Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Künstlersozialabgabe. Unternehmerbegriff iS des KSVG
Leitsatz (amtlich)
1. Die Künstlersozialkasse kann gegenüber den nach § 24 KSVG abgabepflichtigen Unternehmern die Abgabepflicht zunächst nur dem Grunde nach feststellen.
2. Die in § 24 Abs 2 Nr 2 KSVG genannten Unternehmer (ua Betreiber eines Orchesters) sind unabhängig davon abgabepflichtig, ob sie das Unternehmen in privat- oder öffentlich-rechtlicher Form betreiben.
Orientierungssatz
1. Das im KSVG vorgesehene Finanzierungssystem, soweit es die Erhebung der Künstlersozialabgabe betrifft, ist verfassungsgemäß, insbesondere werden keine Grundrechte der Abgabepflichtigen nach Art 2 und 3 GG verletzt (vgl BVerfG vom 8.4.1987 2 BvR 909/82 = SozR 5425 § 1 Nr 1).
2. Unternehmer iS des § 24 Abs 2 Nr 2 KSVG sind alle Personen, die Leistungen selbständiger Künstler oder Publizisten in Anspruch nehmen und vermarkten, sofern sie überhaupt ein Unternehmen betreiben, dh eine nachhaltige (nicht nur gelegentliche), auf die Erzielung von Einnahmen gerichtete Tätigkeit ausüben.
Normenkette
KSVG § 24 Abs 2 Nr 2 Fassung: 1981-07-27; GG Art 2 Abs 1 Fassung: 1949-05-23; GG Art 3 Abs 1 Fassung: 1949-05-23
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 12.07.1985; Aktenzeichen L 4 Kr 2619/84) |
SG Reutlingen (Entscheidung vom 24.08.1984; Aktenzeichen S 1 Kr 673/84) |
Tatbestand
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der seit 1945 ein Symphonie-Orchester betreibt, seit 1983 unter dem Namen "W P R e.V". Er klagt gegen einen Bescheid, der seine Abgabepflicht zur Künstlersozialversicherung festgestellt hat.
Im April 1983 teilte er der Beklagten mit, daß er mit seinem Orchester eine Tätigkeit ausübe, die mit Einnahmen verbunden sei; als Aushilfen, Verstärkungen oder Solisten würden auch Musiker anderer Orchester bzw einer Musikschule verpflichtet, das Honorar werde ihnen ohne Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen ausgezahlt. Die Beklagte hielt den Kläger als Betreiber eines Orchesterunternehmens nach § 24 des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) vom 27. Juli 1981 für abgabepflichtig (Bescheid vom 5. Mai 1983). Seinen Widerspruch wies sie mit Bescheid vom 9. Februar 1984 zurück. Darin bemerkte sie, daß sie die Abgabepflicht lediglich "grundsätzlich" festgestellt habe; diese Feststellung sei unabhängig davon, ob der Kläger Entgelte für künstlerische Leistungen zahle und deshalb Künstlersozialabgabe schulde.
Mit der Klage macht der Kläger geltend, daß nach § 24 Abs 2 KSVG nur öffentlich-rechtliche Unternehmer eines Orchesters abgabepflichtig seien, nicht aber ein privatrechtlicher Verein wie er. Die Klage ist in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts -SG- Reutlingen vom 24. August 1984 und Urteil des Landessozialgerichts -LSG- Baden-Württemberg vom 12. Juli 1985). Das LSG hat ausgeführt: Nach dem Aufbau des KSVG sei es sachgerecht, daß die Beklagte zunächst nur grundsätzlich über die Abgabepflicht entschieden habe. Erst wenn die Beteiligten insoweit Klarheit hätten, könnten sie ihre Melde- und Aufzeichnungspflichten ordnungsgemäß erfüllen und könne die Beklagte die Einhaltung dieser Pflichten überwachen. Diese habe auch zutreffend die Abgabepflicht des Klägers bejaht. Nach der Entstehungsgeschichte des § 24 KSVG habe der Gesetzgeber die Vermarkter künstlerischer Leistungen möglichst umfassend zur Finanzierung der Künstlersozialversicherung heranziehen wollen, und zwar unabhängig von ihrer Rechtsform. § 24 Abs 2 KSVG beschränke die Abgabepflicht nicht auf öffentlich-rechtliche Betreiber von Orchestern. Wenn dort neben Unternehmern "juristische Personen des öffentlichen Rechts" genannt seien, so solle dies nur klarstellen, daß auch sie abgabepflichtig seien, wenn sie ein Orchester betrieben.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger, das Berufungsgericht habe § 24 KSVG falsch ausgelegt. Während Absatz 1 dieser Vorschrift die Abgabepflicht bestimmter privatrechtlicher Unternehmer regele, betreffe Absatz 2 nur öffentlich-rechtlich verfaßte Rechtssubjekte. Das ergebe sich auch daraus, daß Absatz 2 einerseits die Rundfunkanstalten erwähne, die seinerzeit noch sämtlich öffentlich-rechtlich organisiert gewesen seien, andererseits die üblicherweise privatrechtlich betriebenen Filmtheater ausdrücklich ausnehme.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 12. Juli 1985 und das Urteil des SG Reutlingen vom 24. August 1984 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. Mai 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 1984 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Filmtheater seien aus dem Kreis der Abgabepflichtigen nicht deshalb ausgenommen worden, weil sie privatrechtlich betrieben würden, sondern weil sie an der Herstellung des Werkes "Film" nicht beteiligt seien.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des klagenden Vereins ist unbegründet. Das LSG hat den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 5. Mai 1983 idF ihres Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 1984 zutreffend für rechtmäßig gehalten.
Die Beklagte hat in diesem Bescheid festgestellt, daß der Kläger ein Orchester betreibt und deshalb nach § 24 KSVG zur Künstlersozialabgabe verpflichtet ist. Zu einer solchen Feststellung war die Beklagte befugt, obwohl das KSVG sie nicht ausdrücklich dazu ermächtigt.
Von wem und in welcher Weise die Mittel für die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten aufzubringen sind, regelt das KSVG - in der hier noch anzuwendenden Fassung vom 27. Juli 1981 mit den Änderungen vom 18. Dezember 1987 (BGBl I 1981 S 705 und 1987 S 2794) - im Vierten Kapitel (§§ 10 ff), und zwar entsprechend den besonderen Verhältnissen und Bedürfnissen der versicherten Personen (vgl dazu BT-Drucks 8/3172, S 19 f). Die Künstlersozialversicherung wird danach zur einen Hälfte aus Beitragsanteilen der Versicherten finanziert (vgl §§ 11 bis 13 KSVG), zur anderen Hälfte durch eine Umlage (Künstlersozialabgabe) bestimmter Unternehmer, die Werke oder Leistungen der Künstler oder Publizisten vermarkten (§§ 23 bis 26 KSVG), und, soweit deren Werke oder Leistungen nicht durch solche Unternehmer, sondern von ihnen selbst vermarktet werden, durch einen Zuschuß des Bundes (§ 34 KSVG). Alle genannten Finanzierungsbeträge erhält zunächst die Künstlersozialkasse, die daraus für die einzelnen Versicherten die Beiträge zur Krankenversicherung und zur Rentenversicherung an den jeweils zuständigen Versicherungsträger entrichtet (§§ 381b, 393 Abs 1 Satz 2 und Abs 2, 515b der Reichsversicherungsordnung -RVO-, § 126a des Angestelltenversicherungsgesetzes, alle Vorschriften in der Fassung von §§ 49, 50 KSVG). Die Künstlersozialkasse war ursprünglich eine selbständige bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts, ist aber seit dem 1. Januar 1988 eine Abteilung der Landesversicherungsanstalt Oldenburg-Bremen, auf die die Rechte und Pflichten der aufgelösten Anstalt übergegangen sind (§§ 37, 37a KSVG idF des Gesetzes vom 18. Dezember 1987). Demgemäß hat der Senat die Bezeichnung der Beklagten geändert.
Das Bundesverfassungsgericht hat am 8. April 1987 entschieden, daß die Künstlersozialversicherung als Teil der "Sozialversicherung" (Art 74 Nr 12 des Grundgesetzes -GG-) in einem Gesetz des Bundes und ohne Zustimmung des Bundesrats geregelt werden konnte und daß auch das im KSVG vorgesehene Finanzierungssystem, soweit es die Erhebung der Künstlersozialabgabe betrifft, verfassungsgemäß ist, insbesondere keine Grundrechte der Abgabepflichtigen nach Art 2 und 3 GG verletzt (BVerfGE 75, 108 = SozR 5425 § 1 Nr 1).
Das KSVG regelt nun die Erhebung der Künstlersozialabgabe in der Weise, daß es zunächst den abgabepflichtigen Personenkreis umschreibt (§ 24) und danach bestimmt, von welchen Entgelten (von welcher Bemessungsgrundlage) und nach welchem Vomhundertsatz die Abgabe zu entrichten ist (§§ 25 und 26); außerdem enthält es Vorschriften über das Melde- und Abgabeverfahren (§§ 27 bis 32).
Bei den nach § 24 KSVG abgabepflichtigen Unternehmern geht der Gesetzgeber davon aus, daß sie "typischerweise und entsprechend dem Zweck ihres Unternehmens künstlerische und publizistische Leistungen verwerten" (so ua die Begründung zur beabsichtigten Neufassung des § 24 KSVG, der "wie bisher" die abgabepflichtigen Unternehmer abschließend aufzählen soll, BT-Drucks 11/2964, S 18, zu Nr 5; ähnlich schon BT-Drucks 8/3172, S 19). Obwohl der Gesetzgeber hiernach bei den in § 24 KSVG genannten Unternehmern als typisch unterstellt, daß sie Leistungen selbständiger Künstler oder Publizisten in Anspruch nehmen, um sie zu vermarkten, daß mithin die genannten Unternehmer Entgelte für Leistungen selbständiger Künstler oder Publizisten zahlen, gehört die entgeltliche Inanspruchnahme solcher Leistungen - anders als die entgeltliche Beschäftigung bei der Versicherungspflicht der Arbeitnehmer (vgl §§ 165 Abs 2, 1227 Abs 1 Nr 1 RVO) - nicht zum Tatbestand der Abgabepflicht nach § 24 KSVG. Diese ist vielmehr eine Abgabepflicht lediglich "dem Grunde nach" (BT-Drucks 11/2964 aaO), besteht also unabhängig davon, ob tatsächlich Entgelt für künstlerische oder publizistische Leistungen gezahlt wird, von dem dann Künstlersozialabgabe zu entrichten ist (§ 25 KSVG).
Schon diese Systematik des Gesetzes - Trennung der Abgabepflicht dem Grunde nach von der (erst mit der Zahlung von Entgelt entstehenden) Pflicht zur Entrichtung von Künstlersozialabgabe - läßt es geboten erscheinen, eine besondere Feststellung (Vorabentscheidung) über die Abgabepflicht zuzulassen, auch wenn dies eine gewisse Komplizierung des Verwaltungsverfahrens zur Folge hat. Es kommt hinzu, daß erst eine - positive oder negative - Entscheidung über die Zugehörigkeit zum abgabepflichtigen Personenkreis für die Beteiligten Klarheit schafft, ob von ihnen gezahltes Entgelt der Abgabepflicht unterliegt, ob sie darüber Aufzeichnungen zu führen haben und ob sie das Entgelt der Künstlersozialkasse melden, davon die Abgabe berechnen und zahlen müssen (§§ 27 und 28 KSVG). Zugleich gewinnt auch die Künstlersozialkasse erst mit verbindlichen Feststellungen nach § 24 KSVG eine zuverlässige Übersicht über den Kreis der abgabepflichtigen Unternehmer, denen sie dann die erforderlichen Meldevordrucke zuzusenden hat, von denen sie Auskünfte verlangen kann und bei denen sie die Entrichtung der Abgabe zu überwachen hat (§§ 27 Abs 1 Satz 2, 29, 35 KSVG). Hierauf hat zutreffend schon das LSG hingewiesen. Mit dem Berufungsgericht ist deshalb davon auszugehen, daß die Beklagte über die Abgabepflicht des Klägers nach § 24 KSVG einen besonderen Feststellungsbescheid (Erfassungsbescheid) erlassen durfte.
Der dem Kläger erteilte Bescheid ist auch inhaltlich rechtmäßig. Nach § 24 Abs 2 KSVG sind außer den in Absatz 1 genannten Unternehmern zur Künstlersozialabgabe "ferner verpflichtet: 1.
Rundfunkanstalten und
2.
Unternehmer und juristische Personen des öffentlichen Rechts, die Theater (ausgenommen Filmtheater), Orchester, Musikschulen oder Museen betreiben."
Der Kläger betreibt ein Orchester. Ob er dabei auch Leistungen selbständiger Künstler in Anspruch nimmt und ihnen Entgelte iS des § 25 KSVG zahlt, kann für die Entscheidung des vorliegenden Falles dahingestellt bleiben; er hat gegenüber der Beklagten angegeben, daß er als Aushilfen, Verstärkungen oder Solisten auch Musiker von anderen Orchestern oder einer Musikschule verpflichtet und ihnen das Honorar ohne Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen auszahlt. Diese Umstände gehören, wie ausgeführt, nicht zum Tatbestand des § 24 KSVG.
Der Kläger ist auch ein Unternehmer iS des § 24 Abs 2 Nr 2 KSVG. Da der Unternehmerbegriff dort nicht näher erläutert ist, muß sich seine Auslegung entscheidend am Zweck des KSVG ausrichten, nämlich alle Personen zu erfassen, die Leistungen selbständiger Künstler oder Publizisten in Anspruch nehmen und vermarkten, sofern sie überhaupt ein Unternehmen betreiben, dh eine nachhaltige (nicht nur gelegentliche), auf die Erzielung von Einnahmen gerichtete Tätigkeit ausüben. Da die Inanspruchnahme von Leistungen selbständiger Künstler oder Publizisten nach der Wertung des Gesetzgebers "typischerweise" für alle (natürlichen oder juristischen) Personen gilt, deren Tätigkeit einem der in § 24 Abs 1 und Abs 2 KSVG genannten Zwecke dient, sind grundsätzlich alle diese Personen abgabepflichtige Unternehmer iS der genannten Vorschrift.
Entgegen der Ansicht des Klägers beschränkt § 24 Abs 2 Nr 2 KSVG den Kreis der danach Abgabepflichtigen nicht auf öffentlich-rechtlich organisierte. Wenn dort neben "Unternehmern" noch ausdrücklich "juristische Personen des öffentlichen Rechts" genannt sind, so sollte damit, wie das LSG zutreffend dargelegt hat, lediglich klargestellt werden, daß auch juristische Personen des öffentlichen Rechts abgabepflichtig sind, wenn sie einen der in § 24 Abs 2 Nr 2 KSVG genannten Unternehmenszwecke verfolgen. Eine solche Klarstellung hielt der Gesetzgeber offenbar deshalb für nötig, weil die in § 24 Abs 1 genannten Unternehmer in aller Regel Privatpersonen sind, dies dagegen für die in § 24 Abs 2 genannten überwiegend nicht gilt (in Zukunft soll die ausdrückliche Erwähnung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts in § 24 KSVG als entbehrlich gestrichen werden; andererseits soll es statt "Rundfunkanstalten" künftig nur "Rundfunk" heißen, um alle Arten der Veranstaltung von Rundfunk unabhängig von der Rechtsform zu erfassen, BT-Drucks 11/2964, S 18). Die - lediglich klarstellende - Anführung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts in § 24 Abs 2 Nr 2 KSVG läßt hiernach nicht den Schluß zu, daß nur sie, nicht dagegen privatrechtlich organisierte Unternehmer wie der Kläger abgabepflichtig sind.
Für eine solche Einschränkung des Gesetzes spricht auch nicht, daß § 24 Abs 2 Nr 2 KSVG Filmtheater ausdrücklich von der Abgabepflicht ausnimmt. Das ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht deswegen geschehen, weil Filmtheater üblicherweise von Privatpersonen betrieben werden, sondern weil die Betreiber nicht selbst künstlerische oder publizistische Leistungen in Anspruch nehmen, dies auch schon technisch gar nicht können, so daß sie nicht zu den Vermarktern iS des § 24 KSVG gehören. Vermarkter sind insoweit vielmehr nur die Unternehmer, die den bespielten Bildträger (Film) herstellen (§ 24 Abs 1 Nr 3 KSVG), während die Filmtheater lediglich das fertige Werk nutzen. Darauf hat schon die Beklagte zutreffend hingewiesen.
Der Senat hat nach allem die Revision des Klägers für unbegründet gehalten und über die Kosten des Revisionsverfahrens nach § 193 des Sozialgerichtsgesetzes entschieden.
Fundstellen