsausschuß für Ärzte in Hessen den Antrag, dem Kläger gemäß § 368a Abs 6 der Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm § 27 der Zulassungsordnung für Kassenärzte ( ZO-Ä) die Kassenzulassung zu entziehen. Sie machte geltend, der Kläger verstoße laufend gegen § 12 Abs 1 und § 19 Abs 1 des Bundesmantelvertrages Ärzte (BMV-Ä) und § 8 des Honorarverteilungsmaßstabes der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (HVM-H). Er stelle sogenannte Wunschbescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit und Wegeunfähigkeit aus und lasse Anfragen der Kasse grundsätzlich unbeantwortet. Die diesbezüglich nur beispielhaft angegebenen Fälle (aus der Zeit vom IV. Quartal 1973 bis zum II. Quartal 1974) könnten beliebig ergänzt werden. Der Kläger reiche außerdem seine Abrechnungsunterlagen nach wie vor nicht termingerecht ein. Die Kasse benötige jedoch diese Unterlagen dringend nicht nur für verschiedene Verwaltungsarbeiten, sondern auch zur Beurteilung von Leistungsfragen und zur Festsetzung von Ersatzansprüchen. Die Unordnung in der Verwaltung seiner Praxis lasse erkennen, daß der Kläger zu einer selbständigen Führung einer Kassenpraxis nicht geeignet sei. Die Kasse sehe keine Basis mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Diesem Antrag entsprach der Zulassungsausschuß (Beschluß vom 12. November 1974). Den Widerspruch des Klägers wies der beklagte Berufungsausschuß zurück (Beschluß vom 5. November/8. Dezember 1975). Er sah die dem Kläger vorgeworfenen Verstöße in den von der Beigeladenen zu 5) beispielhaft dargelegten Fällen zum Teil als erwiesen an. Unter Bezugnahme auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) bewertete er sie als gröbliche Pflichtverletzung, die in Anbetracht der besonderen Verhältnisse die Entziehung der Kassenzulassung erforderlich mache. Da der Kläger trotz Geldbuße, Honorarabzüge und vielfacher Belehrung sein Verhalten nicht geändert habe, sei für ein weiteres Disziplinarverfahren kein Raum mehr. Die Einwendungen des Klägers (berufliche Überbeanspruchung, Schwierigkeiten im persönlichen Bereich) könnten ihn nicht ausreichend entlasten. Seine Behauptung, er habe während des Verfahrens keinen Anlaß zu Beanstandungen gegeben, sei bezüglich der Abrechnungen unrichtig. Zudem falle ein Wohlverhalten während des Widerspruchsverfahrens normalerweise weniger ins Gewicht als das Fehlverhalten vorher. Das gelte vor allem, wenn der Kassenarzt - wie hier der Kläger - erst durch einen Entziehungsbeschluß veranlaßt werde, seinen angeblichen Willen zu künftigem Wohlverhalten zu erkennen zu geben. Eine so späte Reaktion böte noch keine ausreichende Gewähr dafür, daß sich bei ihm eine innere Wandlung vollzogen habe und er nun zur gewissenhaften Erfüllung seiner Pflichten als Kassenarzt bereit sei.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen, aber auch den Anträgen der Beigeladenen zu 2), 4) und 5), die sofortige Vollziehung der Entscheidung der Beklagten anzuordnen, nicht entsprochen (Urteil vom 23. Juni 1976). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 25. Oktober 1978) und dabei im wesentlichen die tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Schlußfolgerungen der Beklagten und des SG bestätigt. Ergänzend hat es darauf hingewiesen, daß aus den Jahren 1975 bis 1978 weitere die Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit betreffende Vorgänge, verspätete Abrechnungen des II. und III. Quartals 1975 und unbeantwortete Arztanfragen bekanntgeworden seien und daß die Beigeladene zu 1) auf Veranlassung der Deutschen Angestellten Krankenkasse - Landesgeschäftsstelle Hessen - am 1978-04-26 erneut gegen den Kläger wegen Verletzung vertragsärztlicher Pflichten eine Geldbuße von 700,-- DM festgesetzt habe.
Mit der Revision rügt der Kläger vor allem eine unrichtige Anwendung des § 368a Abs 6 RVO, aber auch eine mangelhafte Sachaufklärung: Die Rechtsprechung des BSG zur Entziehung der Kassenzulassung wegen gröblicher Verletzung kassenärztlicher Pflichten sei das Ergebnis einer Auslegung gegen das Gesetz. Sie müsse auch im Hinblick auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- (NJW 1978, 1479 und NJW 1977, 892) überdacht werden. Gröbliche Pflichtverletzung und Ungeeignetheit des Arztes seien zwei getrennte Voraussetzungen, die in keiner Beziehung zueinander stünden. Entgegen der Ansicht des BSG beinhalte der Begriff "gröblich" ein Verschulden. Die Entziehung der Zulassung komme bei verfassungskonformer Auslegung nur als "ultima ratio" in Betracht (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit). Es müsse in der Regel - abgesehen von Patientenschädigungen oder von vorsätzlichen und absichtlichen oder strafbaren Verstößen - eine Praxisbegehung mit schriftlicher Belehrung, eine Abmahnung mit Hinweis auf konkrete Fehler (keine Werturteile) und eine rechtskräftige Disziplinarbestrafung wegen derselben Fehler vorausgehen. Weiterhin müßte durch die fortgesetzte Außerachtlassung der Kassenarztverpflichtung ein Schaden entstanden sein, der nicht durch Kürzungen oder Regresse ausgeglichen werden könne. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Die beanstandeten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit und Wegeunfähigkeit seien nicht widerlegt, eine Arbeitsfähigkeit oder Wegefähigkeit werde nicht festgestellt. Er (der Kläger) habe sämtliche Auskünfte erteilt; der insoweit angegebene Beweis sei nicht erhoben worden (Berufung auf Sachbearbeiter der Beigeladenen zu 5)). Die verspätete Vorlage der Abrechnungen habe zu keinem Schaden geführt. Die Entscheidungen in den Disziplinarverfahren dürften nicht ohne weiteres zugrunde gelegt werden, es müsse vielmehr geprüft werden, ob sie zu Recht ergangen seien. Jedem Kassenarzt unterliefen Fehler. Solange nicht eine Statistik darüber vorliege, wieviele Fehler ohne Beanstandung hingenommen würden, könne es kein objektives Maß dafür geben, was an Irrtümern zur Entziehung ausreiche.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Hessischen
Landessozialgerichts vom 25. Oktober 1978 und unter
Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt
vom 23. Juni 1976 den Beschluß des Beklagten vom
8. Dezember 1975 und den diesem zugrundeliegenden
Beschluß des Zulassungsausschusses vom 12. November 1974
aufzuheben.
Die Beigeladenen zu 1), 2), 4) und 5) beantragen,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Der Beklagte und der Beigeladene zu 3) haben keine Stellungnahmen abgegeben.
Die Beigeladene zu 5) trägt vor, mit der Revision werde versucht, das Verhalten des Klägers mit dem Hinweis auf einige entschuldbare Fehler zu bagatellisieren. Im vorliegenden Fall handele es sich jedoch nicht um Fehler schlechthin, sondern - zB bezüglich der vom Kläger ausgestellten Wunschbescheinigungen - um ein gezieltes, den gesetzlichen und vertragsrechtlichen Regelungen entgegenstehendes Verhalten. Der durch das Grundgesetz und das Kassenarztrecht den Krankenkassen vorgegebene Kontrahierungszwang finde da seine Grenzen, wo der eine Vertragspartner die erforderliche Vertrauensbasis so schwer störe, daß es dem anderen Teil nicht mehr zugemutet werden könne, mit ihm zusammenzuarbeiten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, von der auch das LSG ausgeht, setzt die Entziehung der Kassenzulassung wegen gröblicher Verletzung kassenärztlicher Pflichten nach der hier maßgebenden Bestimmung des § 368a Abs 6 RVO voraus, daß der Arzt - wenn auch nur auf Zeit - zur Fortführung der kassenärztlichen Tätigkeit nicht geeignet ist (BSGE 10, 292, 298; BSGE 15, 177, 182, 183 = SozR Nr 23 zu § 368a RVO; zuletzt BSGE 43, 250, 252 = SozR 2200 § 368a RVO Nr 3). Die Gröblichkeit der Pflichtverletzung ergibt sich aus der mehr oder minder häufigen Verletzung besonders wichtiger Pflichten und der damit gegebenen Schwere der Rechtsverletzung, sie fordert aber kein individuelles Verschulden im Sinne persönlicher Vorwerfbarkeit. Bei der Entziehung der Kassenzulassung handelt es sich nicht um eine Sanktion für strafwürdiges Verhalten, sondern um eine Maßnahme der Verwaltung, die allein dazu dient, das System der kassenärztlichen Versorgung vor Störungen zu bewahren und damit funktionsfähig zu erhalten (SozR Nr 24 zu § 368a RVO; BSGE 34, 252, 253 = SozR Nr 36 zu § 368a RVO). Pflichtverletzungen, die sich ihrer Zahl und ihrem Umfang nach nicht als besonders schwerwiegend darstellen, können dennoch "gröblich" im Sinne des § 368a Abs 6 RVO sein, wenn ihnen entsprechende Verfehlungen vorangegangen sind. Damit werden nicht frühere Pflichtverletzungen, die bereits geahndet worden sind, nochmals "bestraft", vielmehr erhalten die neuerlichen Verfehlungen durch die früheren und im wesentlichen gleichartigen Verstöße lediglich ein stärkeres Gewicht (BSGE 43, 250, 252). Wann eine gröbliche Verletzung kassenärztlicher Pflichten vorliegt, die auf die Ungeeignetheit des Arztes zu kassenärztlicher Tätigkeit schließen läßt, kann nicht allgemein gesagt werden. Sie wird in der Regel gegeben sein, wenn die gesetzliche Ordnung der kassenärztlichen Versorgung durch das Verhalten des Arztes schwer gestört und deshalb die Vertrauensgrundlage für eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kassenarzt fortgefallen ist. Die Ungeeignetheit als Kassenarzt braucht nicht notwendig darin zu liegen, daß der Arzt nicht in der Lage oder nicht willens ist, die Versicherten sachgemäß zu behandeln, sie kann ihren Grund auch darin finden, daß der Arzt durch sein Verhalten das zur reibungslosen Durchführung der kassenärztlichen Versorgung als Verwaltungsaufgabe notwendige Vertrauensverhältnis gegenüber den Organen der kassenärztlichen Selbstverwaltung so grob gestört hat, daß diesen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Arzt nicht zugemutet werden kann, er also für sie - jedenfalls auf Zeit - untragbar geworden ist (BSGE 15, 177, 183, 184; 34, 252, 254). Bei Prüfung dieser Voraussetzungen ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Entziehung der Kassenzulassung der letzte und schwerste Eingriff in den Kassenarztstatus ist. Sie ist deshalb nur gerechtfertigt, wenn der Arzt, der die ordnungsgemäße Durchführung der kassenärztlichen Versorgung stört, nicht auf andere Weise, insbesondere durch die gesetzlich, vertragsrechtlich und satzungsrechtlich vorgesehenen Honorarkürzungen und Honorarabzüge sowie Belehrungen und Disziplinarmaßnahmen (§ 368m Abs 4 RVO) zu einer Aufgabe seines Fehlverhaltens veranlaßt werden kann (BSGE 34, 252, 253, 254; 43, 250, 252).
An dieser Rechtsprechung hält der Senat nach Prüfung der vom Kläger dagegen vorgebrachten Einwendungen fest. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 368a Abs 6 RVO, auf die sich der Kläger beruft, führt gerade dazu, eine "gröbliche Verletzung kassenärztlicher Pflichten" als Grund für die Entziehung einer Kassenzulassung nur anzuerkennen, wenn sich aus ihr die Ungeeignetheit des Arztes für die Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung ergibt. Die Entziehung einer Zulassung kommt einem Eingriff in die Freiheit der "Berufswahl" iS des Art 12 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) gleich (SozR Nr 24 zu § 368a RVO; BSGE 28, 80, 82 = SozR Nr 30 zu § 368a RVO mwN). Die ständige Rechtsprechung des BVerfG, daß solche Eingriffe nur unter strengen Voraussetzungen zum Schutze wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft sind, wird in den vom Kläger herangezogenen neueren Entscheidungen des BVerfG (NJW 1977, 892 = BVerfGE 44, 105 ff; NJW 1978, 1479 - BVerfGE 48, 292 ff) ausdrücklich bestätigt. Die Entziehung der Kassenzulassung ist deshalb nur zulässig, wenn sie erforderlich ist, um das System der kassenärztlichen Versorgung funktionsfähig zu erhalten. Aus diesem Grunde kommt es entscheidend darauf an, ob die Pflichtverletzungen des Arztes seine Nichteignung für die kassenärztliche Tätigkeit ergeben. Die Nichteignung des Arztes steht auch dann seiner Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung entgegen, wenn sie nicht auf einem Verschulden des Arztes beruht (SozR Nr 24 zu § 368a RVO). Allerdings können subjektive Momente im Fehlverhalten des Arztes dessen Nichteignung begründen (BSGE 34, 252, 254; 250, 252). Der Kläger wendet sich schließlich zu Unrecht gegen eine Wertung der Rechtsverletzung; denn die Eignung des Arztes wird vor allem durch die Häufigkeit und Schwere seiner Verstöße und das Ausmaß seines Fehlverhaltens in Frage gestellt.
Fehlt einem Kassenarzt die Eignung zur Ausübung der Kassenpraxis, so sind die Zulassungsinstanzen nach § 368a Abs 6 RVO berechtigt und in der Regel sogar verpflichtet, die Zulassung zu entziehen (BSGE 28, 80, 83; vgl für den Ersatzkassenbereich: § 7 Nr 2 Arzt/Ersatzkassenvertrag). Dieser Grund einer Zulassungsentziehung muß sich jedoch aus den jeweils genau festzustellenden Umständen des Einzelfalles ergeben (BSGE 15, 177, 184). Dabei genügt es, die Ermittlungen und Feststellungen auf beispielhaft geltend gemachte Pflichtverletzungen zu beschränken, wenn schon diese allein die Eignung des Arztes zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung ausschließen.
Im vorliegenden Fall haben zwar die Vorinstanzen und der beklagte Berufungsausschuß nicht alle einzelnen Verfehlungen bestätigt, die dem Kläger vorgeworfen worden sind. Dennoch ist das Berufungsurteil im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden, denn die festgestellten Verfehlungen rechtfertigen die Schlußfolgerung, daß der Kläger durch sein Verhalten das zur Durchführung der kassenärztlichen Versorgung notwendige Vertrauensverhältnis zu den Organen der kassenärztlichen Selbstverwaltung so grob gestört hat, daß er für diese untragbar geworden ist. Als besonders schwerwiegend müssen die Verstöße gegen § 12 Abs 1 BMV-Ä aF (gültig vom 1. Oktober 1959 bis zum Inkrafttreten des neuen BMV-Ä vom 28. August 1978 am 1. Juli 1978, vgl DOK 1978, 795) angesehen werden. Das Attestieren von Arbeitsunfähigkeit ohne Untersuchung des Versicherten, was vom Kläger selbst in zwei Fällen nicht bestritten wird, macht deutlich, wie wenig sich die Krankenkassen auf Bescheinigungen des Klägers in einem Leistungsbereich verlassen können, in dem sie besonders auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Kassenärzten angewiesen sind. Die Krankenkassen können nicht, wie der Kläger meint, darauf verwiesen werden, daß sie im Falle einer nachweisbar unrichtigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Schadensersatz von dem Kassenarzt verlangen können. Verstöße gegen § 12 Abs 1 BMV-Ä aF (= § 21 Abs 1 BMV-Ä nF) führen nicht nur zu einem finanziellen Schaden der Versichertengemeinschaft (zB durch Krankengeldzahlung bei zu Unrecht bestätigter Arbeitsunfähigkeit), sondern zu einer unerträglichen Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Kassenärzten und den Organen der kassenärztlichen Selbstverwaltung. Die Krankenkassen können ihren gesetzlichen Leistungsverpflichtungen nur gerecht werden, wenn sie sich darauf verlassen können, daß auch die Kassenärzte ihre Verpflichtungen korrekt erfüllen. Ärzte und Krankenkassen haben gemeinsam die kassenärztliche Versorgung sicherzustellen (§ 368 Abs 1 RVO). Zur kassenärztlichen Versorgung gehören auch die Ausstellung von Bescheinigungen und die Erstellung von Berichten, die die Krankenkassen und der Vertrauensärztliche Dienst zur Durchführung ihrer gesetzlichen Aufgaben benötigen (§ 368 Abs 2 Satz 2 RVO). Aus gleichem Grunde sind auch die Verstöße des Klägers gegen § 19 Abs 1 BMV-Ä aF (= § 30 Abs 1 BMV-Ä nF) für die Frage der Entziehung der Kassenzulassung von erheblicher Bedeutung. Der Kläger hat, wie ebenfalls im Berufungsurteil festgestellt worden ist, über lange Zeit hinweg Anfragen der Krankenkassen trotz wiederholter Erinnerungen nicht termingerecht oder überhaupt nicht beantwortet. Obwohl er ua wegen dieses Fehlverhaltens bereits im Mai 1973 mit einer Geldbuße in Höhe des damaligen Höchstbetrages belegt worden war, hat er auch später Anfragen von Krankenkassen zumindest nicht zeitgerecht beantwortet. Daß durch ein solches Verhalten nicht nur die Verwaltungsarbeit der Krankenkassen erschwert, sondern auch die Versorgung der Versicherten (Heilbehandlung, Rehabilitationsmaßnahmen, wirtschaftliche Sicherstellung) beeinträchtigt wird, ist offenkundig. Schließlich wendet sich der Kläger zu Unrecht dagegen, daß die verspäteten Vorlagen seiner Kassenabrechnungen bei der Zulassungsentziehung berücksichtigt worden sind. Die Nichteinhaltung der Abrechnungstermine beschränkt sich in ihrer Auswirkung nicht, wie der Kläger darzulegen versucht, auf die eigene wirtschaftliche Lage des Kassenarztes (Honorarabzüge), sie stört vielmehr auch die reibungslose Durchführung der kassenärztlichen Versorgung. Diese ist nicht nur davon abhängig, daß der Kassenarzt seine Patienten sachgemäß behandelt, sondern auch davon, daß die Zusammenarbeit der Organe der kassenärztlichen Selbstverwaltung mit den Kassenärzten auf dem Verwaltungssektor nicht in einem unerträglichen Umfange erschwert wird. Der Kläger legte, was unstreitig ist, seine Kassenabrechnungen von II/1969 bis III/1975 verspätet vor und mußte deshalb von II/1972 bis II/1975 Honorarabzüge hinnehmen. Auch insoweit hatte die dem Kläger im Mai 1973 auferlegte Geldbuße zu keiner Änderung des Fehlverhaltens des Klägers geführt.
Die hier berücksichtigten Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts sind mit der Revision nicht in begründeter Weise angegriffen worden, sie sind daher für den Senat bindend (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Soweit der Kläger einzelne Verfehlungen zu widerlegen oder zu entschuldigen versucht, kann im Revisionsverfahren nicht erneut in eine Prüfung und Würdigung seines Tatsachenvorbringens eingetreten werden. Die Verfahrensrügen des Klägers sind nicht gerechtfertigt. Das Berufungsgericht hat weder die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung überschritten, noch seine Sachaufklärungspflicht verletzt. Es mußte sich insbesondere nicht zu einer weiteren Beweiserhebung gedrängt fühlen. Das gilt auch hinsichtlich des Beweisangebotes des Klägers, er habe die Kassenanfragen (telefonisch) beantwortet. Diese Behauptung kann sich nicht auf alle Kassenanfragen in dem hier vor allem in Betracht kommenden Zeitabschnitt (bis zum Entziehungsbeschluß vom 14. November 1974) beziehen. Der rechtsverbindlichen Festsetzung einer Geldbuße gegen den Kläger im Mai 1973 lagen gerade auch zahlreiche Verstöße gegen § 19 Abs 1 BMV-Ä aF zugrunde. Der Kläger selbst hat im Berufungsverfahren vorgetragen, daß gegen ihn, nachdem seit dem Einzug in die Eigentumswohnung (im Herbst 1974) 3 Jahre vergangen und die Reste aufgearbeitet seien, nichts mehr vorliege und er alles postwendend erledige (Schriftsatz vom 16. Oktober 1978). Nach seinem eigenen Vorbringen hat er also das beanstandete Verhalten erst nach Entziehung der Kassenzulassung geändert. Mit dem vom Kläger angebotenen Beweis könnte daher nicht widerlegt werden, daß er über lange Zeit hinweg Kassenanfragen unbeantwortet gelassen hat. Entsprechendes gilt für den Hinweis des Klägers, er habe zuletzt die Kassenabrechnungen termingerecht oder zumindest ohne Verschulden verspätet vorgelegt. Auch wenn für das eine oder andere Quartal ein Entschuldigungsgrund anerkannt werden könnte (zB Erkrankung im II. Quartal 1975), fiele dies in Anbetracht der Gesamtdauer des Fehlverhaltens (verspätete Kassenabrechnungen ab II/1969, deshalb Honorarabzüge ab II/1972) nicht ins Gewicht.
Soweit der Kläger die korrekte Erfüllung der ihm obliegenden kassenärztlichen Pflichten geltend macht, bezieht sich sein Vorbringen im wesentlichen auf die Zeit nach Entziehung der Kassenzulassung. Dieses Vorbringen rechtfertigt jedoch sein Klagebegehren nicht. Der Senat hat zwar entschieden, daß bei einem Rechtsstreit über die Entziehung der Kassenzulassung Änderungen der Sachlage während des Rechtsstreits grundsätzlich zu berücksichtigen sind. Er hat aber in diesem Zusammenhang ebenfalls darauf hingewiesen, daß ein bloßes Wohlverhalten des Kassenarztes während des über die Zulassungsentziehung geführten Rechtsstreits - jedenfalls grundsätzlich - nicht ausreicht, um die Aufhebung eines rechtmäßig erlassenen Entziehungsbeschlusses zu begründen (BSGE 7, 129, 133 ff; 33, 161, 164 = SozR Nr 35 zu § 368a RVO; BSGE 43, 250, 253). Es ist Sache der Zulassungsinstanzen, darüber zu entscheiden, ob die "Bewährung" des Kassenarztes im Laufe des Rechtsstreits zur Erteilung einer neuen Zulassung ausreicht. Dieser Entscheidung dürfen die Gerichte nicht vorgreifen, wenn sie sich nicht selbst in die Rolle der Zulassungsinstanzen begeben wollen. Der Senat kann deshalb hier dahingestellt sein lassen, ob sich der Kläger tatsächlich, wie er behauptet, während des Entziehungsverfahrens im großen und ganzen korrekt verhalten, oder ob er, worauf im Berufungsurteil hingewiesen wird, erneut kassenärztliche Pflichten verletzt hat. Insoweit werden die Zulassungsinstanzen eine erschöpfende Sachaufklärung herbeizuführen haben, sollte der Kläger erneut die Zulassung zur Kassenpraxis beantragen, was ihm unbenommen bleibt (vgl BSGE 33, 161, 164).
Die Revision war aus diesen Gründen zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen