Verfahrensgang
SG Stuttgart (Urteil vom 15.10.1991) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. Oktober 1991 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger, ein srilankischer Staatsangehöriger, begehrt Erziehungsgeld (ErzG) für seine am 27. September 1989 geborene Tochter Tanya (T.). Er war im Dezember 1986 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und hatte die Anerkennung als Asylberechtigter beantragt. Zum Zwecke der Durchführung des Asylverfahrens wurde ihm eine Aufenthaltsgestattung mit der Auflage „Erwerbstätigkeit nicht gestattet” erteilt. Durch rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. Juni 1991 wurde die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, den Kläger als asylberechtigt anzuerkennen. Den im Oktober 1989 gestellten Antrag auf Gewährung von ErzG lehnte die Beklagte ab, weil der Kläger nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung sei (Bescheid vom 8. November 1989; Widerspruchsbescheid vom 2. März 1990). Die Klage blieb erfolglos (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ vom 15. Oktober 1991). Nach Auffassung des SG hat auch die nachträgliche Anerkennung als Asylberechtigter keinen Anspruch auf ErzG begründet.
Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt der Kläger eine Verletzung des § 1 Abs 1 Satz 2 des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG), der Art 16 Abs 2 Satz 2, 6 Abs 1 und 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) sowie des Art 24 Abs 1 Buchst b der Genfer Flüchtlingskonvention. Er hält es für ausreichend, daß er als Asylberechtigter im fraglichen Leistungszeitraum einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis gehabt habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, ihm aus Anlaß der Geburt seiner Tochter T. Bundeserziehungsgeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die vom SG zugelassene Sprungrevision ist zulässig (§ 161 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫), aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der asylberechtigte Kläger im fraglichen Leistungszeitraum nicht die erforderliche Aufenthaltserlaubnis gehabt hat.
Der Anspruch für die streitige Zeit vom 27. September 1989 bis zum 26. Dezember 1990 beurteilt sich nach § 1 Abs 1 BErzGG idF durch das Gesetz zur Änderung des BErzGG und anderer Vorschriften (BErzGGÄndG) vom 30. Juni 1989 (BGBl I S 1297), die mit Wirkung vom 1. Juli 1989 anzuwenden ist (Art 8 Abs 1 BErzGGÄndG). Der Anspruch eines Ausländers auf ErzG setzt nach dieser Vorschrift neben dem gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes voraus ua, daß er „im Besitz einer Aufenhaltsberechtigung oder Aufenhaltserlaubnis ist, die nicht nur für einen bestimmten, seiner Natur nach vorübergehenden Zweck erteilt worden ist”. Art 10 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts (AuslRNG) vom 9. Juli 1990 (BGBl I S 1354) hat den Satz 2 zur Anpassung an die Neuregelung der Aufenthaltsgenehmigung (§§ 28 bis 35 AuslRNG) mit Wirkung vom 1. Januar 1991 (Art 15 Abs 2 AuslRNG) wie folgt geändert: „Für den Anspruch eines Ausländers ist Voraussetzung, daß er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung, Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis ist.” Die letztgenannte Änderung erfaßt nach ihrem zeitlichen Anwendungsbereich den streitigen Anspruchszeitraum nicht.
Während in der Zeit bis zum Inkrafttreten des BErzGGÄndG am 1. Juli 1989 eine nachträgliche Anerkennung als Asylberechtigter dazu führen konnte, den Anspruch auf ErzG rückwirkend zu begründen (vgl BSGE 65, 261 = SozR 7833 § 1 Nr 7), gilt das seit diesem Zeitpunkt nicht mehr. § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG hat insofern eine Änderung gebracht, als seit dem 1. Juli 1989 Ausländer generell nur Anspruch auf ErzG haben, wenn sie im fraglichen Leistungszeitraum eine Aufenthaltsberechtigung oder eine nicht zweckgebundene Aufenthaltserlaubnis in Form eines Verwaltungsaktes besitzen. Das hat der erkennende Senat mit Urteil vom 24. März 1992 – 14b/4 REg 23/91 – zur Veröffentlichung bestimmt -bereits entschieden. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Der Anspruch des Klägers scheitert somit daran, daß er während des fraglichen Leistungszeitraums nur eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens und damit nur eine zweckgebundene Aufenthaltserlaubnis hatte.
Der Senat hat in dem angeführten Urteil im einzelnen ausgeführt, daß der Gesetzgeber mit der vorgenommenen Gesetzesänderung als Anspruchsvoraussetzung für ErzG bei Ausländern einen gesicherten Aufenthaltsstatus vorgeschrieben hat, der in Form einer nicht nur vorübergehenden Aufenthaltserlaubnis nachgewiesen werden muß. Die ausländerbehördliche Entscheidung über das Aufenthaltsrecht hat insoweit Tatbestandswirkung für den Anspruch auf ErzG. Das gilt auch für Asylbewerber, die wie der Kläger während des Asylverfahrens regelmäßig nur eine Aufenthaltsgestattung gemäß § 20 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) zum Zwecke der Durchführung des Asylverfahrens erhalten. Für später anerkannte Asylbewerber macht das Gesetz keine Ausnahme. Der Gesetzgeber durfte auch für anerkannte Asylbewerber die Gewährung von ErzG an den Besitz einer nicht nur vorübergehenden Aufenthaltserlaubnis binden, ohne gegen Verfassungsrecht oder internationale Abkommen zu verstoßen. Im einzelnen gelten auch hier folgende Ausführungen des genannten Urteils:
„Der Gesetzgeber hat der dem Asylanten nach seiner Anerkennung zu erteilenden Aufenthaltserlaubnis keine generelle Rückwirkung beigemessen, die für Folgeansprüche zu beachten wären. § 29 Abs 1 AsylVfG schreibt nach Unanfechtbarkeit der Anerkennung lediglich die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis vor. Dem § 19 Abs 3 AsylVfG, der durch das AuslRNG nicht geändert wurde, ist zwar im Umkehrschluß zu entnehmen, daß die Zeit eines Aufenthalts zur Durchführung des Asylverfahrens in Fällen, in denen der Erwerb oder die Ausübung eines Rechts oder einer Vergünstigung von der Dauer des Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes abhängig ist, dann anzurechnen ist, wenn der Ausländer unanfechtbar anerkannt worden ist. Der Anspruch auf ErzG hängt jedoch nicht von der bisherigen Dauer des Aufenthalts, sondern allein von der Aufenthaltserlaubnis ab.
Dem AsylVfG kann auch im Hinblick auf die Verbürgung des Asylrechts in Art 16 Abs 2 Satz 2 GG nicht entnommen werden, daß später anerkannte Asylanten allgemein rückwirkend anerkannt werden. Deklaratorische Bedeutung und eine damit verbunde Rückwirkung hat die Anerkennungsentscheidung nur hinsichtlich der anerkannten Asylberechtigung selbst. Die Rückwirkung betrifft nur die Rechtmäßigkeit des früheren Aufenthalts, nicht aber die Rechtmäßigkeit früher verfügter Einschränkungen der Freizügigkeit. Demgemäß wird die Rückwirkung in § 19 Abs 3 AsylVfG auf den Aspekt der Dauer des Aufenthalts beschränkt. Soweit der später anerkannte Asylant während des vorangegangenen Verfahrens im Vergleich zu sofort anerkannten Asylanten Einschränkungen hinnehmen mußte, zB in seiner Freizügigkeit oder hinsichtlich einer Arbeitserlaubnis, ist ein Ausgleich nicht vorgesehen. Derartige Einschränkungen sind nicht nur für die später abgelehnten Asylbewerber rechtmäßig, sondern für alle. Die Aufenthaltsbeschränkung des Asylbewerbers auf den Bezirk der für ihn zuständigen Ausländerbehörde (BVerfG vom 7. Juli 1983, NVwZ 1983, 603) und die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften (BVerfG vom 20. September 1983, NJW 1984, 558) sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Mit der Gestattung nach § 20 AsylVfG ist dem aus Art 16 Abs 2 Satz 2 GG folgenden einstweiligen Bleiberecht in diesem Stadium des Verfahrens Genüge getan (BVerfG vom 7. Juli 1983 NVwZ 1983, 603, 604). Anerkannte Asylanten können eine Nachzahlung von Sozialleistungen, die ihnen bei einer sofortigen Anerkennung zugestanden hätten, nur verlangen, soweit das in dem jeweils maßgebenden Leistungsgesetz vorgesehen ist. Das ist im BErzGG 1989 nicht der Fall.
Der § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG 1989 enthält keine Gesetzeslücke. Er gilt auch für Asylbewerber, deren Asylrecht später anerkannt wird. Auch deren Anspruch auf ErzG entsteht erst mit dem Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Die Vorschrift betrifft nach ihrem Wortlaut uneingeschränkt alle „Ausländer”, also auch Asylbewerber. Die Gesetzesmaterialien geben keinen Anhalt, daß Asylbewerber, die später anerkannt werden, ausgenommen werden sollten.
Nach § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG idF durch das AuslRNG begründet die Aufenthaltsgestattung des Asylbewerbers (§ 20 AsylVfG) keinen Anspruch auf ErzG. Die Aufenthaltsgestattung bescheinigt einen legalen Aufenthalt, ist aber keine Aufenthaltsgenehmigung, sondern ein kraft Gesetzes bestehender legaler Aufenthaltsstatus (BT-Drucks 11/6321 Seite 55). Auch in den Gesetzesmaterialien zu dieser Vorschrift fehlt jeder Anhalt, daß der Ausschluß vom ErzG im Falle später anerkannter Bewerber nicht gelten soll.
Die Einfügung der Vorschrift in das BErzGGÄndG ist erst in der Ausschußberatung erfolgt. Nach ihrer Begründung soll die Festlegung, daß die Aufenthaltserlaubnis, die nur für einen vorübergehenden Zweck erteilt worden ist, nicht ausreicht, insbesondere Studenten und Werkvertragsarbeitnehmer erfassen; für Angehörige von Mitgliedsstaaten der EG gelte diese Einschränkung nicht (BT-Drucks 11/4776 Seite 2 zu Art 1). Der Einwand, wenn das Gesetz auch später anerkannte Asylanten habe treffen sollen, wäre dies in der Begründung ausgesprochen worden, überzeugt schon deswegen nicht, weil auch die weit größere Gruppe der später abgelehnten Asylanten nicht genannt wird. Die für die Leistungseinschränkung gegebene Begründung, daß Ausländer ohne Aufenthaltserlaubnis in der Regel keine Arbeitserlaubnis haben, so daß der Zweck des ErzG, die Wahlfreiheit zwischen Kindererziehung und Berufstätigkeit zu sichern, nicht erreicht werden könne (BT-Drucks 11/4776 Seite 2 zu Art 1 Nr 1), trifft auf Asylbewerber unabhängig davon zu, ob diese später anerkannt werden oder nicht. Das spricht dafür, daß der Gesetzgeber Asylbewerber unabhängig von einer späteren Anerkennung ausschließen wollte.
Nach dem vor dem BErzGG 1989 geltenden Recht konnte bei Asylbewerbern erst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung über das Asylrecht über den gewöhnlichen Aufenthalt und damit über den Anspruch auf ErzG entschieden werden. Das hatte zur Folge, daß die Verwaltungs- und Gerichtsverfahren bis zur abschließenden Entscheidung über das Asylrecht auszusetzen waren (BSG SozR 3-7833 § 1 Nr 6). Die Neuregelung knüpft auch im Interesse einer einfachen Verwaltungsabwicklung an die Tatbestandswirkung der ausländerbehördlichen Entscheidung an. Der erstrebten einfachen Verwaltungsabwicklung würde es zuwiderlaufen, wenn für Asylbewerber weiterhin ein Zwang zur Verfahrensaussetzung bestünde.
Eine Ausnahme vom Erfordernis einer Aufenthaltserlaubnis für später anerkannte Asylanten oder eine Rückwirkung der diesen aufgrund ihrer Anerkennung erteilten Aufenthaltserlaubnis kann auch nicht auf § 3 Abs 1 AsylVfG iVm Art 24 der Genfer Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FlüAbk) vom 28. Juli 1951 (BGBl 1953 II 559) gestützt werden. Nach § 3 Abs 1 AsylVfG genießt der Asylberechtigte im Geltungsbereich dieses Gesetzes die Rechtsstellung nach dem FlüAbk. Betroffen sind nur Flüchtlinge, die dem Flüchtlingsbegriff des Art 1 FlüAbk unterfallen und die sich rechtmäßig im Gebiet des jeweiligen Konventionsstaates befinden. Das ist bei einem in das Bundesgebiet eingereisten Asylbewerber in aller Regel erst dann der Fall, wenn er als politisch Verfolgter unanfechtbar anerkannt worden ist (VerfGE 60, 253, 290); zuvor kann er sich lediglich auf „das mit dem Antrag auf Asyl gesetzlich eintretende vorläufige Bleiberecht” (BVerfGE 67, 43, 59) berufen, das ihm zwar Sicherheit vor dem befürchteten Zugriff des angeblichen Verfolgerstaates gewährt, aber keine Freizügigkeit begründet (BVerfGE 80, 182, 187 f), und auch die sonstigen Rechte nach dem FlüAbk nicht auslöst. Im übrigen wird der Anspruch auf ErzG durch das FlüAbk nicht gewährleistet. Art 24 Abs 1 Buchst a FlüAbk betrifft nur diejenigen Familienbeihilfen, die als Teil des Arbeitslohnes gezahlt werden. Ob das ErzG zur Sozialen Sicherheit iS von Art 24 Abs 1 Buchst b FlüAbk gehört, kann offenbleiben. Denn diese Regelung läßt besondere Bestimmungen unberührt, die nach dem im Aufenthaltsland geltenden Recht vorgeschrieben sind und die Leistungen betreffen, die ausschließlich aus öffentlichen Mitteln bestritten werden (aaO unter ii), wie das beim ErzG der Fall ist. Die Rechtsprechung hat aus diesen Erwägungen den Ausschluß der später anerkannten Asylanten von dem in Baden-Württemberg gewährten Familiengeld (BVerwG Buchholz 402.22 Art 23 GK Nr 1) und dem niedersächsischen Babygeld (BVerwG vom 13. Juni 1988 – 7 B 207/87 –) nicht als abkommenswidrig angesehen.
Die nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) für Ausländer geltende Regelung kann zur Klärung nicht beitragen. Sie ist zeitgleich durch das Zwölfte Gesetz zur Änderung des BKGG (12. BKGG-ÄndG) vom 30. Juni 1989 (BGBl I 1294) in § 1 Abs 3 BKGG erfolgt. Danach haben Ausländer, die sich ohne Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufhalten, einen Kindergeldanspruch nur, wenn ihre Abschiebung auf unbestimmte Zeit unzulässig ist oder wenn sie aufgrund landesrechtlicher Verwaltungsvorschriften auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden. Der Anspruch ist frühestens für die Zeit ab einem Jahr nach dem gestatteten oder geduldeten Aufenthalt des Ausländers gegeben. § 1 Abs 3 BKGG knüpft anders als § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG 1989 nicht an die Entscheidung der Ausländerbehörde an, sondern ist als Prognosevorschrift ausgestaltet….”
„…Der Senat verkennt nicht, daß die Dauer des Asylverfahrens und des anschließenden Aufenthaltserlaubnisverfahrens in Anbetracht der Beschränkung des ErzG auf die erste Lebensphase des Kindes zu Härten führen kann. Das hat der Gesetzgeber indes bei der Regelung berücksichtigt, wie der Vergleich mit der im Kindergeld getroffenen Regelung zeigt. Die Möglichkeit, die mit der Verfahrensdauer verbundenen Härten dadurch zu mildern, daß nicht auf die Aufenthaltserlaubnis, sondern auf die zeitlich früher liegenden Tatbestände entweder der rechtskräftigen Anerkennung des Asylrechts oder schon der Anerkennung durch das Urteil erster Instanz abgestellt wird, war dem Sozialgesetzgeber geläufig. So endet etwa die Wartezeit für eine Arbeitserlaubnis nach § 19 Abs 1c des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG), wenn das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylbewerber als Asylberechtigten anerkannt oder ein Gericht das Bundesamt zur Anerkennung verpflichtet hat, auch wenn ein Rechtsmittel eingelegt worden ist. Das schließt die Annahme einer Gesetzeslücke aus. An die gesetzliche Wertung sind die Gerichte in den Grenzen der Verfassung gebunden.
Die auf die Tatbestandswirkung der Aufenthaltserlaubnis abstellende gesetzliche Regelung ist nicht verfassungswidrig.
Es verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 des GG), daß der Gesetzgeber die jeweils geforderte Verfestigung des Aufenthalts für die verschiedenen Ansprüche unterschiedlich umschreibt. Der in der Gesetzesbegründung gegebene Hinweis, daß Ausländer ohne Aufenthaltserlaubnis in der Regel keine Arbeitserlaubnis haben, so daß der Zweck des ErzG, die Wahlfreiheit zwischen Kindererziehung und Berufstätigkeit zu sichern, nicht erreicht werden könne (BT-Drucks 11/4776 Seite 2 zu Art 1 Nr 1), mag es auch zulassen, wie in § 19 Abs 1c AFG auf einen früheren Zeitpunkt abzuheben. Verfassungsrechtlich geboten war dies jedoch nicht. Der Gesetzgeber war auch nicht verfassungsrechtlich gehalten, eine rückwirkende ErzG-Bewilligung vorzusehen, zumal eine nachträgliche Leistung dem Zweck des ErzG nicht entspricht.
Die gesetzliche Regelung ist auch nicht unverhältnismäßig. Sie macht zwar den Anspruch auf ErzG auch von Zufälligkeiten des Verfahrensablaufs abhängig (Bode, Streit 1990, 26). Es ist jedoch nicht ungewöhnlich, daß ein Sozialleistungsanspruch von der Tatbestandswirkung einer anderweit getroffenen Entscheidung abhängt. Die Rechtsprechung hat das auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Beteiligten, eine solche Entscheidung zu verzögern, im Grundsatz als verfassungsgemäß angesehen (vgl zB zur Rentenerhöhung erst nach Rechtskraft des Versorgungsausgleichs: BSG SozR 3-2200 § 1304b Nr 1). Der Gefahr einer rechtsmißbräuchlichen Verzögerung kann anderweit ausreichend begegnet werden. Der Beteiligte, der durch eine frühzeitige Entscheidung begünstigt wird, kann im vorgreifenden Verfahren sein Recht auf eine zeitgerechte Entscheidung verfolgen. In den vorgreifenden Verfahren, hier in den Verfahren über die Anerkennung des Asylrechts und die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, ist eine im Hinblick auf das nachgehende Verfahren begründete Eilbedürftigkeit zu berücksichtigen. Hierauf kann der Beteiligte grundsätzlich verwiesen werden.”
Diesen Ausführungen ist lediglich ergänzend hinzuzufügen, daß auch aus Art 6 Abs 1 GG kein Anspruch herzuleiten ist, bei der nachträglichen Anerkennung des Asylrechts ErzG rückwirkend zu gewähren. Diese Grundgesetznorm verpflichtet den Gesetzgeber zwar, die Familie auch in ihrem wirtschaftlichen Zusammenhalt durch geeignete Maßnahmen zu fördern. Wie die Förderung konkret erfolgt, bleibt aber der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers überlassen (vgl BVerfGE 39, 316, 326; 82, 60, 81 mwN; neuerdings BVerfG, Beschluß vom 7. Juli 1992, – 1 BvL 51/86 –).
Der verfassungsrechtlich gebotene Schutz der Familie war im übrigen auch schon nach dem vor dem 1. Juli 1989 geltenden Recht bei der Entscheidung über den Aufenthalt zu berücksichtigen (BSG SozR 3-7833 § 1 Nr 3 mit Hinweis auf BVerfG DOV 1990, 570).
Der Einwand des Klägers, es sei wirklichkeitsfremd anzunehmen, bei den Verwaltungsgerichten lasse sich eine Beschleunigung des Verfahrens unter Hinweis auf den gefährdeten Anspruch auf ErzG erreichen, läßt nicht erkennen, daß er eine solche Verfahrensbeschleunigung zu erreichen vergebens versucht hat. Er gibt deshalb keinen Anlaß zu prüfen, ob es der Behörde ausnahmsweise verwehrt sein könnte, aus schuldhaften, für den Antragsteller aber unabwendbaren Verzögerungen des Asylanerkennungsverfahrens oder der Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung Rechte herzuleiten.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen