Beteiligte
Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 22. Oktober 1996 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Altersrente. Streitig ist insbesondere, ob der Kläger die Widerspruchsfrist gegen den Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 1994 gewahrt hat.
Den Altersrentenantrag des aus Kroatien stammenden und dort lebenden Klägers vom März 1993 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11. Februar 1994 ab, weil der Kläger die Wartezeit von 60 Monaten für eine Rente aus der deutschen Rentenversicherung nicht erfülle. Der dem Kläger laut Rückschein am 21. Februar 1994 zugestellte Bescheid enthält die Rechtsbehelfsbelehrung:
„Gegen diesen Bescheid können Sie innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe (Zustellung) Widerspruch erheben. Der Widerspruch ist schriftlich mit einfachem Brief bei der LVA … … einzureichen. Für Eilbriefe oder Einschreibebriefe verwenden sie bitte folgende Anschrift: LVA … …. Sie können diese Stelle auch aufsuchen und Ihren Widerspruch schriftlich aufnehmen lassen.”
Mit Schreiben vom 15. März 1994, bei der Beklagten eingegangen am 5. April 1994, legte der Kläger Widerspruch gegen den Rentenbescheid ein. Nachdem die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 19. April 1994 auf den Ablauf der Widerspruchsfrist am 21. März 1994 und die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hingewiesen hatte, trug dieser mit Schreiben vom 11. Mai 1994 vor, von Januar bis April 1994 infolge eines Rippenbruchs und einer Verrenkung der rechten Schulter anläßlich eines Unfalls in seiner Bewegung behindert gewesen zu sein; ein entsprechendes ärztliches Attest legte er vor. Durch Widerspruchsbescheid vom 10. August 1994 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unzulässig zurück, weil die Widerspruchsfrist versäumt sei; Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 21. April 1995 als unbegründet abgewiesen, weil der Kläger die Widerspruchsfrist versäumt habe und wegen der Folgen seiner Rippenfraktur nicht daran gehindert gewesen sei, rechtzeitig Widerspruch zu erheben. Auf die Berufung des Klägers hat das LSG das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Streitsache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückverwiesen (Urteil vom 22. Oktober 1996). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Frist zur Erhebung des Widerspruchs gegen den streitigen Bescheid vom 11. Februar 1994 sei nicht versäumt. Zwar sei der Widerspruch während der Monatsfrist des § 84 Abs 1 SGG nicht bei der Beklagten eingegangen und die Dreimonatsfrist des § 87 Abs 1 Satz 2 SGG bei Auslandszustellungen für die Erhebung der Klage könne nicht analog auf die Widerspruchsfrist angewandt werden. Die dem Kläger im angefochtenen Bescheid erteilte Rechtsmittelbelehrung sei jedoch hinsichtlich der Verwaltungsstellen, bei denen der Rechtsbehelf angebracht werden könne, unvollständig. Deshalb habe der Kläger gemäß § 66 Abs 2 SGG innerhalb eines Jahres seit Zustellung des Bescheides vom 11. Februar 1994 Widerspruch erheben können. „Verwaltungsstelle” iS des § 66 Abs 1 SGG sei nach richtigem Verständnis des Art 33 Abs 1 des Deutsch-Jugoslawischen Abkommens über soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 (DJSVA) aber auch die jugoslawische bzw kroatische Stelle, die bei Versagung einer entsprechenden Leistung nach jugoslawischem/kroatischem Recht anzurufen wäre, weil diese am ehesten der Gewährleistung gerichtlichen Rechtsschutzes gegen Handlungen öffentlicher Gewalt gemäß Art 19 Abs 4 GG entspreche. Bei Einlegung des Widerspruchs bei einer der im Abkommen genannten jugoslawischen/kroatischen Stellen gelte nicht nur die Frist zur Erhebung des Widerspruchs als gewahrt, sondern der gestellte Antrag gelte als bei dem zuständigen Träger gestellt. Daher handele es sich bei den genannten Stellen nicht um sog „Auch-Stellen” iS des § 91 Abs 1 SGG bzw § 84 Abs 2 SGG. Die insofern anders lautende höchstrichterliche Rechtsprechung (BSG Urteil vom 10. Dezember 1975 – 8 RU 46/74 – SozR 1500 § 66 Nr 2; Urteil vom 11. August 1976 – 10 RV 225/75 – SozR 1500 § 84 Nr 1) stehe der vertretenen Rechtsansicht nicht entgegen.
Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung formellen Bundesrechts, insbesondere der §§ 66 Abs 1, 84 Abs 2 und 91 Abs 1 SGG, und trägt vor: Bei den sog „Auch-Stellen” iS des Urteils des BSG vom 10. Dezember 1975 – 8 RU 46/74 – (SozR 1500 § 66 Nr 2) handele es sich nicht nur um deutsche, sondern auch um ausländische Stellen. Zu belehren sei aber nur über den „Regelweg”, wie in § 66 Abs 1 SGG iVm § 84 Abs 1 SGG vorgeschrieben. Auf von diesem Regelweg abweichende Möglichkeiten müsse nicht hingewiesen werden. Durch Art 33 Abs 1 Sätze 1 und 2 DJSVA werde keine umfassende Gleichstellung der deutschen und jugoslawischen/kroatischen Sozialversicherungsträger bewirkt. Der Kreis der deutschen Leistungsträger, wie er sich auch aus § 16 und §§ 18 ff SGB I ergebe, werde hierdurch nicht erweitert. Gewahrt würden nur Fristen bei der Einlegung des Rechtsbehelfs bei einer entsprechenden jugoslawischen/kroatischen Stelle. Damit seien die zuständigen jugoslawischen/kroatischen Stellen nicht anders zu bewerten als die deutschen „Auch-Stellen”. Im übrigen gewähre die Beklagte bei Aufgabe eines Rechtsmittels innerhalb der Frist bei der Post, die nach den im ehemaligen Jugoslawien geltenden Rechtsvorschriften ausreiche, regelmäßig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zudem sei in Kroatien der Rentenversicherungsträger in eine Direktion und 23 Filialen gegliedert. Für die Beklagte würde es einen immensen Verwaltungsaufwand bedeuten, müßte sie für jeden Betroffenen die für ihn zuständige Stelle ermitteln und in der Rechtsbehelfsbelehrung nennen. Die andere Möglichkeit, alle Filialen zu benennen, würde gegen den Grundsatz verstoßen, daß Rechtsbehelfe so einfach und klar wie möglich zu halten seien.
Auch innerhalb der Mitgliedstaaten der EG werde in der Rechtsbehelfsbelehrung nur auf die jeweilige inländische Stelle hingewiesen, bei der der Rechtsbehelf einzulegen sei. Grund dafür sei die bereits angeführte Schwierigkeit für die deutschen Versicherungsträger, die entsprechenden Stellen anderer Mitgliedstaaten zu ermitteln und zu benennen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 22. Oktober 1996 aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die zulässige Revision ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, daß der Kläger die Frist zur Erhebung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 1994 nicht versäumt hat.
Bei seiner Entscheidung konnte der Senat dahinstehen lassen, ob der Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt gemäß § 84 Abs 1 SGG immer binnen eines Monats nach seiner Bekanntgabe einzulegen ist, oder ob bei einer Bekanntgabe außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes die Widerspruchsfrist analog § 87 Abs 1 Satz 2 SGG drei Monate beträgt (zum Meinungsstand vgl: Meyer-Ladewig, SGG-Komm, 5. Aufl 1993, RdNr 4 zu § 84). Denn gemäß § 66 Abs 2 Satz 1 SGG konnte der Kläger innerhalb eines Jahres nach Zustellung des Altersrentenbescheids vom 11. Februar 1994 Widerspruch einlegen, weil die ihm im angefochtenen Bescheid erteilte Rechtsbehelfsbelehrung „unrichtig” ist; sie belehrt nicht über „die Verwaltungsstelle” iS des § 66 Abs 1 SGG, bei der der Rechtsbehelf anzubringen war. Dem Kläger ist der angefochtene Bescheid zugestellt worden, § 4 Abs 1 VwZG. Denn bei Zustellung durch die Post mittels eingeschriebenen Briefes gilt dieser mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, daß das zuzustellende Schriftstück nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Vorliegend ist der Zugang durch den Poststempel am Wohnort des Klägers mit dem 21. Februar 1994 nachgewiesen.
Hinsichtlich der Verwaltungsstelle, bei der der Rechtsbehelf anzubringen ist (§ 66 Abs 1 SGG, § 36 SGB X) ist die gegebene Belehrung deshalb nicht richtig, weil sie nicht vollständig ist. Die Belehrung muß nämlich vollständig und richtig sein, um die Frist in Lauf zu setzen (vgl Meyer-Ladewig, SGG-Komm, 5. Aufl 1993, RdNr 5 zu § 66). Gemäß § 84 Abs 1 ist der Widerspruch grundsätzlich bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Gemäß Art 33 Abs 1 Sätze 1 und 2 DJSVA konnte der Rechtsbehelf aber auch bei einer Stelle im anderen Vertragsstaat (Kroatien) eingelegt werden, die für die Annahme eines Antrags auf eine entsprechende Leistung nach den für sie geltenden Rechtsvorschriften zugelassen ist. Das bedeutet, daß der Kläger berechtigt war, den Widerspruch gegen den Bescheid vom 11. Februar 1994 auch bei dem für ihn zuständigen Rentenversicherungsträger in Kroatien anzubringen. Über diese Möglichkeit ist er im angefochtenen Bescheid nicht belehrt worden. Dieses Unterlassen hat die Eröffnung der Jahresfrist des § 66 Abs 2 Satz 1 SGG zur Folge.
Zu Recht ist das LSG davon ausgegangen, daß „die Verwaltungsstelle” iS des § 66 Abs 1 SGG nicht nur eine bestimmte oder gar nur eine deutsche Stelle sein kann, die in die Rechtsbehelfsbelehrung aufzunehmen ist. Unbestritten ist vielmehr, daß – wenn mehrere Möglichkeiten bestehen, den Rechtsbehelf einzulegen – alle Stellen angegeben werden müssen (Meyer-Ladewig, SGG-Komm, 5. Aufl 1993, RdNr 7 zu § 66 mwN).
Daß ein kroatischer Rentenbewerber mehrere Möglichkeiten hat, einen Rechtsbehelf gegen einen ablehnenden Bescheid einzulegen, ergibt sich unmittelbar aus Art 33 Abs 1 DJSVA. Danach ist nämlich geregelt, daß
- die für die Annahme eines Antrags auf Sozialleistungen im anderen Vertragsstaat zuständige Stelle auch für die Annahme des Antrags für Leistungen aus der deutschen Sozialversicherung zugelassen ist;
- daß der Antrag mit Eingang bei der zuständigen Stelle im Vertragsstaat als bei dem nach deutschem Recht zuständigen Träger gestellt gilt;
- daß diese Regelung entsprechend für sonstige Anträge, Erklärungen und Rechtsbehelfe gilt.
Der nach dem kroatischen Recht zuständige Rentenversicherungsträger ist danach (auch) zuständige Stelle für die Entgegennahme von Rechtsbehelfen; er ist „Verwaltungsstelle” iS des § 66 Abs 1 SGG. Über ihn muß daher als für die Entgegennahme des Rechtsbehelfs in Frage kommende Verwaltungsstelle belehrt werden, damit die Frist für das Rechtsmittel zu laufen beginnt.
Die Möglichkeit der Einlegung des Rechtsbehelfs bei der nach kroatischem Recht zuständigen Stelle gemäß Art 33 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 DJSVA ist auch nicht bloße Ausnahme im Verhältnis zur regelmäßig beim zuständigen deutschen Leistungsträger vorzunehmenden Einlegung des Rechtsbehelfs; sie ist vielmehr ein zweiter „Regelweg”. Denn bei der kurzen Widerspruchsfrist von einem Monat würde der in sein Heimatland zurückgekehrte ausländische Arbeitnehmer gegenüber einem Inländer hinsichtlich der regelmäßig bestehenden Überlegungsfrist zur Prüfung, ob ein Rechtsbehelf eingelegt werden soll, benachteiligt werden. Neben der Einlegung eines Rechtsbehelfs beim deutschen Versicherungsträger ist für ihn daher durchaus naheliegend, den Rechtsbehelf auch bei dem nach seinem Heimatrecht zuständigen Versicherungsträger iS einer Verbindungsstelle zum zuständigen deutschen Versicherungsträger einlegen zu können. Daß auch die Beklagte Bedenken hat, daß der kroatische Versicherte anderenfalls einen iS der Rechtsschutzgarantie des Art 19 Abs 4 GG effektiven Rechtsschutz gegen ihn belastende Verwaltungsakte der Beklagten hat, erhellt daraus, daß sie ihm regelmäßig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 SGG gewährt, wenn sich ein kroatischer Widerspruchsführer mit Wohnsitz in Kroatien auf die dort geltende Rechtslage beruft, wonach zur Erhaltung der Rechtsmittelfrist die Aufgabe eines Rechtsmittels innerhalb der Frist bei der Post genügt und entsprechend der Zeitpunkt der Aufgabe seines Rechtsbehelfs zur Post innerhalb dieser Frist liegt.
Der Hinweis der Beklagten auf die Rechtsbehelfsbelehrung innerhalb der EG nach Formblatt E 212 ist eher geeignet, die Auffassung des Senats zu stützen, als Bedenken dagegen aufkommen zu lassen, daß gemäß Art 33 Abs 1 DJSVA iVm § 66 Abs 1 SGG (auch) über die Möglichkeit der Einlegung des Rechtsmittels beim zuständigen kroatischen Versicherungsträger zu belehren ist. Zwar heißt es dort, daß gegen einen Bescheid des deutschen Rentenversicherungsträgers auch der Widerspruch bei dem deutschen Versicherungsträger zu erheben ist; eine weitere Möglichkeit zur fristwahrenden Einlegung des Rechtsbehelfs wird nicht genannt. Daß dies jedoch in anderen Ländern anders gehandhabt wird, zeigt ein Vergleich etwa zur Regelung für Spanien (Nr 5 des Vordrucks E 212): Eine Beschwerde gegen einen Bescheid eines spanischen Trägers kann nämlich entweder direkt dort oder über den Träger des Wohnortes des Versicherten eingereicht werden. Gleiches gilt für die Beschwerde gegen einen griechischen Bescheid (Nr 4 des Vordrucks E 212). Im übrigen können auch insoweit durch bilaterale Abkommen andere Regelungen getroffen werden.
Der entsprechenden Belehrung stehen – entgegen der Ansicht der Beklagten – auch keine Schwierigkeiten für die deutschen Rentenversicherungsträger entgegen, die entsprechenden Stellen in Kroatien zu ermitteln und zu benennen. Wie die Beklagte selbst ausführt, ist der Rentenversicherungsträger in Kroatien in eine Direktion und 23 Filialen gegliedert. Für die Beklagte bedeutet es – entgegen ihrer Ansicht – keinen „immensen Verwaltungsaufwand”, die für jeden Betroffenen zuständige Stelle zu ermitteln und in der Rechtsbehelfsbelehrung zu benennen. Die Zahl der in Kroatien bestehenden Rentenversicherungsträger (Filialen) weicht von der Zahl der in Deutschland bestehenden Rentenversicherungsträger kaum ab. Als Verbindungsstelle zu der Rentenversicherung in Kroatien kann der Beklagten durchaus zugemutet werden, die Zuständigkeitsaufteilung der genannten Filialen und deren Zuordnung zu den Wohnsitzen der Versicherten im Heimatland festzustellen. Der gemäß Art 33 Abs 1 Satz 1 DJSVA nach kroatischem Recht „zuständige Träger” kann danach klar ermittelt und festgestellt werden, so daß keinesfalls die von der Beklagten in Betracht gezogene Möglichkeit gewählt werden muß oder auch nur gewählt werden darf, alle Filialen in Kroatien zu benennen. Mithin ist auch kein Verstoß gegen den Grundsatz zu befürchten, daß der Rechtsbehelf so einfach und klar wie möglich zu halten ist (BSG Urteil vom 10. Dezember 1975 – 8 RU 46/74 – SozR 1500 § 66 Nr 2). Entgegen der Ansicht der Beklagten wird der deutsche Versicherungsträger weder in unzumutbarer Weise belastet noch wird in aller Regel eine „unrichtige” Rechtsbehelfsbelehrung in Kauf genommen.
Mit seiner Entscheidung befindet sich der Senat auch nicht im Widerspruch zur bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung in den Urteilen des BSG vom 10. Dezember 1975 – 8 RU 46/74 – (SozR 1500 § 66 Nr 2) und vom 11. August 1976 – 10 RV 225/75 – (SozR 1500 § 84 Nr 1). In diesen Entscheidungen hatte das BSG lediglich zum Ausdruck gebracht, daß eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht schon deshalb unvollständig und somit unrichtig iS des § 66 Abs 2 SGG ist, weil sie keine Belehrung über die Möglichkeit enthält, den Rechtsbehelf auch bei Behörden, Versicherungsträgern oder Gerichten des Heimatstaates anzubringen. Begründet wird dies damit, daß die Beteiligten nur über das Nächstliegende, dh den in erster Linie in Betracht kommenden Rechtsbehelf aufzuklären seien und es sich bei den sog „Auch-Stellen” nicht um eine vom Gesetz als regelrecht gewollte oder gedachte, sondern nur um eine daneben zugelassene oder geduldete Stelle für die Anbringung des Rechtsbehelfs handele. Für die Wahrung der Klagefrist ergibt sich dies zudem eindeutig aus dem Wortlaut des § 91 Abs 1 SGG, wonach lediglich die Frist gewahrt wird, wenn die Klageschrift innerhalb der Frist bei einer der dort genannten Stellen erhoben wird.
Bei den in Art 33 Abs 1 Satz 1 DJSVA genannten „zuständigen Trägern” der kroatischen Sozialversicherung handelt es sich gerade nicht um „Auch-Stellen” iS der genannten Entscheidungen bzw iS von § 84 Abs 2, § 91 Abs 1 SGG. Die genannten Vorschriften beziehen sich ausdrücklich nur auf deutsche Stellen, insbesondere auch auf deutsche „Versicherungsträger” iS des § 29 Abs 1 SGB IV (vgl BSG Urteil vom 18. Februar 1981 – 3 RK 61/80 – SozR 1500 § 66 Nr 11). Bei den iS des DJSVA den Staatsangehörigen beider Seiten eingeräumten Möglichkeiten, Anträge auf Sozialversicherungsleistungen bei der entsprechend zuständigen Stelle des anderen Vertragsstaats zu stellen bzw Rechtsbehelfe dort einzulegen, handelt es sich dagegen um im Vertragswege geschaffene weitere Regel-Verwaltungsstellen zur Entgegennahme von Anträgen und Rechtsbehelfen. Entsprechend wird nicht allein die Frist durch die Einlegung des Rechtsbehelfs bei der entsprechenden weiteren Regel-Verwaltungsstelle gewahrt, sondern der Antrag/Rechtsbehelf gilt mit Zugang beim ausländischen Träger als beim zuständigen inländischen Träger gestellt/eingelegt. Die Einlegung des Rechtsbehelfs bei der entsprechend zuständigen kroatischen Stelle hat also dieselbe Wirkung, als ob sie unmittelbar bei der zuständigen deutschen Stelle vorgenommen worden wäre.
Von einer Fiktion der rechtzeitigen Antragstellung geht zwar auch § 16 Abs 2 Satz 2 SGB I für den Fall aus, daß der Antrag bei einem „unzuständigen Leistungsträger” iS des § 16 Abs 1 Satz 2, Abs 2 Satz 1 SGB I gestellt wird. Im Gegensatz zu dieser Grundregel im Allgemeinen Teil des Sozialgesetzbuchs bestimmt Art 33 Abs 1 DJSVA den entsprechenden kroatischen Versicherungsträger jedoch zu einem – weiteren – „zuständigen Leistungsträger”. Während über die weiteren nur geduldeten Stellen iS des § 16 Abs 1 Satz 2, Abs 2 SGB I in einer Rechtsbehelfsbelehrung nicht belehrt zu werden braucht und eine vollständige Belehrung insoweit auch gar nicht erteilt werden könnte, ist der im DJSVA benannte weitere Leistungsträger „Verwaltungsstelle” iS des § 66 Abs 1 SGG. Zur Vermeidung der Rechtsfolgen des § 66 Abs 2 Satz 1 1. Halbsatz SGG war die nach Art 33 Abs 1 DJSVA zuständige Stelle daher von der Rechtsbehelfsbelehrung zu umfassen.
Aufgrund der unrichtigen weil unvollständigen Rechtsbehelfsbelehrung im angefochtenen Bescheid vom 11. Februar 1994 begann die Frist für die Erhebung des Widerspruchs nach § 66 Abs 1 SGG nicht zu laufen und der Kläger konnte gemäß § 66 Abs 2 Satz 1 SGG innerhalb eines Jahres Widerspruch einlegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
BSGE, 37 |
NVwZ-RR 1998, 272 |
NZS 1998, 254 |
SozSi 1998, 159 |
SozSi 1998, 312 |