Entscheidungsstichwort (Thema)
Herabsetzung einer Vollrente nach RVO § 587 wegen Änderung der Verhältnisse. Arbeitsmarktlage. Maßgebender Zeitpunkt für Anfechtungsklage
Orientierungssatz
1. Die im Bescheid über die Herabsetzung der Vollrente auf die Teilrente gegebene Begründung, die bisherigen Vermittlungsbemühungen seien nicht aufgrund des Arbeitsunfalles, sondern aufgrund der "gegenwärtigen" Arbeitsmarktlage erfolglos verlaufen, ist nicht geeignet, eine wesentliche Änderung der Verhältnisse darzutun, wenn im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides die gleiche ungünstige Arbeitsmarktsituation wie bei Erhöhung der Rente gemäß § 587 Abs 1 RVO bestanden hat und sich die tatsächlichen Verhältnisse nicht geändert haben.
2. Bei der Entscheidung, ob in den für den Bescheid über die Erhöhung der Rente gemäß § 587 Abs 1 RVO auf die Vollrente maßgebenden Verhältnissen eine wesentliche Änderung dadurch eingetreten ist, daß die Aussicht, der Verletzte werde in absehbarer Zeit trotz der Unfallfolgen einer Erwerbstätigkeit nachgehen, nicht mehr besteht, sind die gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu würdigen (vgl BSG 1977-06-23 8 RU 88/76 = SozR 2200 § 587 Nr 2). Zwar ist auch die seit dem Arbeitsunfall oder seit einer danach durchgeführten Umschulung verstrichene Zeit zu beachten; ihr kann jedoch keine allein entscheidende Bedeutung beigemessen und deshalb auch nicht von einer allgemein gültigen Zeitspanne ausgegangen werden, vor deren Ablauf stets anzunehmen wäre, der Verletzte werde in absehbarer Zeit trotz der Folgen des Arbeitsunfalles eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, bzw nach deren Ablauf dies stets zu verneinen wäre.
3. Bei der Würdigung der Gesamtumstände für die Anspruchsvoraussetzungen nach § 587 RVO ist insbesondere eine erfolgreiche Umschulung zu beachten, denn es muß grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß ein Verletzter, der Berufshilfe von einer Berufsgenossenschaft erhalten hat, in absehbarer Zeit wieder Erwerbseinkommen erzielen kann, weil anderenfalls der Zweck der Hilfe zur Wiedereingliederung in das Erwerbsleben verfehlt wäre (vgl BSG 1977-06-23 8 RU 88/76 = SozR 2200 § 587 Nr 2).
4. Bei der Entscheidung über eine Anfechtungsklage kommt es für die rechtliche Beurteilung auf den Zeitpunkt der angefochtenen Verwaltungsentscheidung (Bescheiderteilung) an.
Normenkette
RVO § 587 Abs 1 Fassung: 1963-04-30; SGG § 54 Abs 1 S 1; RVO § 622 Abs 1 Fassung: 1963-04-30
Verfahrensgang
LSG für das Saarland (Entscheidung vom 10.10.1978; Aktenzeichen L 4 U 19/78) |
SG für das Saarland (Entscheidung vom 27.04.1978; Aktenzeichen S 4 U 126/75) |
Tatbestand
Der im Jahre 1937 geborene Kläger betrieb als selbständiger Einzelhändler ua Verkaufsautomaten für Tabakwaren. Wegen der Folgen einer Poliomyelitis trägt er am linken Bein einen Schienenhülsenapparat. Am 19. Dezember 1969 erlitt er auf einer Geschäftsfahrt einen Unfall, durch den er sich Knochenbrüche am rechten Oberarm, am Brustkorb und an beiden Beinen zuzog. Bis zum Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit (1. Juni 1971) gewährte die Beklagte nachträglich vom Unfalltag an die Vollrente anstelle des zunächst gezahlten Verletztengeldes, da dem Kläger wegen einer durch den Arbeitsunfall verursachten Erwerbsunfähigkeit iS der Rentenversicherung eine Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit bewilligt wurde. Vom 1. Juni 1971 an bezieht der Kläger eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 vH. Die Beklagte erhöhte die Teilrente gemäß § 587 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) auf die Vollrente, weil der Kläger, der seine bisherige Berufstätigkeit nicht mehr verrichten konnte, ohne Arbeitseinkommen war. Auf Kosten der Beklagten wurde der Kläger vom 1. Oktober 1973 bis Ende September 1974 - erfolgreich - zum Verwaltungsangestellten umgeschult. Durch Bescheid vom 12. Februar 1975 erhöhte die Beklagte die Teilrente erneut gemäß § 587 Abs 1 RVO auf die Vollrente mit der Begründung, nach Abschluß der Umschulung habe dem Kläger noch keine geeignete Beschäftigung vermittelt werden können, er sei nach wie vor infolge des Arbeitsunfalles ohne Arbeitseinkommen. Durch Bescheid vom 23. Oktober 1975 setzte sie die Vollrente wieder auf die Teilrente herab und führte zur Begründung aus, wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse stehe dem Kläger nach Ablauf des Monats Oktober 1975 die Vollrente nicht mehr zu; das Fehlen von Arbeitseinkommen beruhe nicht mehr auf dem Arbeitsunfall, sondern gehe auf die Arbeitsmarktlage zurück; § 587 Abs 1 RVO setze voraus, daß der Verletzte infolge des Arbeitsunfalls nur vorübergehend ohne Arbeitseinkommen sei; der Kläger sei jedoch auf unabsehbare Zeit nicht wieder ins Erwerbsleben einzugliedern; dies ergebe sich aus dem Mißerfolg der intensiven Vermittlungsbemühungen, die gemeinsam mit dem Arbeitsamt angestrengt worden seien.
Das Sozialgericht (SG) hat die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen (Urteil vom 27. April 1978). Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 10. Oktober 1978 auf die Berufung des Klägers das Urteil des SG und den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Zur Begründung hat es ua ausgeführt: Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, weil sich die für den Erlaß des Bescheides vom 12. Februar 1975 maßgebend gewesenen Verhältnisse bis zum Entziehungsbescheid im Oktober desselben Jahres nicht wesentlich geändert hätten (§ 622 Abs 1 RVO). Schon dem Bescheid vom 12. Februar 1975 habe der Sachverhalt zugrunde gelegen, daß der Kläger bei der gleichen ungünstigen Arbeitsmarktlage trotz auch damals intensiver Vermittlungsbemühungen nicht ins Erwerbsleben einzugliedern gewesen sei. Die Beklagte habe dies seinerzeit auf die Unfallfolgen zurückgeführt. Daß der Kläger später eine von der Arbeitsverwaltung vermittelte Stelle in L ausgeschlagen habe, lasse keine abweichende Beurteilung zu. Denn die ablehnende Haltung des Klägers sei ua deshalb gerechtfertigt gewesen, weil er dort nur 900,-- DM im Monat verdient hätte und davon 450,-- DM für die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Wohnung hätte aufbringen müssen, während er bei seiner Mutter in Homburg mietfrei wohne.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt und ua vorgetragen:
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei die Teilrente auf die Vollrente nur zu erhöhen, wenn der Verletzte vorübergehend infolge des Arbeitsunfalles ohne Arbeitseinkommen sei. Die Vermittlung eines Arbeitsplatzes müsse in absehbarer Zeit zu erwarten sein. Diese Voraussetzungen hätten im Februar 1975 noch angenommen werden müssen, weil seit Ende der Umschulung erst 4 Monate verstrichen gewesen seien. Nachdem die Vermittlungsbemühungen bis Oktober 1975 über ein Jahr lang zu keinem Erfolg geführt hätten, habe sich die Einschätzungsgrundlage geändert. Diese Erfahrung habe nicht mehr erwarten lassen, der Kläger werde in absehbarer Zeit wieder ins Erwerbsleben einzugliedern sein. Darin liege eine wesentliche Änderung der für die Erhöhung der Teil- auf die Vollrente (§ 587 Abs 1 RVO) maßgebend gewesenen Verhältnisse, so daß entgegen der Auffassung des LSG die Voraussetzungen des § 622 Abs 1 RVO gegeben gewesen seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 10. Oktober 1978
aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen
das Urteil des SG vom 27. April 1978 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er macht geltend, nach der Entscheidung des BSG vom 23. Juni 1977 (SozR 2200 § 587 Nr 2) sei grundsätzlich davon auszugehen, daß ein Verletzter nach einer Maßnahme zur Berufshilfe in absehbarer Zeit wieder Erwerbseinkommen erzielen könne. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse sei bis zur Erteilung des angefochtenen Bescheides nicht eingetreten. Seit dem 7. Januar 1980 sei er in einem Berufsbildungswerk beschäftigt.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat ohne mündliche Verhandlung entschieden, da sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Mit Recht hat das LSG den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 23. Oktober 1975 aufgehoben, weil in dem für die Entscheidung über die Anfechtungsklage maßgebenden Zeitpunkt der Bescheiderteilung (vgl ua BSGE 7, 8, 13; 15, 127, 131; BSG Urteil vom 28. März 1979 - 4 RJ 27/78 -; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.-9. Aufl, S 240 b ff; Meyer-Ladewig, SGG, 1977, § 54 Rdnr 32; Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, 8. Aufl 1980, § 113 Rdnr 2; Kopp, VwGO, 4.Aufl 1979, § 113 Rdnr 23; Redeker/von Oertzen, VwGO, 6.Aufl 1978, § 108 Rdnr 17; Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 7. Aufl 1978, § 57 II 2 S 248; Schweiger, NJW 1967, 616; s zu der Gegenmeinung und den Differenzierungen auch Kopp aaO Rdnr 38 ff vor § 40, Rdnr 24 - 26 zu § 113; Schweizer aaO) in den Verhältnissen, die für die Feststellung der Leistung durch den Bescheid vom 12. Februar 1975 maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung nicht eingetreten ist (§ 622 Abs 1 RVO in der bis zum 31. Dezember 1980 geltenden Fassung, s Art II § 40 SGB 10).
Maßgebend für die Beurteilung einer wesentlichen Änderung sind die dem letzten bindend gewordenen Bescheid vom 12. Februar 1975 zugrunde liegenden tatsächlichen, dh objektiven Verhältnisse. Durch diesen Bescheid hatte die Beklagte ua - erneut - die dem Kläger nach einer MdE um 50 vH gewährte Dauerrente gemäß § 587 Abs 1 RVO auf die Vollrente erhöht. Zuvor war der Kläger, der im Unfallzeitpunkt als selbständiger Einzelhändler tätig gewesen war, vom 1. Oktober 1973 bis September 1974 erfolgreich zum Verwaltungsangestellten umgeschult worden. Im Bescheid vom 12. Februar 1975 führte die Beklagte ua aus, der Kläger habe nach Abschluß der Umschulung bisher noch nicht in eine geeignete Beschäftigung vermittelt werden können, die Voraussetzungen für die Anwendung des § 587 RVO seien nach wie vor erfüllt. Die Beklagte ging somit im Februar 1975 - zutreffend - davon aus, daß der Kläger "infolge des Arbeitsunfalls ohne Arbeitseinkommen" war (§ 587 Abs 1 RVO) und deshalb Anspruch auf Erhöhung der Teilrente auf die Vollrente hatte. Die demgegenüber für die Herabsetzung der Vollrente auf die Teilrente im Bescheid vom 23. Oktober 1975 gegebene Begründung, die bisherigen Vermittlungsbemühungen seien nicht aufgrund des Arbeitsunfalles, sondern aufgrund der "gegenwärtigen" Arbeitsmarktlage erfolglos verlaufen, ist nicht geeignet, eine wesentliche Änderung der Verhältnisse darzutun. Das LSG hat festgestellt, daß im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 23. Oktober 1975 die gleiche ungünstige Arbeitsmarktsituation wie bei Erhöhung der Rente gemäß § 587 Abs 1 RVO bestanden hat und sich die tatsächlichen Verhältnisse nicht geändert hatten. Es besteht nach den gemäß § 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) für das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil schon kein Anhalt dafür, daß sich die Lage des Arbeitsmarktes in bezug auf eine Vermittlung des Klägers seit der letzten Bescheiderteilung - innerhalb von acht Monaten - so maßgebend verschlechtert hatte, daß das Fehlen von Arbeitseinkommen wesentlich allein auf der Arbeitsmarktlage und nicht mehr wesentlich auch auf den Folgen des Arbeitsunfalles beruhte. Dabei ist für den nach § 587 Abs 1 RVO erforderlichen Ursachenzusammenhang ebenfalls die für das Gebiet der Unfallversicherung allgemein geltende Kausalitätsnorm der wesentlichen Bedingung maßgebend (BSGE 30, 64, 65; BSG SozR 2200 § 587 Nr 2; BSG Urteil vom 31.Oktober 1978 - 2 RU 55/78 -; Brackmann aaO S 578 i und Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 587 Anm 3, jeweils mwN aus Rechtsprechung und Schrifttum; Specht, BG 1980, 852). Der Arbeitsunfall braucht somit nicht die alleinige oder die allein wesentliche Ursache dafür zu sein, daß der Verletzte ohne Arbeitseinkommen ist (s Brackmann aaO und S 480 k II). Der Kausalzusammenhang ist auch gegeben, wenn der Arbeitsunfall - wie hier - eine von mehreren wesentlichen Ursachen dafür bildet, daß der Verletzte ohne Arbeitseinkommen ist (s BSG SozR aaO; BSG Urteil vom 31. Oktober 1978 aaO; Hess LSG Breithaupt 19ö6, 837 und 1970, 121; Brackmann aaO S 578 i; Lauterbach aaO; Schimanski, Soziale Sicherheit 1967, 269; Specht aaO; Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften Rundschreiben VB 130/64 vom 19. August 1964). Aus den nach der Umschulung des Klägers angestellten umfangreichen Bemühungen der Beklagten und anderer Stellen um einen Arbeitsplatz ist jedoch ersichtlich, daß neben der auch vom LSG nicht verkannten ungünstigen Arbeitsmarktlage die durch die Folgen des Arbeitsunfalls bedingten Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit des Klägers weiterhin jedenfalls eine wesentliche Ursache für das Fehlen von Arbeitseinkommen waren.
Eine wesentliche Änderung lag in dem hier maßgebenden Zeitpunkt auch nicht darin, daß - wie die Beklagte in der Begründung des Bescheides vom 23. Oktober 1975 annahm - wegen des negativen Verlaufs der bis zu diesem Zeitpunkt unternommenen Vermittlungsbemühungen nicht davon auszugehen sei, der Kläger könne in absehbarer Zeit eine Erwerbstätigkeit aufnehmen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG steht zwar die Erhöhung der Teilrente auf die Vollrente nach § 587 Abs 1 RVO einem Verletzten nur zu, wenn nach den Umständen des Einzelfalles die Aussicht besteht, daß er in absehbarer Zeit trotz seiner Unfallfolgen wieder einer Erwerbstätigkeit nachgehen wird (BSGE 30, 64, 65 ff; BSG SozR 2200 § 587 Nr 2; Brackmann aaO mit weiteren Nachweisen aus Rechtsprechung und Schrifttum). Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 27. August 1969 (BSGE 30, 64) näher dargelegt hat, soll der Anspruch auf die Vollrente nach § 587 Abs 1 RVO nicht den Verletzten zugute kommen, die für die Dauer aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind (s BSG aaO S 65). Dementsprechend ist - insoweit in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der Beklagten - eine nach § 587 Abs 1 RVO auf die Vollrente erhöhte Rente gemäß der hier noch anzuwendenden Vorschrift des § 622 RVO neu festzustellen, wenn sich aus den gesamten Umständen des Einzelfalles ergibt, daß nicht mehr davon ausgegangen werden kann, der Verletzte werde in absehbarer Zeit trotz seiner Unfallfolgen wieder einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Diese Voraussetzungen hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 23. Oktober 1975 jedoch zu Unrecht als gegeben angesehen. Bei der Entscheidung, ob in den für den Bescheid über die Erhöhung der Rente gemäß § 587 Abs 1 RVO auf die Vollrente maßgebenden Verhältnissen eine wesentliche Änderung dadurch eingetreten ist, daß die Aussicht, der Verletzte werde in absehbarer Zeit trotz der Unfallfolgen einer Erwerbstätigkeit nachgehen, nicht mehr besteht, sind die gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu würdigen (BSG SozR 2200 § 587 Nr 2). Im Hinblick auf die den Einzelfall auch insoweit prägenden Verhältnisse ist zwar auch die seit dem Arbeitsunfall oder - wie hier - seit einer danach durchgeführten Umschulung verstrichene Zeit zu beachten; ihr kann jedoch ebenfalls keine allein entscheidende Bedeutung beigemessen und deshalb auch nicht von einer allgemein gültigen Zeitspanne ausgegangen werden, vor deren Ablauf stets anzunehmen wäre, der Verletzte werde in absehbarer Zeit trotz der Folgen des Arbeitsunfalles eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, bzw nach deren Ablauf dies stets zu verneinen wäre (vgl zB Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 3. Aufl, Kennzahl 480 S 11; Specht aaO S 854; s aber auch Lauterbach aaO § 587 Anm 2: "Der Zeitraum kann unter Umständen Jahre andauern"). Deshalb ist der angefochtene Bescheid der Beklagten auch nicht schon deshalb rechtswidrig, weil seit der Umschulung noch nicht die zum Teil als zeitliche Grenze angenommenen zwei Jahre (s Podzun aaO; Specht aaO) verstrichen waren. Bei der Würdigung der Gesamtumstände ist insbesondere zu beachten, daß der Kläger erfolgreich eine Umschulung abgeschlossen hatte. Wie der 8. Senat des BSG (SozR 2200 § 587 Nr 2) ausgeführt hat, muß grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß ein Verletzter, der Berufshilfe von einer Berufsgenossenschaft (BG) erhalten hat, in absehbarer Zeit wieder Erwerbseinkommen erzielen kann, weil anderenfalls der Zweck der Hilfe zur Wiedereingliederung in das Erwerbsleben verfehlt wäre. Der seit dem Abschluß der Umschulungsmaßnahme bis zum Erlaß des Bescheides vom 23. Oktober 1975 verflossene Zeitraum war demgegenüber hier nach der Lage des Falles zu kurz, um im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides die Annahme zu rechtfertigen, der Kläger könne in absehbarer Zeit einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen. Nicht ganz unberücksichtigt kann dabei auch bleiben, daß die Zeit seit Beendigung der Umschulung wesentlich kürzer war als der Zeitraum zwischen der vom Kläger beantragten Rehabilitationsmaßnahme und deren Durchführung. Zwar waren die Beklagte und andere Stellen bemüht, dem Kläger einen Arbeitsplatz zu vermitteln. Der Mißerfolg der Vermittlungsbemühungen bei - weiterhin - ungünstiger Lage des Arbeitsmarktes reichte jedoch nicht aus, um bereits davon ausgehen zu dürfen, es bestehe keine Aussicht mehr, daß der Kläger in absehbarer Zeit trotz der Folgen des Arbeitsunfalles wieder einer Erwerbstätigkeit nachgehen werde. Die Arbeitsfähigkeit oder Arbeitswilligkeit des Klägers hat auch die Beklagte nicht in Frage gestellt. Zu berücksichtigen ist insbesondere auch, daß der Kläger in dem hier streitigen Zeitraum erst 38 Jahre alt war und nicht davon ausgegangen werden kann, daß ein in diesem Alter stehender Verletzter nach erfolgreicher Umschulung, auch wenn er wegen ungünstiger Arbeitsmarktlage ein Jahr nach dem Ende der Umschulung und etwa acht Monate nach Beginn der verstärkten Bemühungen um einen Arbeitsplatz noch nicht vermittelt werden konnte, auch in absehbarer Zeit keinen Arbeitsplatz mehr finden werde (s BSG Urteil vom 8. Mai 1980 - 8a RU 26/79). Dabei ist zu beachten, daß sich die Bemühungen um einen Arbeitsplatz auf die öffentliche Verwaltung konzentrierten und zudem durch den Hinweis auf Haushaltsentscheidungen und noch ausstehende Stellenausschreibungen auch zeitlich sehr gestreckt wurden.
Zwar hat der Kläger erst viel später einen Arbeitsplatz erhalten, jedoch rechtfertigt die Rückschau keine andere Beurteilung, da es, wie bereits dargelegt, für die rechtliche Beurteilung auf den Zeitpunkt der angefochtenen Verwaltungsentscheidung ankommt. Die im Schrifttum und Rechtsprechung zum Teil zugelassenen Ausnahmen (s die Nachweise bei Kopp aaO; Brackmann aaO; Meyer-Ladewig aaO) kommen hier nicht in Betracht, da der Bescheid über den Wegfall der Rentenerhöhung nach § 587 Abs 1 RVO insbesondere kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist, nicht auf einer Rückwirkung eines Gesetzes beruht und auch kein noch nicht vollzogener Verwaltungsakt ist. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob und ggf inwieweit Ausnahmen von dem Grundsatz, daß bei Anfechtungsklagen die Sach- und Rechtslage zur Zeit der Verwaltungsentscheidung maßgebend ist, zulässig sind (s dazu zB Ule aaO S 249; Schweiger aaO).
Das LSG hat danach zu Recht entschieden, daß nach der Lage des Falles eine wesentliche Änderung, die eine Herabsetzung der Vollrente auf die Teilrente rechtfertigen würde, nicht vorgelegen hat.
Die Revision war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen