Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. April 1990 wird zurückgewiesen.
Der Beklagten sind die außergerichtlichen Kosten auch des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist ein Schadensersatzanspruch der Bundesanstalt für Arbeit (BA) gegen den Arbeitgeber wegen unrichtiger Angaben in der nach § 133 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) auszustellenden Arbeitsbescheinigung und der dadurch bewirkten Zahlung eines zu hohen Arbeitslosengeldes (Alg).
Die beklagte Auftraggeberin von Heimarbeitern bescheinigte der bei ihr als Heimarbeiterin beschäftigten und ab 1. September 1985 arbeitslosen Versicherten R. in der Arbeitsbescheinigung vom 11. September 1985 ein Bruttoarbeitsentgelt für die Zeit vom 1. Juni bis zum 31. August 1985 in Höhe von 4.603,87 DM. Die Versicherte hatte als Heimarbeiterin nach § 12 Nr 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) bei einem Anspruch auf 18 Urlaubstage ein Urlaubsentgelt von 6 1/4 vH des in der Zeit vom 1. Mai bis zum 30. April des folgenden Jahres oder bis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses verdienten Arbeitsentgelts vor Abzug der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge ohne Unkostenzuschlag und ohne die für den Lohnausfall an Feiertagen, den Arbeitsausfall infolge Krankheit und den Urlaub zu leistenden Zahlungen zu erhalten. Nach § 12 Nr 3 BUrlG „soll” das Urlaubsentgelt erst bei der letzten Entgeltzahlung vor Antritt des Urlaubs ausgezahlt werden. Die Beklagte hatte die 6 1/4 vH des verdienten Arbeitsentgelts jeweils fortlaufend mit dem Arbeitsentgelt gezahlt.
Das von der Beklagten bescheinigte Bruttoarbeitsentgelt enthält auch die als Urlaubsentgelt nach Maßgabe des für den Bemessungszeitraum zustehenden Arbeitsentgelts gezahlten Beträge.
Die klagende BA bewilligte der Versicherten Alg nach Maßgabe des bescheinigten Bruttoarbeitsentgelts. Daß dieses neben dem eigentlichen Arbeitsentgelt auch das fortlaufend gezahlte Urlaubsentgelt enthielt, stellte die Klägerin bei einer Überprüfung fest. Nach Auffassung der Klägerin hätte die Beklagte unter Berücksichtigung der im vorgesehenen Vordruck „Arbeitsbescheinigung für Heimarbeiter” (1.83) gestellten Fragen und der dem Vordruck beigefügten Erläuterungen das fortlaufend gezahlte Urlaubsentgelt nur als Bruttoarbeitsentgelt für den Bemessungszeitraum berücksichtigen dürfen, soweit es auf Urlaubstage im Bemessungszeitraum entfiel. Ohne Berücksichtigung des fortlaufend gezahlten Urlaubsentgelts hätte die Versicherte 679,86 DM weniger an Alg erhalten. Unter Absetzung weiterer Lohnbestandteile, die nun nicht mehr streitig sind, berechnete die Klägerin ihre Schadensersatzforderung zunächst auf 977,44 DM. Sie ermäßigte die auf Zahlung von 762,– DM gerichtete Klage auf 679,86 DM. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 8. Juni 1988). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 25. April 1990).
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung der §§ 133 Abs 1, 145 Nr 1 AFG, hilfsweise der §§ 103 Satz 1, 128 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die Klägerin beantragt,
die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 679,86 DM zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Beide Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Gegen die Statthaftigkeit der Berufung (§ 143 SGG) bestehen, wie das LSG zutreffend erkannt hat, keine Bedenken. Der Berufungsausschließungsgrund des § 144 Abs 1 SGG gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht für Zahlungsansprüche der öffentlichen Hand gegen den einzelnen, insbesondere nicht für Schadensersatzansprüche aus § 145 AFG (BSGE 64, 233, 235 mwN = SozR 4100 § 145 Nr 4). Die bisher offen gelassene Frage einer entsprechenden Anwendung des § 149 SGG (Berufungsausschluß bei Streitigkeiten wegen Rückerstattung von Leistungen, wenn der Beschwerdewert 1000 Deutsche Mark nicht übersteigt) auf den Schadensersatzanspruch der BA aus § 145 AFG (vgl BSGE 644, 233, 235), ist insbesondere aus Gründen der Rechtsmittelklarheit zu verneinen. Der Grundsatz, die Zulässigkeit von Rechtsmitteln möglichst von Zweifeln freizuhalten (Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes – GmS-OGB – vom 16. März 1976 SozR 1500 § 161 Nr 18), erfordert eine restriktive, vornehmlich am Wortlaut orientierte Auslegung. Bei den §§ 144 bis 149 SGG ist neben dem Grundsatz der Rechtsmittelklarheit zusätzlich deren Ausnahmecharakter zu berücksichtigen. Der in § 146 SGG angeordnete Ausschluß der Berufung bei Streit um Rente für bereits abgelaufene Zeiträume kann daher weder auf Übergangsgeld für abgelaufene Zeiträume (BSG Urteil vom 6. März 1991 – 13/5 RJ 52/90 – zur Veröffentlichung vorgesehen; BSGE 46, 167, 169 = SozR 1500 § 146 Nr 8) noch auf den Beitragszuschuß für die Krankenversicherung der Rentner (BSG SozR 1500 § 146 Nr 16) entsprechend angewandt werden. Der Berufungsausschluß bei Streitigkeiten wegen Rückerstattung von Leistungen in § 149 SGG ist auch für den Anspruch auf Zuzahlung zu den Aufwendungen einer stationären Heilbehandlung verneint worden (BSG SozR 1500 § 149 Nr 11).
Der 3. Senat des BSG hat allerdings den Berufungsausschließungsgrund des § 149 auf den besonderen Fall des Arzneimittelregresses gegen Kassenärzte entsprechend angewandt (BSGE 57, 195 = SozR 1500 § 149 Nr 7). Die Entscheidung befaßt sich indes nur mit dem Ausnahmecharakter der Vorschrift. Ihr ist nicht zu entnehmen, daß dem Grundsatz der Rechtsmittelklarheit in diesem Zusammenhang abweichend von der Auffassung des erkennenden Senats keine Bedeutung zukommen soll. Der Senat war deshalb an der getroffenen Entscheidung nicht durch § 42 SGG gehindert.
Für die geltend gemachte Schadensersatzforderung aus § 145 AFG ist, wie der Senat bereits entschieden hat, der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben (BSGE 66, 188, 189 = SozR 3-4100 § 145 Nr 1 mwN).
Die Klägerin durfte ihre Forderung auch im Wege der Leistungsklage geltend machen (BSGE 49, 291, 294 ff, siehe auch BSGE 56, 20, 21; BSG SozR 4100 § 144 Nr 1). Der erkennende Senat verbleibt zwar bei der Auffassung, daß es sich bei dem Schadensersatzanspruch nach § 145 AFG um einen Anspruch aus dem öffentlich-rechtlichen Indienstnahme-Verhältnis zwischen der BA und dem Arbeitgeber handelt, der wie der Anspruch der BA auf Ausfüllung der Arbeitsbescheinigung nach der Ausgestaltung dieses Rechtsverhältnisses durch Verwaltungsakt geltend zu machen ist. Gleichwohl war das Rechtsschutzinteresse für eine Leistungsklage der BA nicht zu verneinen, da diese aufgrund der vorliegenden Rechtsprechung des BSG nicht damit rechnen konnte, daß eine Geltendmachung durch Verwaltungsakt der rechtlichen Nachprüfung standhalten werde, wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 66, 188, 189 f).
Die Schadensersatzklage der BA ist jedoch unbegründet. Die beklagte Auftraggeberin von Heimarbeitern hat gegen ihre Verpflichtung aus § 133 Abs 3 iVm Abs 1 Satz 1 AFG, in der Arbeitsbescheinigung auf dem von der BA hierfür vorgesehenen Vordruck alle „Tatsachen” zu bescheinigen, die für die Entscheidung über den Anspruch auf Alg erheblich sein können, nicht verstoßen.
Die unrichtige Zuordnung von Lohnbestandteilen zum Bemessungszeitraum führt jedenfalls dann nach dem noch zu erörternden Maßstab des § 133 AFG nicht zu einem Schadensersatzanspruch, wenn es der BA ohne weiteres möglich war, in dem Bescheinigungsvordruck die Angabe der für die rechtliche Würdigung maßgebenden Tatsachen vorzusehen, wie das hier der Fall war.
Nach § 12 Nr 6 BUrlG sind die als Urlaubsentgelt gezahlten Beträge gesondert im Entgeltbeleg auszuweisen. Dementsprechend hätte die BA im Vordruck die gesonderte Ausweisung des Urlaubsentgelts und die Angabe über den tatsächlich genommenen Urlaub vorsehen und die Subsumtion selbst vornehmen können.
Der § 133 AFG begründet eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers und ermächtigt die BA im Sinne einer Indienstnahme Privater, vom Arbeitgeber eine Arbeitsbescheinigung auf einem von ihr erstellten Vordruck zu fordern (BSG Urteil vom 12. Dezember 1990 – 11 RAr 43/88 –).
Eine solche Indienstnahme ist nur im Rahmen ihrer gesetzlichen Grundlage und unter Beachtung ihrer verfassungsrechtlichen Grenzen, insbesondere der Verhältnismäßigkeit, zulässig (BSG Urteil vom 12. Dezember 1990 – 11 RAr 73/89 –). Die Verpflichtung des Arbeitgebers, gemäß § 133 Abs 1 Satz 1 2. Halbs AFG den von der BA vorgesehenen Vordruck zu benutzen, ändert nichts daran, daß nach dem vorstehenden ersten Halbsatz in der Arbeitsbescheinigung nur „Tatsachen” anzugeben sind. In der Arbeitsbescheinigung darf die BA vom Arbeitgeber grundsätzlich keine Angaben verlangen, die eine eigene rechtliche Wertung voraussetzen, wie der 7. Senat des BSG bereits entschieden hat (BSGE 64, 233, 236 ff = SozR 4100 § 145 Nr 4).
Das gilt auch, wenn in den „Erläuterungen zum Ausfüllen der Arbeitsbescheinigung” die Subsumtion bestimmter typischer Sachverhalte unter Gesetzesbegriffe vorgeschrieben wird. Ein solches Vorgehen der BA findet in § 133 AFG keine Stütze. Es steht der BA zwar frei, im Vordruck Angaben zu solchen typischen Lebenssachverhalten zu verlangen, hier etwa dazu, ob im Bemessungszeitraum Urlaub genommen wurde und ob das Urlaubsentgelt bei Antritt des Urlaubs oder fortlaufend gezahlt wurde. Ob Angaben über den im Bemessungszeitraum tatsächlich genommenen Urlaub bei einem Heimarbeiter auch dann vom Arbeitgeber erfragt werden dürfen, wenn dieser keine eigene unmittelbare Kenntnis von den Urlaubstagen hat, oder ob in einem solchen Fall die BA die Urlaubstage vom Heimarbeiter erfragen muß, kann hier dahinstehen. Jedenfalls ermächtigt § 133 AFG die BA nicht, vom Arbeitgeber die Subsumtion bestimmter Sachverhalte unter Rechtsbegriffe „unter Beachtung der beigefügten Weisungen” zu verlangen. Eine rechtliche Wertung nach Weisung belastet den Arbeitgeber stärker als die in § 133 AFG angeordnete Bescheinigung der Tatsachen. Wäre der Arbeitgeber gehalten, eine rechtliche Wertung nach einer Weisung der BA vorzunehmen, die weder er noch der Versicherte für richtig hält, so kann dies zu vermeidbaren Unstimmigkeiten zwischen Arbeitgeber und Versichertem führen. Werden hingegen nur die Tatsachen in der Arbeitsbescheinigung mitgeteilt, im vorliegenden Fall etwa durch die Angabe des im Bemessungszeitraum genommenen Urlaubs und des gezahlten Urlaubsentgelts, so läßt das – anders als eine rechtliche Wertung – eine Auseinandersetzung zwischen Arbeitgeber und Versichertem nicht erwarten. Die Beschränkung auf Tatsachenangaben in § 133 AFG vermeidet damit eine unverhältnismäßige Belastung des Arbeitgebers.
Eine vom Arbeitgeber nach Weisung der BA vorgenommene rechtliche Wertung ohne Angabe der zu wertenden Tatsachen würde auch dazu führen, daß die Rechtsanwendung von der BA nicht überprüft werden könnte. Die BA hat ihre Verantwortlichkeit für die richtige Rechtsanwendung zu Recht hervorgehoben. Diese Verantwortlichkeit bedeutet indes für § 133 AFG nicht, daß der Arbeitgeber rechtliche Wertungen nach Maßgabe der Erläuterungen der BA vorzunehmen hat, sondern daß die BA die in der Arbeitsbescheinigung angegebenen Tatsachen selbst rechtlich werten muß.
Soweit die Frage Nr 8 im Vordruck der BA nach dem Bruttoarbeitsentgelt für den Bemessungszeitraum die Vorfrage umschließt, ob das fortlaufend gezahlte Urlaubsentgelt dem jeweiligen Zahlungszeitraum zuzuordnen ist oder nicht, handelt es sich nicht um die Angabe einer Tatsache, sondern um das Ergebnis einer rechtlichen Würdigung, die der die Arbeitsbescheinigung ausfüllende Arbeitgeber eigenverantwortlich vornehmen sollte, was später noch näher darzulegen ist.
Da die nach Auffassung der BA unrichtige Angabe eine rechtliche Wertung zum Gegenstand hat, ist ein Schadensersatzanspruch ausgeschlossen, auch wenn die Rechtsanwendung unrichtig ist und dies auf Fahrlässigkeit beruht. Beantwortet der Arbeitgeber die unzulässige Frage nach einer rechtlichen Bewertung unrichtig, obwohl eine richtige Beantwortung anhand der dem Bescheingungsformular beigefügten „Erläuterungen” unschwer möglich gewesen wäre, so verpflichtet das nicht zum Schadensersatz. Auch insoweit stimmt der erkennende Senat der angeführten Entscheidung des 7. Senats zu (BSGE 64, 233, 239 = SozR 4100 § 145 Nr 4).
Die BA meint zu Unrecht, in Nr 8 der Arbeitsbescheinigung handele es sich schon deswegen nicht um eine rechtliche Wertung, weil die dort verwandten Rechtsbegriffe des Arbeitsentgelts und des Bruttoarbeitsentgelts einfache Rechtsbegriffe der Alltagssprache seien. Es geht hier nämlich nicht um die richtige Anwendung dieser Begriffe, weil das fortlaufend gezahlte Urlaubsentgelt unzweifelhaft zum beitragspflichtigen Bruttoarbeitsentgelt gehört.
Die in der Nr 8 der Arbeitsbescheinigung geforderte Angabe des Bruttoarbeitsentgelts verlangt hinsichtlich der einzelnen Lohnbestandteile, hier zum fortlaufend gezahlten Urlaubsentgelt, die Beantwortung von zwei Vorfragen: Zu prüfen ist, ob der Lohnbestandteil zum Arbeitsentgelt gehört, was insbesondere bei steuerfreien Lohnbestandteilen Schwierigkeiten macht, und ob der Lohnbestandteil für den Bemessungszeitraum gezahlt wird.
Wäre zur Nr 8 der Arbeitsbescheinigung nur die erste Frage zu beantworten, so wäre einerseits die Ansicht der Klägerin zutreffend, daß mit einfachen Rechtsbegriffen der Alltagssprache nach einer Tatsache gefragt werde, andererseits wäre dem SG zuzustimmen, daß die Beklagte die Frage richtig beantwortet hat, weil das fortlaufend gezahlte Urlaubsentgelt zu den beitragspflichtigen Bruttobezügen gehört.
Die zweite Frage, ob das mit den Bezügen für den Bemessungszeitraum fortlaufend gezahlte Urlaubsentgelt für den Bemessungszeitraum gezahlt wird – und nur hinsichtlich dieser Frage kann die Arbeitsbescheinigung unrichtige Angaben enthalten –, verlangt indes eine schwierige rechtliche Würdigung. Die Anwendung der Berechnungsvorschrift des § 112 AFG auf das Heimarbeitern nach dem BUrlG gezahlte Urlaubsentgelt ist nämlich nur dann problemlos, wenn das Urlaubsentgelt bei Antritt des Urlaubs ausgezahlt wird. Dann sind Urlaubstage, die in den Bemessungszeitraum fallen, mit dem anteiligen Urlaubsentgelt zu berücksichtigen. Wird hingegen – wie hier – das Urlaubsentgelt fortlaufend gezahlt, wie dies die Sollvorschrift in § 12 Nr 3 BUrlG zuläßt, so ist für die rechtliche Wertung danach zu unterscheiden, ob im Bemessungszeitraum Urlaubstage genommen wurden oder nicht.
Fallen Urlaubstage in den Bemessungszeitraum, so ist an sich das für solche Urlaubstage zustehende Urlaubsentgelt aus dem fortlaufend gezahlten Urlaubsentgelt zu berechnen. Die Berücksichtigung des fortlaufend und damit möglicherweise vor dem Bemessungszeitraum für Urlaubstage im Bemessungszeitraum gezahlten Urlaubsentgelts widerspricht nicht der von der Rechtsprechung vertretenen Zuflußtheorie. Nach dieser genügt es für die Zwecke des § 112 Abs 2 AFG, wenn der Arbeitnehmer bis zum Tage des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis das Entgelt für den Bemessungszeitraum tatsächlich „in die Hand” bekommt (vgl BSG Urteil vom 9. August 1990 – 11 RAr 47/89 –). Diesem Erfordernis ist auch dann genügt, wenn das Urlaubsentgelt schon vor dem Bemessungszeitraum gezahlt wurde.
Indes ist die richtige Berechnung des auf jeden Urlaubstag im Bemessungszeitraum entfallenden Urlaubsentgelts aus dem fortlaufend gezahlten Urlaubsentgelt mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Insoweit ist zweifelhaft, ob das für ein Urlaubsjahr zustehende Urlaubsentgelt in Anwendung des § 12 BUrlG aus den Arbeitsentgelten vom 1. Mai des Vorjahres bis zum 30. April des Urlaubsjahres zu berechnen ist oder aus den Arbeitsentgelten für die Zeit vom 1. Mai des Urlaubsjahres bis zum 30. April des folgenden Jahres. Für letzteres spricht der Gesetzeswortlaut; bei Antritt des Urlaubs steht aber regelmäßig die Höhe des maßgebenden Arbeitsentgelts noch nicht fest (vgl zum Meinungsstreit Dersch/Neumann, BUrlG, 7. Aufl, § 12 RdNr 19). In jedem Fall wäre die BA gehalten, nicht nur das für den Bemessungszeitraum fortlaufend gezahlte Urlaubsentgelt, sondern das für das maßgebende Jahr fortlaufend gezahlte Urlaubsentgelt zu ermitteln und mit einem Achtzehntel für jeden Urlaubstag anzusetzen. Ob diese Schwierigkeiten es rechtfertigen, bei fortlaufend gezahltem Urlaubsentgelt den Bemessungszeitraum um etwaige Urlaubstage zu verlängern, wie die „Erläuterungen” der BA anscheinend vorsehen, ist hier nicht zu entscheiden. Es genügt vielmehr, daß die Angabe in der Arbeitsbescheinigung insoweit eine schwierige rechtliche Wertung erfordert. Deswegen ist auch nicht näher darauf einzugehen, ob der Arbeitgeber für den dreimonatigen Bemessungszeitraum vom 1. Juni bis zum 31. August 1985 3/12 des Urlaubsentgelts für den 18-tägigen Jahresurlaub gezahlt hat. Hätte die Heimarbeiterin im Bemessungszeitraum mindestens 5 Urlaubstage genommen, wozu Feststellungen fehlen, so spricht vieles dafür, daß die Arbeitsbescheinigung entgegen der Auffassung der BA zutreffend war.
Rechtlich zweifelhaft ist ferner, ob ein fortlaufend gezahltes Urlaubsentgelt auch dann nicht zu berücksichtigen ist, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich keinen Urlaub nimmt, so daß ihm der Erhöhungsbetrag von 6 1/4 vH regelmäßig in einer den Lebensstandard begründenden Weise zur Verfügung stand (vgl hierzu BSG SozR 4100 § 112 Nr 24). Ob die für jeden Abrechnungszeitraum erfolgende Zahlung allein deshalb als wiederkehrende Zuwendung anzusehen ist, weil der Arbeitgeber das fortlaufend gezahlte Urlaubsentgelt zurückfordern darf, wenn der Urlaub tatsächlich nicht genommen wird (Dersch/Neumann, aa0, § 12 RdNr 14), ist jedenfalls dann zweifelhaft, wenn der beteiligte Arbeitgeber, wie dies hier der Fall ist, von einer solchen Rückforderung absieht.
Ob die „Erläuterungen” den Arbeitgeber in die Lage versetzten, die aufgezeigte schwierige rechtliche Wertung vorzunehmen, ist rechtlich, wie ausgeführt, bedeutungslos. Die „Erläuterungen” könnten einen Schadensersatzanspruch daher nur begründen, wenn in ihnen eindeutig zum Ausdruck käme, daß zu Nr 8 der Arbeitsbescheinigung stets das Bruttoarbeitsentgelt abzüglich eines etwa fortlaufend gezahlten Urlaubsentgelts anzugeben sei. Den „Erläuterungen” ist indes nicht zu entnehmen, daß ein fortlaufend gezahltes Urlaubsentgelt auch dann unberücksichtigt bleiben soll, wenn Urlaubstage in den Bemessungszeitraum fallen. Es bedarf daher keiner Erörterung, in welchen Grenzen Ausführungen in den „Erläuterungen” die im Formular der Arbeitsbescheinigung geforderte rechtliche Wertung in eine Frage nach Tatsachen umwandeln können.
In den „Erläuterungen” zum Ausfüllen der Arbeitsbescheinigung für Heimarbeiter (Fassung 1.83) heißt es zu Urlaub und Urlaubsentgelt: „Der in den Spalten 1 und 2 einzutragende kalendermäßige Zeitraum von 10 Wochen ist um folgende Zeiten zu verlängern: … Urlaubszeiten, für die kein Urlaubsentgelt gezahlte wurde, weil dieses unabhängig von einer tatsächlichen Urlaubsgewährung in Form von Urlaubsentgeltzuschlägen zum jeweils fälligen Arbeitsentgelt gezahlt wurde, … In Spalte 3 ist als Bruttoarbeitsentgelt das Entgelt einzutragen, das der Berechnung der Beiträge zur BA zugrundegelegt worden ist … nicht einzutragen sind … – Urlaubsentgeltzuschläge, die regelmäßg bei jeder Lohnabrechnung gezahlt werden. (Wird dagegen für Tage des Urlaubs Urlaubsgeld gezahlt, so ist dieses als Bruttoarbeitsentgelt in Spalte 3 einzutragen. Es darf jedoch kein höherer Betrag eingesetzt werden, als das Urlaubsentgelt, das dem Heimarbeiter für die Zahl der genommenen Urlaubstage zusteht. Wird das Urlaubsentgelt in Spalte 3 als Bruttoarbeitsentgelt eingetragen, erfolgt keine Verlängerung des 10-Wochen-Zeitraumes um den Zeitraum des Urlaubs.)”
Die „Erläuterungen” bestätigen, daß dem Arbeitgeber hinsichtlich der zeitlichen Zuordnung des fortlaufend gezahlten Urlaubsentgelts eine schwierige Rechtsanwendung aufgegeben wird. Die Zuordnung des Bruttoarbeitsentgelts zum Bemessungszeitraum fällt selbst dann in den Bereich der Rechtsanwendung, wenn hierzu anerkannte Rechtsbegriffe wie zB des aufgestauten Arbeitsentgelts, der wiederkehrenden Zuwendung oder der einmaligen Leistung anzuwenden sind. Derartige Begriffe gehören nicht zur Alltagssprache sondern zum Bereich der rechtlichen Würdigung (Ketelsen in Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Komm zum AFG, 2. Aufl, § 145 Anm 4).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen