Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltendmachung von Krankenhausbehandlungskosten durch Erben. Erstattungsanspruch bei Aufwendungen anläßlich einer Krankenhausbehandlung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist zunächst in einem Verfahren streitig, ob der Versicherte einen Anspruch auf Krankenhauspflege als Sachleistung hat, stirbt die Versicherte aber im Laufe des Rechtsstreits, dann wandelt sich der Anspruch auf eine Sachleistung in einen Anspruch auf Geldleistung (Ersatz der Krankenhausbehandlungskosten) um. Die Geltendmachung dieser Leistung setzt voraus, daß der Verstorbene Inhaber des Anspruchs gewesen ist, das ihm also ein Ersatzanspruch zugestanden hat. Dieser kann dann im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben übergehen, wenn Krankenhausbehandlungskosten von dem Versicherten oder den Erben getragen worden sind.
2. Nach dem Tode des Versicherten wandelt sich der Anspruch auf Krankenhauspflege (Sachleistung) in einen Anspruch auf Erstattung der Krankenhausbehandlungskosten (Geldleistung), der Erstattungsanspruch geht im Wege der Rechtsnachfolge auf die Erben über.
Orientierungssatz
Erstattung von Krankenhauspflegekosten - Gesamtrechtsnachfolge - Ersatzanspruch der Erben.
Normenkette
SGB 1 § 59 Fassung: 1975-12-11; RVO § 184 Abs. 1 Fassung: 1973-12-19, § 216 Abs. 1 Nr. 4 Fassung: 1956-06-12
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Dezember 1977 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Tatbestand
Die Kläger sind die Erben der 1895 geborenen und am 27. August 1975 verstorbenen F S (Versicherte), die bei der Beklagten als Rentnerin gegen Krankheit versichert war. Die Versicherte wurde am 24. März 1972 wegen eines manischen Verstimmungszustandes in der Nervenklinik St. A in W aufgenommen, nachdem sie sich schon zuvor mehrfach wegen endogener Depressionen in ambulanter und stationärer Behandlung befunden hatte. Aufgrund einer am 30. Juli 1974 erfolgten Krankenhausbegehung teilte der Vertrauensarzt der Landesversicherungsanstalt Rheinland-Pfalz, Dr. R, der Beklagten mit, bei der Versicherten müsse noch bis einschließlich 13. August 1974 ein Behandlungsfall, ab 14. August 1974 jedoch ein Pflegefall angenommen werden.
Unter Bezugnahme auf diese Mitteilung lehnte die Beklagte die Weitergewährung von Krankenhauspflege über den 13. August 1974 hinaus ab und führte in ihrem an den Kläger zu 2) - als Pfleger der Versicherten zur Wahrnehmung aller Vermögensangelegenheiten - gerichteten Widerspruchsbescheid vom 1. August 1975 aus, der Anspruch der Versicherten auf Krankenhilfe ruhe gemäß § 216 Abs 1 Nr 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO), da diese seit dem 14. August 1974 in der Nervenklinik dauernd zur Pflege untergebracht sei.
Hiergegen richtet sich die am 25. August 1975 erhobene Klage, die nach dem Tode der Versicherten von deren Ehemann (Kläger zu 1) und ihrem Sohn (Kläger zu 2) als gemeinschaftliche Erben fortgesetzt wurde.
Die nunmehrigen Kläger legten die Bescheinigung des Chefarztes der Nervenklinik, Dr. ..., vom 11.2.1975 vor, wonach eine Aussicht auf Heilung der Leiden angesichts des hohen Alters der Versicherten nicht mehr bestanden habe. Das vom Sozialgericht (SG) eingeholte Gutachten des Dr. M vom St. A kommt zu dem Ergebnis, die Versicherte sei ein Behandlungsfall gewesen, weil sie dringend einer ständigen psychiatrischen Behandlung bedurft habe.
Das SG hat die Beklagte durch Urteil vom 20.10.1976 unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, für die Zeit nach dem 13. August 1974 bis zum Tode der Versicherten die gesetzlichen Leistungen aus der Krankenversicherung für deren Aufenthalt im St. A zu erbringen. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Krankenhausbehandlung habe vorgelegen, weil die ärztliche Behandlung mit Medikamenten noch zu einer Linderung der Beschwerden und damit zu einer Verbesserung des Zustandsbildes der Patientin geführt habe. Ein Pflegefall sei nur gegeben, wenn mit ärztlichen Therapiemaßnahmen keinerlei Erfolge mehr zu erzielen seien. Die Tatsache, daß das Gesetz Krankenhauspflege zeitlich unbegrenzt gewähre, lasse erkennen, daß es lediglich darauf ankomme, ob eine Krankenhausbehandlung erforderlich und erfolgversprechend sei.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die hiergegen eingelegte Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, der Versicherten Krankenhauspflege zu gewähren. Denn die Behandlung der Versicherten mit den Mitteln eines Krankenhauses sei nicht nur zum Zeitpunkt der Aufnahme, sondern bis zu deren Ableben im St. A medizinisch notwendig gewesen. Dies sei nach den überzeugenden Angaben der Dres. M und M bewiesen. Die von der Beklagten vertretene Ansicht, ein Behandlungsfall verwandele sich schon dann in einen Pflegefall, wenn die Krankenhausbehandlung nicht mehr mit dem Ziel der Entlassung aus dem Krankenhaus ausgerichtet sei, finde im Gesetz keine Stütze und widerspreche zudem dem Sinn des § 184 Abs 1 RVO. Solange ein psychisch erkrankter Versicherter in einer Krankenanstalt noch mit dem Ziel einer Besserung seines Leidenszustandes oder zur Linderung seiner Krankheitsbeschwerden nach einem sinnvollen Behandlungsplan behandelt werde und die Behandlung vorrangiger Zweck seines Krankenhausaufenthaltes sei, bleibe die Krankenkasse verpflichtet, unabhängig von der jeweiligen Verweildauer, die ihr obliegenden gesetzlichen Leistungen zu erbringen. § 216 Abs 1 Nr 4 RVO sei dagegen nur bei Dauerpflegefällen anwendbar.
Mit der zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 184 Abs 1 und des § 216 Abs 1 Nr 4 RVO. Sie ist der Auffassung, die letztgenannte Vorschrift greife auch dann ein, wenn der krankenhauspflegebedürftige Rentner zwar mit dem Ziel der Besserung seines Leidenszustandes oder zur Linderung seiner Krankheitsbeschwerden behandelt werde, die Entlassung aus dem Krankenhaus als Behandlungsziel jedoch nicht mehr erreichbar sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts vom 22. Dezember 1977 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist. Der erkennende Senat vermag den Rechtsstreit nicht in der Sache zu entscheiden, weil das angefochtene Urteil nur Tatsachenfeststellungen enthält, die den Anspruch der verstorbenen Versicherten auf Gewährung von Krankenhauspflege begründen könnten. Nach dem Tode der Versicherten kann jedoch Streitgegenstand nicht mehr ein Anspruch auf Krankenhauspflege, also auf eine Sachleistung sein. In Betracht kommt jetzt nur noch ein Anspruch auf Ersatz der Krankenhausbehandlungskosten, also auf eine Geldzahlung. Ein solcher Anspruch setzt jedoch - außer der Verpflichtung der Krankenkasse zur Krankenhauspflege im streitigen Zeitraum - voraus, daß der verstorbenen Versicherten ein Erstattungsanspruch zugestanden hätte, der im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Kläger hätte übergehen können. Ob diese Voraussetzung vorliegt, ist bisher noch nicht festgestellt worden. Sie hängt davon ab, ob die Krankenhauskosten von der Versicherten oder ihren Erben, den Klägern, getragen worden sind oder ob insoweit eine Forderung Dritter gegen die Kläger noch offensteht. Da der Senat die erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen.
Hinsichtlich der Abgrenzung zwischen Krankenhauspflege iS des § 184 RVO und Pflegefall wird auf die zur Veröffentlichung vorgesehene Entscheidung des Senats vom selben Tage in der Sache 3 RK 81/77 hingewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Fundstellen