Leitsatz (redaktionell)

Der vom 3. NOG-KOV in Abs 2 des BVG § 48 eingefügte Satz 2 bringt keine rechtliche Änderung, sondern dient nur der Klarstellung.

 

Normenkette

BVG § 48 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1966-12-28

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. August 1969 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die während des Rechtsstreits verstorbene Mutter und Rechtsvorgängerin des Klägers war die Witwe des am 9. September 1906 geborenen und am 13. Februar 1964 verstorbenen früheren Landwirts und späteren Kernmachers P .... Dieser bezog Versorgungsleistungen nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 v. H.. Nach seinem nicht schädigungsbedingten Tode bewilligte das Versorgungsamt mit Bescheid vom 11. September 1964 der früheren Klägerin im Hinblick auf ihre Einkommensverhältnisse Witwenbeihilfe gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) in Höhe von zwei Drittel der Witwenrente nach §§ 40, 41 BVG. Die Gewährung von Schadensausgleich nach § 40 a BVG lehnte das Versorgungsamt mit Bescheid vom 17. Februar 1965 ab, weil das Einkommen der Witwe nicht um mindestens 50,- DM geringer sei als die Hälfte des Einkommens, das der Ehemann als Arbeiter der Leistungsgruppe 3 in der Investitionsgüterindustrie (Maschinenbau) ohne die Schädigung erzielt hätte. Der Widerspruch der Witwe wurde mit Bescheid vom 27. Juli 1965 zurückgewiesen, da der Verstorbene keine Lehr- oder Anlernzeit durchgemacht und als Kernmacher eine Hilfsarbeitertätigkeit ausgeübt habe, die mit der Leistungsgruppe 3 zu bewerten sei. Während des Klageverfahrens hat der Beklagte vorgetragen, der Schadensausgleich könne auch deshalb nicht bewilligt werden, weil sich die anerkannten Schädigungsfolgen nicht nachteilig auf die Versorgung der Witwe ausgewirkt hätten.

Nachdem die Klägerin am 3. Oktober 1967 verstorben war, hat das Sozialgericht (SG) durch Urteil vom 1. Februar 1968 die Beklagte verurteilt, bei Berechnung des Schadensausgleichs für die Zeit bis zum 31. Dezember 1966 als Vergleichseinkommen das Durchschnittseinkommen männlicher Arbeiter im Maschinenbau, Leistungsgruppe 2, zugrunde zu legen.

Auf die vom SG nicht zugelassene Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen das Urteil des SG Münster vom 1. Februar 1968 abgeändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Statthaft sei die Berufung, weil das Verfahren vor dem SG durch den Tod der Klägerin nach § 68 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. § 239 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) unterbrochen gewesen sei und ein Urteil deswegen nicht habe ergehen dürfen. Die Versagung des Schadensausgleichs sei schon deshalb berechtigt, weil sich die anerkannten Schädigungsfolgen des Verstorbenen nicht nachteilig auf die wirtschaftliche Versorgung der Witwe ausgewirkt hätten. Diesen Ablehnungsgrund habe der Beklagte zwar erst im Streitverfahren "nachgeschoben"; da hierdurch jedoch weder der angefochtene Verwaltungsakt inhaltlich verändert werde noch die ursprüngliche Klägerin und der jetzige Kläger in ihrer Rechtsverteidigung beeinträchtigt worden seien, bestünden gegen die Berücksichtigung des neuen Ablehnungsgrundes keine Bedenken. Ob im Rahmen der Witwenbeihilfe Schadensausgleich zu gewähren sei, habe die Beklagte nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung dürfe geprüft werden, ob sich die anerkannten Schädigungsfolgen des Verstorbenen nachteilig auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Witwe auswirkten. Für die Zeit seit Inkrafttreten des 3. Neuordnungsgesetzes (3. NOG) sei das durch Satz 2 in § 48 Abs. 2 BVG ausdrücklich geregelt. Diese Einfügung bedeute keine rechtliche Änderung, vielmehr habe Gleiches bereits nach § 48 BVG idF des 2. NOG gegolten. Die Gegenmeinung, nach der § 48 BVG idF des 2. NOG der Versorgungsbehörde nicht die Entscheidung freigestellt habe, ob im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 2 BVG Schadensausgleich zu bewilligen sei, lasse sich weder auf den Wortlaut, noch auf die Systematik des § 48 BVG stützen. § 48 Abs. 1 Satz 2 BVG, der die Gewährung von Witwenbeihilfe als Kannleistung vorsehe, enthalte einen allgemeinen Ermessensvorbehalt hinsichtlich des Leistungsgrundes aller in Abs. 2 aufgeführten Leistungen. § 48 Abs. 2 BVG lege dagegen die Höhe der Witwenbeihilfe fest, ohne daß insoweit eine Ermessensentscheidung zu treffen sei. Aus der gesetzlichen Erläuterung des Begriffes "entsprechende Witwenrente" durch den Klammerzusatz "(§§ 40, 41 a, 41...)" könne nicht entnommen werden, die Leistungen nach den §§ 40, 40 a, 41 BVG seien auch ihrem Grunde nach dem Ermessensvorbehalt entzogen. Soweit die Versorgungsverwaltung der ursprünglichen Klägerin den begehrten Schadensausgleich mit der Begründung versagt habe, die anerkannten Schädigungsfolgen ihres Ehemannes hätten sich nicht nachteilig auf ihre wirtschaftliche Versorgung ausgewirkt, könne ein Ermessenfehler oder -mißbrauch nicht festgestellt werden. Diese Erwägungen hielten sich vielmehr im Rahmen der im Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 1. März 1966 (BVBl 1966, 30, 31) und im Erlaß des Arbeits- und Sozialministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 14. April 1966 (MinBl. NW Teil I Ausgabe A vom 13. Mai 1966 Glied-Nr. 8300) angeordneten Prüfung und stimmten mit dem Sinn und Zweck der §§ 48, 40 a BVG überein. Der Beschädigte, dessen Schädigungsfolgen nicht zum Tode führten, der auch nicht erwerbsunfähig oder hilflos gewesen sei, würde trotz der Schädigungsfolgen noch voll im Erwerbsleben stehen und aufgrund der günstigen wirtschaftlichen Entwicklung in der Lage gewesen sein, für seine Hinterbliebenen hinreichend zu sorgen. Es erscheine deshalb sachgerecht, wenn die Witwen dieser Beschädigten nur dann einen Schadensausgleich erhielten, wenn im Einzelfall die anerkannten Schädigungsfolgen zu ihrer wirtschaftlichen Schlechterstellung geführt hätten. Die Versorgungsverwaltung habe zutreffend eine Auswirkung der anerkannten Schädigungsfolgen des Beschädigten auf die Versorgung der früheren Klägerin verneint. Die von ihrem verstorbenen Ehemann erreichte Stellung als Kernmacher könne für einen ungelernten Arbeiter in der Industrie als guter Berufserfolg angesehen werden, den er auch ohne die Schädigungsfolgen nicht hätte steigern können.

Gegen das am 29. September 1969 zugestellte Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 27. August 1969 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 23. Oktober 1969, beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen am 24. Oktober 1969, Revision eingelegt und diese sogleich begründet.

Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 40 a, 48 Abs. 2 BVG idF des 2. NOG und führt hierzu aus: Die Beklagte habe gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 BVG nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob der Witwe eines Beschädigten, dessen MdE mindestens 70 v. H. betrug, Witwenbeihilfe gewährt werden könne. Der Ermessensvorbehalt erstrecke sich hingegen nicht auf die Frage, ob ein beantragter Schadensausgleich zu gewähren sei. Die vom BMA im Rundschreiben vom 1. März 1966 hierzu vertretene Auffassung stehe im Widerspruch zu §§ 38, 40 a, 48 BVG. Die von dem 3. NOG eingefügte Ergänzung in Abs. 2 des § 48 BVG diene nicht der interpretierenden Klarstellung des § 48 Abs. 2 BVG idF des 2. NOG, sondern bedeute eine rechtliche Änderung mit eindeutiger materiell-rechtlicher Aussage.

Er beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben, die Berufung gegen das Urteil des SG Münster vom 1. Februar 1968 zurückzuweisen und den Beklagten zu verurteilen, Schadensausgleich für die Zeit bis zum 31. Dezember 1966 nach einem Vergleichseinkommen männlicher Arbeiter im Maschinenbau zu gewähren und hierbei die Leistungsgruppe 2 zugrunde zu legen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten erklären sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 165 Abs. 1, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG einverstanden.

Die Revision ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) und vom Kläger form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG); sie ist jedoch in der Sache nicht begründet.

Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es darauf an, ob der früheren Klägerin nach § 48 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BVG idF des 2. Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts (Zweites Neuordnungsgesetz - 2. NOG -) vom 21. Februar 1964 (BGBl I 85) - in Kraft seit dem 1. Januar 1964 - Schadensausgleich gemäß § 40 a BVG zugestanden hat.

Der Beklagte hat den angefochtenen Bescheid zunächst damit begründet, daß sich bei Berücksichtigung der Leistungsgruppe 3 keine Einkommensdifferenz von 50 DM ergebe, so daß die Voraussetzung des § 40 a Abs. 1 BVG nicht erfüllt sei. Erst im Rechtsstreit hat er den Einwand erhoben, daß die schlechte wirtschaftliche Lage der Rechtsvorgängerin des Klägers nicht durch das Versorgungsleiden ihres Ehemannes verursacht worden sei. Hiergegen bestehen, wie auch das LSG angenommen hat, im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG (s. dazu BSG 11, 236 ff) keine Bedenken.

Der Senat ist bei der Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen des im Rahmen der Witwenbeihilfe zahlbaren Schadensausgleich von § 48 Abs. 2 BVG ausgegangen, wonach die Witwenbeihilfe in Höhe von zwei Drittel der entsprechenden Witwenrente (§§ 40, 40 a, 41, 46 und 47 BVG) zu zahlen ist. Diese Vorschrift verweist somit im Falle der Beihilfe auf die Rentenleistungen (Grundrente, Schadensausgleich, Ausgleichsrente), die eine Witwe erhalten kann, deren Ehemann an den Schädigungsfolgen gestorben ist, und schreibt die Kürzung auf zwei Drittel vor. Damit wird aber hinsichtlich des Schadensausgleichs auf den gesamten § 40 a BVG verwiesen; die Verweisung bezieht sich nicht lediglich auf die Berechnung der Ausgleichsleistung; es handelt sich mithin um eine Tatbestandsverweisung (s. dazu Wessel, Gewährung eines Schadensausgleichs im Rahmen der Witwenbeihilfe nach § 48 BVG, VersorgB 1966, 39; Kühne, Zur Kausalitätsprüfung beim Schadensausgleich nach §§ 40 a, 48 BVG; VersorgB 1966, 98). Für eine Besserstellung der Witwe nach § 48 BVG im Verhältnis zu den Witwen, deren Ehemänner an den Schädigungsfolgen gestorben sind, fehlt jeder überzeugende Grund; der vom Gesetz gewählte Ausdruck "Beihilfe" und die Kürzung der normalen Witwenrente auf zwei Drittel sprechen dafür, daß der Gesetzgeber die Rechtsposition dieser Witwen keinesfalls stärker ausgestalten wollte, als die der Witwen, deren Versorgung in den §§ 38 und 40 a BVG geregelt ist. Hiernach müssen (nach § 48 Abs. 2 BVG) sämtliche in § 40 a BVG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sein. Grundsätzlich sind alle Ansprüche des BVG daran gebunden, daß der auszugleichende Schaden auf einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG beruht. Schon für den durch das 1. NOG eingeführten § 41 Abs. 3 Satz 1 BVG, der durch das 2. NOG durch § 40 a BVG ersetzt worden ist, hatte der erkennende Senat in seinem Urteil vom 26. November 1965 - 8 RV 325/63 - (BVBl 1966, 90 einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem wirtschaftlichen Schaden der Witwe und dem Verlust des Ehemannes gefordert. Zu § 40 a Abs. 1 BVG hat der Senat in seiner Entscheidung vom 19. Dezember 1967 - 8 RV 455/67 - (BVBl 1968, 130) ausgesprochen, daß Berufsschadensausgleich nur gewährt werden darf, wenn die Schädigung des Ehemannes die ungünstige Versorgungslage der Witwe verursacht hat (s. auch BSG, Urteil vom 16. Februar 1967 - 10 RV 1077/65 - in BVBl 1967, 119, 120; ferner Wilke, BVG, Komm., 3. Aufl. 1968, § 40 a Anm. I). Die Richtigkeit dieser Ansicht ergibt sich auch eindeutig aus dem Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer und Heimkehrerfragen (BT-Drucks. IV/1831, S. 7), der erläutert, daß der Ausschuß sich zur Einführung des Schadensausgleichs entschlossen habe, um denjenigen Kriegerwitwen, die durch den (schädigungsbedingten) Tod ihres Ehemannes wirtschaftlich besonders betroffen seien, wirksam helfen zu können. Die ungünstige wirtschaftliche Lage einer Witwe, deren Ehemann an einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG gestorben ist, wird regelmäßig durch den Tod des Ehemannes verursacht sein. Ähnlich wird die wirtschaftliche Situation der Witwe, die nach § 48 Abs. 1 Satz 1 BVG eine Beihilfe erhält, typischerweise durch die Schädigung des Ehemannes beeinflußt worden sein. Bei den Witwen von Schwerbeschädigten, die noch einen Teil ihrer Arbeitskraft nutzen konnten und von denen manche trotz der schweren gesundheitlichen Leistungsminderung voll in das Erwerbsleben eingegliedert waren, ist nicht von vornherein zu vermuten, daß die ungünstige Versorgungslage durch die Schädigung verursacht worden ist (s. dazu Wilke, BVG, Komm., § 48 Anm. VI); vielmehr muß in jedem Einzelfall geprüft werden, ob zwischen Schädigung und mangelhafter Versorgung der Witwe ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Der durch das 3. NOG eingefügte § 48 Abs. 2 Satz 2 BVG, wonach Schadensausgleich im Rahmen der Witwenbeihilfe nur gewährt werden darf, wenn sich die Schädigungsfolgen des Verstorbenen nachteilig auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Witwe ausgewirkt haben, enthält also tatsächlich nur eine Klarstellung, wie der Schriftliche Bericht des Ausschusses für Kriegs- und Verfolgungsschäden über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts (zur BT-Drucks. V/1216 S. 8 zu Nr. 43) dargelegt hat.

Das LSG hat unangegriffen festgestellt, die Schädigung des Ehemannes habe die Versorgung der früheren Klägerin nicht beeinflußt. Diese tatsächliche Feststellung bindet das BSG gemäß § 163 SGG. Die Verwaltung durfte also, da eine der Voraussetzungen des § 40 a Abs. 1 BVG nicht vorlag, keinen Schadensausgleich in Höhe von zwei Dritteln gewähren. Somit kommt es auf die Frage, ob dem Beklagten hinsichtlich des Schadensausgleichs im Rahmen des § 48 BVG eine selbständige Ermessenentscheidung zusteht, nicht an.

Das Berufungsurteil ist also im Ergebnis zutreffend; die Revision des Klägers muß deshalb gemäß § 170 Abs. 1 SGG als unbegründet zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670476

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