Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Juni 1974 und des Sozialgerichts Münster vom 21. September 1972 sowie der Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 1971 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger aus Anlaß des Arbeitsunfalls vom 7. November 1970 die gesetzlichen Leistungen aus der Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten sämtlicher Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger bei seinem Unfall am 7. November 1970 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden und die Beklagte ihm deshalb Leistungen zu gewähren hat.
Der Kläger ist von Beruf Maurer und seit 1950 bei der Baufirma H… in Heessen – zuletzt seit etwa 5 Jahren in einer Kolonne unter Leitung des Vorarbeiters R… (R.) – beschäftigt. Dieser Kolonne gehören noch die Maurer B… – …, R… und G… sowie die Handlanger N… und T… an.
Der vom Landessozialgericht (LSG) als Zeuge vernommene Werner A… (A.), der in Vorhelm ein Einfamilienhaus errichten und im Wege des Eigenbaus u.a. Maurer-, Handlanger- und Putzarbeiten ausführen wollte, traf Mitte Juni 1970 mit dem Vorarbeiter R.… die Vereinbarung, daß dieser mit 5 weiteren Bauarbeitern seiner Kolonne den Rohbau erstellen sollte. A.… verpflichtete sich, an jeden der am Bau Beteiligten ein Entgelt von 7,50 DM je geleistete Arbeitsstunde zu zahlen. Die erforderlichen Gerüste und Werkzeuge – mit Ausnahme der Kleinwerkzeuge – sollte A.… stellen. Er hatte auch das erforderliche Baumaterial bereitzustellen.
Unter diesen Bedingungen begann die Kolonne mit den obengenannten Mitarbeitern etwa Anfang August 1970 den Rohbau zu errichten. Diese Arbeit wurde von der Kolonne außerhalb ihrer beruflichen Beschäftigung bei der Baufirma H… in der Freizeit ausgeführt. Den vereinbarten Stundenlohn von 7,50 DM zahlte A.… nach Abrechnung jeweils am Wochenende in bar zum Teil an jedes Kolonnenmitglied, zum Teil an den Vorarbeiter R.…, der dann jedem Mitglied der Kolonne den auf ihn entfallenden Betrag aushändigte. Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge wurden weder von A.… noch von den Beteiligten der Kolonne entrichtet.
Da der Rohbau des A.… möglichst schnell noch vor Einbruch der Schlechtwetterzeit verklinkert werden sollte, trugen R.… und sein Mitarbeiter R… dem Kläger und einem weiteren Arbeitskollegen S… an, an dem Bauvorhaben des A.… mitzuarbeiten. Dem Kläger war bekannt, daß die Kolonne schon häufiger derartige Nebenarbeiten ausgeführt hatte und schon seit längerer Zeit an dem Rohbau des A.… arbeitete. Er wußte auch, daß jeder der am Bau Beteiligten einen Stundenlohn von 7,50 DM erhielt und ging ohne besondere Absprache davon aus, daß er im Falle seiner Mitarbeit denselben Stundenlohn erhalten würde. Er erklärte sich einverstanden, an dem Bauvorhaben des A.… mitzuarbeiten.
Am Sonnabend, dem 7. November 1970, begab sich der Kläger zur Baustelle und begann um 7.00 Uhr mit der Arbeit, für die ihm keine Anweisungen erteilt worden waren. Gegen 8.00 Uhr erlitt der Kläger einen Unfall. Ein Gerüst brach zusammen, er fiel etwa 2 m tief hinunter. Dadurch erlitt der Kläger eine offene Unterschenkelfraktur rechts.
Mit Bescheid vom 28. Oktober 1971 lehnte die Beklagte eine Entschädigung aus Anlaß des Ereignisses vom 7. November 1970 mit der Begründung ab, daß Arbeitnehmer des Baugewerbes, die in ihrer Freizeit Arbeiten ausführten, nicht als Arbeitnehmer des Bauherrn gelten würden.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) nach Vernehmung der Zeugen R.…, A.… und R… mit Urteil vom 21. September 1972 abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung vom 18. Juni 1974 u.a. ausgeführt: Da zwischen den Beteiligten kein Streit darüber bestehe, daß der Kläger im Zeitpunkt seines Unfalls nicht nach § 539 Abs. 1 Nr. 15 der Reichsversicherungsordnung (RVO) versichert gewesen sei, komme es nur noch darauf an, ob der Kläger nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 oder nach § 539 Abs. 2 RVO versichert gewesen sei; dies müsse verneint werden. Mit R.… sei kein Arbeitsverhältnis begründet worden, auch habe insoweit keine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit bestanden. Der Kläger sei auch nicht in ein Beschäftigungsverhältnis zu A.… getreten, als er die Arbeit an dessen Bauvorhaben aufgenommen habe. Weder R.… noch die anderen Mitglieder der Kolonne hätten ihre körperliche Arbeitskraft in den Dienst des A.… gestellt, über die dieser im Rahmen seines Weisungsrechts hätte verfügen können, um dadurch einen von ihm erstrebten Erfolg zu erzielen, zumal A.… auch kein Weisungsrecht bezüglich des Beginns, des Endes und der Dauer der Arbeiten sowie des Einsatzes der Kolonnen-Mitglieder an einem bestimmten Arbeitsplatz oder zu einer bestimmten Arbeitsleistung gehabt habe. Die Vereinbarung, für jede geleistete Arbeitsstunde 7,50 DM zu zahlen, stehe der Annahme eines Werkvertrages nicht entgegen, weil damit lediglich die Vergütung für die Herstellung des Werkes nach besonders vereinbarten Maßstäben zu berechnen gewesen sei. Der Kläger sei vielmehr einer Personenvereinigung, die im Sinne eines Werkvertrages einen bestimmten Erfolg – Rohbauerrichtung – schuldete; als ein den übrigen Mitgliedern gleichwertiges Mitglied beigetreten. Auch ein Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 RVO sei deswegen nicht gegeben, weil der Kläger als Unternehmer tätig geworden sei.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger die zugelassene Revision eingelegt und zur Begründung u.a. ausgeführt: Die Feststellung im angefochtenen Urteil, der Kläger sei als unversicherter Unternehmer zu Schaden gekommen, werde durch die Beweisaufnahme nicht gedeckt, insbesondere habe das LSG nicht beachtet, daß der Kläger lediglich um Mithilfe beim Verklinkern des Baues für einen Tag, nämlich den 7. November 1970, gebeten worden sei. Die einmalige Mithilfe habe daher den Kläger noch nicht zum Mitglied einer Personenvereinigung gemacht. Er habe typische Arbeitnehmerarbeiten verrichtet und habe den Zeitpunkt des Arbeitsbeginns nicht selbst bestimmen können, sondern sei gehalten gewesen, am Unfalltag um 7 Uhr auf der Baustelle die ihm zugewiesene Arbeit aufzunehmen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, des Urteils des SG Münster vom 21. September 1972 sowie des Bescheides vom 28. Oktober 1971 die Beklagte zu verurteilen, seinen Unfall vom 7. November 1970 als versicherten Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das LSG-Urteil für zutreffend und führt u.a. aus, von einer einmaligen Mithilfe sei nie gesprochen worden. Im übrigen habe die Gruppe, die am Bau des A.… gearbeitet habe, den Erfolg geschuldet, das Haus fachgerecht und mängelfrei zu errichten. Bei Nicht- oder Schlechtleistung habe die Kolonne für das fehlerhafte Werk einstehen müssen. Ob für die Arbeit ein Gesamtfestpreis oder ein Stundenlohn gezahlt worden sei, könne für die Mitunternehmereigenschaft nicht als maßgeblich angesehen werden.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist begründet.
Wie das LSG zunächst zutreffend entschieden hat, war der Kläger im Zeitpunkt seines Unfalls nicht nach § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO versichert, weil er mit seiner zum Unfall führenden Tätigkeit keine in den Rahmen einer Selbsthilfe fallende Arbeit verrichtet hat. Zur Selbsthilfe gehören nur solche Arbeitsleistungen, die zur Durchführung eines Bauvorhabens u.a. von anderen unentgeltlich oder auf Gegenseitigkeit erbracht werden (§ 36 Abs. 2 Buchst. c des Zweiten Wohnungsbaugesetzes idF vom 1. September 1965 – BGBl I 1617 –, nicht geändert durch Art. 18 des Finanzänderungsgesetzes vom 21. Dezember 1967 – BGBl I 1259, 1281 –). Der Kläger hat aber nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, an die der erkennende Senat gebunden ist (§ 163 SGG), mit einem Stundenlohn von 7,50 DM am Bauvorhaben des A.… gearbeitet und auch tatsächlich für die in der Zeit von 7.00 Uhr bis zum Eintritt des Unfalls gegen 8.00 Uhr erbrachten Arbeitsleistungen etwa 13,-- DM erhalten. Das ist letztlich zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
Der Senat stimmt auch der Ansicht des LSG zu, daß der Tatbestand des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO nicht erfüllt ist. Mit R.… hat der Kläger kein Arbeitsverhältnis begründet, denn zu ihm bestand kein persönliches oder wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 8. Aufl., Stand März 1975 Bd. II S. 470 d mit zahlreichen weiteren Nachweisen; neuerdings siehe auch BSG in SozR Nrn. 7 und 8 zu § 441 RVO), als er sich zur Aufnahme der Arbeit am Bauvorhaben des A.… bereit erklärte, zumal er selbst davon ausgegangen ist, daß auch R.… vom Bauherrn einen Stundenlohn von 7,50 DM erhalten werde. Hinzu kommt, daß nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG R.… gegenüber dem Kläger kein Direktionsrecht hatte. Soweit R.… Anweisungen erteilt hat, erstreckten sich diese allein auf den fachlichen Bereich, weil er auf Grund seiner besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten die Baupläne, nach denen der Rohbau des A.… errichtet werden sollte, besonders gut lesen konnte. Im übrigen war R.… auch nicht befugt, den Kläger zur Einhaltung bestimmter Arbeitszeiten zu verpflichten, Beginn und Ende einer Arbeitsschicht zu bestimmen und die Arbeitseinteilung für jeden einzelnen der Kolonne vorzunehmen, es wurde vielmehr gemeinsam überlegt und entschieden, was getan werden mußte.
Der Senat folgt weiter der Auffassung des LSG dahingehend, daß der Kläger bei der Aufnahme der Arbeit nicht in ein Beschäftigungsverhältnis i.S. des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO zu A.… getreten ist, als er die Arbeit an dessen Bauvorhaben aufnahm. Mag der Kläger auch von A.… wirtschaftlich dadurch abhängig gewesen sein, daß dieser einen Stundenlohn von 7,50 DM zahlte, so stand der Kläger zu A.… jedoch nicht in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis, da A.… kein Weisungsrecht bezüglich des Beginns, des Endes und der Dauer der Arbeiten und hinsichtlich des Einsatzes des Klägers an einem bestimmten Arbeitsplatz oder zu einer bestimmten Arbeitsleistung hatte (Urt. S. 11). Im übrigen ging die Anregung an den Kläger zur Mitarbeit nach den Feststellungen des LSG von R.… und R… aus.
Im Gegensatz zur Auffassung des LSG und der Beklagten ist der Senat jedoch der Ansicht, daß der Kläger nach § 539 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 RVO versichert war. Nach dieser Vorschrift sind Personen gegen Arbeitsunfall versichert, die wie ein nach § 539 Abs. 1 RVO Versicherter tätig werden, und dies gilt auch bei nur vorübergehender Tätigkeit. Es ist nicht erkennbar, daß der Kläger sich verpflichtet hätte, auf eigenes Risiko und gegen einen Werklohn ein bestimmtes Bauwerk evtl. auch nur zum Teil zu errichten. Vielmehr hatte er lediglich versprochen, seine Dienste – wie er sie auch beruflich als Maurer leistete – zur Verfügung zu stellen. Selbst wenn man mit dem LSG davon ausgeht, daß die Kolonne des R.… eine Personenvereinigung war, die unternehmerisch eine auf den Erfolg abgestellte Arbeit verrichten wollte, so ist nichts dafür ersichtlich, daß der Kläger dieser Personenvereinigung beitreten wollte, um sich mit zu verpflichten, an einem Geschäftsrisiko als Unternehmer (vgl. dazu Brackmann, aaO S. 470 f II) unmittelbar teilzunehmen – etwa mit Übernahme einer Gewährleistungspflicht – und für eigene Rechnung tätig zu sein. Dies um so mehr, als der Zeuge R.… vor dem SG am 21. September 1972 ausgesagt hatte, er habe den Kläger “für jenen Unfalltag um Mithilfe gebeten, weil der Bau verklinkert werden mußte” (was schwieriger sei). Ob die Revision zu Recht hieraus geschlossen hat, daß der Kläger lediglich um Mithilfe beim Verklinkern des Baues für den Unfalltag, nämlich für Sonnabend, den 7. November 1970, gebeten worden sei; er sei auch nur bereit gewesen, an diesem Tag mitzuarbeiten, kann angesichts des Fehlens entsprechender Feststellungen des LSG dahinstehen. Denn die Aussagen des Zeugen R.…, auf die sich das LSG ohne Einschränkung gestützt hat, lassen jedenfalls erkennen, daß der Kläger nicht von vornherein und planmäßig in die Kolonne aufgenommen worden ist mit dem Ziel, mit ihr zusammen in der Freizeit für A.… auf eigene Rechnung einen Einfamilienhaus-Rohbau hochzuziehen. Hinzu kommt, daß auch das LSG festgestellt hat, der Kläger selbst sei davon ausgegangen, einen Stundenlohn von 7,50 DM von Bauherrn zu bekommen (Urt. S. 9). Es ging daher nicht um einen Erfolgslohn, wie er bei Werkverträgen grundsätzlich üblich ist. Entscheidend war vielmehr die Mitwirkung des Klägers, mithin die Arbeitsleistung als solche und nicht die Herbeiführung eines vereinbarten, gegenständlich faßbaren Arbeitsergebnisses. Dieser zusätzlichen Mitwirkung des Klägers bedurfte es nach den Feststellungen des LSG, weil der Rohbau möglichst schnell noch vor Einbruch der Schlechtwetterzeit verklinkert werden sollte (LSG-Urteil S. 3); der Zeuge R.… hielt dies in seiner Aussage vom 21. September 1972 “wegen des drohenden schlechten Wetters” für geboten. Die Mithilfe des Klägers erfolgte also hier aus einem akuten Anlaß, was typisch für vorübergehende Tätigkeiten i.S. des § 539 Abs. 2 RVO ist. Nicht unberücksichtigt bleiben darf auch im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung, daß A.… die erforderlichen Gerüste und Werkzeuge – mit Ausnahme der Kleinwerkzeuge – zur Verfügung stellte und auch verpflichtet war, das erforderliche Baumaterial bereitzustellen (LSG-Urteil S. 2). Diese Tatsache macht ebenfalls deutlich, daß der Kläger – wie es auch seinem Berufsstand als abhängig beschfätigter Maurer entsprach – nicht wie ein Unternehmer, sondern wie ein Arbeitnehmer – vorübergehend – tätig geworden ist (vgl. auch Urteil des Senats vom 27. Juni 1974 – 8 RU 264/73 –).
Soweit die Beklagte meint, die Kolonne sei der Einflußnahme des A.… überhaupt entzogen gewesen und damit andeuten will, daß zu ihm keine persönliche sowie wirtschaftliche Abhängigkeit des Klägers bestanden habe, übersieht sie, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) der Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 RVO davon nicht abhängig ist (siehe Brackmann, aaO S. 476 d mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des BSG).
Nach alledem war der Kläger z.Zt. seines Arbeitsunfalls am 7. November 1970 nach § 539 Abs. 2 RVO wie ein nach § 539 Abs. 1 RVO Versicherter tätig und mithin nach dieser Vorschrift gegen Arbeitsunfall versichert.
Die Beklagte ist daher verpflichtet, dem Kläger die diesem zustehenden Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Unterschriften
Dr. Maisch, Thomas, Schroeder-Printzen
Fundstellen