Entscheidungsstichwort (Thema)
Jahresabschlußvergütung. Beitragsberechnung
Leitsatz (amtlich)
Einmalige Zuwendungen (RVO § 160 Abs 3) sind, wenn das Beschäftigungsverhältnis vor Fälligkeit der Zuwendung (hier: einer Jahresabschlußvergütung) geendet hat, beitragsrechtlich in dem Lohnzahlungszeitraum zu berücksichtigen, in dem alle Voraussetzungen für die Gewährung der Zuwendung erfüllt waren.
Orientierungssatz
Eine anteilige Verteilung einer Sonderzahlung zum Jahresabschluß auf die einzelnen Lohnperioden des Bezugszeitraums für die Beitragsberechnung ist immer dann als erforderlich anzusehen, wenn die Sonderzahlung den Arbeitnehmern, die vor dem Zeitpunkt der Fälligkeit ausgeschieden sind, anteilig zustand.
Normenkette
RVO § 160 Abs 3 Fassung: 1936-12-23; ArEV § 4 Fassung: 1977-07-06; RFM/RAMErl 1944-09-10
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die der Beigeladenen Frau K (Beigeladene zu 3) gezahlte Jahresabschlußvergütung bei der Beitragsberechnung zu berücksichtigen ist.
Die Klägerin zahlt aufgrund einer Betriebsvereinbarung, der sogenannten Sozialordnung, ihren Mitarbeitern unter bestimmten Voraussetzungen eine Jahresabschlußvergütung, wenn sie sich am 31. Dezember des jeweiligen Jahres in einem ungekündigten oder vom Arbeitgeber ordnungs- und fristgemäß gekündigten Arbeitsverhältnis befinden. "Die Zahlung der Abschlußvergütung erfolgt jeweils im Frühjahr des folgenden Jahres".
Die Beigeladene zu 3) ist mit Ende Februar 1973 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Sie erhielt im März oder April 1973 die Jahresabschlußvergütung für das Jahr 1972 ausgezahlt. Beiträge wurden hierfür nicht abgeführt.
Aufgrund einer Betriebsprüfung forderte die Beklagte mit Nachberechnung vom 27. Juni 1974 und förmlichem Bescheid vom 10. März 1975 Beiträge zur Kranken-, Arbeiterrenten- und Arbeitslosenversicherung für die an die Beigeladene zu 3) gezahlte Jahresabschlußvergütung. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 1975).
Die Klage hatte hingegen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts -SG- Frankfurt/Main vom 26. August 1977). Auf die Berufung der Beklagten wurde das Urteil des SG durch das Hessische Landessozialgericht (LSG) aufgehoben (Urteil vom 20. Juni 1979). Das LSG hat die Auffassung vertreten, daß einmalige Zuwendungen in dem Zeitpunkt beitragsrechtlich zu berücksichtigen seien, in dem sie fällig geworden sind. Die Fälligkeit trete immer schon dann ein, wenn alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien. Das sei hier der letzte Tag des Jahres 1972 gewesen. Hieran ändere sich nichts dadurch, daß die Sozialordnung die Auszahlung erst für das Frühjahr des kommenden Jahres festlege, denn hierdurch werde keine weitere Anspruchsvoraussetzung geschaffen. Die Beitragspflicht vom Tag der Auszahlung abhängig zu machen, würde bedeuten, den Vertragspartnern die Entscheidung über die Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen zu überlassen. Dies stehe im Widerspruch zu dem Grundsatz, daß sozialversicherungspflichtige Tatbestände dem Einfluß der Beteiligten in aller Regel entzogen sein sollen. Schließlich spreche auch die Tatsache, daß für die Jahresabschlußvergütung Lohnsteuer gezahlt worden sei, dafür, daß es sich um sozialversicherungspflichtiges Entgelt handele.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, daß es sich bei der Jahresabschlußvergütung, anders als in den bisher vom BSG entschiedenen Fällen, nicht um die verspätete Zahlung einer schon früher fällig gewordenen Leistung gehandelt habe, sondern die Fälligkeit von vornherein vereinbarungsgemäß auf das Frühjahr des kommenden Jahres, hier also das Frühjahr 1973, festgelegt worden sei. Die Jahresabschlußvergütung sei mithin ordnungsgemäß zum Fälligkeitspunkt gewährt worden und könne deshalb nach § 160 Abs 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF erst in diesem Zeitpunkt beitragsrechtliche Berücksichtigung finden. Das sei andererseits aber nur dann möglich, wenn zu dem maßgeblichen Zeitpunkt noch ein Beschäftigungsverhältnis bestanden habe, was hier nicht der Fall sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom
20. Juni 1979 abzuändern und den Bescheid der
Beklagten vom 10. März 1975 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 1975 aufzuheben
sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 1974
insoweit aufzuheben, als eine Beitragsnachforderung
aus der Jahresabschlußvergütung der Beigeladenen zu
3) in Höhe von 231,56 DM geltend gemacht wird.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 2) hat keinen Antrag gestellt.
Die Beigeladene zu 3) ist im Verfahren nicht vertreten.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) beziehen sich zur Begründung ihres Antrages im wesentlichen auf das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß Lohnbestandteile beitragsrechtlich dem Monat zuzuordnen sind, in dem sie dem Arbeitnehmer zugeflossen sind (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 1. Dezember 1977 - 12 RK 11/76 - SozR 2200 § 160 Nr 5 mwN). Zugeflossen ist Lohn erst in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitnehmer rechtlich und tatsächlich darüber verfügen kann (BSG aaO S 14 oben).
Abweichend von diesem Grundsatz hat das BSG allerdings verspätete Lohnzahlungen beitragsrechtlich nicht dem Monat der Zahlung, sondern dem Monat zugerechnet, in dem sie fällig geworden sind (BSG SozR Nrn 16, 21 und 24 zu § 160 RVO). Diese Ausnahme greift hier indes nicht Platz. Entgegen der Auffassung des LSG ist nämlich die Jahresabschlußvergütung frühestens im März des jeweils folgenden Jahres fällig geworden. Das LSG hat selbst festgestellt, daß nach der Sozialordnung der Klägerin die "Zahlung der Abschlußvergütung jeweils im Frühjahr des folgenden Jahres" erfolgt. Da das Frühjahr kalendermäßig mit dem 20. März beginnt und mit dem 20. Juni endet, war die Jahresabschlußvergütung frühestens am 20. März des jeweils folgenden Jahres fällig; denn Fälligkeit tritt erst dann ein, wenn der Gläubiger die Leistung verlangen kann (§ 271 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-).
Das LSG hat aber dennoch im Ergebnis zutreffend entschieden, weil hier ausnahmsweise das Arbeitsentgelt dem Monat zuzuordnen ist, in welchem (unabhängig von Fälligkeit und Zufluß) die materiellen Voraussetzungen des Anspruchs erfüllt worden sind.
Die Regelung, daß Lohnbestandteile in Übereinstimmung mit dem Steuerrecht dem Monat zuzuordnen sind, in dem die Leistung dem Arbeitnehmer zugeflossen ist (s dazu Gemeinsamer Erlaß des Reichsministers der Finanzen und des Reichsarbeitsministers betreffend weitere Vereinfachung des Lohnabzugs vom 10. September 1944 - AN II, 281), sowie die Vorschrift in § 160 Abs 3 RVO aF, die bestimmt, daß einmalige Zuwendungen beitragsrechtlich (nur) im Zahlungsmonat zu berücksichtigen sind, dienen der Vereinfachung der Beitragserhebung. Dieser Vereinfachungsgedanke kann jedoch nur solange für die Beitragsberechnung maßgeblich sein, wie er nicht zu erheblichen beitragsrechtlichen Nachteilen führt, die durch die erstrebte Vereinfachung nicht mehr zu rechtfertigen sind. Das BSG hat deshalb schon mehrfach Ausnahmen zugelassen. Es hat entschieden, daß bei einer in größeren Zeitabschnitten durchgeführten Abrechnung von Stücklohnarbeiten, auf die zunächst nur Abschläge gezahlt wurden, der Betrag der Endabrechnung (Akkordspitze) den Lohnperioden zuzuordnen ist, in denen das betreffende Arbeitsentgelt verdient wurde (BSG SozR Nr 6 zu § 385 RVO). In einer späteren Entscheidung hat dann der erkennende Senat allgemeiner ausgeführt, daß die in vertraglichen oder tariflichen Vereinbarungen enthaltenen Fälligkeitsbestimmungen für die Beitragsberechnung nicht maßgeblich sein können, wenn sie zu Lohnverschiebungen führen, die krasse sozialversicherungsrechtliche Nachteile nach sich ziehen (BSG SozR 2200 § 385 Nr 2).
Bei der hier streitigen Jahresabschlußvergütung führt es in der Regel nicht zu beitragsrechtlichen Nachteilen, wenn man den Zeitpunkt der Fälligkeit der Beitragsberechnung zugrunde legt. Solche Nachteile entstehen jedoch dann, wenn der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt bereits aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Wäre dieser Zeitpunkt für die Beitragsberechnung maßgebend, dann könnte die Jahresabschlußvergütung beitragsrechtlich überhaupt nicht berücksichtigt werden, weil das zugrundeliegende Beschäftigungsverhältnis, das die Beitragspflicht begründet, nicht mehr besteht. Dabei kann hier dahinstehen, ob etwas anderes gelten könnte, wenn der regelmäßige Lohn noch eine Zeitlang über das Ende des Beschäftigungsverhältnisses hinaus gezahlt wird. Für Leistungen wie eine Jahresabschlußvergütung, die weder in ihrer Höhe noch in ihrer zeitlichen Verknüpfung eine Beziehung zum laufenden Arbeitslohn aufweisen, kann dies jedenfalls nicht gelten. Aus diesem Grunde ist sie, abweichend von dem allgemeinen Grundsatz, nicht dem Monat zuzuordnen, in dem sie fällig geworden und/oder zugeflossen ist, sondern einem Zeitraum, in dem das Beschäftigungsverhältnis noch bestand. Dabei kommt nur der Monat in Betracht, mit dessen Ende alle Voraussetzungen für die Leistung erfüllt waren.
Eine Verteilung zu je einem Zwölftel auf die einzelnen Monate des Jahres 1972 scheidet aus; denn es handelte sich um eine einmalige Zuwendung, die nach § 160 Abs 3 RVO aF nur einem Monat zuzuordnen ist. Das BSG hatte sich bereits mehrfach mit Sonderzahlungen zum Jahresabschluß oder aus anderen Anlässen zu befassen. Dabei hat es eine anteilige Verteilung dieser Zahlungen auf die einzelnen Lohnperioden des Bezugszeitraums für die Beitragsberechnung immer dann als erforderlich angesehen, wenn die Sonderzahlung den Arbeitnehmern, die vor dem Zeitpunkt der Fälligkeit ausgeschieden sind, anteilig zustand. Es hat aus dieser Gestaltung der Ansprüche gefolgert, daß es sich um monatlich erdienten Lohn handelt, der lediglich in größeren Zeitabschnitten ausgezahlt wird (vgl BSG SozR Nr 6 zu § 160 RVO und BSG, Urteile vom 11. Februar 1976 - 7 RAr 71/74 und 72/74 - USK 7668; BSG SozR 4100 § 141b Nr 8; s dazu auch BAG AP Nr 100 zu § 611 BGB Gratifikation). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Den Arbeitnehmern der Klägerin steht die Jahresabschlußvergütung nach § 2 der Sozialordnung nur dann zu, wenn sie auch an dem Stichtag (31. Dezember) noch in einem Arbeitsverhältnis zur Klägerin stehen. In allen anderen Fällen (Ausscheiden im Laufe des Jahres, gleich aus welchem Grund) erlischt der Anspruch vollständig. Daran ändert es nichts, daß den erst im Laufe des Bezugsjahres eingetretenen Mitarbeitern ein gekürzter Anspruch zuerkannt wird. Auch dieser gekürzte Anspruch setzt voraus, daß das Beschäftigungsverhältnis bis zum Stichtag bestanden hat; die Kürzungsbestimmung betrifft mithin nur die Berechnung und nicht den Bestand des Rechts. Bei der streitigen Jahresabschlußvergütung kann es sich demnach nur um eine einmalige Leistung handeln, die grundsätzlich auch nur einem Lohnzahlungszeitraum zuzuordnen ist.
Auch die Zuordnung zum letzten Monat des Beschäftigungsverhältnisses (hier: Februar 1973), wie dies in anderen Fällen geschehen ist (vgl zB BSG SozR Nr 21 zu § 160 RVO), scheidet hier aus, da die Jahresabschlußvergütung - anders als die Leistung in den vom BSG bereits entschiedenen Fällen - keine besondere Verknüpfung zu dem letzten Monat des Arbeitsverhältnisses aufweist. Aus diesen Gründen kann eine sachgerechte Zuordnung nur zu dem Monat erfolgen, in dem alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt waren. Das war hier - wie das LSG insoweit zu Recht ausgeführt hat - der Monat Dezember 1972.
Die spätere Änderung der Rechtslage mit dem Inkrafttreten des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV) gibt zu keiner anderen Beurteilung Anlaß. § 17 Ziff 2 SGB IV ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung "zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung, insbesondere zur Vereinfachung des Beitragseinzugs", unter anderem festzulegen, wie das Arbeitsentgelt zeitlich zuzurechnen ist. Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung durch die Arbeitsentgeltverordnung vom 6. Juli 1977 (BGBl I S 1208), geändert durch Verordnung vom 16. Dezember 1977 (BGBl I S 2584) und durch Verordnung vom 18. Januar 1979 (BGBl I S 104), Gebrauch gemacht. In § 4 dieser Verordnung ist - wie schon in § 160 Abs 3 RVO aF - bestimmt, daß einmalige Einnahmen dem Lohnzahlungszeitraum zuzurechnen sind, in dem sie gewährt werden. Die besonderen Probleme, die sich ergeben, wenn diese der Vereinfachung dienenden Vorschriften zu erheblichen beitragsrechtlichen Nachteilen führen, sind dabei jedoch nicht berücksichtigt.
Die Revision konnte deshalb im Ergebnis keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen