Leitsatz (amtlich)
Ein Kind ist gegenüber seiner nicht berufstätigen Mutter unterhaltsberechtigt im Sinne des RVO § 205, wenn diese - wie es regelmäßig zutrifft - verpflichtet ist, durch Führung des Haushalts und Betreuung des Kindes zum Unterhalt der Familie beizutragen (BGB § 1606 Abs 3 in Verbindung mit BGB § 1360).
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Geschäftsführer einer größeren Ersatzkasse kann zur Widerspruchsstelle bestimmt werden.
2. Die nicht berufstätige, verheiratete Mutter erfüllt ihre Unterhaltspflicht gegenüber ihrem Kinde durch Führung des Familienhaushalts. Sie hat daher Anspruch auf Familienhilfe für ihr Kind, auch wenn der Ehemann Einkommen hat.
Normenkette
RVO § 205 Fassung: 1933-03-01; BGB § 1606 Abs. 3 Fassung: 1896-08-18, § 1360 Fassung: 1896-08-18; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23, Art. 117 Fassung: 1949-05-23
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 7. März 1956 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 22. November 1955 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Die Klägerin war bei der beklagten Ersatzkasse bis zum 21. August 1954 auf Grund versicherungspflichtiger Beschäftigung, seitdem freiwillig versichert. Am 27. Juni 1954 wurde sie von ihrem Sohn Wolfgang entbunden; sie erhielt bis zum 21. August 1954 Wochenhilfe. Seitdem ist die Klägerin einkommenslos. Die Kosten des gemeinsamen Haushalts werden von ihrem Ehemann, einem Rechtsanwalt bestritten, der im Jahre 1954 ein durchschnittliches Monatseinkommen von 500,- DM hatte. Die Klägerin führt den Haushalt und betreut das Kind Wolfgang.
Am 24. Dezember 1954 erkrankte Wolfgang K. an Darmkatarrh. Die beklagte Ersatzkasse lehnte die Gewährung von Familienhilfe für das Kind Wolfgang ab, weil es seiner Mutter gegenüber nicht im Sinne des § 205 der Reichsversicherungsordnung (RVO) unterhaltsberechtigt sei. Auf den Widerspruch der Klägerin erließ die Beklagte - vertreten durch den Geschäftsführer - den Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 1955, in dem sie die Ablehnung der Familienhilfe für das Kind Wolfgang bestätigte.
Hiergegen erhob die Klägerin beim Sozialgericht (SG.) Wiesbaden Klage mit dem Antrag,
die beklagte Ersatzkasse unter Aufhebung ihrer Bescheide zu verurteilen, die aus Anlaß der Erkrankung des Kindes Wolfgang vom 24. Dezember 1954 entstandenen Kosten zu erstatten.
Das SG. verurteilte die Beklagte antragsgemäß "dem Grunde nach"; die Berufung wurde zugelassen (Urteil vom 22.11.1955).
Auf die Berufung der beklagten Ersatzkasse hat das Hessische Landessozialgericht (LSG.) durch Urteil vom 7. März 1956 das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen; die Revision wurde zugelassen. Das LSG. ist der Auffassung, das Kind W sei der Klägerin gegenüber im Zeitpunkt des Versicherungsfalles nicht unterhaltsberechtigt gewesen, da diese mangels eigenen Einkommens nicht zur Unterhaltsleistung verpflichtet gewesen sei. Ihre Haushaltsführung und Kinderpflege müsse dabei außer Betracht bleiben. Im übrigen entfalle der Anspruch der Klägerin auf Familienhilfe auch deshalb, weil das Kind W bereits anderweit einen gesetzlichen Anspruch auf Krankenpflege im Sinne des § 205 RVO, nämlich gegen seinen Vater im Rahmen des allgemeinen Unterhaltsanspruchs, habe.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Revision eingelegt mit dem Antrag,
das angefochtene Urteil aufzuheben und das Urteil des SG. wiederherzustellen.
Die Klägerin rügt Verletzung des § 205 RVO in Verbindung mit den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren Kindern. Unrichtig sei die Auffassung des LSG., die häusliche Pflege, die eine Mutter ihrem Kinde, zumal einem Säugling, angedeihen lasse, sei kein Bestandteil der Unterhaltspflicht. Die Unterhaltsleistungen der beiden Elternteile seien zwar nicht gleichartig, wohl aber - nach Inkrafttreten des Gleichberechtigungssatzes (Art. 3 Abs. 2 i. Verb. mit Art. 117 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) - gleichwertig. Die entgegenstehende ältere Rechtsprechung, insbesondere des Reichsversicherungsamts (RVA.), zur Frage der "Unterhaltsberechtigung" in § 205 RVO müsse jedenfalls insoweit als überholt angesehen werden, als sie auf dem Boden eines Rechts stehe, das den Gleichberechtigungssatz noch nicht verwirklicht habe. - Schließlich sei das LSG. im vorliegenden Falle zu Unrecht davon ausgegangen, das Kind W habe anderweitig einen gesetzlichen Anspruch auf Krankenpflege im Sinne des § 205 RVO. Hierunter seien nur solche gesetzlichen Ansprüche auf Krankenpflege zu verstehen, die - wie in der gesetzlichen Krankenversicherung - die Leistungen der Krankenpflege als solche zum Gegenstand hätten. Das sei aber bei dem allgemeinen Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seinen Vater nicht der Fall.
Die beklagte Ersatzkasse hat beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, daß der herkömmliche Begriff des Unterhalts durch den Gleichberechtigungssatz keine Änderung erfahren habe. Er umfasse, wie der 8. Senat des Bundessozialgerichts (BSG.) zu § 32 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) entschieden habe (BSG. 3, 124), nur die Aufwendungen für Nahrung, Wohnung, Bekleidung, Beschaffung von Gebrauchsgegenständen, ärztliche Behandlung sowie sonstige Ausgaben des täglichen Lebens nach Lage des Einzelfalles. Nach wie vor habe daher das Kind gegenüber seiner Mutter keinen Unterhaltsanspruch, wenn diese keine Einkünfte aus beruflicher Arbeit oder Vermögen besitze.
II
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Voraussetzung, daß vor Klageerhebung ein Vorverfahren stattgefunden hat (§ 80 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), hier erfüllt. Der Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 1955 ist "von der von der Vertreterversammlung bestimmten Stelle" (§ 85 Abs. 2 Nr. 2 SGG) erlassen. Das war nach § 5 Abs. 5 der Satzung der beklagten Ersatzkasse (in der am 27.1.1955 geltenden Fassung), die auf dem Beschluß der Vertreterversammlung vom 4. Dezember 1953 beruhte, und § 31 Satz 2 der "Versicherungsbedingungen" in der Fassung des 10. Nachtrags (VersB) "der Geschäftsführer". Mag die Betrauung des Geschäftsführers mit der "gerichtsähnlichen Funktion" der Widerspruchsstelle auch nicht unbedenklich sein (vgl. BSG. 7, 292 (294)), so wird man doch angesichts der uneingeschränkten Befugnis der Vertreterversammlung zur Bestimmung der Widerspruchsstelle es jedenfalls bei größeren Ersatzkassen mit nachgeordneten Bezirksverwaltungen, die in der Regel den mit dem Widerspruch angefochtenen Bescheid erlassen, für zulässig erachten müssen, daß der Geschäftsführer der Krankenkasse zur Widerspruchsstelle bestimmt wird (vgl. BSG. 8, 256 (258) zu der ähnlichen Frage, ob der Vorstand einer Kassenärztlichen Vereinigung zu der für die Entscheidung über den Widerspruch zuständigen Stelle erklärt werden kann; vgl. auch Peters-Sautter-Wolff, SGG 2. Aufl. Anm. 3 d Abs. cc zu § 85).
Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Familienhilfe aus Anlaß der Erkrankung des Kindes W am 24. Dezember 1954 ist nach § 205 RVO in Verbindung mit § 23 VersB begründet. Die beklagte Ersatzkasse ist ihren nichtversicherungspflichtigen Mitgliedern gegenüber, zu denen auch die Klägerin gehört, nicht schon kraft Gesetzes (vgl. § 507 Abs. 1 Satz 1 RVO) verpflichtet, die Regelleistung der Familienhilfe nach § 205 RVO zu gewähren. Sie hat diese Verpflichtung aber als satzungsmäßig bestimmte Leistung in demselben Umfange wie bei den versicherungspflichtigen Mitgliedern übernommen, allerdings mit der Einschränkung, daß die nichtversicherungspflichtigen Mitglieder bestimmten Beitragsklassen angehören müssen (§ 23 Nr. 6 VersB). Welcher Beitragsklasse die Klägerin angehört, ist vom LSG. nicht festgestellt worden. Diese Frage kann indessen auf sich beruhen. Nach dem Satzungsrecht der beklagten Ersatzkasse ist gleichermaßen für versicherungs- und nichtversicherungspflichtige Mitglieder Voraussetzung für den Anspruch auf Familienhilfe für ein Kind des Versicherten, daß dieses Kind gegenüber dem Versicherten "unterhaltsberechtigt" sein muß (§ 23 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 6 VersB). Liegen die Voraussetzungen des Anspruchs auf Familienhilfe vor, so steht auch dem nichtversicherungspflichtigen Mitglied der Anspruch ohne Rücksicht auf seine Beitragseinstufung zu, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, daß Mitglieder, die bisher einer für Mitglieder ohne Anspruch auf Familienhilfe vorgesehenen Beitragsklasse angehört haben, aus dieser Klasse ausscheiden, sobald sie nicht mehr ohne Anspruch auf Familienhilfe sind (§ 11 Nr. 4 Abs. 2 VersB). Hätte die Klägerin somit bisher einer Beitragsklasse angehört, die nicht für Mitglieder mit Anspruch auf Familienhilfe vorgesehen ist, so wäre das allenfalls hinsichtlich ihrer Beitragsklasseneinstufung richtigzustellen, stünde aber ihrem Anspruch auf Familienhilfe für ihr Kind W nicht entgegen.
Ebensowenig kann ihrem Anspruch auf Familienhilfe entgegengehalten werden, daß das Kind einen Unterhaltsanspruch gegen seinen Vater hat. Zu Unrecht hat das LSG. angenommen, daß ein solcher Unterhaltsanspruch einen "gesetzlichen Anspruch auf Krankenpflege" im Sinne des § 205 Abs. 1 Satz 1 RVO darstelle. Vielmehr gehören, wie der Senat bereits entschieden hat, zu den - den Anspruch auf Familienhilfe ausschließenden - Ansprüchen auf Krankenpflege nur solche, die sich auf die Sachleistung der Krankenpflege als solche richten (BSG. 11 S. 30 (32 f.)). Dazu rechnet aber nicht der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seinen Vater.
Entgegen der Auffassung des LSG. ist im vorliegenden Streitfall auch die Voraussetzung erfüllt, daß das Kind W gegenüber der Klägerin "unterhaltsberechtigt" im Sinne des § 205 Abs. 1 Satz 1 RVO ist. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der in § 205 RVO verwendete Begriff der Unterhaltsberechtigung dem bürgerlichen Recht entnommen und nach dessen Vorschriften - auch nach der Umgestaltung des Unterhaltsrechts durch den Gleichberechtigungssatz (Art. 3 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 117 Abs. 1 GG) - zu bestimmen (BSG. 6 S. 197 (203), 10 S. 28 (30 ff.) und 11 S. 30 (33), vgl. auch Urteil des 5. Senats vom 17.12.1959 - 5 RKn 22/58). Dabei können, wie in den letztgenannten Entscheidungen zum Ausdruck gebracht ist, die unterhaltsrechtlichen Vorschriften des Gleichberechtigungsgesetzes vom 18. Juni 1957 - GleichberG - (BGBl. I S. 609) bereits für die Zeit vor seinem förmlichen Inkrafttreten - 1. Juli 1958 - als eine den Gleichberechtigungssatz voll verwirklichende Interpretation angesehen werden. Hierauf gestützt hat der Senat bereits entschieden, daß ein Kind nach der Umgestaltung des bürgerlichen Familienrechts durch den Gleichberechtigungssatz gegenüber seiner Mutter jedenfalls dann unterhaltsberechtigt im Sinne des § 205 RVO ist, wenn diese Einkünfte - u.U. nur in bescheidener Höhe - hat und verpflichtet ist, damit zum angemessenen Unterhalt der Familie beizutragen (BSG. 11 S. 30).
Damit aber ist nur eine Auswirkung des Gleichberechtigungssatzes auf das bürgerliche Familienrecht - nämlich Ersetzung der vorrangigen Haftung des Vaters vor der Mutter (§ 1616 Abs. 2 Satz 2, 1. Halbs. BGB a.F.) durch eine gleichrangige Anteilshaftung der Elternteile (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB n. F.) - in ihrer Ausstrahlung auf § 205 RVO in Erscheinung getreten. In dem hier zur Entscheidung stehenden Fall - Vater und Mutter besitzen kein Vermögen, der Vater verdient und die Mutter führt den Haushalt - ist bedeutsam, daß der Gleichberechtigungssatz das bürgerliche Unterhaltsrecht noch in anderer Hinsicht entscheidend verändert hat. Ausgehend von der Auffassung, daß die Gleichberechtigung auf der Gleichwertigkeit aufbaut, die die Andersartigkeit anerkennt (vgl. die Abg. Frau Dr. Selbert bei den Beratungen zu Art. 3 Abs. 2 GG (Sten. Prot. Parlamentarischer Rat, Hauptausschuß S. 540)), hat das durch den Gleichberechtigungssatz umgestaltete Familienrecht zwar der Verschiedenheit von Mann und Frau dadurch Rechnung getragen, daß es ihre Verpflichtung, die Familie gemeinsam zu unterhalten, nicht egalitär, sondern im Sinne einer den natürlichen Unterschieden Rechnung tragenden Aufgabenteilung geregelt hat, und zwar für die Frau als Verpflichtung, "in der Regel durch die Führung des Haushalts" den Unterhaltsbeitrag zu erbringen (vgl. § 1360 BGB n.F.). Indessen wäre der verfassungsmäßige Gleichberechtigungssatz in seinem Wesensgehalt verletzt, wenn die verschiedenen Formen, in denen die Ehegatten ihrer Verpflichtung zum Familienunterhalt zu genügen haben, nicht gleich gewertet würden. Deshalb erfordert der Gleichberechtigungssatz, daß die Leistungen der Frau und Mutter in Gestalt von Haushaltsführung und Sorge für die Kinder "den Leistungen des Mannes gleichgestellt und ebenso wie diese im Unterhaltsstreit der Ehegatten oder der Eltern und Kinder in die Berechnung einbezogen" werden (BVerfG. 3 S. 225 (245 f.)). Diese Auffassung, daß auch die Führung des Haushalts Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung bedeutet, kommt in § 1360 Satz 2 BGB n.F. klar zum Ausdruck. Diese zunächst nur für das Innenverhältnis der Eltern geltende Regelung überträgt § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB n.F. auf das Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern (vgl. BSG. 11 S. 30 (34) mit dem Hinweis auf die amtliche Begründung des Regierungsentwurfs). Wenn § 1606 Abs. 3 BGB zur Haftung der Eltern vorschreibt, daß sich diese unter sinngemäßer Anwendung des § 1360 BGB nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen bestimmt, so bedeutet das in dem hier zur Entscheidung stehenden Fall, daß nur noch der Vater für die nicht zu Haushaltsführung gehörenden Unterhaltsverpflichtungen haftet; denn die Mutter genügt in diesem Falle bereits ihrer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kinde, wie aus der Verweisung auf § 1360 BGB folgt, durch die Führung des Haushalts und die darin eingeschlossene Besorgung des Kindes (Palandt, BGB 18. Aufl. Anm. 4 zu § 1606 BGB; vgl. auch Krüger-Breetzke-Nowack, GleichberG Anm. Seitenziffer 7 zu § 1606 BGB; Reinicke-Schwarzhaupt, Gleichberechtigung von Mann und Frau S. 90, Beitzke in FamRZ. 1958 S. 7 (11 f.); Reinicke in NJW 1957 S. 934 (936); Brühl in FamRZ. 1958 S. 226). Demnach ist ein Kind nach dem durch den Gleichberechtigungssatz umgestalteten bürgerlichen Familienrecht gegenüber der einkommenslosen Mutter, die den Haushalt führt, insoweit unterhaltsberechtigt.
Ist ein Kind aber nach bürgerlichem Recht gegenüber seiner Mutter unterhaltsberechtigt, so ist es das auch im Sinne von § 205 RVO. Diese Folgerung ergibt sich daraus, daß, wie schon dargelegt, der in § 205 RVO verwendete Begriff der Unterhaltsberechtigung sich nach dem bürgerlichen Recht richtet. Die strikte Beachtung dieses Grundsatzes ist um so mehr geboten, als ein Abweichen vor dem durch den Gleichberechtigungssatz umgestalteten Unterhaltsbegriff die RVO in Widerspruch zum Grundgesetz bringen würde. Soweit aber nicht der Zweck des Gesetzes oder der Gesetzeswortlaut entgegenstehen, verdient diejenige Auslegung den Vorzug, die im Einklang mit dem Grundgesetz steht (BVerfG. 8 S. 38 (41); vgl. auch 2, 266 (282); 4, 7 (22) und BVerfG. vom 17.3.1959 in MDR 1959 S. 365 Nr. 6). Eine solche verfassungskonforme Auslegung ist um so mehr angezeigt, als sie die bisherige - auf Wortlaut und Sinnzusammenhang des Gesetzes gestützte - Auslegung in ihrem Grundgedanken bestätigt, daß nämlich § 205 RVO die "Unterhaltsberechtigung" so verstanden wissen will, wie das bürgerliche Recht sie jeweils begreift. Wenn und solange im Sozialversicherungsrecht von dem Begriff des "Unterhalts" als Tatbestandsmerkmals ausgegangen wird, kann er demnach nur im Sinne der Gleichberechtigung von Mann und Frau verstanden werden; das schließt nicht aus, daß der Gesetzgeber bei einer Umgestaltung des § 205 RVO die Bindung an die "Unterhaltsberechtigung" im bürgerlich-rechtlichen Sinn als Anspruchsvoraussetzung fallen läßt und eine eigenständige Regelung für die Familienhilfe trifft.
Die RVO würde aber an einem überholten, vom Grundgesetz mißbilligten Unterhaltsbegriff festhalten, wenn die Leistungen der Frau und Mutter im Rahmen des häuslichen Wirkungskreises bei der Unterhaltsbetrachtung unberücksichtigt blieben. Ein Unterhaltsbegriff, der die praktisch bedeutsamste Form, in der die Frau Unterhalt gewährt, völlig außer Betracht läßt, verstieße gegen Art. 3 Abs. 2 GG (vgl. dazu BVerfG. 3 S. 225 (245 f.)). Erst recht erscheint diese Diskriminierung einer bestimmten Unterhaltsform unzulässig, wenn man berücksichtigt, daß andere Formen von Unterhaltsbeiträgen, die auch erst seit Inkrafttreten des Gleichberechtigungssatzes im bürgerlichen Familienrecht durch Unterhaltsverpflichtungen der Ehefrau und Mutter ausgelöst sind, Anspruchsgrundlage für Leistungen der Familienhilfe nach § 205 RVO geworden sind. Wenn seit dem 1. April 1953 schon ein bescheidenes Bareinkommen der Mutter genügt, um ihre Verpflichtung, damit zum angemessenen Unterhalt der Familie beizutragen, und so die Unterhaltsberechtigung des Kindes nach § 205 RVO zu begründen (vgl. BSG. 11 S. 30), so ist damit § 205 RVO neu in einem Sinne ausgelegt, der wesentlich von dem herkömmlichen Verständnis des § 205 RVO vor Inkrafttreten des Gleichberechtigungssatzes abweicht (vgl. Grunds. Entsch. des RVA. Nr. 4450 in AN. 1932 S. IV 419 (421)). Es hieße somit auf halbem Wege stehen bleiben, wenn nur die eine Auswirkung der Umgestaltung des bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsbegriffs für den Geltungsbereich des § 205 RVO anerkannt würde. Man kann aber aus einem von Grund auf gewandelten Unterhaltsbegriff, der die rein individuelle Gestaltung des Unterhaltsrechts des BGB a.F. zugunsten einer Betrachtungsweise aufgegeben hat, die die Familie als soziologische Einheit ansieht (Maßfeller in DNotZ 1957 S. 342 (348)), nicht einzelne Stücke herausnehmen. Demnach muß die Haushaltsführung einschließlich der Betreuung und Pflege des Kindes, die nach dem Leitbild des GleichberG die spezifisch der Frau vorbehaltene Unterhaltsform ist (vgl. §§ 1360 Satz 2, 1356 Abs. 1 BGB n.F.), auch im Geltungsbereich des § 205 RVO als Erfüllung der dem Kinde gegenüber obliegenden Unterhaltsverpflichtung angesehen werden. Ob diese Auffassung auch in anderen Rechtsbereichen gilt (vgl. z.B. für die Arbeiterrentenversicherung Urteil des BSG. vom 11.2.1960 - 4 RJ 211/58 - (vgl. dazu Dapprich in NJW 1959 S. 1708) und für das Versorgungsrecht BSG. 3 S. 124 (128) und 9 S. 36 (39 f.)) oder ob es dort angängig ist, an einem vom Gleichberechtigungssatz nicht berührten Unterhaltsbegriff festzuhalten, kann in diesem Zusammenhang auf sich beruhen.
Erwachsen damit dem Versicherungsträger auch neue Verpflichtungen zu Leistungen der Familienhilfe, die vor der Umgestaltung des Unterhaltsrechts durch den Gleichberechtigungssatz nicht bestanden, so kann dieser Entwicklung jedenfalls nicht entgegengehalten werden, die Beitragsleistungen der Versicherungspflichtigen und Versicherungsberechtigten einerseits und die Kassenleistungen andererseits seien gegeneinander ausgewogen, und die Umgestaltung des bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsbegriffs könne nicht dazu führen, daß die Leistungspflicht der Krankenkasse einseitig zu ihren Ungunsten ohne entsprechende Erhöhung der Beiträge erweitert werde (so etwa LSG. Celle vom 31.10.1956 unter Aufgabe seiner entgegenstehenden Rechtsprechung (Urteil vom 31.3.1955 - Breithaupt 1955 S. 1028) - zitiert in Sozialvers. 1959 S. 130). Einen solchen ein für allemal festgelegten Zusammenklang zwischen Beiträgen und Leistungen kennt die gesetzliche Krankenversicherung nicht. Die RVO geht primär von der Leistungsseite aus; die Beiträge sind den Verpflichtungen anzupassen (§ 385 Abs. 1 Satz 1 i. Verb. mit § 363 RVO). Die Leistungsverpflichtungen der Krankenkassen unterliegen ständigen Veränderungen, sei es infolge biologischer Ursachen oder Umgestaltung der Wirtschafts- und Sozialstruktur, sei es infolge gesetzlicher Eingriffe, die u.U. sprunghaft den Krankenkassen einschneidende "Leistungsverbesserungen" auferlegen. Die Veränderung der Leistungsverpflichtungen, die sich aus dem Inkrafttreten des Gleichberechtigungssatzes mittelbar für den Bereich der Familienhilfe ergibt, nimmt in dieser Fülle von Umgestaltungsfaktoren nur einen bescheidenen Platz ein.
Hinzu kommt, daß das Inkrafttreten des Gleichberechtigungssatzes die Verpflichtungen der Krankenkassen im Bereich der Familienhilfe nicht nur erhöht hat. Die verstärkte Heranziehung der Ehefrau zu den Lasten des Familienunterhalts (vgl. § 1360 BGB a.F. zu § 1360 BGB n.F.) führt dazu, daß weniger Frauen als vor dem 1. April 1953 gegenüber ihren Ehegatten "unterhaltsberechtigt" sind (vgl. BSG. 10 S. 28).
Im übrigen ist es gerade in Fällen der vorliegenden Art möglich, die Mehrbelastung durch Leistungen der Familienhilfe durch Erhöhung der Beiträge der in Frage kommenden Versicherten aufzufangen. Es kann sich in diesem Zusammenhang immer nur um nichtkrankenversicherungspflichtige Mitglieder handeln; die krankenversicherungspflichtigen sind - als Einkommensbezieher - ihren Kindern gegenüber regelmäßig ohnehin unterhaltspflichtig (BSG. 11 S. 30). Die beklagte Ersatzkasse unterscheidet bei der Gruppe der nichtkrankenversicherungspflichtigen Mitglieder, wie schon in anderem Zusammenhang erwähnt, zwischen solchen mit und ohne Anspruch auf Leistungen der Familienhilfe (§ 9 VersB). Es bietet demnach in solchen Fällen keine rechtlichen Schwierigkeiten, in der einschlägigen Risikogruppe selbst den Ausgleich zwischen Leistungen und Beiträgen herbeizuführen.
Demnach ist die Revision begründet. Unter Aufhebung des angefochtenen Urteils ist das Urteil des SG. wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen