Gründe
Streitig ist, ob das Lendenwirbelsäulenleiden des Klägers als Berufskrankheit (BK) der Nr 2108 der Anl 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) zu entschädigen ist.
Der im Jahre 1937 geborene Kläger verrichtete in den Jahren 1952 bis 1993 als Kernmacher schwere Hebe- und Tragetätigkeiten bei Seitneigung und Verdrehung des Rumpfes in extremer Rumpfbeugehaltung. Nach einer im April 1993 erfolgten Bandscheibenoperation an den Lendenwirbeln 4 und 5 (L4/5) meldete die Allgemeine Ortskrankenkasse bei der Beklagten einen Ersatzanspruch an. Daraufhin zog die Beklagte medizinische Unterlagen sowie Röntgenaufnahmen bei und legte diese nach Ermittlung der beruflichen Belastung des Klägers ihrem beratenden Arzt Dr. D. vor, der eine Wirbelsäulenerkrankung iS der BK Nr 2108 für wahrscheinlich hielt und hinsichtlich der Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) eine gutachterliche Untersuchung des Klägers empfahl. In dieser von Prof. Dr. H. vorgenommenen Untersuchung wurden die Anforderungen für eine BK Nr 2108 bei einer MdE von 20 vH als erfüllt angesehen. Demgegenüber hielt die beratende Ärztin der Beklagten Dr. H. das Gutachten des Prof. Dr. H. für nicht ausreichend. Nach Anfertigung der nach ihrer Ansicht noch erforderlichen Röntgenaufnahmen der Hals- und Brustwirbelsäule (HWS/BWS) kam sie zu dem Ergebnis, daß sich die BK Nr 2108 nicht begründen lasse, weil neben höhergradigen Bandscheibendegenerationszeichen in den Segmenten L4/L5 und L5/L6 an der gesamten Wirbelsäule mehrsegmentale Bandscheibenschäden vorlägen. Darauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11. Juni 1996 und Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 1996 Entschädigungsleistungen ab.
Das Sozialgericht Osnabrück (SG) hat nach Einholung eines orthopädischen Gutachtens die Klage mit Urteil vom 8. Juli 1998 abgewiesen. Das Landessozialgericht Niedersachsen (LSG) hat auf die ihm zugeleitete Mitteilung von Dr. B. vom 13. Oktober 1998, in der es heißt, der Ärztliche Sachverständigenbeirat, Sektion Berufskrankheiten, habe auf seiner Sitzung am 25. März 1998 die Einführung der BK Nr 2108 einstimmig bestätigt, die Auskunft des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 18. Dezember 1998 eingeholt. Des weiteren hat es die in anderen bei ihm und dem SG Landshut anhängigen Rechtsstreitigkeiten eingeholten Auskünfte des BMA vom 30. Dezember 1996 und 15. Juli 1998 beigezogen, aus denen auch Funktion und Arbeitsweise der genannten Sektion sowie die von ihr gestellten Anforderungen an die Einführung von multikausalen Krankheiten als neue BKen deutlich werden. Ferner wurden den Beteiligten weitere Unterlagen sowie Fotokopien von Fachaufsätzen und der Gutachten von Dr. B. vom 12. Oktober 1998 und von Prof. Dr. W. vom 18. November 1998 übermittelt. Sodann hat das LSG mit Urteil vom 21. Januar 1999 die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Für die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche gebe es keine wirksame Rechtsgrundlage. Wie mit Urteil vom 5. Februar 1998 (L 6 U 178/97) bereits in einem vergleichbaren Fall entschieden, sei die Aufnahme der BK Nr 2108 in die Anl 1 zur BKVO durch die Zweite Verordnung zur Änderung der BKVO vom 18. Dezember 1992 (2. ÄndVO; BGBl I 2343) unwirksam, weil sich die Bundesregierung (BReg) als Verordnungsgeber nicht in den Grenzen der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage (§ 551 Abs 1 Satz 3 der Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫) gehalten und damit den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der vollziehenden Gewalt (Art 20 Abs 3 des Grundgesetzes ≪GG≫) verletzt habe.
An dieser Auffassung und an allen Einzelheiten der Begründung halte es auch und gerade unter Berücksichtigung der nach diesem Urteil andauernden wissenschaftlichen Diskussion über die Bedeutung schwerer körperlicher Arbeiten für die Entstehung bandscheibenbedingter Erkrankungen der LWS fest. Die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe in § 551 Abs 1 Satz 3 RVO sei einer gerichtlichen Kontrolle in vollem Umfang zugänglich. Demgegenüber folge das Fehlen einer Beurteilungsermächtigung des Verordnungsgebers bei der Auslegung dieser Vorschrift schon aus der Normstruktur des § 551 RVO, in dessen Abs 1 und Abs 2 das BK-Recht einheitlich geregelt sei. Die Gerichte seien auch mit der Überprüfung der Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der BK Nr 2108 nicht überfordert. Eine Beurteilungermächtigung stehe dem Verordnungsgeber auch nicht deshalb zu, weil die Aufnahme einer neuen BK auf Empfehlungen der Sektion BKen beruhe; denn dieses Gremium sei nicht gesetzlich verankert.
Auch werde an der im Urteil vom 5. Februar 1998 näher begründeten Auffassung festgehalten, daß bei multikausalen Krankheiten wie den bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS eine erheblich höhere Gefährdung iS des § 551 Abs 1 Satz 3 RVO den Nachweis eines im Vergleich zur übrigen Bevölkerung mehr als verdoppelten Erkrankungsrisikos in der gefährdeten Berufsgruppe erfordere. Allein die biologische Plausibilität, daß eine Erkrankung geeignet sei, zu einem bestimmten Gesundheitsschaden zu führen, genüge bei multikausalen Erkrankungen für die Aufnahme in die BK-Liste nicht. Auch der auf medizinischen Fachtagungen in der zweiten Hälfte des Jahres 1998 deutlich gewordene Meinungs- und Kenntnisstand sowie die nach dem Urteil vom 5. Februar 1998 erschienene Literatur belegten das Fehlen einer herrschenden Meinung darüber, daß das Risiko einer bandscheibenbedingten Erkrankung aufgrund der in BK Nr 2108 umschriebenen körperlichen Schwerarbeit erheblich erhöht sei. Dagegen widerlegten die von Dr. B. erhobenen Einwendungen gegen das Urteil vom 5. Februar 1998 und gegen das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. W. nicht die Wertung, daß die BK Nr 2108 nicht von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage gedeckt sei. Selbst wenn man die Erforderlichkeit eines mehr als verdoppelten Erkrankungsrisikos offen ließe, fehlte für die BK Nr 2108 eine gesicherte medizinische Lehrmeinung über eine erhebliche Erhöhung des Erkrankungsrisikos.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 551 Abs 1 Satz 3 RVO iVm § 551 Abs 1 Satz 2 RVO sowie Nr 2108 der Anl 1 zur BKVO idF der 2. ÄndVO. Das LSG habe die letztere Regelung zu Unrecht als nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 551 Abs 1 Satz 3 RVO gedeckt angesehen. Wie das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 23. März 1999 (B 2 U 12/98 R) entschieden habe, sei die Aufnahme der BK Nr 2108 in die Anl 1 zur BKVO von der Ermächtigungsgrundlage des § 551 Abs 1 Nr 3 RVO gedeckt und daher nicht unwirksam. Die angefochtene Entscheidung beruhe somit auf einer vom BSG abweichenden Rechtsauffassung. Es könne auch zugunsten des Klägers eine Entscheidung in der Sache selbst ergehen. Das LSG habe offensichtlich keine Rechtfertigungsgründe gesehen, seinen Anspruch inhaltlich mit anderer Begründung zurückzuweisen. Insbesondere habe es sich ausdrücklich nicht auf die von Prof. Dr. H. abweichenden Beurteilungen der Dres. L. und H. gestützt. Hätte das LSG die BK Nr 2108 für anwendbar erachtet, hätte es in der Sache stattgeben müssen; denn es habe festgestellt, daß er, der Kläger, an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS leide und als Kernmacher langjährig schwere Lasten gehoben und getragen sowie in extremer Rumpfhaltung gearbeitet habe und daß - unwidersprochen von den anderen Gutachtern - eine konkurrierende Erkrankungsursache nicht bestehe.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 21. Januar 1999, das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 8. Juli 1998 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 1996 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verurteilen, das Vorliegen der BK Nr 2108 der Anl 1 der BKVO anzuerkennen und die "Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule mit chronischem Rückenschmerz und Restlähmungen des rechten Fußes nach Bandscheibenoperation L 4/5, deutlichen Verschleiß der unteren und beginnenden Verschleiß der mittleren Lendenwirbelsäule" als Folgen der BK Nr 2108 der Anl zur BKVO festzustellen,
3. die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente in Höhe von mindestens 20 vH der Vollrente zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 21. Januar 1999 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
II
Die Revision des Klägers ist iS der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Die Vorschrift der Nr 2108 der Anl 1 zur BKVO, auf die der Kläger seinen Anspruch stützt, ist entgegen der Ansicht des LSG rechtlich wirksam. Die Feststellungen im Berufungsurteil reichen nicht aus, um abschließend über den Anspruch des Klägers auf Entschädigung der geltend gemachten bandscheibenbedingten Erkrankung im Bereich der Lendenwirbelsäule als BK zu entscheiden.
Der Anspruch des Klägers richtet sich noch nach den bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften der RVO und der BKVO, da die von ihm geltend gemachte BK vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997 eingetreten ist (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes ≪UVEG≫, § 212 SGB VII).
Nach § 547 RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt des Arbeitsunfalls nach Maßgabe der folgenden Vorschriften Leistungen, insbesondere Verletztenrente. Als Arbeitsunfall gilt gemäß § 551 Abs 1 Satz 1 RVO auch eine BK. BKen sind nach § 551 Abs 1 Satz 2 RVO die Krankheiten, welche die BReg durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Nach Nr 2108 der Anl 1 zur BKVO in der hier anwendbaren Fassung der 2. ÄndVO gehören zu den BKen auch "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können".
Entgegen der Ansicht des LSG ist die Aufnahme dieser BK durch Art 1 Nr 4 der 2. ÄndVO in die Anl 1 der BKVO von der Ermächtigungsgrundlage des § 551 Abs 1 Satz 3 RVO gedeckt und daher nicht unwirksam. Danach wird die BReg ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann BKen sind, wenn sie durch die Arbeit in bestimmten Unternehmen verursacht worden sind. Wie der Senat bereits entschieden hat, hält sich die dem Verordnungsgeber in § 551 Abs 1 Satz 3 RVO erteilte Ermächtigung innerhalb der dem Gesetzgeber durch Art 80 Abs 1 Satz 2 GG gezogenen Grenzen (BSG SozR 2200 § 551 Nr 10; SozR 5677 Nr 8 zu Anl 1 Nr 46). Inhalt, Zweck und Ausmaß der in § 551 Abs 1 Satz 3 RVO enthaltenen Ermächtigung sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mit hinreichender Deutlichkeit bestimmt, wenn das Gesetz die Grenzen der auf seiner Grundlage möglichen Regelung hinreichend deutlich macht (BVerfGE 8, 274, 307; 35, 179, 183; 36, 224, 228). Für den bestimmten Regelungsbereich muß vorhersehbar sein, in welcher Art von Fällen und mit welcher Zielrichtung von der Ermächtigung Gebrauch gemacht werden darf (BVerfGE 1, 14, 60; 19, 354, 361; 24, 1, 19). In der Ermächtigung des § 551 Abs 1 Satz 3 RVO ist dem Verordnungsgeber im einzelnen vorgeschrieben, unter welchen Voraussetzungen er eine Krankheit als BK zu bezeichnen hat. Der Inhalt der Ermächtigung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Ihr Zweck ist es, diejenigen Krankheiten dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung zu unterstellen, die wesentlich durch die versicherte Tätigkeit mitverursacht und daher vom Schutzgedanken der sozialen Unfallversicherung her (vgl dazu BVerfGE 45, 376 f) den Arbeitsunfällen gleichzuerachten sind (BSG SozR 2200 § 551 Nr 10; BSGE 52, 35, 36 = SozR 5677 Nr 5 zu Anl 1 Nr 41). Das Ausmaß der Ermächtigung ist in § 551 Abs 1 Satz 3 RVO ebenfalls ausreichend präzisiert (BVerfGE 26, 16, 30; BSG SozR 2200 § 551 Nr 10). Es beinhaltet einen Beurteilungsspielraum des Verordnungsgebers (... "Die Bundesregierung wird ermächtigt, ..., solche Krankheiten zu bezeichnen, ...") und wird begrenzt durch dessen Verpflichtung, beim Vorliegen der in § 551 Abs 1 Satz 3 RVO aufgeführten Voraussetzungen die Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen (BSG SozR 5677 Nr 8 zu Anl 1 Nr 46).
Der Senat hat dadurch, daß er die Wirksamkeit der Verordnung in mehreren seiner Entscheidungen nicht in Frage gestellt hat, bereits zu erkennen gegeben, daß die BReg nach seiner Auffassung mit der Einführung der BK Nr 2108 der Anl 1 zur BKVO nicht die Grenzen der Ermächtigungsgrundlage des § 551 Abs 1 Satz 3 RVO überschritten hat (BSGE 75, 51, 56 = SozR 3-2200 § 551 Nr 6; BSG SozR 3-5680 Art 2 Nr 1; BSG Urteil vom 18. November 1997 - 2 RU 48/96 - SGb 1999, 39 mit Anm von Ricke; BSG SozR 3-2200 § 551 Nr 11). In seinem Beschluß vom 31. Mai 1996 (SozR 3-5680 Art 2 Nr 1) hat der Senat auch ausgesprochen, daß die Umschreibung bandscheibenbedingter Erkrankungen der Lendenwirbelsäule als BK in Nr 2108 der Anl 1 zur BKVO nicht der rechtsstaatlich gebotenen Bestimmtheit iS des Art 20 Abs 3 GG widerspricht. Schließlich hat der Senat in seinem Urteil vom 23. März 1999 (B 2 U 12/98 R - zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) entschieden, daß die Aufnahme von "bandscheibenbedingten LWS-Erkrankungen" in die Liste der BKen (Nr 2108 Anl 1 zur BKVO) innerhalb des Rahmens der dem Verordnungsgeber erteilten Ermächtigung liegt. Mit dieser Entscheidung hat er das Urteil des LSG vom 5. Februar 1998 (L 6 U 178/97), auf das es sich im vorliegend angefochtenen Urteil bezieht, aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. In diesem Urteil hat der Senat zur Vereinbarkeit der Nr 2108 der Anl 1 zur BKVO mit der Ermächtigungsgrundlage des § 551 Abs 1 Satz 3 RVO folgendes ausgeführt:
"Mit seiner entgegenstehenden Ansicht verkennt das LSG den Umfang des dem Verordnungsgeber bei der Prüfung der Voraussetzungen zur Anerkennung einer Listen-BK zustehenden Beurteilungsspielraums (s dazu BSG SozR 5677 Nr 8 zu Anl 1 Nr 46). Wollte man den Gerichten eine vollständige Überprüfung der einzelnen Kriterien nach § 551 Abs 1 Satz 3 RVO - wie nach § 551 Abs 2 RVO - zubilligen, würde dieser praktisch beseitigt. Demgegenüber hat der Senat bereits klargestellt, daß die Aufnahme oder Nichtaufnahme von Krankheiten in die BK-Liste als Rechtsetzungsakt des Verordnungsgebers nur in begrenztem Rahmen der gerichtlichen Nachprüfung dahingehend unterliegt, ob das Ermessen pflichtgemäß dem Zweck der Ermächtigung entsprechend ausgeübt worden ist (BSG Urteil vom 18. November 1997 - 2 RU 48/96 - SGb 1999, 39 mit Anm von Ricke). Die gerichtliche Überprüfung der Rechtsetzungsakte des Verordnungsgebers kann nicht in gleichem Umfang erfolgen wie die einer Verwaltungsentscheidung gemäß § 551 Abs 2 RVO, auch wenn beide Regelungen inhaltlich miteinander verbunden sind (s dazu BSGE 75, 51, 53 ff = SozR 3-2200 § 551 Nr 6). Denn es ist nicht Aufgabe der Rechtsprechung, darüber zu entscheiden, ob es arbeits- und sozialmedizinisch oder sozialpolitisch vertretbar oder sogar angebracht wäre, bestimmte Krankheiten in die BK-Liste aufzunehmen (BSGE 59, 295, 301 = SozR 2200 § 551 Nr 27; vgl auch Lauterbach/Koch, UV-SGB VII, 4. Aufl, § 9 RdNr 199; Zuleeg, DVBl 1970, 157, 161 f; Badura, Gedächtnisschrift für Wolfgang Martens, 1987, S 25, 27).
Die BReg ist nach § 551 Abs 1 Satz 3 RVO zwar lediglich ermächtigt, solche Krankheiten in der Rechtsverordnung als BK zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Wann die nach diesen Voraussetzungen zur Aufnahme einer Krankheit in die BK-Liste berechtigende BK-Reife vorliegt, unterliegt indes allein der Einschätzung des Verordnungsgebers (BSGE 49, 148, 150 = SozR 5670 Anl 1 Nr 4302 Nr 1), dem trotz der Bindung an Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung ein gewisser Beurteilungsspielraum - das normative Ermessen - zuzubilligen ist (vgl BVerfGE 38, 348, 363; 53, 135, 145; Lauterbach/Koch, aaO § 9 RdNr 195; Badura aaO, S 25, 27; Zuleeg, aaO, 157; Herdegen AöR 114 (1989), 607, 609 f; Koch in Schulin, HS-UV, § 35 RdNr 12). Innerhalb der Grenzen der Ermächtigungsgrundlage hat der Verordnungsgeber mithin einen Regelungs- und Gestaltungsspielraum bezüglich der Entscheidung über die Aufnahme oder Nichtaufnahme einer Krankheit in die BK-Liste oder hinsichtlich der Differenzierung einzelner Tatbestände (vgl Lauterbach/Koch aaO, § 9 RdNr 195; Badura aaO, S 25; Mummenhoff ZIAS 1989, 93, 95 f). Eine Überprüfung der Entscheidungen des Verordnungsgebers und der diesen zugrundeliegenden Erwägungen ist lediglich dahingehend möglich, ob die getroffene Maßnahme den Rahmen der Zweckbindung der gesetzlichen Ermächtigung überschreitet, ob sie etwa schlechterdings ungeeignet ist, diesen Zweck zu erreichen, oder ob sie unverhältnismäßig ist (BVerfGE 45, 142, 162 f; BSGE 44, 90, 92 = SozR 2200 § 551 Nr 9; BSG Beschluß vom 13. Januar 1978 - 8 BU 216/77 - Meso B 10/336; BSG Urteil vom 18. November 1997 - 2 RU 48/96 - SGb 1999, 39; Badura aaO, S 25, 27; Zuleeg, aaO, 162 f).
Krankheiten, die sich ein Versicherter zuzieht, können auf einer Vielzahl von Faktoren beruhen, die nicht allein dem versicherten Bereich entstammen, sondern ihre Ursachen (auch) in der Person des Versicherten oder in den allgemeinen Lebensverhältnissen haben. Die Frage, ob eine Krankheit die Voraussetzungen für das Vorliegen einer BK erfüllt, kann daher nur anhand statistisch relevanter Zahlen für eine Vielzahl von typischen Geschehensabläufen festgestellt werden. Nur durch eine Fülle gleichgelagerter Gesundheitsbeeinträchtigungen und eine langfristige zeitliche Überwachung derartiger Krankheitsbilder kann mit der notwendigen Sicherheit darauf geschlossen werden, daß die Ursache für die Krankheit in einem schädigenden Arbeitsleben liegt (BVerfG SozR 2200 § 551 Nr 11; BSGE 59, 295, 298 mwN = SozR 2200 § 551 Nr 27). Insoweit weist das LSG zu Recht darauf hin, daß für die Annahme einer generellen Geeignetheit bestimmter Einwirkungen (hier: langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung) für die Verursachung einer bestimmten Erkrankung (hier: bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule) grundsätzlich eine Gruppentypik bestehen (BSGE 52, 272, 275 = SozR 2200 § 551 Nr 20), eine Erkrankung also in einer bestimmten Personengruppe im Rahmen der versicherten Tätigkeit häufiger auftreten muß als bei der übrigen Bevölkerung (BSGE 59, 295, 298 = SozR aaO).
Ob eine bestimmte berufliche Exposition generell geeignet ist, bestimmte Erkrankungen zu verursachen, muß nach der Rechtsprechung des Senats in der medizinischen Wissenschaft allgemein anerkannt, dh durch die herrschende Auffassung der Fachwissenschaftler hinreichend gefestigt sein; vereinzelte Meinungen - auch von Sachverständigen - reichen grundsätzlich nicht aus (BSG Urteil vom 31. Januar 1984 - 2 RU 67/82 - in HVBG RdSchr VB 53/84; BSG Urteil vom 21. Januar 1997 - 2 RU 7/96 - in HVBG-Info 1997, 1105; BSG Urteil vom 27. Mai 1997 - 2 RU 33/96 - in HVBG-Info 1997, 2107). Hier können neben statistisch-epidemiologischen Studien auch andere Erkenntnisquellen wie Einzelfallstudien, Erkenntnisse und Anerkennungen in der ehemaligen DDR sowie nach § 551 Abs 2 RVO in der Bundesrepublik Deutschland ausgesprochene Anerkennungen (vgl BSGE 79, 250, 252 = SozR 3-2200 § 551 Nr 9; BSG Beschluß vom 27. Mai 1997 - 2 BU 43/97 - in HVBG-Info 1997, 2013), also allgemeine Erkenntnisse durch Forschung und praktische Erfahrungen (BSG Urteil vom 21. Januar 1997 - 2 RU 7/96 - aaO) eine Rolle spielen (s auch Lauterbach/Koch, UV-SGB VII, 4. Aufl, § 9 RdNr 189 f). Allerdings betreffen diese Ausführungen des BSG allesamt Entscheidungen zu § 551 Abs 2 RVO, beziehen sich mithin auf Verwaltungsentscheidungen der Unfallversicherungsträger und können so den Beurteilungsspielraum des Verordnungsgebers iS des § 551 Abs 1 Satz 3 RVO nicht berücksichtigen. Dies trifft auch auf die vom LSG zur Stützung seiner Ansicht angeführte Begründung zum UVEG zu (BT-Drucks 13/2204, S 77 f zu § 9 Abs 2).
Die davon zu unterscheidende Entscheidung des Verordnungsgebers über die BK-Reife setzt naturgemäß zwingend die Bewertung medizinischer Meinungen voraus ("Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft"). Mit wissenschaftlichen Methoden und Überlegungen muß zu begründen sein, daß bestimmte Einwirkungen die generelle Eignung besitzen, eine bestimmte Krankheit zu verursachen (BSG Urteil vom 21. Januar 1997 - 2 RU 7/96 - aaO). Auf dieser Grundlage steht dem Verordnungsgeber grundsätzlich das Recht zu, sich neuesten oder einem kleineren Teil wissenschaftlicher Untersuchungen anzuschließen, auch wenn sich die überwiegende Zahl der Fachwissenschaftler noch nicht von ihrer Richtigkeit hat überzeugen können (vgl Rottmann, Zurechnungsprobleme im Berufskrankheitenrecht, 1995, S 21 mwN; Lauterbach/Koch, aaO, § 9 RdNr 193; ders in Schulin HS-UV § 35 RdNr 14; Verron SGb 1992, 585, 591). Zwar hat der 5. Senat des BSG mit Urteil vom 3. Oktober 1957 (BSGE 6, 29, 35) zur Aufnahme von Krankheiten in die BK-Liste ausgeführt, diese erfolge vorsichtig und stets erst dann, wenn der zu fordernde Zusammenhang von der Wissenschaft als gesichert, wenn nicht gar als unbestritten anerkannt worden sei. Dieses Idealbild der BK-Reife hat der 5. Senat indes lediglich als Grundsatz zur Auslegung der damals streitigen Listen-BK herangezogen und dabei den Beurteilungsspielraum des Verordnungsgebers nicht berücksichtigt. Dieser ist jedoch innerhalb der Grenzen seines Ermessensspielraums frei in der Entscheidung, ab welcher Schwelle er bei der Beurteilung medizinischer Streitfragen auch einer ernstzunehmenden medizinischen Mindermeinung noch Gewicht beimißt oder nicht (vgl Mummenhoff, ZIAS 1989, 93, 95 f und 101 mwN). Im Rahmen des Systems der BKen kann erst dann nicht mehr von einem wissenschaftlich gesicherten Ursachenzusammenhang ausgegangen werden, wenn sich aus der Wissenschaft nicht einmal mehr deutliche Hinweise auf entsprechende Zusammenhänge herleiten lassen (vgl Verron SGb 1992, 585, 591).
Der Gesetzgeber mußte sich bei der Regelung des § 551 Abs 1 Satz 3 RVO wegen der Schwierigkeiten, bei zunehmender multifaktorieller Gefährdung aus Arbeit, Umwelt und der privaten Sphäre eine dem Kausalitätserfordernis entsprechende BK-Regelung zu treffen, auf unbestimmte Rechtsbegriffe beschränken und hat so das Schwergewicht der Rechtsetzung auf den Verordnungsgeber verlagert (Lauterbach/Koch aaO, § 9 RdNr 192; Rottmann aaO, S 18). Da es keinen einheitlichen Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft gibt, dieser vielmehr durch Meinungsvielfalt und kontroverse Diskussion bis hin zum dogmatischen Schulenstreit gekennzeichnet ist (vgl Kriele NJW 1976, 355, 356; Lauterbach/Koch aaO, § 9 RdNr 192 mwN), ist der Verordnungsgeber - anders als die Verwaltung im Rahmen des § 551 Abs 2 RVO - ermächtigt, die sozialpolitische Notwendigkeit gesteigerten Schutzes gegen betriebliche Risiken mitzuberücksichtigen (vgl Koch in Schulin aaO, § 35 RdNr 14 mwN). Hieraus resultiert zwar keine "beliebige politische Willensentscheidung nach Nützlichkeit oder sozialer Wünschbarkeit" (vgl Thomas ASP 1991, 181, 183), jedoch bleibt dem Verordnungsgeber in den Grenzen des Willkürverbotes genügend Gestaltungsfreiraum, um die gesamte sozialpolitische Grundkonzeption bei der Festlegung der Aufnahmeschwelle für neue Berufskrankheiten berücksichtigen zu können (Koch in Schulin aaO, § 35 RdNr 14 unter Hinweis auf Watermann BG 1958, 283, 284).
Um die vorliegenden Erkenntnisse zu beurteilen, bedient sich der Verordnungsgeber des Rates von Medizinern, die in der Arbeitsmedizin besonders erfahren sind. Seit dem Jahre 1991 obliegt diese Aufgabe dem Ärztlichen Sachverständigenbeirat, Sektion "Berufskrankheiten", beim BMA, dessen Aufgabe die medizinisch wissenschaftliche Beratung des Verordnungsgebers ist (BSGE 59, 295, 300 = SozR 2200 § 551 Nr 27; BSG Urteil vom 21. Januar 1997 - 2 RU 7/96 - in HVBG-Info 1997, 1105). Dieser hat der BReg im Februar 1992 empfohlen, die BKVO ua entsprechend der späteren Nr 2108 zu erweitern (vgl HVBG RdSchr vom 17. Februar 1992 - VB 20/92). Grundlage dieser Empfehlung war das in verschiedenen Publikationen von Dr. B. bibliographierte und ausgewertete medizinische Schrifttum (Weber, Die literarische Basis der zweiten Erweiterung der BKVO mit Einführung der Berufskrankheiten 2108, 2109 und 2110, in Weber/Valentin, Begutachtung der neuen Berufskrankheiten der Wirbelsäule, 1995, S 101). Dieser hat umfangreiche epidemiologische Studien aus dem In- und Ausland für verschiedenste Berufsgruppen (zB Transportarbeiter, Bauarbeiter, Bergleute, Landwirte, Fischer, Waldarbeiter, Metallarbeiter und Pflegeberufe) dargestellt und entsprechend deren Ergebnissen einen Zusammenhang zwischen Heben oder Tragen schwerer Lasten und degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen abgeleitet (Bolm-Audorff, Berufskrankheiten der Wirbelsäule durch Heben oder Tragen schwerer Lasten in Konietzko/Dupuis, Handbuch der Arbeitsmedizin, Kap IV-7.8.3. 10. Ergänzungslieferung 1993, S 3 ff, 18). Danach lag eine Vielzahl epidemiologischer Studien vor, die in Berufsgruppen, die einer erheblichen Belastung der Wirbelsäule durch Heben oder Tragen ausgesetzt sind, eine statistisch signifikant höhere Beschwerde- oder Krankheitshäufigkeit im Bereich der Hals- oder Lendenwirbelsäule nachwiesen als in den Kontrollgruppen. Der Nachweis des erhöhten Risikos der belasteten Berufsgruppen in bezug auf Wirbelsäulenbeschwerden und degenerative Wirbelsäulenerkrankungen erfolgte in Querschnittstudien, Fallkontrollstudien und in prospektiven Studien. Nach mehreren Studien wurden in den belasteten Berufsgruppen statistisch signifikant häufiger röntgenologische Hinweise für degenerative Wirbelsäulenveränderungen wie Osteochondrose, Spondylose oder Höhenabnahmen der Bandscheiben festgestellt. Auch eine Dosis-Wirkung-Beziehung zwischen der Höhe der beruflichen Belastungen der Wirbelsäule durch Heben oder Tragen und der Häufigkeit von Wirbelsäulenbeschwerden und -erkrankungen wurde belegt (vgl auch Brandenburg, MedSach 94 ≪1998≫, 111). Aufgrund dieser Erkenntnisse kommt Dr. B. zu dem Schluß, auch unter Berücksichtigung anderer Risikofaktoren für die Entstehung von Wirbelsäulenerkrankungen bestehe kein Zweifel daran, daß langjährige berufliche Belastungen durch schweres Heben oder Tragen eine Ursache von degenerativen Erkrankungen der Wirbelsäule sein könnten. Diesen wissenschaftlich-methodisch belegten Ausführungen hat sich die BReg nach Empfehlung durch den Ärztlichen Sachverständigenbeirat angeschlossen (BR-Drucks 773/92, S 4). Offensichtlich haben diese wissenschaftlichen Darlegungen dem Verordnungsgeber zusammen mit der Empfehlung des Sachverständigenbeirates genügt, um von einer generellen Geeignetheit langjährigen Hebens oder Tragens schwerer Lasten oder langjähriger Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung für die Verursachung bzw zumindest die wesentliche Mitverursachung bandscheibenbedingter Erkrankungen der Lendenwirbelsäule auszugehen. Dabei hat der Verordnungsgeber eine signifikante Erhöhung des Risikos der belasteten Personengruppen als ausreichend iS einer erheblichen Erhöhung der Gefährdung angesehen (vgl insgesamt BR-Drucks 773/92, zu Art 1 Nr 4, S 7 ff).
Diese Bewertung der vorliegenden deutlichen Belege für einen Zusammenhang zwischen beruflicher Exposition und Krankheitsverursachung durch den Verordnungsgeber bewegt sich noch innerhalb des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums. Sie kann und darf nicht durch eine wertende richterliche Einschätzung ersetzt werden.
Die These des LSG, eine erheblich höhere Gefährdung bezogen auf das allgemeine Auftreten der Krankheit könne vom Verordnungsgeber iS von § 551 Abs 1 Satz 3 RVO erst dann angenommen werden, wenn sich das Erkrankungsrisiko innerhalb der exponierten Berufsgruppe im Vergleich zur übrigen Bevölkerung mehr als verdoppelt habe, ergibt sich weder aus dem Gesetz noch aus Sinn und Zweck dieser Regelung. Der Senat hat diese Frage im Rahmen der Auslegung des § 551 Abs 2 RVO bisher ausdrücklich offengelassen (Urteil vom 27. Mai 1997 - 2 RU 33/96 - in HVBG-Info 1997, 2107). Es wäre jedoch nicht verständlich, aus welchem Grunde der Gesetzgeber den Umfang der Erhöhung des Erkrankungsrisikos ausdrücklich mit "in erheblich höherem Grade" umschrieben hat, wenn er eine - klar ausdrückbare - Verdoppelung gemeint haben soll. Für eine derartige Absicht finden sich keine Anhaltspunkte. Wesentliches Merkmal der Ermächtigungsgrundlage des § 551 Abs 1 Satz 1 RVO ist vielmehr die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe. Hierdurch wird der Beurteilungsspielraum des Verordnungsgebers erweitert, um ihn in die Lage zu versetzen, die oft streitigen medizinischen Meinungen überhaupt bewerten zu können (Koch in Schulin HS-UV § 35 RdNr 14; Lauterbach/Koch, UV-SGB VII, 4. Aufl, § 9 RdNrn 192 f; Zuleeg DVBl 1970, 157, 163). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Begründung des Verordnungsgebers zur Erweiterung der Nr 4104 der Anl 1 zur BKVO bezüglich der Einführung der Asbestfaserjahre als Maßstab für die Anerkennung von Lungenkrebs als BK durch die 2. ÄndVO. Wenn hier insoweit zu der 3. Alternative der BK 4104 auf eine Verdoppelung der Todesrate der exponierten Beschäftigten abgestellt wird (vgl BR-Drucks 773/92 zu Art 1 Nr 5, S 13), so ist daraus lediglich zu entnehmen, daß der Verordnungsgeber für diese BK die Gruppentypik bei Risikoverdoppelung als erfüllt bewertet hat. Daraus kann indes weder auf eine entsprechende Absicht des Gesetzgebers noch darauf geschlossen werden, daß der Verordnungsgeber für jede BK von dem Erfordernis einer Risikoverdoppelung ausgeht. Die Voraussetzung einer höheren Gefährdung bestimmter Personengruppen bezieht sich auch entgegen der Ansicht der Revision auf das allgemeine Auftreten der Krankheit, nicht dagegen auf ihre Verursachung durch die gefährdende Tätigkeit (vgl BSGE 59, 295, 298 = SozR 2200 § 551 Nr 27).
Auch die den Zusammenhang beruflicher Belastungen durch Heben oder Tragen schwerer Lasten mit der Entwicklung von bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule ablehnenden Autoren (s Auflistung bei Bolm-Audorff aaO) und das vom LSG angenommene Fehlen einer herrschenden Meinung der medizinischen Wissenschaft ändern nichts daran, daß der Verordnungsgeber hier sein normatives Ermessen in zulässiger Weise ausgeübt hat. Die fachwissenschaftliche Kritik an den von Dr. B. genannten Studien und Aussagen (vgl Weber, Die literarische Basis der zweiten Erweiterung der BKVO mit Einführung der Berufskrankheiten 2108, 2109 und 2110 in Weber/Valentin, Begutachtung der neuen Berufskrankheiten der Wirbelsäule, 1997, S 101 ff), mag sie medizinisch-wissenschaftlich berechtigt sein oder nicht, bezieht sich jedenfalls ausschließlich auf eine Fehl- bzw Überinterpretation der Ergebnisse der einzelnen Studien. Ein wissenschaftlicher Nachweis dafür, daß ein genereller Zusammenhang zwischen bestimmten beruflichen Expositionen und der Verursachung von Lendenwirbelsäulenerkrankungen nicht besteht, fehlt jedoch. Auch das LSG gelangt nach seiner Beweisaufnahme lediglich zu der Feststellung, es sei biologisch plausibel, daß mechanische Einwirkungen die Bandscheiben schädigen könnten. Damit hält sich die BK Nr 2108 aber nach den oben dargelegten Grundsätzen noch im Rahmen der Zweckbindung der Ermächtigungsnorm und ist nicht willkürlich.
Die Kriterien der Nr 2108 der Anl 1 zur BKVO stellen nach der Natur der Sache des hier in Frage stehenden Lebens- und Sachbereichs geeignete und angemessene Differenzierungsmerkmale dar, um wesentlich beruflich verursachte von nicht wesentlich beruflich verursachten Lendenwirbelsäulenerkrankungen zu unterscheiden. Dies wird vor allem daran deutlich, daß der Verordnungsgeber entsprechende bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule nur dann als entschädigungsfähige BKen eingestuft hat, wenn diese "zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können." Dem Verordnungsgeber ist es im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage insoweit unbenommen, für den Versicherungsfall der BK ein Krankheitsbild durch weitere Voraussetzungen zu ergänzen, wenn er durch diese die BKen von nicht dem Schutz der Unfallversicherung zu unterstellenden Allgemeinerkrankungen abgrenzt (BSG SozR 2200 § 551 Nr 10). Diesen Voraussetzungen entspricht die Nr 2108 der Anl 1 zur BKVO. Die Aufgabe bzw das Unterlassen der schädigenden Tätigkeit als eine Voraussetzung eines Entschädigungsanspruchs hat die Funktion eines typisierten Kausalitätsanzeichens, aufgrund dessen die nicht für entschädigungswürdig gehaltenen leichten Fälle dieser Krankheit, die häufig nicht ihre Ursache in der versicherten Tätigkeit finden, abgegrenzt werden sollen. Der weitere Zweck derartiger Tatbestandsmerkmale ist präventiv; damit soll eine Verschlimmerung der Erkrankung mit der Folge einer erhöhten Entschädigungspflicht verhindert werden (vgl BSG SozR 2200 § 551 Nr 10; BSG SozR 5677 Nrn 8 und 11 zu Anl 1 Nr 46). Die Formulierung der BK Nr 2108 stellt somit die übliche differenzierende Umschreibung der bisher vorliegenden spezifischen Erkenntnisse dar (vgl Darstellung bei Mummenhoff ZIAS 1989, 93, 96).
Eine weitere arbeitstechnische und medizinische Konkretisierung ergibt sich aus den Materialien (BR-Drucks 773/92 zu Art 1 Nr 4, S 7 ff) und aus dem vom BMA herausgegebenen Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zu Nr 2108 (BArbBl 3/1993, 50 - 53). Die darüber hinaus bestehenden teilweise erheblichen Zweifelsfragen sind über die vom Verordnungsgeber bejahte generelle Geeignetheit hinaus im Wege der Einzelfallentscheidung auszuräumen (BR-Drucks aaO S 4; so auch BSG Urteil vom 18. November 1997 - 2 RU 48/96 - SGb 1999, 39). Der Senat hat insoweit bereits entschieden, daß die Regelung der Nr 2108 der Anl 1 zur BKVO sich allgemeinen Auslegungsgrundsätzen erschließt und daß diese Auslegungsbedürftigkeit der Regelung noch nicht die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit nimmt (BSG SozR 3-5680 Art 2 Nr 1 mwN). Die Komplexität vieler Krankheitsbilder und ihrer Ursachen erschweren es zwar den Unfallversicherungsträgern und Gerichten, die vom Verordnungsgeber auferlegten Probleme immer eindeutig zu beantworten; je weniger konkret und präzise der Verordnungsgeber Entschädigungstatbestände erfaßt, um so schwieriger ist die Aufgabe, eine Einzelfallentscheidung zu treffen. Andererseits gibt es bereits andere BKen mit ähnlich weit gefaßten unbestimmten Rechtsbegriffen, wie etwa die Meniskusschäden nach Nr 2102 der Anl 1 zur BKVO. Die in diesen Bereichen gewonnenen Erfahrungen zeigen, daß nach einer gewissen Zeitspanne mit einer ausreichend sicheren, rechtsstaatlichen Anforderungen noch genügenden Anwendung auch bei der BK Nr 2108 zu rechnen ist (BSG SozR aaO). Dies gilt auch vor dem Hintergrund, daß Lendenwirbelsäulenerkrankungen als allgemeine Verschleißkrankheiten im Einzelfall häufig schwierig als wesentlich beruflich verursacht nachzuweisen sein werden (s auch Verron SGb 1992, 585, 589; Mehrhoff MedSach 90 ≪1994≫, 151, 155; Erlenkämper BG 1996, 846 ff).
Die BReg hat bei der ihr gemäß Art 30 Abs 6 des Einigungsvertrages obliegenden Prüfungsverpflichtung, inwieweit die bis zum 31. Dezember 1991 in den neuen Bundesländern geltenden Regelungen über BKen berücksichtigt werden können, in zulässiger Weise sozialpolitische Gesichtspunkte mitberücksichtigt. Jede Entscheidung über die Aufnahme einer Krankheit in die BK-Liste enthält immer auch eine sozialpolitische Komponente (Meinecke MedSach 90 ≪1994≫, 148; Mummenhoff ZIAS 1989, 93, 96; Mehrhoff MedSach 90 ≪1994≫, 151, 155). Allerdings wäre eine ausschließlich politisch motivierte Übernahme der BK Nr 70 der BK-Liste der ehemaligen DDR (Verschleißerkrankungen der Wirbelsäule) nicht vom Beurteilungsspielraum des Verordnungsgebers gedeckt; dies war indes nach den obigen Ausführungen auch nicht der Fall. Tatsächlich ist die wissenschaftliche Diskussion über schädigende Einwirkungen beruflicher Tätigkeiten auf die Wirbelsäule und die Verursachung entsprechender Erkrankungen bereits seit über 40 Jahren bekannt (vgl die Aufzählung bei Meinecke MedSach 90 ≪1994≫, 148; Bolm-Audorff, Berufskrankheiten der Wirbelsäule durch Heben oder Tragen schwerer Lasten, in Konietzko/Dupuis, Handbuch der Arbeitsmedizin, Kap IV-7.8.3., 10. Ergänzungslieferung 1993, S 19). Die BReg hat aus Gründen der Rechtssicherheit für die durch Berichte in den Medien zusehends verunsicherte Bevölkerung und auch für die Unfallversicherungsträger ein unabweisbares Bedürfnis für die Anerkennung der berufsbedingten Lendenwirbelsäulenerkrankungen als BKen gesehen (BR-Drucks 773/92, S 5). Dabei ist dem Verordnungsgeber wohl auch bewußt gewesen, daß insoweit noch wesentliche Fragen umstritten waren, denn "wichtige Fragen zur Definition der Krankheiten, aber auch drängende Zweifelsfragen hinsichtlich der Anerkennung von Versicherungsfällen, die schon vor Inkrafttreten der Verordnung eingetreten sind," sollten "verbindlich entschieden werden. Aus diesem Grund ist darauf verzichtet worden, vorliegenden Anregungen zur Änderung oder Ergänzung des Wortlauts der BKVO ... nachzukommen" (BR-Drucks aaO S 5). Dieser sozialpolitische Wille zu möglichst schnellem Handeln unter bewußter Inkaufnahme der Auslegungsbedürftigkeit der Regelung entspricht noch der Zweckbindung der Ermächtigungsgrundlage (vgl BSG SozR 3-5680 Art 2 Nr 1).
Im Rahmen der sozialpolitischen Erwägungen war auch zu berücksichtigen, daß bereits in anderen Industrieländern vergleichbare Entschädigungsregelungen bestehen, nach denen degenerative Wirbelsäulenerkrankungen durch schweres Heben oder Tragen als BK anerkannt werden können, auch wenn dies nicht auf der Grundlage einer "Listenkrankheit" geschieht (s Darstellung bei Bolm-Audorff aaO). Schließlich ist der Gestaltungsfreiraum des Normgebers bei der Gewährung von Begünstigungen auch weiter zu ziehen als bei Belastungen.
Letztlich ist es auch Aufgabe des Verordnungsgebers, nach einer gewissen Erfahrungszeit zu prüfen, ob nach den gesamten Erkenntnissen eine weitere Konkretisierung, Einschränkung, Ausweitung oder Klarstellung der Fassung der BK Nr 2108 notwendig ist oder angezeigt erscheint (BSG SozR 3-5680 Art 2 Nr 1). Offensichtlich hat die BReg nach der internen Beratung des Sachverständigenbeirates vom 25. März 1998 hierzu bisher jedenfalls noch keine Veranlassung gesehen."
Der Senat sieht keinen Anlaß, im vorliegenden Verfahren von der oben dargestellten Auffassung insgesamt oder in einzelnen Punkten abzuweichen. Im Kern stützt sich das angefochtene Urteil des LSG - wie dessen Urteil vom 5. Februar 1998 (L 6 U 178/97 - Breithaupt 1998, 894) - auf drei vom Senat nicht geteilte grundlegende Rechtsauffassungen, nämlich, daß eine Aufnahme der BK Nr 2108 in die Anl 1 zur BKVO nur bei Vorliegen einer dies bejahenden hinreichend gefestigten medizinischen Auffassung zulässig sei, daß die Gerichte ermächtigt seien, dies zu prüfen und daß dem Verordnungsgeber ein Beurteilungsspielraum nicht zustehe. Demgegenüber hat der Senat in seinem Urteil vom 23. März 1999 entschieden, daß dem Verordnungsgeber grundsätzlich das Recht zusteht, sich neuester oder einem kleineren Teil wissenschaftlicher Untersuchungen anzuschließen, auch wenn sich die überwiegende Zahl der Fachwissenschaftler noch nicht von ihrer Richtigkeit hat überzeugen können, daß ferner die Gerichte nicht ermächtigt sind, die einzelnen Kriterien nach § 551 Abs 1 Satz 3 RVO vollständig zu überprüfen, und daß schließlich dem Verordnungsgeber bei der Prüfung der Voraussetzungen zur Anerkennung einer Listen-BK ein Beurteilungsspielraum zusteht. Auch soweit in den Entscheidungsgründen des hier angefochtenen Urteils Ausführungen enthalten sind, die das damals angefochtene Urteil des LSG vom 5. Februar 1998 nicht enthielt, handelt es sich im wesentlichen um Argumente, die auf den genannten, vom Senat für rechtlich unzutreffend gehaltenen Grundlagen für die Auffassung des LSG basieren. Ist damit jedoch diesen Argumenten die Grundlage genommen worden, bedarf es keines weiteren Eingehens auf diese.
Da nach alledem Nr 2108 der Anl 1 zur BKVO wirksam ist, fehlt es vorliegend an der entscheidungserheblichen Feststellung des LSG, ob zwischen der langjährigen wirbelsäulengefährdenden Tätigkeit des Klägers und der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule ein Kausalzusammenhang besteht und welchen Grad der MdE diese Erkrankung ggf bedingt. Das LSG hat hierzu, von seinem Standpunkt aus zu Recht, keine Feststellungen getroffen. Daraus kann jedoch nicht - wie die Revision meint - geschlossen werden, das LSG habe keine Rechtfertigungsgründe gesehen, den Anspruch des Klägers inhaltlich mit anderer Begründung zurückzuweisen. Selbst wenn dies aber der Fall wäre, könnte darin nicht eine für den Senat bindende Feststellung (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) gesehen werden, daß der Kläger sämtliche Merkmale der BK Nr 2108 erfüllt habe, was Voraussetzung für den Senat wäre, in der Sache endgültig zu entscheiden. Daher sind nunmehr die erforderlichen Feststellungen vom LSG nachzuholen.
Das angefochtene Urteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG), das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden hat.
Fundstellen