Entscheidungsstichwort (Thema)

Sterbemonat. Überleitung der Rente. Ersatzanspruch. Überleitung von Rentenansprüchen. Anwendung der Übergangsvorschriften des SGB 10

 

Orientierungssatz

Der nach § 90 aF BSHG übergeleitete Rentenanspruch des Trägers der Sozialhilfe gegen den Träger der Rentenversicherung umfaßt nicht die Rente für die Zeit vom Todestag bis zum Ende des Sterbemonats (vgl BSG 1980-02-21 4 RJ 55/79 = BSGE 50, 6 und BSG 1984-04-04 4 RJ 7/83).

 

Normenkette

BSHG § 90 Abs 1; BSHG § 90 Abs 2; RVO § 1294 Fassung: 1957-02-23, § 1531 Fassung: 1945-03-29; BVG § 27e; SGB 10 Art 2 § 21

 

Verfahrensgang

SG Düsseldorf (Entscheidung vom 26.11.1982; Aktenzeichen S 9 J 102/81)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um den Erstattungsanspruch der Klägerin in Höhe von DM 51,20.

Der am 14. Oktober 1978 verstorbene Versicherte Sch. (Versicherter) bezog von der Klägerin Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit. Vor seinem Tode befand er sich wegen einer Lungenerkrankung in stationärer Heilbehandlung auf Kosten des Beklagten. Dieser leitete am 14. September 1977 nach § 90 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) den Rentenanspruch des Versicherten auf sich über. Die laufende Rente wurde von der Klägerin an den Beklagten gezahlt.

Nach dem Tode des Versicherten verlangte die Klägerin vom Beklagten Rückzahlung der für den Zeitraum vom 15. Oktober bis 30. November 1978 erbrachten Rentenleistungen in Höhe von insgesamt DM 144,70. Der Beklagte erstattete der Klägerin die auf den Monat November 1978 entfallende Rente des Versicherten in Höhe von DM 93,50, verweigerte jedoch die Erfüllung des weitergehenden Anspruches in Höhe von DM 51,20.

Mit ihrer Klage hatte die Klägerin in der Vorinstanz Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26. November 1982). Zur Begründung führte das Sozialgericht (SG) aus, die Überleitung des Rentenanspruchs nach § 90 BSHG werde durch die Sonderregelungen der §§ 1531ff Reichsversicherungsordnung (RVO) ausgeschlossen. Hiernach bestehe ein Erstattungsanspruch nur bis zum Tode des Versicherten. Die Vorschrift des § 1294 RVO, wonach die Rente für den ganzen Sterbemonat zu zahlen sei, könne nur im Zusammenhang mit erbrechtlichen Vorschriften gesehen werden.

Gegen diese Rechtsauffassung wendet sich der Beklagte mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision. Er vertritt die Auffassung, daß der Sozialhilfeträger die Wahl habe, ob er einen Rentenanspruch nach § 90 BSHG auf sich überleiten oder als Erstattungsanspruch unmittelbar geltend machen wolle. Durch die hier erfolgte Überleitung nach § 90 BSHG sei der Beklagte voll in die Rechtsposition des Versicherten, dem die Rente für den gesamten Sterbemonat zustand, eingetreten. Für die Vererbung des Rentenanspruches bleibe insoweit kein Raum.

Der Beklagte beantragt, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen; hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht in Düsseldorf zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt vor, daß durch die Neufassung des § 90 BSHG seine Nichtanwendbarkeit für den vorliegenden Fall klargestellt worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist unbegründet.

Mit Recht hat das SG darauf abgestellt, daß ungeachtet der Vorschrift des § 1294 RVO, wonach die Rente für den ganzen Sterbemonat zu zahlen ist, ein Anspruch des Beklagten nur bis zum Todestag des Rentners besteht und demzufolge die auf die Zeit nach dem Tode des Rentners entfallende Rente an die Klägerin zurückzuzahlen ist.

Es kann dahinstehen, ob der von der Klägerin erhobene Anspruch auf Rückzahlung eines Teiles der an den Beklagten für den Sterbemonat ausgezahlten Rente als Erstattungsanspruch oder Bereicherungsanspruch nach § 812 Bürgerliches Gesetzbuch qualifiziert wird (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 4. April 1984 - 4 RJ 7/83), denn in beiden Fällen ist Voraussetzung, daß der Beklagte den streitigen Rentenbetrag ohne rechtfertigenden Grund von der Klägerin erlangt hat oder daß der zunächst angenommene rechtfertigende Grund später weggefallen ist. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.

Der Beklagte hat keinen Erstattungsanspruch nach den damals noch geltenden §§ 1531ff RVO geltend gemacht, sondern ausdrücklich den Rentenanspruch des Versicherten nach § 90 BSHG auf sich übergeleitet. In diesem Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, ob diese Überleitung zulässig war, weil der Anspruch auch nach § 1531 RVO aF hätte verfolgt werden können (vgl BSGE 16, 44, 49 = SozR Nr 2 zu § 1538 RVO; BSGE 21, 84, 85 = SozR Nr 13 zu § 1531 RVO; SozR Nr 32 zu § 1531 RVO; BSGE 50, 6, 7 = SozR 2200 § 1531 Nr 10), weil der für § 1531 RVO aF geltende Grundsatz, daß der Ersatzanspruch nicht die Rente für die Zeit vom Todestag bis zum Ende des Sterbemonats umfaßt (so BSG-Urteil vom 21. Februar 1980 - 4 RJ 55/79 = SozR 2200 § 1531 Nr 10), auch für die Überleitung des Rentenanspruches nach § 90 BSHG gilt. Nach § 1535b RVO aF durfte zur Befriedigung des Ersatzanspruches auf Rentenbeträge nur für die Zeit zurückgegriffen werden, für welche Unterstützung und Rentenanspruch zusammentrafen; nach § 90 Abs 2 BSHG bewirkte die schriftliche Anzeige den Übergang des Rentenanspruches für die Zeit, für die dem Hilfeempfänger die Hilfe ohne Unterbrechung gewährt wurde. Damit wurde in beiden Fällen die Zugriffsmöglichkeit des Sozialhilfeträgers auf die Rente von der Identität des Zeitraumes der Unterstützung und des Rentenanspruches abhängig gemacht. Wegen dieser Identität erfaßte der Anspruch des Sozialhilfeträgers nur die Rente bis zum Todestag (BSG aaO); es ist kein einleuchtender Grund dafür ersichtlich, von diesem Grundsatz bei Überleitungen eines Rentenanspruches nach § 90 BSHG oder nach § 27e Abs 2 Bundesversorgungsgesetz aF abzugehen (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 4. April 1984 - 4 RJ 7/83).

Wenn auch Rentenansprüche nach der neuen Fassung des § 90 BSHG durch Art II § 14 Nr 8 des Gesetzes vom 4. November 1982 (BGBl I 1450) nicht mehr übergeleitet werden können, so erfaßt dies nicht die Fälle, in denen die Überleitung vor Inkrafttreten dieses Gesetzes vorgenommen wurde. Zwar sind nach Art II § 21 dieses Gesetzes bereits begonnene Verfahren nach den Vorschriften des SGB X zu Ende zu führen. Im vorliegenden Fall jedoch war und ist kein Verfahren mit Bezug auf "Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander" (§§ 102 bis 114 SGB X) anhängig. Der Beklagte hat gegen die Klägerin keinen (originären) Erstattungsanspruch, sondern einen übergeleiteten Rentenanspruch geltend gemacht. Damit hat er auch kein Erstattungsverfahren in Gang gesetzt, was nach den §§ 102 bis 114 SGB X zu Ende zu führen wäre (BSG aaO).

Nach alldem war die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1661207

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