Entscheidungsstichwort (Thema)
Ziffernmäßige Feststellung der MdE. Bedeutung von Haupt- und Hilfshand bei Daumenverletzung. MdE unter 20 vom Hundert
Orientierungssatz
1. Die nicht in Verbindung mit einer Rentengewährung in einem Verfügungssatz des Bescheides getroffene Feststellung eines bestimmten MdE-Satzes unter 20 vH ist unzulässig (vgl BSG Urteil 1983-03-22 2 RU 37/82 = BSGE 55, 32).
2. Zur Frage, ob beim Daumen hinsichtlich der MdE-Bewertung eine gleiche Behandlung von Haupt- und Hilfshand angezeigt ist.
3. Der in Art 20 Abs 3 GG zu Verfassungsrang erhobene Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gebietet, daß belastende Eingriffe in die Rechtsposition der Versicherten einer gesetzlichen Unfallversicherung nicht aus eigener Kompetenz beliebig vermehrt werden.
Normenkette
RVO § 581 Abs 1 Nr 2 Fassung: 1963-04-30; GG Art 20 Abs 3; RVO § 581 Abs 3
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 30.09.1982; Aktenzeichen L 7 U 931/82) |
SG Stuttgart (Entscheidung vom 07.05.1982; Aktenzeichen S 3 U 3452/81) |
Tatbestand
Die Beklagte gewährte dem Kläger vom 12. Mai 1980 an eine vorläufige Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vH wegen Teilverlustes des linken Daumens in Höhe des Endgelenkes und Teilverlustes des linken Zeigefingers in Mittelgelenkshöhe als Folgen eines Arbeitsunfalls, den der Kläger am 10. April 1980 bei seiner Tätigkeit als Zimmerer erlitten hat (Bescheid vom 1. September 1980). Durch Bescheid vom 26. November 1981 lehnte sie die Gewährung einer Dauerrente ab, entzog die vorläufige Rente mit Ablauf des Monats Dezember 1981 und stellte in einem weiteren Verfügungssatz fest, die MdE betrage 15 vH. In der Begründung des Bescheides ist ua ausgeführt, als Unfallfolgen lägen noch vor: "Teilverlust des linken Daumens in Höhe des Endgelenkes, Teilverlust des linken Zeigefingers in Mittelgelenkhöhe, geringe Beweglichkeitseinschränkung in den verbliebenen Gelenken des ersten und zweiten Fingers links, Minderung der groben Kraft und der Geschicklichkeit der linken Hand." Hierdurch werde die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht mehr im rentenberechtigenden Grade gemindert.
Das Sozialgericht (SG) Stuttgart hat den Bescheid vom 26. November 1981 aufgehoben (Urteil vom 7. Mai 1982): Die Teilverluste von Daumen und Zeigefinger könnten zwar in der Art, in der sie beim Kläger beständen, grundsätzlich - vor allem an der linken "Bei- bzw Hilfshand" - mit einer MdE um 15 vH bewertet werden. Hier komme jedoch eine Beweglichkeitseinschränkung in den Grundgelenken der betroffenen Finger hinzu. Dies könne zwar eine Einschätzung der MdE auf 20 vH nur knapp tragen. Zu berücksichtigen sei aber außerdem, daß die gleichen Schäden an der - meist rechten - "Gebrauchshand" mit 20 vH bewertet würden. Die unterschiedliche Einschätzung gleicher Verletzungen an den Händen sei aber nicht mehr gerechtfertigt, seitdem infolge Technisierung und Rationalisierung nunmehr die Mehrzahl aller Arbeiten weniger Kraftaufwand, dafür mehr Fein- und Denkarbeit erforderten.
Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 30. September 1982). Zur Begründung hat es ua ausgeführt: Das SG sei zwar aus Rechtsgründen nicht gehindert gewesen, die unfallbedingte MdE um 5 vH höher zu bewerten als die Beklagte, weil bei Ablehnung einer Rentengewährung die Bewertung der MdE, selbst wenn sie im Verfügungssatz enthalten sei, nur der Begründung diene und deshalb nicht in Bindungswirkung erwachse. Die Beklagte sei jedoch zutreffend davon ausgegangen, daß die beim Kläger bestehenden Unfallfolgen an der linken Hand grundsätzlich mit einer MdE um 15 vH zu bewerten seien. Eine Gleichbewertung bei Verletzungen der Gebrauchs- und der Hilfshand habe sich im Unfallversicherungsrecht noch nicht durchgesetzt. Die Funktionseinschränkungen seien in Bezug auf die Hilfshand nicht so gravierend, daß sie eine Höherbewertung der MdE um 5 vH und damit - wie bei der Gebrauchshand - eine MdE um 20 vH rechtfertigten.
Der Kläger trägt zur Begründung der vom LSG zugelassenen Revision ua vor: Aufgrund gewandelter Arbeitsbedingungen sei die unterschiedliche Bewertung von Arbeits- und Hilfshand nicht gerechtfertigt. Das LSG habe insbesondere verkannt, daß der Verlust der Fähigkeit zum Spitz- oder Feingriff an beiden Händen - zumal bei einem Zimmermann - gleich zu bewerten sei.
Er beantragt, das angefochtene Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Stuttgart vom 7. Mai 1982 zurückzuweisen, hilfsweise, die Sache an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des LSG im Ergebnis für zutreffend, ist allerdings der Auffassung, ihre Berufung gegen das Urteil des SG hätte schon deshalb Erfolg haben müssen, weil die Feststellung einer MdE um 15 vH im Verfügungssatz des angefochtenen Bescheides eine Änderung um nur 5 vH durch das Gericht nicht zulasse.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 SGG).
Streitig ist, ob die Beklagte durch den angefochtenen Bescheid vom 26. November 1981 zu Recht die nach einer MdE um 20 vH bemessene vorläufige Rente entzogen und die Gewährung einer Dauerrente - vom 1. Januar 1982 an - abgelehnt hat, da die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die Folgen des Arbeitsunfalls vom 12. Mai 1980 nicht mehr im rentenberechtigendem Grade gemindert sei.
Entgegen der Auffassung der Beklagten in der Revisionserwiderung war das LSG nicht gehindert, die unfallbedingte MdE anders als das SG (20 vH) auf 15 vH einzuschätzen. Das LSG prüft nach § 157 SGG den Streitfall im gleichen Umfang wie das SG. Im Berufungsverfahren ist Streitgegenstand nicht das erstinstanzliche Urteil, das etwa vom LSG auf seine Richtigkeit zu überprüfen wäre, sondern, wie schon in der ersten Instanz, der Verwaltungsakt der Beklagten (Bescheid vom 26. November 1981). Hiernach zu Recht hat das LSG - unabhängig von der Einschätzung der MdE durch das SG - darüber entschieden, ob die Beklagte im angefochtenen Bescheid die Gewährung einer Dauerrente an den Kläger ablehnen durfte, weil eine rentenberechtigende MdE nicht mehr vorlag (s BSGE 41, 99, 100; BSG Urteile vom 14. Dezember 1978 - 2 RU 10/78 -, vom 8. Oktober 1981 - 2 RU 2/81 - und vom 22. März 1983 - 2 RU 37/82).
Das LSG ist auch zutreffend davon ausgegangen, daß sich die Frage der Zulässigkeit einer um nur 5 vH abweichenden Bewertung der im Bescheid festgestellten Unfallfolgen nicht stellt. Im angefochtenen Bescheid hat die Beklagte zwar vor dessen Begründung festgestellt, die MdE betrage 15 vH. Diese nicht in Verbindung mit einer Rentengewährung in einem Verfügungssatz des Bescheides getroffene Feststellung eines bestimmten MdE-Satzes unter 20 vH ist jedoch unzulässig (BSG Urteil vom 22. März 1983 - 2 RU 37/82, zur Veröffentlichung vorgesehen). Der Grad der unfallbedingten MdE in der gesetzlichen Unfallversicherung ist nur im Zusammenhang mit der Rentengewährung rechtlich bedeutsam. Die Verletztenrente setzt eine bestimmte Mindesthöhe der MdE voraus (s § 581 Abs 1 Nr 2 und Abs 3 RVO) und bemißt sich grundsätzlich nach dem Jahresarbeitsverdienst (JAV) und dem Grad der MdE. Eine selbständige Bedeutung hat die Höhe der MdE für die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung nicht. Dies gilt bei einer MdE unter 20 vH auch im Hinblick auf eine möglicherweise erst später wegen des Eintritts oder der Verschlimmerung der Folgen eines anderen Arbeitsunfalles nach § 580 Abs 3 RVO zu gewährenden Verletztenrente; denn maßgebend ist insoweit der zur Zeit des Beginns der Verletztenrente noch bestehende und nicht ein früher festgestellter Grad der MdE (s ua RVA AN 1939, 190; BSG SozR Nr 5 zu § 581 RVO; BSG Urteil vom 30. Juli 1968 - 2 RU 79/67 - und vom 7. März 1969 - 2 RU 53/67 -; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. - 9. Aufl, Seite 571 mwN; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 581 Anm 15 Buchst a; Gitter in SGB-Sozialversicherung-Gesamtkommentar, § 581 Anm 8; Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 3. Aufl, Kennzahl 480, Seite 4; Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, Unfallversicherung, 4. Aufl, § 581 RdNr 9). Ebenso könnte bei einer Verschlimmerung der Folgen des Arbeitsunfalles nicht zu Gunsten des Versicherten von einem bestimmten unter 20 vH festgestellten Grad der MdE ohne Nachprüfung seiner Richtigkeit ausgegangen werden, da die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen darf, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt (S § 48 Abs 3 SGB X; s Brackmann aaO, Seite 584a ff). Die Feststellung eines bestimmten unter 20 vH liegenden Grades der MdE in einem Verfügungssatz unabhängig von der Rentengewährung wirkt sich vielmehr grundsätzlich zu Ungunsten des Verletzten aus. Das BSG hält in ständiger Rechtsprechung Abweichungen um 5 vH in der Schätzung der MdE durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit gegenüber den Unfallversicherungsträgern nicht für zulässig, weil eine genauere Differenzierung des medizinischen Befundes und der abschließenden Schätzung innerhalb der allen Schätzungen eigenen Schwankungsbreite liegt (s ua BSGE 32, 245; 37, 177, 181; 41, 99, 101; Brackmann aaO Seite 569d mwN). Somit könnten bei der ersten Entscheidung über die Gewährung der vorläufigen oder der Dauerrente die Gerichte den Unfallversicherungsträger nicht zur Gewährung einer Verletztenrente nach einer von ihnen aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens geschätzten MdE um 20 vH verurteilen, wenn in einem Verfügungssatz des angefochtenen Bescheides die MdE mit 15 vH festgestellt ist. Ebenso würde eine losgelöst von der Rentengewährung in einem Verfügungssatz mit 15 vH festgestellte MdE bei ihrer Verschlimmerung auf 20 vH eine Rentengewährung ausschließen, weil eine Verschlimmerung der MdE um nur 5 vH keine wesentliche Änderung bedingt (s ua BSGE 32, 245; Brackmann aaO, Seite 583e mwN; Podzun aaO, Seite 6). Für eine unabhängig von der Rentengewährung getroffene Feststellung des Grades der MdE in einem Verfügungssatz enthalten auch die Verfahrensvorschriften keine Ermächtigung. Vielmehr sieht § 1569a RVO eine förmliche Feststellung - insoweit - nur für die Gewährung von Renten und die Änderung, die Entziehung und das Ruhen von Renten vor, nicht aber für einzelne Voraussetzungen des Rentenanspruchs (so schon Lehmann, Komm zur RVO, 5. und 6. Buch, 4. Aufl 1926, § 1569a Anm 3) und damit auch nicht für eine von der Rentengewährung unabhängige selbständige Feststellung der MdE. Dem entspricht es, daß auch nach § 55 SGG eine Klage auf Feststellung eines bestimmten Grades der MdE nicht zulässig ist (s BSGE 7, 126, 129; Brackmann aaO, Seite 240n). Der Verletzte hat somit, was das BSG zur Kriegsopferversorgung bereits entschieden hat (s BSGE 7, 126, 128), keinen Anspruch auf Feststellung eines ziffernmäßig bestimmten Grades der MdE unabhängig von der Rentengewährung (ebenso zu Faktoren der Rentenberechnung in der Rentenversicherung BSGE 4, 184). Dem würde es aber widersprechen, dem Unfallversicherungsträger dagegen ohne gesetzliche Ermächtigung das Recht zuzubilligen, eine sich grundsätzlich zu Ungunsten des Verletzten auswirkende und damit diesen belastende selbständige, von der Rentengewährung unabhängige Feststellung eines bestimmten Grades der MdE unter 20 vH in einem Verfügungssatz eines Bescheides aufzunehmen. Vielmehr gebietet der in Art 20 Abs 3 Grundgesetz zu Verfassungsrang erhobene Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, daß belastende Eingriffe in die Rechtsposition der Versicherten einer gesetzlichen Unfallversicherung nicht aus eigener Kompetenz beliebig vermehrt werden (s ua BVerwGE 2, 114, 115; Leibholz/Rinck/Hesselberger, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 6. Aufl, Art 20 Anm 30 und Anm 1 vor Art 70 bis 82; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl, Seite 183; Ossenbühl in Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl, S 57 ff; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl, S 183).
Der angefochtene Bescheid ist hiernach jedenfalls rechtswidrig, soweit in seinem Verfügungssatz die entgegen der Auffassung des LSG mit Bindungswirkung (s BSG Urteil vom 22. März 1983 aaO) getroffene Feststellung enthalten ist, die MdE betrage 15 vH. Dies wird das LSG bei seiner erneuten Entscheidung zu beachten haben.
Die Frage, ob der Kläger über den 31. Dezember 1981 hinaus durch Unfallfolgen in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens ein Fünftel gemindert ist (§ 581 Abs 1 Nr 2 RVO) und ihm deshalb eine Dauerrente zusteht, wird das LSG erneut zu prüfen haben. Die tatsächlichen Feststellungen über Art und Umfang der Unfallfolgen - im wesentlichen der Verlust des Endgliedes des Daumens und zweier Glieder des Zeigefingers an der linken Hand - hat das LSG übereinstimmend mit dem angefochtenen Bescheid aufgrund der Ausführungen des Chirurgen Prof. Dr. K. in dessen Gutachten vom 27. Oktober 1981 getroffen. In diesem Gutachten, das Grundlage für die Versagung einer Dauerrente war, hat Prof. Dr. K. seine Einschätzung der unfallbedingten MdE auf 15 vH allein mit dem Hinweis auf Günther/Hymmen (Unfallbegutachtung, Tafel III Abbildung 36) begründet, wonach für den Verlust des Endgliedes des Daumens und zweier Glieder des Zeigefingers rechts 20 vH und links 15 vH als Dauerschaden festgesetzt seien. Ein weiteres Gutachten über die Höhe der unfallbedingten MdE ist im gerichtlichen Verfahren nicht eingeholt worden. Das LSG hat vielmehr ebenfalls unter Hinweis auf Günther/Hymmen (aaO) angenommen, daß für die hier bestehenden Unfallfolgen an der (linken) Hilfshand grundsätzlich von einer MdE um 15 vH auszugehen sei, da sich eine Gleichbewertung der MdE bei Gebrauchs- und Hilfshand im Unfallversicherungsrecht noch nicht durchgesetzt habe (Hinweis auf BSG SozR 2200 § 622 Nr 19; Günther/Hymmen aaO; Schönberger/Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 2. Aufl 1981, S 440 ff; Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 3. Aufl, Kennzahl 500 S 2) und die zusätzlich vorhandenen Bewegungseinschränkungen bei der Bewertung der Funktionsbeeinträchtigung in Bezug auf die (linke) Hilfshand nicht derartig gravierend seien, daß sie aus medizinischen Gründen eine Höherbewertung der MdE um 5 vH rechtfertigen könnten.
Nach der Lage des vorliegenden Falles bedarf es nicht der Entscheidung, ob eine unterschiedliche Beurteilung der MdE bei einer Schädigung der Haupt- oder Gebrauchshand gegenüber der Hilfs- oder Beihand in der gesetzlichen Unfallversicherung allgemein weiterhin (s ua BSG aaO mwN) gerechtfertigt ist und ob die von der Revision unter Hinweis auf Krösl/Zrubecky (Die Unfallrente, Wien, 3. Aufl 1980, S 40) geforderte Gleichbehandlung insoweit nicht zu einer Schlechterstellung der betroffenen Unfallverletzten führen würde (s Schönberger/Mehrtens/Valentin aaO S 441 mwN; "Anhaltspunkte für die gutachterliche Beurteilung von Handverletzungen in der gesetzlichen Unfallversicherung", herausgegeben vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, Anhang zum Rundschreiben VB 154/81 vom 9. Juli 1981). Während nämlich Günther/Hymmen (aaO S 101) in ihrer im Jahre 1980 erschienenen 7. Auflage, auf die das LSG Bezug nimmt, den Verlust des ganzen Daumens nach wie vor rechts mit 20 vH, links dagegen mit 15 vH bewerten und zB auch den Verlust des Daumenendgliedes und eines halben Grundgliedes sowie des ganzen Daumens und des ersten Mittelhandknochens an der linken Hand um je 5 vH geringer als an der rechten Hand einschätzen, verweisen Schönberger/ Mehrtens/Valentin (aaO S 441) auf neuere medizinische und arbeitsphysiologische Erkenntnisse, nach denen beim Daumen hinsichtlich der MdE-Bewertung eine gleiche Behandlung von Haupt- und Hilfshand angezeigt sei. Auch im Rundschreiben des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 9. Juli 1981 (aaO) wird trotz grundsätzlicher weiterer Beibehaltung der unterschiedlichen Bewertung von Haupt- und Hilfshand eine Ausnahme bezüglich des Daumens empfohlen, dessen Verlust bei beiden Händen in gleicher Höhe bewertet werden solle, "weil beide Daumen eine überragende funktionelle Bedeutung haben" (Anhaltspunkte für die gutachterliche Beurteilung von Handverletzungen in der gesetzlichen Unfallversicherung aaO). Nach der Auffassung von Haas (in einem dem Rundschreiben des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften VB 154/81 beigefügten Sonderdruck eines Vortrages über "Die Begutachtungs- und Beurteilungskriterien bei Handverletzungen aus berufsgenossenschaftlicher Sicht") ist die von ihm grundsätzlich für berechtigt erachtete unterschiedliche Bewertung von Schädigungen an der Haupthand und der Hilfshand nicht auf die Daumen anzuwenden, denen eine überragende funktionelle Bedeutung zukomme, ohne die kein Spitz- oder Feingriff möglich sei und die kein anderer Finger ersetzen könne (aaO S 3; s auch Krösl/Zrubecky aaO S 36, 40).
Diese medizinischen und arbeitsphysiologischen Erkenntnisse hat das LSG bei der Schätzung des Grades der unfallbedingten MdE, die von der Tatsacheninstanz aufgrund des Rechts zur Entscheidung nach der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu gewinnenden Überzeugung zu treffen ist (§ 128 SGG; BSGE 4, 147, 149), nicht ausreichend berücksichtigt. Das BSG kann die Schätzung der MdE nicht durch eine eigene Schätzung ersetzen (BSGE aaO S 149). Deshalb ist das LSG gehalten - zB durch Anhörung eines in der Handchirurgie erfahrenen Arztes -, die Auswirkungen der beim Kläger vorliegenden Unfallfolgen auf dessen Erwerbsfähigkeit unter Berücksichtigung der angeführten Umstände erneut zu prüfen.
Die Sache ist deshalb an das LSG zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden hat.
Fundstellen