Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Urteil vom 28.04.1987) |
SG Regensburg (Urteil vom 13.03.1986) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten werden das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. April 1987 und das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 13. März 1986 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
I
Die klagende Bundesanstalt für Arbeit verlangt von dem beklagten Arbeitgeber 1.059,93 DM Schadensersatz.
Der Elektroinstallateur Herbert W. (W) bezog vom 12. bis 23. Februar 1982 Arbeitslosengeld (Alg) nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 380,– DM in Höhe von 32,70 DM wochentäglich, und zwar aufgrund eines damals entstandenen Anspruchs für 312 Tage. Vom 24. Februar 1982 bis zum 14. Januar 1983 war W bei dem Beklagten beschäftigt und anschließend arbeitslos. In der Arbeitsbescheinigung über die Beschäftigung bei dem Beklagten, die von der Angestellten D. (D) unterschrieben ist, ist die Frage, ob die Beschäftigung in einem Betrieb/einer Betriebsabteilung iS des § 2 Abs 2 der Anwartschaftszeit-Verordnung (AnwZV) erfolgt sei, durch ein X-Zeichen im „Ja”-Feld beantwortet worden. Aufgrund dieser Angabe ging die Klägerin bei der Bearbeitung des neuen Antrags des W auf Alg davon aus, daß die Anwartschaftszeit erneut erfüllt sei und bemaß infolgedessen das Alg nach den im Dezember 1982 in 184 Stunden erzielten 2.179,36 DM bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden (wöchentliches Arbeitsentgelt von 475,– DM). Dies führte zu einem Alg von wochentäglich 39,30 DM, das die Klägerin vom 19. Januar bis 18. Juni 1983 gezahlt hat.
Im Frühjahr 1984 stellte die Klägerin fest, daß es sich bei dem Beklagten um keinen Saisonbetrieb handelte, und forderte den Beklagten vergeblich auf, ihr den aufgrund der unrichtigen Angaben entstandenen Schaden in Höhe von 1.059,93 DM (Alg-Überzahlung 727,20 DM; Krankenversicherungsbeitrags-Überzahlung 201,83 DM; Rentenversicherungsbeitrags-Überzahlung 130,90 DM) zu ersetzen. Auf die am 26. März 1985 erhobene Klage verurteilte das Sozialgericht (SG) den Beklagten, der Klägerin 1.059,93 DM zu ersetzen (Urteil vom 13. März 1986). Die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 28. April 1987).
Zur Begründung seines Urteils hat das LSG ausgeführt, der Beklagte habe den Schaden zu ersetzen, den seine Angestellte der Klägerin zugefügt habe und den die Klägerin weder habe abwenden noch mindern können. Der Beklagte hafte nach § 278 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für seine Angestellte, der er sich bedient habe, um seinen Verpflichtungen nach § 133 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nachzukommen; er könne sich nicht damit entlasten, daß er die Angestellte sorgfältig ausgesucht und überwacht habe. Der Schaden sei dadurch entstanden, daß die Arbeitsbescheinigung unrichtig ausgefüllt worden sei. Der Beklagte betreibe, wie er auch immer behauptet habe, keinen Saisonbetrieb. Die Arbeitsbescheinigung sei somit unrichtig ausgefüllt worden. Dies habe die Angestellte D schon deshalb schuldhaft herbeigeführt, weil sie die Frage, ob die Beschäftigung in einem Betrieb/einer Betriebsabteilung iS des § 2 Abs 2 AnwZV erfolgt sei, bejaht habe, obwohl sie sich nicht völlig sicher gewesen sei, ob der Betrieb als Saisonbetrieb gegolten habe. Die Angestellte könne sich insoweit auch nicht damit entschuldigen, daß ihr, wie der Beklagte behaupte, die Erläuterungen zum Ausfüllen der Arbeitsbescheinigung nicht übergeben worden seien; denn wenn dies zutreffe, habe sie ebenfalls fahrlässig gehandelt, weil sie eine Frage beantwortet habe, ohne sich hinreichend Kenntnisse über die Frage zu beschaffen. Ohne Bedeutung sei, daß die Angestellte sich an die Ausfüllung anderer Arbeitsbescheinigungen gehalten habe; die einheitlich falsche Beantwortung der maßgebenden Frage habe gerade verhindert, daß bei der Klägerin die Unrichtigkeit der Arbeitsbescheinigungen habe erkannt werden können. Dem allen stehe nicht entgegen, daß die Beantwortung der Frage dem Beklagten eine rechtliche Wertung abgefordert habe, obwohl der Arbeitgeber nach § 133 Abs 1 AFG nur Tatsachen zu bescheinigen habe; denn dabei könne die Klägerin auch die rechtliche Einordnung von Tatsachen verlangen, wenn die verwendeten Rechtsbegriffe allgemein verständlich oder durch Erläuterungen verdeutlicht worden seien. Das sei hier geschehen; denn für die Frage, ob die Beschäftigung in einem Betrieb bzw einer Betriebsabteilung iS des § 2 Abs 2 AnwZV erfolgt sei, enthielten die Erläuterungen zum Ausfüllen der Arbeitsbescheinigung leicht verständliche Erklärungen. Der Klägerin sei durch den Beklagten der geltend gemachte Schaden von 1.059,93 DM entstanden. Statt des gezahlten Alg von 39,30 DM habe dem W 32,70 DM bzw ab 12. Februar 1983 33,90 DM kalendertäglich (gemeint: wochentäglich) zugestanden. Die Klägerin habe 130 × 39,30 DM – (21 × 32,70 DM + 109 × 33,90 DM) = 727,20 DM zuviel an Alg gezahlt. Dementsprechend seien 201,83 DM mehr an Krankenversicherungs- und 130,90 DM mehr an Rentenversicherungsbeiträgen geleistet worden. Ein Mitverschulden an diesem Schaden falle der Klägerin nicht zur Last. Die mit der Bearbeitung des Antrags des W befaßten beiden Mitarbeiter der Klägerin J. (Bearbeiter) und S. (Anordnungsbefugter) hätten nicht gewußt, daß der Beklagte keinen Saisonbetrieb betreibe. Ihre Unkenntnis beruhe auch nicht auf grober Fahrlässigkeit. Erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Beklagten hätten sich ihnen nicht aufdrängen müssen. Der Firmenstempel (Elektro-Bau-Installation) lasse es nicht ausgeschlossen erscheinen, daß der Beklagte eine Betriebsabteilung betreibe, die nur saisonweise betrieben werde; auch hätten im Falle W nicht ältere Arbeitsbescheinigungen des Beklagten vorgelegen, aus denen die Unrichtigkeit hätte erkannt werden können. Unerheblich sei, ob Mitarbeiter der Vermittlungsabteilung des Arbeitsamtes entsprechende Kenntnisse gehabt hätten. Schließlich habe die Klägerin den entstandenen Schaden auch nicht mindern können. Eine Rückforderung des zu hohen Alg von W scheitere daran, daß diesem Vertrauensschutz einzuräumen sei, so daß die Bewilligung nicht aufgehoben werden könne, soweit sie zu Unrecht erfolgt sei. Damit stehe aber auch fest, daß die Klägerin nicht zu Unrecht die höheren Beiträge an die Kranken- und Rentenversicherung gezahlt habe; denn diese Beiträge richteten sich nach der Höhe des Alg.
Mit der Revision rügt der Beklagte eine Verletzung der §§ 133, 145 AFG. Nach § 133 Abs 1 AFG brauche der Arbeitgeber in der Arbeitsbescheinigung nur Tatsachen zu bescheinigen. Entgegen dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift habe die Klägerin von den Arbeitgebern in unzulässiger Weise rechtliche Wertungen verlangt. Die Beantwortung der Frage, ob die Beschäftigung in einem Betrieb/einer Betriebsabteilung iS des § 2 Abs 2 AnwZV erfolgt sei, erfordere eine rechtliche Einordnung des Betriebes unter die AnwZV. Dies stelle auch das LSG nicht in Abrede. Seine Ansicht, vom Arbeitgeber könne die Einordnung von Tatsachen unter Rechtsbegriffen verlangt werden, wenn die Rechtsbegriffe durch Erläuterungen verdeutlicht würden, widerspreche Wortlaut und Sinn des § 133 AFG. Eine rechtliche Wertung bleibe eine solche auch dann, wenn sie anhand von Kommentierungen vorgenommen werden könne. Die Vorschrift des § 133 AFG wolle gerade verhindern, daß infolge rechtlicher Wertungen Irrtümer unterliefen; sie verlange deshalb, daß nur nach Tatsachen gefragt werde. Da die Frage nach der Betriebsart in dieser Form nicht zulässig gewesen sei, scheitere ein Schadensersatzanspruch nach § 145 AFG.
Der Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin stimmt dem LSG zu, daß nach § 133 AFG auch die rechtliche Einordnung von Tatsachen verlangt werden könne, wenn – wie vorliegend von der Angestellten des Beklagten unterschriftlich bestätigt – die Erläuterungen zum Ausfüllen der Arbeitsbescheinigung vorgelegen hätten und es diese ohne weiteres ermöglichten, Fragen in der Arbeitsbescheinigung zutreffend zu beantworten. Selbst wenn dem Beklagten die Erläuterungen nicht vorgelegen haben sollten, so daß deren Inhalt von der Büroangestellten hätte nicht beachtet werden können, habe diese als Erfüllungsgehilfin des Beklagten die Arbeitsbescheinigung fahrlässig unrichtig ausgefüllt, da sich ihr Zweifel an der Richtigkeit ihrer Eintragungen aufgetan hätten, die sie hätten veranlassen müssen, Rückfrage beim zuständigen Arbeitsamt zu halten. Die Erfüllungsgehilfin habe ihre Zweifel auch nicht durch einen entsprechenden Hinweis auf der Arbeitsbescheinigung zum Ausdruck gebracht, der die Klägerin hätte veranlassen können, die Eintragung in der Arbeitsbescheinigung auf ihre Richtigkeit hin mit dem Beklagten abzuklären. Da eine Möglichkeit, den durch das unrichtige Ausfüllen der Arbeitsbescheinigung eingetretenen Schaden zu mindern, für die Klägerin nicht gegeben gewesen sei, müsse der Beklagte den geltend gemachten Betrag ersetzen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Beklagten ist begründet. Zu Unrecht haben die Vorinstanzen den Beklagten verurteilt, der Klägerin 1.059,93 DM zu ersetzen.
In der Revisionsinstanz fortwirkende Verstöße der Vorinstanzen gegen verfahrensrechtliche Grundsätze, die im öffentlichen Interesse zu beachten und bei einer zulässigen Revision vom Revisionsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, liegen nicht vor.
Gegen die Statthaftigkeit der Berufung (§ 143 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) bestehen, wie das LSG zutreffend erkannt hat, keine Bedenken. Die Bestimmung des § 144 Abs 1 SGG, wonach bei Ansprüchen auf einmalige Leistungen und bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum bis zu 13 Wochen (3 Monaten) die Berufung nicht zulässig ist, greift nicht Platz. Denn unter Leistungen im Sinne dieser Vorschrift sind nach ständiger Rechtsprechung allein die von der öffentlichen Hand zu gewährenden Leistungen zu verstehen, nicht jedoch die von der öffentlichen Hand gegen den Einzelnen erhobenen Zahlungsansprüche (BSGE 2, 157, 158; 3, 234, 235 f; 5, 140, 141 f; 6, 47, 50; 30, 230, 232; BSG SozR Nrn 9 und 19 zu § 144; SozR 1500 § 144 Nr 26 und § 149 Nr 11), mithin auch nicht ein Anspruch auf Ersatz eines Schadens (BSG SozR 1500 § 144 Nr 21). Da der Beschwerdewert die in § 149 SGG vorgesehene Beschwerdesumme von 1.000,– DM übersteigt, ist die Statthaftigkeit der Berufung selbst dann nicht zu verneinen, wenn § 149 SGG in Fällen vorliegender Art trotz des Gebots der Rechtsmittelklarheit (vgl dazu BSG SozR 1500 § 146 Nr 16 und § 149 Nr 11) entsprechend anzuwenden wäre, wie dies für Arzneimittelregresse gegen Kassenärzte angenommen worden ist (BSGE 57, 195 = SozR 1500 § 149 Nr 7).
Bedenken bestehen auch nicht gegen die Zulässigkeit der erhobenen Zahlungsklage. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ergibt sich aus § 51 Abs 1 SGG. Es liegt eine öffentlichrechtliche Streitigkeit in einer Angelegenheit der Arbeitslosenversicherung vor; der in § 145 Nr 1 AFG vorgesehene Anspruch auf Schadensersatz, den die Klägerin geltend macht, ist öffentlich-rechtlicher Natur, wie der Senat entschieden hat (BSGE 49, 291 = SozR 4100 § 145 Nr 1; BSGE 56, 20, 21 = SozR 4100 § 145 Nr 3). Auch fehlt es der auf Zahlung gerichteten Leistungsklage nicht am Rechtsschutzbedürfnis; denn es ist der Klägerin mangels diesbezüglicher Überordnung über den Arbeitgeber verwehrt, den Anspruch aus § 145 Nr 1 AFG durch Verwaltungsakt geltend zu machen (BSG aaO).
In der Sache kann den Vorinstanzen indessen nicht gefolgt werden. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, daß der Beklagte ihr den Schaden ersetzt, der dadurch eingetreten ist, daß die Klägerin dem W zuviel Alg gewährt hat und infolgedessen auch mit erhöhten Beiträgen für die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung belastet worden ist. Nach § 145 Nr 1 AFG, hier anwendbar in der zuletzt durch das Dritte Gesetz zur Änderung des AFG vom 17. Juli 1974 (BGBl I 1481) geänderten Fassung, ist der klagenden Bundesanstalt zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet, wer vorsätzlich oder fahrlässig eine Arbeitsbescheinigung nach § 133 AFG nicht, nicht richtig oder nicht vollständig ausfüllt.
Allerdings ist der Arbeitsbescheinigungs-Vordruck, der anläßlich des Ausscheidens des W aus dem (ersten) Beschäftigungsverhältnis beim Beklagten im Januar 1983 von der Angestellten D verwendet worden ist, nicht richtig ausgefüllt worden. Denn die im Vordruck enthaltene Frage, ob die Beschäftigung in einem Betrieb/einer Betriebsabteilung iS des § 2 Abs 2 AnwZV erfolgt sei, ist durch ein X-Zeichen im „Ja”-Feld bejaht worden, obwohl die Frage zu verneinen war. Das LSG hat nämlich keine Merkmale festgestellt, denen zufolge der Betrieb des Beklagten bzw eine Betriebsabteilung, in der der W beschäftigt worden ist, unter einen der drei in § 2 Abs 2 AnwZV vom 29. Januar 1982 (BGBl I 112) genannten Betriebsarten fällt, die sich zusammenfassend als Saisonbetriebe bezeichnen lassen.
Auch wenn die unrichtige Ausfüllung dieser Frage des Vordrucks vermieden worden wäre, wenn die Angestellte D die „Erläuterungen zum Ausfüllen der Arbeitsbescheinigung (Fassung 7.82)” herangezogen hätte und der D vorzuwerfen ist, daß sie dies nicht getan hat, ist der Beklagte nach § 145 Nr 1 AFG nicht zum Schadensersatz verpflichtet. Der Schadensersatzanspruch nach § 145 Nr 1 AFG setzt voraus, daß „eine Arbeitsbescheinigung nach § 133 AFG” nicht, nicht richtig oder nicht vollständig ausgefüllt worden ist. Nur soweit der Arbeitgeber nach § 133 AFG verpflichtet ist, Angaben zu machen, kann er daher eine Arbeitsbescheinigung nach § 133 AFG nicht richtig ausfüllen und der Klägerin schadensersatzpflichtig werden (BayLSG NZA 1985, 71, 72; Gagel, Komm zum AFG, Stand Juli 1987, § 133 Rz 38 und § 145 Rz 12; Wagner in Ambs ua, Gemeinschaftskommentar zum AFG, Stand September 1988, § 145 Rz 3; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Komm zum AFG, 2. Aufl 1988, § 145 Rz 4). Der Beklagte war aber, wie die Revision zu Recht geltend macht, nach § 133 AFG, hier anwendbar in der zuletzt durch das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497) geänderten Fassung, nicht verpflichtet, die Frage zu beantworten, ob die Beschäftigung des W in einem Betrieb/einer Betriebsabteilung iS des § 2 Abs 2 AnwZV erfolgt ist.
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, daß für die Arbeitsbescheinigung der von der Klägerin dafür vorgesehene Vordruck zu benutzen ist (§ 133 Abs 1 Satz 1 2. Halbs AFG). Es liegt auf der Hand, daß dies die Klägerin nicht berechtigt, in ihren Vordrucken andere Angaben von den Arbeitgebern zu fordern, als es das Gesetz erlaubt (in diesem Sinne Gagel, Komm zum AFG, Stand Juli 1987, § 133 Rz 35); denn der Vordruck soll lediglich der Verwaltungsvereinfachung dienen und gewährleisten, daß die Angaben, die nach § 133 AFG vom Arbeitgeber zu machen sind, vollständig sind. Wie sich für den Regelfall aus der Legaldefinition des § 133 Abs 1 Satz 1 AFG ergibt, handelt es sich dabei um alle Tatsachen, die für die Entscheidung über den Anspruch auf Alg erheblich sein können; diese hat der Arbeitgeber zu bescheinigen. Gefordert werden Angaben, die für die Voraussetzungen, für die Höhe und für die Dauer des Anspruchs von Bedeutung sind. Hierzu zählen ua alle Umstände, aus denen sich ergeben kann, ob die Anwartschaftszeit erfüllt ist (§ 100 Abs 1, § 104 AFG). Zu bescheinigen sind daher auch Tatsachen, die dem Arbeitsamt eine Beurteilung ermöglichen, ob der Arbeitslose zu den Arbeitnehmern gehört, die nach näherer Maßgabe der AnwZV die Anwartschaftszeit schon mit weniger als 360 Kalendertagen beitragspflichtiger Beschäftigung erfüllen, weil sie allein wegen der Besonderheiten ihres Arbeitsplatzes regelmäßig weniger als 360 Kalendertage im Kalenderjahr beschäftigt werden (§ 104 Abs 1 Satz 3 AFG). Es wäre daher nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte in dem von der Klägerin für die Arbeitsbescheinigung vorgesehenen Vordruck nach den Tatsachen gefragt worden wäre, die für die Bejahung des § 2 Abs 2 AnwZV von Bedeutung sind. Das ist jedoch in dem im vorliegenden Falle verwendeten Vordruck nicht geschehen.
Mit der dort verwendeten Frage, ob die Beschäftigung in einem Betrieb/einer Betriebsabteilung iS des § 2 Abs 2 AnwZV erfolgt sei, hat die Klägerin nicht nach Tatsachen gefragt, sondern, wie das LSG nicht verkannt hat, nach dem Ergebnis einer rechtlichen Würdigung, die der die Arbeitsbescheinigung ausfüllende Arbeitgeber eigenverantwortlich vornehmen sollte. Letzteres wird insbesondere daran deutlich, daß die Arbeitgeber keinerlei diesbezüglichen Tatsachen anzugeben hatten und selbst in dem Falle, daß die Frage bejaht worden ist, die Klägerin offenbar nicht einmal interessierte, ob die Beschäftigung in einem Betrieb oder in einer Betriebsabteilung stattfand, für welche die Voraussetzungen des § 2 Abs 2 AnwZV gegeben waren und welche Art von Saisonbetrieb (§ 2 Abs 2 Nr 1, 2 oder 3 AnwZV) vorgelegen hat.
Aus der gesetzlichen Verpflichtung des Arbeitgebers, diesbezügliche Tatsachen zu bescheinigen, läßt sich entgegen der Auffassung des LSG nicht ableiten, daß der Arbeitgeber eigenständig eine Prüfung nach § 2 Abs 2 AnwZV vorzunehmen und verantwortlich auch zu bescheinigen hätte, ob die Beschäftigung in einem derartigen Saisonbetrieb erfolgt ist. Die Klage muß vielmehr, wie die Revision zu Recht geltend macht, daran scheitern, daß der Arbeitgeber nach dem Gesetzeswortlaut nur Tatsachen zu bescheinigen hat und damit grundsätzlich nicht die Ergebnisse rechtlicher Würdigungen. Dies bedeutet allerdings nicht, daß nicht auch in einfachen, schlichten Rechtsbegriffen des Arbeitslebens nach Tatsachen gefragt werden dürfte. Abgesehen davon, daß auch sonst einfache Rechtsbegriffe, die allgemein verwendet und verstanden werden, wie Tatsachen behandelt werden, belegt dies für die Arbeitsbescheinigung § 133 Abs 1 Satz 2 AFG. Hiernach sind nämlich ua insbesondere das Arbeitsentgelt, eine Urlaubsabgeltung und eine Abfindung, Entschädigung oder sonstige beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis zu zahlende Leistung zu bescheinigen, was jeweils voraussetzt, daß der Arbeitgeber diese Entgelte vorher als solche rechtlich qualifiziert hat (vgl BayLSG NZA 1985, 71, 72; Matthes Betrieb 1968, 1578, 1579; Steffen BB 1987, 1456, 1458).
Mit den einfachen Rechtsbegriffen des Arbeitslebens, die jedem Arbeitgeber geläufig sind, ist indessen auch die Grenze aufgezeigt, welche Angaben das Gesetz von seinem Zwecke her für die Arbeitsbescheinigung fordert. Diese soll es der Klägerin ermöglichen, im Zusammenhang mit den Angaben des Arbeitslosen möglichst rasch und richtig über dessen Anträge, insbesondere auf Alg und Arbeitslosenhilfe (Alhi) zu entscheiden (vgl Begründung zur Neufassung des § 133 AFG, BT-Drucks 7/4127 S 53; BayLSG NZA 1985, 71, 72; vgl auch BSGE 53, 212, 214 = SozR 4100 § 145 Nr 2). Hierzu bedarf die Klägerin zwar der – verantwortlichen – Bescheinigung von Tatsachen, die für die vom Arbeitslosen geltend gemachten Leistungen erheblich sein können, grundsätzlich dagegen nicht der Bescheinigung von rechtlichen Würdigungen; denn diese kann die Klägerin anhand der ihr von den Arbeitgebern bescheinigten Tatsachen selbst, einheitlich und im Bereich des Arbeitsförderungsrechts in der Regel auch zutreffender als die Arbeitgeber vornehmen. Zwar hat das AFG beim Kurzarbeitergeld, beim Wintergeld und beim Schlechtwettergeld in weiterem Umfang die Mitwirkung der Arbeitgeber vorgesehen, indem neben den Betriebsräten die Arbeitgeber die Leistungen beantragen können (§ 72 Abs 2 Satz 2, § 81 Abs 3 Satz 2, § 88 Abs 2 Satz 2 AFG) und sie kostenlos zu errechnen und auszuzahlen haben (§ 72 Abs 3 Satz 2, § 81 Abs 3 Satz 4, § 88 Abs 4 AFG), was in weiterem Umfange Rechtsanwendung erfordert. Indessen ist diese erweiterte Mitwirkung der Arbeitgeber besonders vorgeschrieben und grundsätzlich nur für Leistungen vorgesehen, an deren Gewährung der Arbeitgeber auch ein eigenes Interesse hat. Bei den Leistungen, deren erleichterter und rascher Gewährung die Arbeitsbescheinigung dient, insbesondere also beim Alg und bei der Alhi, ist dies dagegen nicht der Fall. Die Arbeitsbescheinigung erstellt der Arbeitgeber daher, wie das Bundessozialgericht (BSG) schon entschieden hat (BSGE 49, 291, 295 = SozR 4100 § 145 Nr 1; BSGE 53, 212, 213 = SozR 4100 § 145 Nr 2), lediglich als Auskunfts- und Beweisperson, allerdings verantwortlich, dh mit der in § 145 Nr 1 AFG vorgesehenen Haftung für Vorsatz und Fahrlässigkeit.
Daß der Arbeitgeber in den Arbeitsbescheinigungs-Vordrucken lediglich in einfachen Rechtsbegriffen des Arbeitslebens nach Tatsachen gefragt werden darf, bestätigt die bisherige Entwicklung der Bescheinigungspflicht. Vor der Neufassung des § 133 AFG durch Art 1 Nr 32 des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des Bundesversorgungsgesetzes (HStruktG-AFG) vom 18. Dezember 1975 (BGBl I 3113), auf der die geltende Fassung der Vorschrift im wesentlichen beruht, benannten die einschlägigen Vorschriften unmittelbar die vom Arbeitgeber verlangten Angaben. So hatte § 133 AFG in der Fassung des Gesetzes vom 25. Juni 1969 (BGBl I 582) vorgesehen, daß aus der Arbeitsbescheinigung besonders die Art der Tätigkeit des Arbeitnehmers, Beginn, Ende und Grund für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses hervorgehen sollten, außerdem das Arbeitsentgelt und sonstige Leistungen (§ 117 Abs 2 AFG), die der Arbeitnehmer aus dem Beschäftigungsverhältnis erhalten oder zu beanspruchen hat. Ähnlich hatte § 174 Abs 2 des davor geltenden Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) vorgeschrieben, daß aus der vom Arbeitgeber nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses auszustellenden Bescheinigung neben dem Arbeitsentgelt und den sonstigen Bezügen, die der Arbeitslose aus dem Arbeitsverhältnis erhalten oder noch zu beanspruchen hat, die Art der Tätigkeit, Beginn, Ende und Lösungsgrund des Arbeitsverhältnisses hervorgehen sollten. Zu der geforderten Angabe der Art der Beschäftigung hat schon das Reichsarbeitsgericht entschieden, daß damit lediglich die Bezeichnung der Tätigkeit, die der Arbeitnehmer ausgeübt hat, also eine Angabe tatsächlicher Natur zu verstehen sei, dagegen nicht die Angabe, ob der Arbeitnehmer Angestellter gewesen sei, weil darin bereits ein Urteil enthalten sei (RAG ArbRSamml 20, 99, 101). Auch das Schrifttum sah die in § 174 Abs 2 AVAVG verlangten Merkmale als Tatsachen an, die das Arbeitsamt in dem amtlichen Vordruck erfragen dürfe (vgl Dräger/Buchwitz/Schönefelder, Komm zum AVAVG, § 174 Rz 14; Schmidt RdA 1954, 409, 410; Matthes Betrieb 1968, 1578, 1579).
Mit der Frage, ob die Beschäftigung in einem Betrieb/einer Betriebsabteilung iS des § 2 Abs 2 AnwZV erfolgt sei, ist der Beklagte nicht lediglich in einfachen Rechtsbegriffen des Arbeitslebens nach Tatsachen gefragt worden. Von ihm wurde vielmehr eine rechtliche Subsumtion unter eine spezielle Vorschrift des Arbeitsförderungsrechts verlangt, die vom Rechtsanwender in mehreren Prüfungsschritten vorzunehmen ist, bevor sie beantwortet werden kann, und – wie die Rechtspraxis belegt – selbst bei Gerichten auf Schwierigkeiten stößt (vgl BSG SozR 4100 § 104 Nr 17). Von Gesetzes wegen ist der Arbeitgeber daher nicht verpflichtet, diese Frage der Klägerin zu beantworten.
Kann die Klägerin hiernach die Beantwortung der gestellten Frage vom Arbeitgeber nicht verlangen, ist es unerheblich, ob die für die Beantwortung der Frage in den „Erläuterungen zum Ausfüllen der Arbeitsbescheinigung (Fassung 7.82)” gegebenen Hinweise ausreichend klar sind, wie das LSG angenommen hat. Der Senat setzt sich damit nicht in Widerspruch zu seinem nicht veröffentlichten Urteil vom 9. September 1986 – 7 RAr 77/84 –. In diesem Urteil ist ein Anspruch auf Schadensersatz der Klägerin verneint worden, weil die Sachbearbeiterin des in jenem Fall in Anspruch genommenen Arbeitgebers die Arbeitsbescheinigung angesichts mangelnder Klarheit der in den Erläuterungen gegebenen Hinweise nicht fahrlässig ausgefüllt hatte. Aus diesem tragenden Gesichtspunkt der Entscheidung folgt jedoch nicht im Umkehrschluß, daß Arbeitgeber rechtliche Würdigungen vorzunehmen haben, wenn die Hinweise zur Ausfüllung des Arbeitsbescheinigungs-Vordrucks hinreichend klar sind. Die Frage, ob der Arbeitgeber für einen Schaden nicht einzustehen hat, wenn er nach § 133 AFG nicht verpflichtet war, eine bestimmte Angabe zu machen, hat der Senat in dem genannten Urteil ausdrücklich offen gelassen.
Die in jenem Urteil ferner offen gelassene Frage, ob der Arbeitgeber jedenfalls dann für einen eingetretenen Schaden der Klägerin haftet, wenn er (oder sein Erfüllungsgehilfe) eine Frage, zu deren Beantwortung er nicht verpflichtet war, unrichtig beantwortet, obwohl eine richtige Beantwortung anhand der Erläuterung unschwer möglich gewesen ist, ist zu verneinen. Durch die ihr obliegende Gestaltung der für die Arbeitsbescheinigung vorgesehenen Vordrucke ist die Klägerin praktisch in der Lage, rechtliche Würdigungen, die sie selbst vorzunehmen hat, auf die Arbeitgeber zu überwälzen; denn in aller Regel beantwortet der Arbeitgeber die im Vordruck gestellten Fragen in der Annahme, daß der Vordruck den gesetzlichen Anforderungen entspricht und daher nur solche Fragen enthält, deren Beantwortung das Gesetz von ihm fordert. Würde man der Klägerin in Fällen vorliegender Art einen Schadensersatzanspruch zubilligen, weil der Arbeitgeber (oder sein Erfüllungsgehilfe) fahrlässig unter Nichtbeachtung der Hinweise eine Frage unrichtig beantwortet hat, die er an sich nicht zu beantworten braucht, würde der Arbeitgeberschaft auch die Verantwortung für die Richtigkeit der rechtlichen Würdigung zugeschoben, obwohl auch diese der Klägerin obliegt. Das kann nicht richtig sein. Ob der Klägerin dann ein Schadensersatz zuzubilligen ist, wenn der Arbeitgeber oder sein Erfüllungsgehilfe die unzulässige Frage vorsätzlich falsch beantwortet, ist hier nicht zu entscheiden.
Kann die Klägerin hiernach von dem Beklagten keinen Schadensersatz verlangen, weil in der Arbeitsbescheinigung die Frage nach der Anwendbarkeit des § 2 Abs 2 AnwZV unrichtig beantwortet ist, können die Urteile der Vorinstanzen keinen Bestand haben. Die Klage ist vielmehr abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 913640 |
BSGE, 233 |