Leitsatz (redaktionell)
Zur Frage der Gewährung orthopädischer Sportschuhe zur Ausübung des Tennissports.
Normenkette
BVG § 10 Abs. 1 Fassung: 1960-06-27, § 11 Abs. 1 Fassung: 1960-06-27, § 13 Abs. 1 Fassung: 1960-06-27
Tenor
Auf die Revision des Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Juli 1966 und das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 18. Juni 1964 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die in den drei Rechtszügen entstandenen außergerichtlichen Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Kläger bezog auf Grund der anerkannten Schädigungsfolgen "zahlreiche Narben am rechten Oberschenkel, Verkürzung des rechten Beines um 3 cm gegenüber links nach Oberschenkelschußbruch, hochgradige Beugebehinderung im rechten Kniegelenk, Peronäuslähmung rechts, Wackelknie" Versorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v. H. Im Mai 1963 beantragte er - zusätzlich zu den in Zeitabständen bewilligten orthopädischen Schuhen für den Straßenverkehr - die Gewährung orthopädischer Sportschuhe mit der Begründung, daß ihm der Arzt die Ausübung des Tennissports angeraten habe und er diese Sportart, die ihm als früherem aktiven Sportler Freude mache, trotz seiner Beinschäden auch einigermaßen ausüben könne. Mit Bescheid vom 8. August 1963 lehnte das Landesversorgungsamt (LVersorgA) unter Hinweis auf die Richtlinien des Bundesministers für Arbeit (BMA) zur Durchführung des Versehrtensports vom 31. Juli 1956 (BVBl 1956, Beilage August) den Antrag ab, weil der Kläger keiner Versehrtensportgruppe angehöre und ihm deshalb nach § 11 a des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) keine Sachleistungen gewährt werden könnten. Der Widerspruch war erfolglos. In dem Widerspruchsbescheid vom 22. November 1963 ist ausgeführt, dem Antrag könne auch nicht nach den §§ 11 Abs. 1 Nr. 4, 13 BVG und der zu § 13 BVG erlassenen Durchführungsverordnung (DVO) vom 6. Juni 1961 entsprochen werden, weil eine Verordnung von Turnschuhen im Rahmen der orthopädischen Versorgung nicht möglich sei. Turn- und Sportschuhe seien in dem Katalog des § 1 der DVO nicht enthalten. Mit Urteil vom 18. Juni 1964 hat das Sozialgericht (SG) den Beklagten verurteilt, dem Kläger ein Paar orthopädische Sportschuhe zu gewähren. Es hat die Berufung zugelassen. Das LSG hat Beweis durch Einholung eines Befund- und Behandlungsberichts von Dr. med. D und eines Gutachtens von Dr. F, dem Chefarzt der Orthopädischen Klinik H in E erhoben. Dr. D hat in der Bescheinigung vom 18. September 1965 angegeben, daß der Kläger schon am 16. August 1955 in seine Sprechstunde gekommen sei und über Durchblutungsstörungen, "taubes" Gefühl und Verkrampfungen in beiden Beinen geklagt habe, daß er zur Lösung der Verspannungen und zur Besserung der Durchblutungsstörungen in den Beinen empfohlen habe, viel zu schwimmen, daß hierbei jedoch Krämpfe in den Beinen aufgetreten seien und daß er deshalb zum Tennisspiel im mäßigen Rahmen geraten habe. Dr. F hat in dem Gutachten vom 11. Januar 1966 ua ausgeführt, daß er bei der Untersuchung Anzeichen venöser Durchblutungsstörungen beider Beine, links mehr als rechts, gefunden habe und daß der Kläger bereits 1955 wegen Durchblutungsstörungen und Muskelverspannungen an beiden Beinen ärztlich untersucht worden sei. Die Verhältnisse beider Beine erforderten ein Training durch krankengymnastische bzw. sportliche Übungen. Es sei nicht unbedingt notwendig, daß der Kläger Tennis spiele, um den Erfolg der für seine Schädigungsleiden gewährten Heilbehandlung zu sichern oder seine Schädigungsleiden zu erleichtern. Der gleiche Effekt lasse sich auch durch andere Maßnahmen, z. B. durch krankengymnastische Übungen, Kneippkuren, leichte Wanderungen, Radfahren usw. erreichen. Mit Urteil vom 21. Juli 1966 hat das LSG die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, die Versorgung umfasse nach § 9 Nr. 1 BVG Heilbehandlung, Versehrtenleibesübungen und Krankenbehandlung. Die Heilbehandlung schließe die Versorgung mit Heilmitteln (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 BVG) und die Ausstattung mit orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die erforderlich seien, um den Erfolg der Heilbehandlung zu sichern oder die Folgen der Schädigung zu erleichtern, ein (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 BVG). Art und Umfang der Heilbehandlung deckten sich mit den Leistungen, zu denen die Krankenkasse ihren Mitgliedern gegenüber verpflichtet sei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimme (§ 11 Abs. 1 Satz 2 BVG). Daraus ergebe sich, daß die Versorgung mit Heilmitteln ausreichend und zweckmäßig sein müsse und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfe (§ 182 Abs. 1 und 2 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Der Anspruch des Klägers auf Versorgung mit orthopädischen Sportschuhen als einem orthopädischen Hilfsmittel ergebe sich aus § 1 Nr. 6 i. V. m. Nr. 20 der DVO zu § 13 BVG vom 6. Juni 1961; denn nach Nr. 20 seien "sonstige außergewöhnliche und andere Kleidungsstücke, deren Tragen infolge der Schädigung notwendig" sei, zu gewähren. Diese Voraussetzung treffe hier zu. Dr. D habe schon 1955 Durchblutungsstörungen und Verkrampfungen in beiden Beinen und Hartspannbildungen im Bereich der Lendenwirbelsäule und in den Gesäßpartien festgestellt. Der Kläger habe bereits Antrag auf Anerkennung der Durchblutungsstörungen am linken Bein gestellt. Die von Dr. D behandelten Muskelverspannungen seien zwar nicht ausdrücklich als Schädigungsfolgen anerkannt. Sie stünden aber als körperliche Beschwerden im Zusammenhang mit den anerkannten Schädigungsfolgen, wie das Gutachten des Dr. F ergebe. Deshalb seien sie nach § 10 Abs. 1, 5 BVG Gegenstand der Heilbehandlung. Die orthopädischen Sportschuhe, die gemäß diesem Gutachten dazu dienten, den Erfolg der Heilbehandlung zu sichern und auch die Folgen der Schädigung zu erleichtern, seien daher sowohl als Heilmittel (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 BVG) wie auch als orthopädisches Hilfsmittel (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 BVG) anzusehen. Der Einwand des Beklagten, Durchblutungsstörungen bestünden beim Kläger vorwiegend am linken Bein, an dem keine Schädigungsfolgen anerkannt seien, gehe fehl, denn nach der Bescheinigung des Dr. D und dem Gutachten des Dr. F benötige der Kläger die orthopädischen Sportschuhe auch, um die schädigungsbedingten Muskelverspannungen zu lockern und den Erfolg der Heilbehandlung zu sichern. Daß es sich insoweit auch ohne ausdrückliche Anerkennung um mittelbare Schädigungsfolgen handele, habe der Beklagte nicht in Zweifel gezogen. Ob die in § 12 Satz 1 der DVO enthaltene Verweisung auf § 10 Abs. 2 BVG sich auch auf die Ausschlußtatbestände des § 10 Abs. 4 BVG beziehe, bedürfe keiner Entscheidung; denn der Kläger habe nach § 10 Abs. 5 BVG, soweit es sich bei den Muskelverspannungen um noch nicht anerkannte Schädigungsfolgen handele, einen Rechtsanspruch auf Heilbehandlung. Dem stehe das Wort "kann" in § 10 Abs. 5 BVG nicht entgegen, denn nach § 10 Abs. 6 BVG seien die Kosten einer vor der Anerkennung selbst durchgeführten notwendigen Heilbehandlung in angemessenem Umfang zu ersetzen. Bei Beachtung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der freien Entfaltung der Persönlichkeit müsse der Beratung des Beschädigten durch den behandelnden Arzt, nicht der Versorgungsverwaltung die Auswahl überlassen werden, welche der von Dr. F vorgeschlagenen und als notwendig bezeichneten Maßnahmen im Einzelfall ergriffen werde. Es sei auch nicht erkennbar, aus welchem Grunde die Versorgungsverwaltung unter mehreren in Betracht kommenden gleichwertigen Maßnahmen eine bessere, zweckmäßigere und individuellere Auswahl treffen könne als es dem Beschädigten im beratenden Gespräch mit seinem Arzt möglich sei. Das beantragte Hilfsmittel entspreche auch den in § 11 Abs. 1 Satz 2 BVG i. V. m. § 182 Abs. 2 RVO gestellten Anforderungen an Art und Umfang der Heilbehandlung; es sei ausreichend und zweckmäßig und überschreite nicht das Maß des Notwendigen. Der Hausarzt und Dr. F hätten keine geeignetere Maßnahme gegen die schädigungsbedingten Muskelverspannungen als das Tennisspielen zu nennen vermocht. Zu jeder Maßnahme würde er orthopädische Schuhe benötigen, mit Ausnahme des wegen der Beinkrämpfe nicht möglichen Schwimmens. Bei leichten Wanderungen und beim Radfahren komme er zwar mit orthopädischen Straßenschuhen aus, jedoch würden diese einer stärkeren Abnutzung unterliegen. Auch krankengymnastische Übungen und Kneippkuren verursachten keine geringeren Kosten. Somit habe der Kläger sowohl nach den §§ 10 Abs. 1, 5, 11 Abs. 1 Nr. 2 BVG als auch nach den §§ 10 Abs. 1 und 5, 11 Abs. 1 Nr. 4, 13 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 1 Nr. 20 der DVO zu § 13 BVG Anspruch auf Gewährung orthopädischer Sportschuhe.
Mit der zugelassenen Revision rügt der Beklagte Verletzung der §§ 10, 11 Abs. 1 und 13 Abs. 1 BVG. Solange weder Durchblutungsstörungen, Verkrampfungen und Verspannungen im linken Bein noch Hartspannbildungen im Bereich der Lendenwirbelsäule und in den Gesäßpartien als Schädigungsfolgen anerkannt seien, bestehe mit Rücksicht auf § 10 Abs. 4 Buchst. b BVG gemäß § 10 Abs. 2 BVG kein Anspruch auf die beantragte Leistung, wenngleich Heilbehandlung auch schon vor Anerkennung des Anspruches gewährt werden könne (§ 10 Abs. 5 BVG). Nr. 1 der Verwaltungsvorschriften (VerwV) zu § 10 BVG lasse eine Mitbehandlung nicht anerkannter Gesundheitsstörungen bei einer Heilbehandlung wegen Schädigungsfolgen nach § 10 Abs. 1 BVG nur in einem engen Rahmen zu; die Mitbehandlung der Nicht-Schädigungsfolgen müsse notwendig sein, um den Zweck der Heilbehandlung zu erreichen. Der Kläger brauche nicht, wie Dr. F ausgeführt habe, Tennis zu spielen, um - als orthopädische Versorgung - den Erfolg der für seine Schädigungsfolgen gewährten Heilbehandlung zu sichern oder die Folgen der Schädigung zu erleichtern (§ 13 Abs. 1 Satz 1 BVG i. d. F. vom 21. Februar 1964) bzw. die in § 10 Abs. 1 Satz 1 BVG bestimmten Ziele der Heilbehandlung zu erreichen. Für die von Dr. F - außer Tennisspielen - vorgeschlagenen Maßnahmen seien die dem Kläger gewährten orthopädischen Schuhe für den Straßengebrauch nötig, aber auch ausreichend. Die in § 11 Abs. 1 Ziff. 2 i. V. m. § 13 BVG und in der hierzu ergangenen Rechtsverordnung getroffene Regelung sei erschöpfend und lasse nicht die von dem LSG vorgenommene Ausweitung zu. Das LSG habe den Anspruch auf die Gewährung orthopädischer Sportschuhe unter dem Begriff des Heilmittels und eines Hilfsmittels bejaht, ohne hierbei die grundsätzlichen Unterschiede zwischen beiden Mitteln zu beachten. Während des Revisionsverfahrens sei zwar zusätzlich ein postthrombotisches Syndrom nach Thrombose der linken Beinvene als Schädigungsfolge anerkannt worden, weswegen die Rente ab 1. Juni 1966 nach einer MdE um 60 v. H. erhöht worden sei. Dadurch ändere sich aber nichts an der hier grundsätzlich zu entscheidenden Rechtsfrage, ob Sport "ganz allgemein" als Heilbehandlung im Umfang des § 11 BVG angesehen werden könne und jeder Beschädigte "seinem Sport" nachgehen könnte. Bei Bejahung dieser Frage wäre die gesetzliche Verankerung der Versehrtenleibesübungen als Heilbehandlungsmaßnahme völlig illusorisch. Der Kläger sei auch subjektiv nicht gehindert, an den Versehrtenleibesübungen der in seinem Heimatort anerkannten Versehrtensportgruppe im Schwimmen, im Spiel und in Gymnastik teilzunehmen. Für einen einzelnen Beschädigten könnten heilgymnastische und bewegungstherapeutische Übungen nur auf Grund besonderer ärztlicher Verordnung als Einzelmaßnahme im Sinne des § 11 Abs. 1 BVG gewährt werden, nicht dagegen andere zur Erreichung des Heilerfolges nicht unbedingt notwendige Leistungen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 21. Juli 1966 und das Urteil des SG Koblenz vom 18. Juni 1964 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid des LVersorgA Rheinland-Pfalz vom 8. August 1963 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 1963 abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der von dem LSG festgestellte Zusammenhang der Gesundheitsstörungen (Durchblutungsstörungen und Verspannungen) mit den anerkannten Schädigungsfolgen sei nie bestritten worden. Mit Rücksicht auf diesen Zusammenhang bestehe auch der Anspruch auf Heilbehandlung. Mit Recht habe das LSG auch festgestellt, daß das Tennisspielen eine geeignete und das Maß des Notwendigen nicht überschreitende Heilbehandlung sei.
Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und deshalb zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie ist auch sachlich begründet.
Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 8. August 1963, mit dem der Antrag des Klägers auf Gewährung orthopädischer Sportschuhe zur Ausübung des Tennissports abgelehnt worden ist. Das LSG hat den Anspruch des Klägers als begründet angesehen, weil die orthopädischen Sportschuhe sowohl als Heilmittel (im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 und Satz 2 BVG i. d. F. des Ersten Neuordnungsgesetzes (1. NOG a. F. vom 27. Juni 1960 BGBl. I 453) - diese Vorschrift ist auf Grund des am 1. Januar 1964 in Kraft getretenen Zweiten Neuordnungsgesetzes (2. NOG) vom 21. Februar 1964 (BGBl I 85) n. F. nicht geändert worden - und des § 182 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) wie auch als orthopädisches Hilfsmittel nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 BVG a. F. - ab 1. Januar 1964 nach § 13 Abs. 1 BVG n. F. - anzusehen seien und die Ausstattung mit solchen Schuhen eine ausreichende und zweckmäßige Maßnahme der Heilbehandlung darstelle und auch nicht das Maß des Notwendigen überschreite. Die Muskelverspannungen seien zwar nicht ausdrücklich als Schädigungsfolge anerkannt, stünden aber als körperliche Beschwerden im Zusammenhang mit den anerkannten Schädigungsfolgen, wie sich aus dem Gutachten des Dr. F vom 11. Januar 1966 ergebe und der Beklagte auch nicht in Zweifel gezogen habe. Tatsächlich hat Dr. F ausgeführt, daß das Tennisspielen zur Minderung "schädigungsbedingter Krankheitserscheinungen (Muskelverspannungen)" diene; er hat diese Beschwerden ausdrücklich von den venösen Durchblutungsstörungen beider Beine geschieden und nur diese in Gegensatz zu den anerkannten Schädigungsfolgen gesetzt. Das Gutachten läßt also den Schluß zu, daß die Muskelverspannungen, obgleich sie nicht ausdrücklich als Schädigungsfolgen anerkannt seien, doch den anerkannten Schädigungsfolgen als deren Auswirkungen zuzurechnen sind. Der Beklagte hat im Berufungsverfahren (Schriftsatz vom 21. April 1966) nur darauf hingewiesen, daß die Durchblutungsstörungen sich vorwiegend am linken Bein befänden, wo Schädigungsfolgen nicht anerkannt seien. Er hat sich nicht dagegen gewandt, daß die Muskelverspannungen - mindestens am rechten Bein - von Dr. F als Schädigungsfolgen angesehen worden waren. Wenn in der Revisionsbegründung des Beklagten ausgeführt ist, daß Verkrampfungen und Verspannungen im "linken" Bein nicht anerkannt seien, so kann auch dieses Vorbringen nur dahin verstanden werden, daß die Muskelverspannungen im rechten Bein nach Auffassung der Revision unstreitig als Nebenbeschwerden zu den an diesem Bein anerkannten zahlreichen Schädigungsfolgen anzusehen sind und deshalb einer ausdrücklichen Anerkennung wohl nicht mehr bedurften. Die Ausführungen des LSG darüber, daß der Anspruch auch nach § 10 Abs. 5 BVG - Heilbehandlung vor Anerkennung eines Versorgungsanspruchs - begründet sei, sind bei der von dem LSG getroffenen Auslegung des Gutachtens des Dr. F nur noch als eine Hilfsbegründung für den Anspruch auf Heilbehandlung anzusehen. Bei dieser Sachlage ist auch im Revisionsverfahren davon auszugehen, daß die Ausübung des Tennissports eine geeignete Maßnahme der Heilbehandlung ist, um die schädigungsbedingte, durch die Muskelverspannung (im rechten Bein) bewirkte Beeinträchtigung der Berufs- oder Erwerbsfähigkeit zu beseitigen oder wesentlich zu bessern, eine Zunahme des Leidens zu verhüten oder körperliche Beschwerden zu beheben (§ 10 Abs. 1 Satz 1 BVG i. d. F. des 1. und 2. NOG). Die orthopädischen Sportschuhe sind an sich auch, wie das LSG mit Recht festgestellt hat, ein geeignetes Hilfsmittel, um als Gegenstand der orthopädischen Versorgung den Erfolg der Heilbehandlung zu sichern oder die Folgen der Schädigung zu erleichtern (§ 13 Abs. 1 Satz 1 BVG i. d. F. des 2. NOG). Mit der Feststellung, daß der Gebrauch der orthopädischen Sportschuhe zum Tennisspielen als Heilmittel anzusehen ist und daß die Sportschuhe zugleich ein Hilfsmittel nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 BVG i. d. F. des 1. NOG darstellten, hat das LSG den Unterschied zwischen Heilmittel und Hilfsmittel nicht verkannt oder diese Begriffe auf einen nicht zutreffenden Sachverhalt angewandt. Zwar dienen Heilmittel der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit durch Beseitigung oder Milderung der Krankheitserscheinungen während der Heilbehandlungsdauer (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. II - 1969 bis einschließlich 31. Nachtragslieferung - S. 386 b). Als Hilfsmittel dagegen gelten diejenigen Mittel, die nach beendetem Heilverfahren zur Erhaltung oder Herstellung der Arbeitsfähigkeit erforderlich sind (Brackmann aaO S. 386 b). Ob hiernach ein Mittel der einen oder anderen Gruppe zuzurechnen ist, bedarf aber der Entscheidung im Einzelfall. In aller Regel wird nur ein Bestimmungszweck in Betracht kommen. Handelt es sich jedoch um leichtere Beschwerden und dient das Mittel überwiegend der Vorbeugung von Krankheitserscheinungen, so läßt sich sagen, daß das Mittel dem einen und dem anderen Zweck dient. Im vorliegenden Fall ist die Unterscheidung allerdings ohne besondere Bedeutung, da einerseits das Heilmittel nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 und Satz 2 BVG i. V. m. § 182 Abs. 2 RVO nur im Rahmen einer ausreichenden und zweckmäßigen Krankenpflege gewährt wird und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten darf, andererseits auch das Hilfsmittel, das im Rahmen der orthopädischen Versorgung gemäß §§ 11 Abs. 1 und 13 Abs. 1 BVG n. F. und auf Grund der gemäß § 13 Abs. 5 BVG a. F. erlassenen DVO vom 6. Juni 1961 (BGBl I 669) und auch gemäß der DVO zu § 13 BVG vom 30. Oktober 1964 (BGBl I 843) gewährt wird, notwendig sein muß (vgl. auch § 187 Nr. 3 RVO). Dies gilt insbesondere dann, wenn "sonstige außergewöhnliche und andere Kleidungsstücke, deren Tragen infolge der Schädigung notwendig ist" (§ 1 Nr. 20 der beiden DVOen) zur Verfügung gestellt werden sollen.
Das LSG hat jedoch den Begriff der Notwendigkeit verkannt, wenn es die Ausübung des Tennissports (als Heilmittel) und die Benutzung der orthopädischen Schuhe (als Hilfsmittel) als notwendig angesehen hat. Da diese Voraussetzung hier nicht zutrifft, was noch näher zu begründen ist, hat der Kläger - insoweit - keinen Anspruch auf Heilbehandlung nach § 10 Abs. 1 BVG a. F. und n. F. Es kann deshalb auch dahingestellt bleiben, ob die Auslegung, die das LSG dem § 10 Abs. 5 BVG gegeben hat, zutreffend ist (vgl. auch das Urteil des erkennenden Senats vom 22. Juni 1967 in SozR Nr. 3 zu § 14 BVG); denn die vor "Anerkennung" des Versorgungsanspruchs gewährte Heil- oder Krankenbehandlung kann nicht weitergehen als der Anspruch auf Versorgung wegen einer anerkannten Schädigungsfolge. Der Beklagte hat während des Revisionsverfahrens durch Bescheid vom 30. Oktober 1968 auch noch ein "postthrombotisches Syndrom nach Thrombose der linken Beinvene" anerkannt. Die Frage, ob diese unter den Beteiligten unstreitige Tatsache ausnahmsweise im Revisionsverfahren berücksichtigt werden kann, obgleich das Revisionsgericht bei der Anwendung der sachlich-rechtlichen Vorschriften an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden ist (§ 163 SGG), bedarf hier keiner Entscheidung (vgl. hierzu aber BVerwG Urteil vom 14. Februar 1968 - VI C 53/65 -; NJW 1968 S. 2308/2309 wo diese Möglichkeit in dem dort entschiedenen Fall - Höhe einer Versicherungsprämie - bejaht worden ist). Denn auch dann, wenn die erst während des Revisionsverfahrens anerkannte Schädigungsfolge in die rechtliche Beurteilung einbezogen würde, müßte der Anspruch auf Gewährung von orthopädischen Sportschuhen abgelehnt werden, weil diese hier zur Durchführung der Heilbehandlung und als Mittel der orthopädischen Versorgung nicht notwendig sind.
Dabei ist allerdings zu beachten, daß durch § 11 a BVG die Anerkennung einer individuell ausgeübten Sportart als Heilmittel ausgeschlossen wäre, wenn mit dieser Vorschrift zum Ausdruck hätte gebracht werden sollen, daß der Sport nur im Rahmen der dort geregelten Durchführung von Versehrtenleibesübungen in einer anerkannten Versehrtensportgemeinschaft ausgeübt werden könne, um als Maßnahme der Rehabilitation und als Heilbehandlungsmaßnahme gelten zu können. Das ist jedoch nicht der Sinn des § 11 a BVG. Diese Vorschrift ist nämlich nur in das Gesetz eingefügt worden, um dem nach den Richtlinien des BMA vom 31. Juli 1936 (Beilage zum BVBl 1956, Heft 8) geregelten Versehrtensport (als Gruppensport) eine einwandfreie gesetzliche Grundlage zu geben (Wilke, Bundesversorgungsgesetz, 3. Aufl., § 11 a Anm. I). § 10 Abs. 3 BVG i. d. F. des Dritten Neuordnungsgesetzes (3. NOG) vom 28. Dezember 1966 (BGBl I 750) bestimmt in Ergänzung des § 9 Nr. 1 BVG, wo Heilbehandlung und Versehrtenleibesübungen deutlich voneinander geschieden sind, daß Versehrtenleibesübungen Beschädigten "zur Wiedergewinnung und Erhaltung der körperlichen Leistungsfähigkeit" gewährt werden. Dabei handelt es sich um allgemeine der körperlichen Ertüchtigung der Beschädigten und der vorbeugenden Gesundheitsfürsorge dienende Maßnahmen. Durch die in § 11 a BVG getroffene Regelung der in Gruppen ausgeführten Versehrtenleibesübungen werden heilgymnastische und bewegungstherapeutische Übungen als Maßnahmen der Heilbehandlung zur Beseitigung oder Milderung von Gesundheitsstörungen auf Grund besonderer ärztlicher Verordnung als Einzelmaßnahme im Sinne des § 11 Abs. 1 BVG aber nicht ausgeschlossen (Wilke aaO, § 11 a Anm. II). Als eine solche gezielte Heilmaßnahme kann deshalb auch die Verordnung einer bestimmten Sportart in Betracht kommen. Der Beklagte räumt dies ein, meint aber, es könne nicht dem Belieben des einzelnen überlassen werden, welchem Sport er nachgehen wolle. Inwieweit der Beschädigte unter mehreren gleich wirksamen, mit denselben oder ähnlichen Kosten verbundenen Sportarten wählen kann, bedarf hier nicht der Entscheidung; denn in jedem Fall muß die Ausübung der gewählten Sportart als Heilmittel bzw. der Gebrauch des Hilfsmittels im Sinne des Gesetzes notwendig sein. Das ist hier nicht der Fall. Dr. F hat zwar ausgeführt, daß die Verhältnisse beider Beine ein Training durch krankengymnastische bzw. sportliche Übungen erfordern oder daß mindestens derartige Übungen günstig seien. Er hat damit die anerkannten Schädigungsfolgen - einschließlich der Muskelverspannungen - und die Anzeichen venöser Durchblutungsstörungen gemeint. Er hat aber hervorgehoben, daß die angestrebte günstige Auswirkung auf die Gesundheit des Klägers nicht unbedingt durch den Tennissport erreicht werden müsse. Der gleiche Effekt lasse sich auch durch andere Maßnahmen erreichen, z. B. durch krankengymnastische Übungen, Kneippkuren, leichte Wanderungen, Radfahren usw. Da insbesondere leichte Wanderungen und Radfahren keine besonderen Kosten verursachen und hierzu der Kläger mit den orthopädischen Straßenschuhen auskommt, die ihm nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 (i. d. F. des 1. NOG) sowie nach § 13 Satz 2 BVG n. F. und § 1 Nr. 6 der DVO zu § 13 BVG gewährt wurden, würde durch Verordnung des Tennissports als Gegenstand der Heilbehandlung das Maß des Notwendigen überschritten (§ 182 Abs. 2 RVO) und stellen die orthopädischen Sportschuhe auch als Hilfsmittel keine Kleidungsstücke dar, deren Tragen infolge der Schädigung notwendig ist § 1 Nr. 20 der DVO zu § 13 BVG). Zwar hat das LSG darauf hingewiesen, daß die orthopädischen Straßenschuhe bei leichten Wanderungen einer entsprechend stärkeren Abnutzung unterlägen (beim Radfahren dürfte dies nicht der Fall sein); es fehlt jedoch an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, daß durch eine derartige stärkere Abnutzung der Straßenschuhe Mehrkosten in solcher Höhe entstünden, wie sie bei Beschaffung orthopädischer Sportschuhe anfallen würden. Unter den gegebenen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob orthopädische Sportschuhe im Hinblick auf die in § 1 Nr. 6 der DVO für das orthopädische Schuhwerk zum Straßengebrauch und für den Hausgebrauch getroffene Regelung auch als sonstige außergewöhnliche und andere Kleidungsstücke im Sinne des § 1 Nr. 20 der DVO vom 6. Juni 1961 und 30. Oktober 1964 gelten können. Die mit dem 1. Januar 1967 in Kraft getretene DVO zu § 11 Abs. 3 und den §§ 13 und 15 des BVG vom 18. Dezember 1967 (BGBl I 1285) enthält in dem entsprechenden Katalog des § 1 Nr. 19 nicht mehr die Klausel "sonstige außergewöhnliche und andere Kleidungsstücke ...", sie führt nur noch - wie früher - u. a. Prothesenschuhe und Schlüpfschuhe auf. Der Auffassung des LSG, die Auswahl der im Einzelfall zu treffenden Maßnahme müsse bei Beachtung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der freien Entfaltung der Persönlichkeit der Beratung des Beschädigten durch den behandelnden Arzt überlassen bleiben, kann für den vorliegenden Fall nicht zugestimmt werden. Das LSG setzt hierbei die Auswahl unter mehreren gleichwertigen Maßnahmen voraus. Daran fehlt es hier, weil die von Dr. F vorgeschlagenen Maßnahmen insofern einen verschiedenen Rang vor dem Gesetz haben, als sie teilweise mit besonderen Kosten verbunden sind, während andere Maßnahmen solche Kosten nicht verursachen und deshalb nur diese als notwendig anerkannt werden können. Die Maßnahmen mögen nach ihrer Wirkung gleichwertig sein, sie sind es nicht im Sinne der für die Durchführung der Heilbehandlung geltenden Vorschriften, nach denen bei sonst gleicher Eignung der Maßnahmen zur Erreichung des Behandlungszweckes des mit geringeren Kosten verbundene Mittel den Vorzug verdient und deshalb die anderen Mittel nicht als notwendig anerkannt werden können. Wenn das Gesetz den Anspruch auf die zur Durchführung der Heilbehandlung notwendigen Heilmittel oder Hilfsmittel beschränkt, so handelt es sich um Leistungsvoraussetzungen, die der Beschädigte hinnehmen muß und die mit der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit nichts zu tun haben; eine Wahlmöglichkeit zwischen notwendigen und anderen, d. h. nicht notwendigen Mitteln ist dem Beschädigten insoweit nicht eingeräumt. Wenn im vorliegenden Fall auch zuzugeben ist, daß Gründe der Zweckmäßigkeit für die Ausübung des Tennissports durch den Kläger geltend gemacht werden könnten, weil damit zu rechnen ist, daß er diese Sportart auch tatsächlich ausüben werde und damit der Heilerfolg gesichert wird, so unterliegt doch die Anerkennung einer Notwendigkeit eines solchen Heil- oder Hilfsmittels durchgreifenden Bedenken, die im Interesse der Gleichbehandlung aller Beschädigten einen Anspruch des Klägers auf orthopädische Sportschuhe ausschließen. Das Gesetz erfordert nicht nur die Zweckmäßigkeit, sondern darüber hinaus auch die Notwendigkeit des Heil- oder Hilfsmittels, die sich nach objektiven Merkmalen bestimmt. Hätte der Kläger dartun können, daß die Ausübung des Tennissports für seine Schädigungsfolgen die beste Behandlungsmaßnahme gewesen wäre, so hätte dem Anspruch des Klägers entsprochen werden müssen.
Der Anspruch ist auch nicht nach den durch das 3. NOG geänderten Vorschriften des BVG begründet. In § 10 Abs. 1 Satz 1 BVG sind zwar jetzt die durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursachten Gesundheitsstörungen den anerkannten Schädigungsfolgen gleichgestellt. Dies führt im vorliegenden Fall aber zu keiner dem Kläger günstigeren Beurteilung. Die in § 11 Abs. 1 Satz 2 BVG früherer Fassung enthaltene Vorschrift über Art und Umfang der Heilbehandlung einschließlich der orthopädischen Versorgung ist nun in § 11 Abs. 1 Satz 3 BVG übernommen worden. Auch die Vorschriften über die Ausstattung mit Hilfsmitteln im Rahmen der orthopädischen Versorgung (§ 13 BVG und DVO vom 18. Dezember 1967) sind nicht zugunsten des Klägers geändert worden (vgl. § 1 Nr. 6 und Nr. 19 der DVO). Zwar enthält § 1 Nr. 19 dieser DVO nicht mehr den Hinweis, daß die hier genannten Prothesenschuhe usw. "infolge der Schädigung notwendig" sein müssen; dies ergibt sich aber aus § 11 Abs. 1 Satz 3 BVG i. V. mit § 182 Abs. 2 und § 187 Nr. 3 RVO.
Da nach alledem der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung orthopädischer Sportschuhe hat, waren auf die Revision des Beklagten unter Abweisung der Klage das angefochtene Urteil des LSG und das Urteil des SG vom 18. Juni 1964 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen