Leitsatz (amtlich)
1. Der Beitragszuschuß dient dazu, Rentnern den Abschluß einer freiwilligen Krankenversicherung durch finanzielle Zuwendungen zu ermöglichen.
2. Einem Auslandsrentner steht der Beitragszuschuß nur zu, wenn bei vergleichbarer Sachlage auch einem Inlandsrentner diese Leistung zu gewähren wäre (Anschluß an BSG 1977-04-27 3 RK 70/75 = SozR 2200 § 381 Nr 16).
3. Die Einbeziehung eines Auslandsrentners in ein ausländisches staatliches Krankenversicherungssystem schließt die Gewährung des Beitragszuschusses aus, wenn die ausländische gesetzliche Pflichtversicherung wenigstens annähernd mit der deutschen gesetzlichen KV vergleichbar ist. Das ist bei der mexikanischen gesetzlichen KV der Fall.
Normenkette
RVO § 381 Abs. 4 S. 2 Fassung: 1970-12-21
Verfahrensgang
LSG Berlin (Entscheidung vom 05.03.1975; Aktenzeichen L 9 Kr 60/73) |
SG Berlin (Entscheidung vom 04.09.1973; Aktenzeichen S 73 Kr 330/71) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 5. März 1975 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung des Beitragszuschusses nach § 381 Abs 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO).
Der 1906 geborene, in Mexico lebende Kläger erhält von der Beklagten Altersruhegeld. Er ist Generaldirektor und alleiniger Aktionär einer sogenannten Personal-Aktiengesellschaft und gilt nach mexikanischem Recht als Arbeitnehmer. Als solcher ist er Pflichtmitglied der gesetzlichen mexikanischen Sozialversicherung (Instituto Mexicano del Seguro Social). Diese ist für alle Arbeitnehmer obligatorisch und umfaßt ua völligen Krankenschutz; sie übernimmt alle ärztlichen Leistungen, Krankenhausbehandlungen und Medikamente. Der vom Arbeitgeber an sie abzuführende Versicherungsbeitrag richtet sich nach der Höhe des Arbeitseinkommens und ist aufgeteilt in einen Arbeitgeberanteil von zwei Drittel und einen Arbeitnehmeranteil von einem Drittel, der dem Kläger vom Gehalt abgezogen wird. Der Kläger beantragte am 25. Mai 1971 die Gewährung des Beitragszuschusses nach § 381 Abs 4 RVO. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. August 1971 ab. Das Sozialgericht (SG) hat nach Einholung einer Auskunft der deutschen Botschaft in Mexico die Klage abgewiesen (Urteil vom 4. September 1973). Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg (Urteil vom 5. März 1975). Das Landessozialgericht (LSG) hat ausgeführt: Da der Kläger ähnlich wie ein inländischer Arbeitnehmer aufgrund seines Beschäftigungsverhältnisses gegen Krankheit pflichtversichert sei, habe er keinen Anspruch auf den Beitragszuschuß.
Mit der - zugelassenen - Revision rügt der Kläger Verletzung des § 381 Abs 4 RVO. Die Qualität des mexikanischen gesetzlichen Versicherungsschutzes sei derart gering, daß er sich bei ernstlicher Erkrankung entsprechende ärztliche und pharmazeutische Behandlung auf eigene Kosten beschaffen müsse. Zwecks Erstattung wenigstens eines Teils dieser Kosten müsse ihm der Beitragszuschuß gewährt werden.
Der Kläger beantragt,
die vorinstanzlichen Urteile sowie den Bescheid der Beklagten aufzuheben und diese zu verurteilen, ihm ab 1. August 1971 den Beitragszuschuß zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung des Beitragszuschusses.
Nach § 381 Abs 4 Satz 1 RVO erhalten freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung, die Rentner oder Rentenbewerber sind, aber nicht der Versicherungspflicht nach § 165 Abs 1 Nr 3 RVO unterliegen, auf Antrag einen Betrag zu ihrem Krankenversicherungsbeitrag. Satz 2 dieser Vorschrift billigt den bei einem privaten Versicherungsunternehmen gegen Krankheit Versicherten bei Erfüllung derselben Voraussetzungen ebenfalls einen solchen "Beitragszuschuß" zu. Der Auslandsaufenthalt des Rentners steht dem Anspruch auf Gewährung dieses Beitragszuschusses nicht entgegen (BSGE 31, 288). Welche Rechtsvorschriften Anwendung finden, falls der Rentner in einem Gebiet wohnt, für das ein sozialversicherungsrechtliches Abkommen abgeschlossen worden ist, kann hier unerörtert bleiben; denn der Kläger hat seinen Wohnsitz in Mexico und mit diesem Staat besteht kein derartiges Abkommen. Die Schutzbedürftigkeit gegenüber dem Krankheitsrisiko kann aber für den Auslandsrentner im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der Gleichbehandlung grundsätzlich nicht anders eingeschätzt werden als für den Inlandsrentner. Einem Auslandsrentner steht deshalb der Beitragszuschuß nur dann zu, wenn bei vergleichbarer Sachlage auch einem Inlandsrentner diese Leistung zu gewähren wäre (Urteil des erkennenden Senats vom 27. April 1977 - 3 RK 70/75 -; zur Veröffentlichung vorgesehen).
Die Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung und der Anspruch auf Beitragszuschuß schließen sich aber gegenseitig aus; denn die Krankenversicherung der Rentner bezweckt, den Rentnern einen kostenfreien bzw kostenbegünstigten Krankenschutz zu verschaffen, die gesetzliche Pflichtversicherung und der vertragliche Krankenschutz stellen aber lediglich verschiedene Wege dar, um dasselbe Ziel - eine Sicherung gegen Krankheit - zu erreichen. Die Einbeziehung eines im Ausland lebenden Rentners in ein dort bestehendes staatliches Krankenversicherungssystem schließt deshalb die Gewährung des Beitragszuschusses jedenfalls dann aus, wenn die ausländische gesetzliche Pflichtversicherung wenigstens annähernd mit der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar ist. Das ist bei der mexikanischen gesetzlichen Krankenversicherung der Fall; denn nach den mit der Revision nicht angegriffenen und deshalb für den erkennenden Senat als Revisionsgericht bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG gewährt sie dem Versicherten Ansprüche, die ihrer Art nach den von der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung gestellten Ansprüchen vergleichbar sind.
Erwägungen über die Effektivität des Krankenschutzes können zu keinem anderen Ergebnis führen. Auch hierauf hat der erkennende Senat in dem vorstehend genannten Urteil vom 27. April 1977 bereits hingewiesen. Der Anspruch auf Beitragszuschuß wird im System der RVO immer dann ausgeschlossen, wenn der Rentner anderweitig hinreichend versichert ist. Dabei stellt das Gesetz nicht darauf ab, welchen faktischen Zustand die anderweitige Krankenversicherung aufweist und in welcher Art und Weise die medizinische Versorgung des Rentners im einzelnen durchgeführt wird. Diese Fragen regelt das Gesetz an anderen Stellen, zB im Kassenarztrecht. Auch ist es nicht Zweck des Beitragszuschusses, allen Rentnern denselben faktischen Krankenschutz, wie er in der Bundesrepublik Deutschland besteht, zukommen zu lassen. Diese Art der medizinischen Versorgung erwächst aus dem Sozialversicherungssystem der Bundesrepublik und kann deshalb auch nur in seinem Bereich zur Verfügung gestellt werden. Befindet sich ein Rentner im Ausland, so muß sich der Natur der Sache nach seine medizinische Versorgung - von Ausnahmefällen abgesehen - immer nach den medizinischen Gegebenheiten richten, die in seinem Aufenthaltsgebiet vorherrschen und von unterschiedlicher Art und Qualität sein können. Es ist nicht Aufgabe der deutschen Rentenversicherung, durch eine Nebenleistung zur Rente - den Beitragszuschuß - diese Unterschiedlichkeiten, auf die weder seitens des Rentenversicherungsträgers noch seitens des deutschen Sozialversicherungssystems Einwirkungsmöglichkeiten bestehen, auszugleichen. Der Beitragszuschuß soll lediglich dazu dienen, denjenigen Rentnern, die noch keinen Krankenschutz haben, den Abschluß einer privaten Krankheitssicherung durch finanzielle Zuwendungen zu ermöglichen. Auch beim Umfang dieses privaten Krankenschutzes kommt es jedoch nicht darauf an, in welcher Art und Weise der bei einem privaten Versicherungsunternehmen Versicherte seine medizinische Versorgung erlangt, sondern lediglich darauf, daß das private Versicherungsunternehmen Vertragsleistungen zu Verfügung stellt, die der Art nach den Leistungen der deutschen gesetzlichen Krankenhilfe entsprechen (vgl § 173 a Abs 1 Satz 1 RVO). Insbesondere ist es für die Entstehung des Anspruchs auf Beitragszuschuß unerheblich, ob und in welcher Weise der (privat) Versicherte seine (vertraglichen) Leistungsansprüche wahrnimmt. Was unter "Krankenhilfe" zu verstehen ist, ergibt sich aus §§ 182 ff RVO. In diesen Vorschriften regelt das Gesetz aber ausschließlich Inhalt und Umfang der Ansprüche des Versicherten. Es besagt in diesem Zusammenhang nichts über die Art und Weise der Durchführung der medizinischen Versorgung. Dieses Kriterium vermag mithin keinen Beitragszuschuß zu begründen.
Nach alledem steht dem Kläger der Beitragszuschuß nicht zu. Seiner Revision ist deshalb der Erfolg versagt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen