Entscheidungsstichwort (Thema)
Funktionsnachfolge bei Verwaltungsträgern. keine unzulässige Klageänderung im Revisionsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Geht die Zuständigkeit für einen rechtshängigen Anspruch im Wege der Funktionsnachfolge auf einen anderen Verwaltungsträger über, so ist damit - auch im Revisionsverfahren - ein Parteiwechsel kraft Gesetzes verbunden (Anschluß an BVerwG vom 2.11.1973 - IV C 55.70 = BVerwGE 44, 148, 150).
2. Zu den Voraussetzungen einer Abzweigung nach § 48 Abs 2 SGB 1.
Orientierungssatz
1. Prozeßrechtlich führt der Zuständigkeitswechsel von Verwaltungsträgern nicht zu einer im Revisionsverfahren nach § 168 SGG unzulässigen Klageänderung, sondern zu einem Parteiwechsel kraft Gesetzes. Hierzu fehlen zwar sowohl für das Verfahren vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten als auch für das sozialgerichtliche Verfahren entsprechende ausdrückliche Vorschriften. Die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte wendet auf die Fälle der Funktionsnachfolge über § 173 VwGO die Regelungen der §§ 239 ff ZPO mit Ausnahme der Vorschrift des § 265 Abs 2 ZPO entsprechend an. Dem ist auch für das sozialgerichtliche Verfahren zu folgen. Unterhaltsgewährung im Sinne von § 48 Abs 2 SGB 1:
2. Eine Unterhaltsgewährung im Sinne von § 48 Abs 2 SGB 1 liegt auch vor, wenn von dem Kindergeldempfänger durch persönliche oder sächliche Zuwendungen, die Lebensbedürfnisse der Kinder tatsächlich ganz oder teilweise sichergestellt werden (vgl BSG vom 29.8.84 - 1 RJ 82/83 = SozR 1200 § 48 Nr 9).
Normenkette
SGG § 202; ZPO §§ 239, 265 Abs 2; SGG § 168; SGB 1 § 48 Abs 2
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 20.02.1985; Aktenzeichen L 13 Ar 22/83) |
SG Köln (Entscheidung vom 13.07.1983; Aktenzeichen S 9 Ar 125/80) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) verpflichtet ist, erneut über die beantragte Abzweigung von Kindergeld an die Klägerinnen zu entscheiden.
Die Ehefrau des Beigeladenen leitet ein sogenanntes Kinderhaus. Hierfür wurde gemäß § 79 Abs 2 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt (JWG) die Befreiung von der Verpflichtung des § 28 JWG erteilt. Die Befreiung gilt seit 1977 für sieben Plätze. In dem Kinderhaus befanden sich in der hier strittigen Zeit die Kinder Dagmar P., geb. 1964, Thorsten L., geb. 1976, sowie Heike, Sandra und Tanja S., geb. 1972, 1974 und 1976, für die die Beklagte Kindergeld gewährt. Das Jugendamt des E. bewilligte für diese Kinder Geldleistungen in Höhe eines Tagespflegesatzes zuzüglich Kleider- und Taschengeld aus Jugendhilfemitteln.
Seit Mai 1979 bezieht der Beigeladene von der Beklagten Kindergeld ua unter Berücksichtigung der fünf genannten Kinder, das später teilweise für eine davor liegende Zeit bewilligt wurde. Am 12. Juli 1979 beantragte der E. bei der Beklagten, die Überweisung des anteiligen Kindergeldes für Thorsten L. an die Kreiskasse gemäß § 48 Abs 2 des 1. Buchs des Sozialgesetzbuchs - Allgemeiner Teil - (SGB 1) anzuordnen, weil er die Kosten der Heimerziehung dieses Kindes im Kinderhaus H.-D. ganz bzw überwiegend trage. Entsprechende Anträge stellte der E. unter dem 18. September und 2. Oktober 1979 auch in bezug auf die Kinder Dagmar P. sowie Heike, Sandra und Tanja S.. Die Beklagte lehnte das Ersuchen ab (Bescheid vom 18. Oktober 1979 und Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 1980).
Die Klage des E. ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat zur Begründung seiner Entscheidung ua ausgeführt, auf § 48 Abs 1 SGB 1 könne die Klage nicht gestützt werden, weil keine Verletzung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht vorliege. Der Beigeladene sei nämlich gegenüber den fünf Kindern nicht gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet. Eine Auszahlung des anteiligen Kindergeldes könne aber auch nicht gemäß § 48 Abs 2 iVm Abs 1 Satz 2 SGB 1 beansprucht werden. Diese Vorschrift wäre nur anwendbar, wenn der Unterhalt des betreffenden Kindes allein von einem Dritten, also auch nicht teilweise von dem Kindergeldempfänger gewährt würde. Zum Unterhalt gehöre die Sicherstellung der Lebensbedürfnisse durch sächliche und andere persönliche Zuwendungen. Jedenfalls erbringe der Beigeladene durch Erziehung und Betreuung der Kinder Unterhaltsleistungen. Er und seine Ehefrau seien für die Kinder "Ersatz-Eltern". Es handele sich bei dem Aufenthalt in dem Kinderhaus nicht um eine Heimunterbringung, bei der angestellte Erzieherinnen die Bezugspersonen im Verhältnis zu den Kindern seien. Das Kinderhaus stelle vielmehr einen neuen Typ einer kleinen, familienorientierten Einrichtung zur Unterbringung und Erziehung außerhalb ihrer Ursprungsfamilie dar. Es werde durch natürliche, erziehungswirksame Lebensbedingungen einer Familie geprägt. Der Beigeladene nehme die Funktionen eines im Berufsleben stehenden Familienvaters gegenüber den im Kinderhaus untergebrachten Kindern wahr. Hierfür sprächen seine Mitarbeit in Schulpflegschaften, die Wahrnehmung der Schulsprechtage und die Erledigung der mit dem Kinderhaus zusammenhängenden Korrespondenz, die "familienväterlich" und weniger geschäftsmäßig geprägt sei. Ferner betrachte er die finanziellen Angelegenheiten sowie die Lebensmitteleinkäufe für die ganze Familie als seine Aufgabe. Die bestehende Familiengemeinschaft werde auch dadurch erkennbar, daß sich die Kinder untereinander als Geschwister ansähen und den Beigeladenen und seine Ehefrau "Papa" bzw "Mama" nannten. Es würden gemeinsame Familienmahlzeiten eingenommen. Die Erziehungs- und Betreuungsleistungen des Beigeladenen würden nach dem aktenkundigen Heimbogen und Selbstkostenblatt nicht durch die finanziellen Zuwendungen aus Jugendhilfemitteln abgegolten. Seinen Leistungen stehe kein Gegenwert gegenüber. Sie hätten damit den Charakter von Unterhaltsleistungen.
Während des Revisionsverfahrens sind bei den Klägerinnen Jugendämter gebildet worden. Die Klägerinnen vertreten die Ansicht, daß sie hinsichtlich des streitigen Anspruchs Rechtsnachfolger des E. seien und rügen mit der vom LSG zugelassenen Revision die Verletzung des § 48 Abs 2 SGB 1. Der Beigeladene erbringe keine Unterhaltsleistungen. Für den hier fraglichen Zeitraum sei seiner Ehefrau die Befreiung nach § 79 Abs 2 JWG erteilt und damit die Einrichtung eines sogenannten Kinderhauses ermöglicht worden. Ihr und den zusätzlich angestellten Kräften des Kinderhauses obliege deshalb die Aufgabe, den Kindern persönliche Zuwendung zukommen zu lassen. Hierfür werde bei Berechnung der Pflegesätze für sie ein Gehalt in Höhe der Vergütungsgruppe BAT V in Ansatz gebracht und ausgezahlt. Wenn sich die Ehefrau des Beigeladenen als besoldete Trägerin und Leiterin des Kinderhauses nicht in der Lage sehe, ihre entsprechenden Pflichten umfassend zu erfüllen und ihr Ehemann aus Hilfsbereitschaft oder aus anderen Gründen einige dieser Aufgaben übernehme, so könnten die in diesem Rahmen erbrachten Leistungen, die bereits durch die Gehaltszahlung abgegolten seien, nicht als eigenständige und im Rahmen des § 48 Abs 2 SGB 1 anzuerkennende Unterhaltsleistungen gewertet werden. Dies umso weniger, als der Beigeladene im Verhältnis zu den allein der Erziehung seiner Frau unterstehenden Kindern zwar hilfsbereiter, aber ansonsten unbeteiligter Dritter sei. Die Personensorge für die betroffenen Kinder stehe im übrigen aufgrund der gerichtlich angeordneten Amtsvormundschaft allein dem Jugendamt zu. Übernehme der Beigeladene dennoch Aufgaben der Personensorge, die vom Jugendamt allein der Leiterin des Kinderhauses übertragen seien, so greife er letztlich unbefugt in den Rechtskreis des Jugendamtes ein. Aber auch die Weiterleitung des Kindergeldes für den Unterhalt der betreffenden Kinder stelle keine Unterhaltsleistung finanzieller Art dar. Die Zahlung des Kindergeldes an den Beigeladenen sei nämlich rechtsfehlerhaft erfolgt. Sie beruhe auf der irrigen Annahme, daß zwischen ihm und den Kindern ein Pflegekindschaftsverhältnis iS von § 2 Abs 1 Nr 6 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) vorliege. Die Entscheidung der beklagten BA, das Kindergeld nicht an sie, die Klägerinnen, zu zahlen, sei deshalb ermessensfehlerhaft.
Die Klägerinnen beantragen, das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Februar 1985 sowie die Bescheide der Beklagten vom 18. Oktober 1979 und 1. Juli 1980 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und macht ergänzend geltend, es komme nicht darauf an, ob ein Pflegekindschaftsverhältnis iS von § 2 Abs 1 Nr 6 aF bzw § 2 Abs 1 Nr 2 nF BKGG bestehe. Entscheidend sei allein, daß der Beigeladene das Kindergeld für diese Kinder aufgrund eines wirksamen Verwaltungsakts beziehe und sie zu einem nicht unwesentlichen Teil unterhalte. Nach den vom LSG getroffenen Feststellungen habe der Beigeladene in der Vergangenheit den Kindern Betreuungsleistungen in erheblichem Umfange zugewandt. Diese Betreuungsleistungen seien Unterhaltsleistungen iS von § 48 Abs 2 SGB 1. Dem stehe nicht entgegen, daß an die Ehefrau des Beigeladenen Pflegegeldleistungen für den von ihr getragenen Aufwand gezahlt würden. Der Beigeladene schließt sich dem Antrag und im wesentlichen dem Vortrag der Beklagten an.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Beklagte hat - wie das LSG zutreffend angenommen hat - die begehrte Abzweigung des Kindergelds zu Recht abgelehnt.
Der E. ist aus dem Rechtsstreit ausgeschieden. An seine Stelle sind im Wege der Funktionsnachfolge (hierzu s BSGE 1, 164, 166; 7, 60, 63; 24, 162, 169 mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Schrifttum) die Klägerinnen getreten. Seit dem 1. Januar 1987 ist das Jugendamt des E. nicht mehr für die im Kinderhaus H.-D. lebenden Kinder zuständig. Da die Klägerinnen zu dem genannten Zeitpunkt eigene Jugendämter gebildet haben, sind die aus dem Aufgabenkreis des Kreisjugendamtes resultierenden Rechte und Pflichten auf die Klägerinnen übergegangen, also auch der geltend gemachte Abzweigungsanspruch für die von ihnen betreuten Kinder. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Klägerinnen mit dem E. hierüber eine Vereinbarung getroffen haben. Der Übergang der Rechte und Pflichten trat allein durch den Zuständigkeitswechsel ein und gilt für alle noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsaufgaben, die der E. wegen der ihm nicht mehr zustehenden Funktion nicht mehr wahrnehmen kann. Deshalb sind auch noch nicht realisierte Forderungen, die für einen zurückliegenden Zeitraum geltend gemacht werden, auf die nunmehr zuständigen Verwaltungsträger übergegangen (vgl dazu Wolff, Verwaltungsrecht I, 8. Aufl § 41 IVc 2).
Prozeßrechtlich führt der Zuständigkeitswechsel nicht zu einer im Revisionsverfahren nach § 168 SGG unzulässigen Klageänderung, sondern zu einem Parteiwechsel kraft Gesetzes. Hierzu fehlen zwar sowohl für das Verfahren vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten als auch für das sozialgerichtliche Verfahren entsprechende ausdrückliche Vorschriften. Die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (vgl VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13. März 1969 - II 708/67 - ESVGH 20, 145, 146 und Urteil vom 28. Januar 1975 - II 480/73 - DÖV 1975, 645; BVerwGE 44, 148, 150; Bay. VGH, Beschluß vom 24. Juli 1978 Nr 60 VIII 77, Bay. VBl 1978, 763) wendet auf die Fälle der Funktionsnachfolge über § 173 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die Regelungen der §§ 239 ff der Zivilprozeßordnung (ZPO) mit Ausnahme der Vorschrift des § 265 Abs 2 ZPO entsprechend an. Dem ist auch für das sozialgerichtliche Verfahren zu folgen.
Nach § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind, soweit das SGG keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, das Gerichtsverfassungsgesetz und die ZPO entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen. Zwar enthalten auch die §§ 239 ff ZPO keine Vorschriften, die den Parteiwechsel selbst regeln. Durch sie wird lediglich angeordnet, daß der Tod einer Partei oder der Beginn einer fremden Vermögensverwaltung (sogenannte Amtsverwaltung) das Verfahren bis zur Aufnahme durch den Rechtsnachfolger oder den nunmehr zur Weiterführung des Verfahrens berufenen Verwalter unterbricht. Die §§ 239 ff ZPO gehen aber erkennbar vom Parteiwechsel aus (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13. März 1969, aa0). Bei dem Zuständigkeitswechsel durch Funktionsnachfolge handelt es sich um einen ähnlich gelagerten Fall wie bei der Beendigung einer Vermögensverwaltung (Amtsverwaltung) oder beim Wegfall des Verwalters. Wenn in diesen Fällen der Vermögensinhaber oder der neue Verwalter unter Ausscheiden des bisherigen Verwalters kraft Gesetzes zur Partei in einem anhängigen Prozeß wird, so bestehen keine Bedenken, Entsprechendes für den Funktionsnachfolger bei einem Wechsel der Verwaltungsträger anzunehmen. Die Interessenlage ist vergleichbar. Auch der neue Verwaltungsträger muß Ansprüche, die Gegenstand eines Rechtsstreits sind und zu dem übergegangenen Aufgaben- bzw Zuständigkeitsbereich gehören, - schon aus Gründen der Zweckmäßigkeit - selbst als Partei weiterverfolgen können.
Dagegen schließt die besondere Situation des neuen Verwaltungsträgers die entsprechende Anwendung des § 265 Abs 2 ZPO aus. Nach dieser Vorschrift hat die Veräußerung oder Abtretung der im Streit befangenen Sache auf den Prozeß keinen Einfluß (Satz 1). Unmittelbar kann § 265 Abs 2 ZPO hier schon wegen seines Wortlauts nicht angewendet werden; denn im vorliegenden Falle wurde keine streitbefangene Sache veräußert. Vielmehr ist lediglich die Zuständigkeit und damit die Verfügungsbefugnis für den geltend gemachten Anspruch auf einen anderen Hoheitsträger übergegangen. Aber auch eine Analogie kommt nicht in Betracht. § 265 Abs 2 ZPO regelt lediglich die prozessualen Folgen der im Zivilrecht häufigen Veräußerung des Streitgegenstandes, also der Einzelrechtsnachfolge. Die Funktionsnachfolge steht aber sowohl materiell als auch prozessual der Gesamtrechtsnachfolge (§ 239 ZPO) und dem Eintritt des Konkursverwalters (§ 240 ZPO) ihrem Wesen nach näher als die in § 265 Abs 2 ZPO geregelte Einzelrechtsnachfolge. Der Funktionsnachfolger tritt nicht nur in die materielle, sondern auch in die prozessuale Rechtsposition des Funktionsvorgängers ein.
Der mit der Funktionsnachfolge verbundene Parteiwechsel ist keine Klageänderung, weil er kraft Gesetzes eintritt und nicht von dem Willen der ausscheidenden oder in den Prozeß eintretenden Partei abhängt (Kopp, VwGO, Komm, 7. Aufl, § 91 Anm 2; vgl dazu Eyermann/Fröhler, VwGO, 8. Aufl, § 91 Anm 1; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Kommentar, 43. Aufl, § 263 Anm 2c). Daran ändert sich im vorliegenden Falle auch nichts dadurch, daß die Klägerinnen die Jugendämter aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung (vgl § 8 Abs 1 des Ausführungsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen zum JWG idF der Bekanntmachung vom 26. August 1965 - GVNW S 248 - zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 1984 - GVNW S 806 - iVm § 1 der Verordnung über die Zulassung von Jugendämtern bei kreisangehörigen Städten vom 16. Juli 1984 - GVNW S 463 - idF des Art I der Vierten Änderungsverordnung vom 30. Juni 1986 - GVNW S 540 -) - freiwillig - gebildet haben. Der Parteiwechsel ist die gesetzliche Folge dieser Maßnahme und keine willkürliche Klageänderung. Er ist daher - trotz der Regelung des § 168 SGG - noch im Revisionsverfahren möglich (so auch BVerwGE 44, 148, 150 mwN für das verwaltungsgerichtliche Verfahren; Redeker/von Oerten, VwGO, Komm, 8. Aufl, § 91 Anm 5).
Die Voraussetzungen des von den Klägerinnen weiterverfolgten Anspruchs auf Abzweigung des Kindergeldes sind nicht gegeben. Das LSG und die Beteiligten gehen zutreffend davon aus, daß eine Abzweigung nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB 1 schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil der Leistungsberechtigte - der Beigeladene - gegenüber den Kindern, für die die Beklagte an ihn Kindergeld zahlt, nicht unterhaltspflichtig ist. Zwischen dem Beigeladenen und den in das Kinderhaus H.-D. aufgenommenen Kindern besteht kein Verwandtschaftsverhältnis, noch hat der Beigeladene sie adoptiert (vgl § 1601 und § 1751 Abs 4 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs -BGB-).
Der geltend gemachte Abzweigungsanspruch kann auch nicht auf § 48 Abs 2 SGB 1 gestützt werden. Danach gilt Abs 1 entsprechend, dh laufende Geldleistungen können in angemessener Höhe abgezweigt werden, wenn für Kinder, denen gegenüber der Leistungsberechtigte nicht kraft Gesetzes unterhaltspflichtig ist, Geldleistungen erbracht werden und der Leistungsberechtigte diese Kinder nicht unterhält. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht erfüllt. Die Abzweigung ist schon deshalb nicht nach § 48 Abs 2 SGB 1 zulässig, weil der Beigeladene zum Unterhalt der Kinder, für die Kindergeld gezahlt wird, nicht unerheblich beiträgt. Eine Unterhaltsgewährung im Sinne der genannten Bestimmung liegt auch vor, wenn von dem Kindergeldempfänger durch persönliche oder sächliche Zuwendungen, die Lebensbedürfnisse der Kinder tatsächlich ganz oder teilweise sichergestellt werden (BSG SozR 1200 § 48 Nr 9; vgl ferner BSGE 53, 218, 219 f zum Begriff des "Gewährens von Unterhalt" in § 48 Abs 1 Satz 2 SGB 1). Das ist hier der Fall. Der Beigeladene hat nach den mit der Revision nicht angefochtenen und deshalb für den Senat nach § 163 SGG bindenden Tatsachenfeststellungen verschiedene Leistungen erbracht, die im Rahmen der Betreuung von Kindern anfallen und dem Unterhalt der Kinder dienen. Solche Betreuungsleistungen sind Teil des Kindern zu gewährenden Unterhalts (BSG, Urteile vom 14. Februar 1964 - 1 RA 203/60 - SozR Nr 4 zu § 1266 RVO, vom 17. März 1970 - 11 (12) RJ 478/67 - BSGE 31, 90, 95 ff, vom 16. Februar 1968 - 7 RKg 6/68 - BSGE 28, 1, 2 und Urteil des erkennenden Senats vom 20. Mai 1987 - 10 RKg 12/85 - zur Veröffentlichung bestimmt). Ob im Rahmen des § 48 Abs 2 SGB 1 auch geringfügige Zuwendungen als Unterhalt anzusehen sind (vgl dazu BSGE 12, 279, 281; 22, 44, 46 f; 22, 130, 131; 28, 88, 89 zu § 42 Abs 1 Satz 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes -AVG- bzw § 1265 der Reichsversicherungsordnung -RVO-), kann der Senat offenlassen. Denn die Leistungen des Beigeladenen sind nicht geringfügig.
Zu Unrecht meinen die Klägerinnen, der Beigeladene habe lediglich seine Ehefrau unterstützt, nicht aber eigene Unterhaltsleistungen erbracht. Hierfür gibt es keine Anhaltspunkte. Vielmehr hat das LSG festgestellt, daß die Kinder im Kinderhaus H.-D. in das Familienleben integriert sind und daß der Beigeladene bei der Betreuung wie ein Familienvater tätig wird. Es widerspräche dem vom Berufungsgericht festgestellten Sinn und Zweck der Kinderhäuser, wenn man den Beigeladenen im Rahmen der Erziehungs- und Betreuungsaufgaben nicht als gleichwertigen Partner ansehen wollte. Denn das Kinderhaus soll - anders als ein Kinderheim - den Kindern das Leben in einer Familie bieten.
Zwar darf nach § 48 Abs 2 SGB 1 auch dann eine Abzweigung vorgenommen werden, wenn der Leistungsberechtigte (Kindergeldempfänger) für die Kinder nur Leistungen erbringt, die über den Unterhaltsbedarf hinausgehen (vgl BSG, Urteil vom 17. September 1981 - 4 RJ 105/80 - SozR 1200 § 48 Nr 3). Dann unterhält der Leistungsberechtigte nämlich die Kinder nicht. Ein solcher Fall liegt aber nicht vor. Die von dem Beigeladenen erbrachten Betreuungsleistungen waren zur Deckung der Lebensbedürfnisse der Kinder erforderlich und sind von keiner anderen Person erbracht worden.
Ob die Klägerinnen allerdings im Hinblick auf die mit der Ehefrau des Beigeladenen getroffenen Vereinbarungen oder aufgrund gesetzlicher Vorschriften den Beigeladenen von der Betreuung der Kinder oder der Übernahme einzelner Aufgaben im Kinderhaus hätte ausschließen dürfen, ist rechtlich ohne Bedeutung. § 48 Abs 2 SGB 1 stellt allein darauf ab, ob eine Unterhaltsgewährung durch den Leistungsberechtigten nicht erfolgt.
Ohne Bedeutung ist auch, ob die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung des Kindergeldes an den Beigeladenen vorliegen, insbesondere, ob er die Kinder iS des § 2 Abs 1 Nr 2 BKGG in seinen Haushalt aufgenommen hat, denn Streitgegenstand ist nicht die Anspruchsberechtigung des Beigeladenen, sondern die Abzweigung des Kindergeldes an die Klägerinnen, die bei fehlender Anspruchsberechtigung des Beigeladenen erst recht ausgeschlossen wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen