Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendige Beiladung der Versicherungsträger bei Streit über Versicherungspflicht
Orientierungssatz
Die Entscheidung darüber, ob die Arbeitnehmer der Versicherungspflicht unterliegen oder nach §§ 168, 1228 Abs 1 Nr 4 RVO (= § 4 Abs 1 Nr 5 AVG), § 169 Nr 1 AFG iVm § 168 RVO oder § 169 Nr 6 AFG wegen geringfügiger bzw kurzfristiger Beschäftigung versicherungsfrei sind, betrifft ein Rechtsverhältnis, an dem nicht nur der Arbeitgeber, die Krankenkasse und die Arbeitnehmer, sondern auch die Versicherungsträger, an die die streitigen Beiträge abzuführen sein würden, derart beteiligt sind, daß auch ihnen gegenüber nur einheitlich entschieden werden kann. In Fällen dieser Art sind die zuständigen Rentenversicherungsträger und die Bundesanstalt für Arbeit notwendig beizuladen (§ 75) Abs 2 SGG).
Normenkette
SGG § 75 Abs 2 Fassung: 1953-09-03; RVO §§ 168, 1228 Abs 1 Nr 4; AVG § 4 Abs 1 Nr 5; AFG § 169 Nr 1; AFG § 169 Nr 6
Verfahrensgang
SG Itzehoe (Entscheidung vom 12.05.1981; Aktenzeichen S 5 Kr 34/80) |
Tatbestand
Die Beigeladenen zu 1) bis 4) sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmerinnen der Klägerin. Die Beteiligten streiten darüber, ob das den Beigeladenen gezahlte Weihnachtsgeld als Teil des Jahresarbeitsverdienstes zu berücksichtigen ist; im Falle der Hinzurechnung würde das Arbeitseinkommen der Beigeladenen die Geringfügigkeitsgrenze überschreiten. Die Beklagte hat das angenommen und deshalb mit Bescheid vom 16. April 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 1980 die Versicherungspflicht der Beigeladenen zur Renten- und Krankenversicherung festgestellt. Zugleich hat sie von der Klägerin die Nachentrichtung von Beiträgen in Gesamthöhe von 7.787,15 DM gefordert.
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Itzehoe die vorgenannten Bescheide durch Urteil vom 12. Mai 1981 mit der Begründung aufgehoben, das Weihnachtsgeld sei nicht anteilig auf das monatliche Arbeitsentgelt der Beigeladenen umzurechnen und deshalb nicht als regelmäßiges Entgelt zu berücksichtigen.
Gegen dieses ihr am 22. Juni 1981 zugestellte Urteil richtet sich die - vom SG zugelassene - Sprungrevision der Beklagten. Sie rügt in erster Linie die Verletzung formellen Rechts, weil das SG die notwendige Beiladung des zuständigen Trägers der Rentenversicherung und der Bundesanstalt für Arbeit (BA) unterlassen habe. Auch in der Sache selbst entspreche das angefochtene Urteil nicht der Sach- und Rechtslage.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom
12. Mai 1981 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und die Beigeladenen zu 1) bis 4) sind nicht durch einen beim Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Prozeßbevollmächtigten vertreten.
Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits, wobei der Senat von der ihm in § 170 Abs 4 Satz 1 SGG eröffneten Möglichkeit der Zurückverweisung an das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht Gebrauch gemacht hat, das für die Berufung zuständig gewesen wäre.
Der Senat kann in der Sache selbst nicht entscheiden, weil das Verfahren vor dem SG an einem im Revisionsverfahren fortwirkenden prozessualen Mangel leidet, der in der Revisionsinstanz nicht behoben werden kann.
Das SG hat nicht beachtet, daß die Entscheidung darüber, ob die Beigeladenen der Versicherungspflicht unterliegen oder nach §§ 168, 1228 Abs 1 Nr 4 der Reichsversicherungsordnung -RVO- (= § 4 Abs 1 Nr 5 des Angestelltenversicherungsgesetzes), § 169 Nr 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) iVm § 168 RVO oder § 169 Nr 6 AFG wegen geringfügiger bzw kurzfristiger Beschäftigung versicherungsfrei sind, ein Rechtsverhältnis betrifft, an dem nicht nur die Klägerin, die Beklagte und die Beigeladenen, sondern auch die Versicherungsträger, an die die streitigen Beiträge abzuführen sein würden, derart beteiligt sind, daß auch ihnen gegenüber nur einheitlich entschieden werden kann. Der erkennende Senat hat in Fortführung der Rechtsprechung des 3. Senats (BSGE 15, 118, 125) in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß in Fällen dieser Art die zuständigen Rentenversicherungsträger und die Bundesanstalt für Arbeit notwendig beizuladen sind (§ 75 Abs 2 SGG). An dieser Rechtsprechung hält der erkennende Senat auch für den zur Entscheidung stehenden Fall fest.
Die Unterlassung einer notwendigen Beiladung ist ein im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtender und zur Zurückverweisung zwingender Verfahrensmangel (erkennender Senat in ständiger Rechtsprechung - vgl Urteil vom 30. Januar 1980 - 12 RK 58/78 - SozR 1500 § 75 Nr 29 mwN). Der Senat hat deshalb in der Sache nicht entscheiden können. Er weist die Beteiligten aber vorsorglich darauf hin, daß er in den Urteilen vom 9. Juli 1980 - 12 RK 44/79 - (SozR 2200 § 160 Nr 9), vom 23. September 1980 - 12 RK 51/79 - (USK 80225) und vom 28. Oktober 1981 - 12 RK 23/80 - zur Frage der zeitlichen Zuordnung bzw Verteilung von wiederkehrenden Sonderzahlungen Stellung genommen hat.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Fundstellen