Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg. Streit bei Abrechnungsverfahren zwischen Krankenhausträger und Krankenkasse. Berechnung des Verlegungstages durch abgebendes Krankenhaus bei einem Neugeborenen
Leitsatz (amtlich)
1. Der Versicherte ist nicht notwendig zum Verfahren beizuladen, wenn der Krankenhausträger und die Krankenkasse darüber streiten, ob das abgebende Krankenhaus auch für den Tag der Verlegung in eine andere Klinik einen Pflegesatz berechnen darf.
2. Die Krankenhausaufnahme eines in der Klinik geborenen Kindes erfolgt mit seiner Geburt.
3. Fallen Aufnahme- und Verlegungstag zusammen, so ist das abgebende Krankenhaus nur dann berechtigt, auch für den Verlegungstag einen Pflegesatz zu berechnen, wenn es neben der Aufnahmeuntersuchung therapeutische Maßnahmen durchgeführt hat.
4. Eine Rechtsnorm genügt dem Bestimmtheitserfordernis, wenn sich ihr Inhalt aus ihrem Zweck und dem Gesamtzusammenhang, in den die Norm gestellt ist, bestimmen läßt.
Orientierungssatz
1. Bei dem Streit über die Zahlung der Krankenhauskosten zwischen Krankenhausträger und Krankenkasse handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung iS von § 51 Abs 1 SGG (vgl BSG vom 20.1.1982 8/8a RK 13/80 = BSGE 53, 62, 64 f; BGH vom 10.1.1984 VI ZR 297/81 = BGHZ 89, 250, 252 ff, insbesondere 259 f).
2. Bei einem gesunden neugeborenen Kind werden besondere Kosten, die die Berechnung eines Pflegesatzes durch das aufnehmende und das abgebende Krankenhaus sachlich rechtfertigen könnten, im allgemeinen nicht entstehen. Deshalb durfte die Regelung des § 4 Abs 3 S 2 BPflV aF über den besonderen, ermäßigten Pflegesatz für gesunde Neugeborene im Rahmen des § 9 Abs 2 S 2 BPflV aF nicht angewendet werden. Die Vorschrift des § 9 Abs 2 S 2 BPflV aF ließ die Erhebung eines zusätzlichen Pflegesatzes nur zu, wenn es sich um kranke Patienten handelt, bei denen durch diagnostische und therapeutische Maßnahmen dem abgebenden Krankenhaus am Aufnahme- und Verlegungstag Kosten entstehen.
Normenkette
SGG § 75 Abs 2 Alt 1 Fassung: 1953-09-03; RVO § 184 Abs 1, § 199 Abs 1 Fassung: 1970-12-21, § 205 Abs 1 S 1 Fassung: 1977-06-27; BPflV § 4 Abs 3 S 2 Fassung: 1973-04-25, § 9 Abs 2 S 2 Fassung: 1973-04-25, § 2 Nr 5 Fassung: 1973-04-25; KHG §§ 17, 2 Nr 4; SGG § 51 Abs 1 Fassung: 1953-09-03
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Krankenkasse dem klagenden Krankenhausträger 36,05 DM zu zahlen hat.
Am 17. September 1980 gebar die Hausfrau Petra S. (S.), deren Ehemann Mitglied der Beklagten ist, im Krankenhaus der Klägerin eine Tochter. Das Kind wurde noch am Tage der Geburt in die Kinderklinik R. verlegt. Die Aufforderung der Klägerin, für das Neugeborene Krankenhauskosten in Höhe von 36,05 DM zu übernehmen, wies die Beklagte zurück.
Die Klägerin hat am 25. Februar 1981 den Verwaltungsrechtsweg beschritten. Durch Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. Juni 1983 - 13 A 911/82 - ist die Rechtssache an das Sozialgericht Aachen (SG) verwiesen worden.
Das SG hat antragsgemäß festgestellt, daß die Beklagte bei sofortiger Verlegung eines Neugeborenen aus medizinischen Gründen in ein anderes Krankenhaus verpflichtet sei, die/den anspruchsberechtigte(n) Versicherte(n) in Höhe des Pflegesatzes für einen Tag gegenüber dem abgebenden Krankenhaus freizustellen. Außerdem hat das SG die Berufung zugelassen. Während des Berufungsverfahrens ist die Klägerin von der Feststellungs- zur Leistungsklage übergegangen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin 36,05 DM zu zahlen. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit sei - unabhängig von der Bindung an das rechtskräftige Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 30. Juni 1983 - eröffnet, weil Ansprüche auf Kostenübernahme, die von einem Krankenhausträger gegen eine Krankenkasse geltend gemacht würden, Angelegenheiten der Sozialversicherung (§ 51 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) seien. Die zulässigerweise geänderte Klage sei auch begründet. Nach § 4 Abs 3 Satz 2 der Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Bundespflegesatzverordnung) vom 25. April 1973 -BGBl I, 333- (BPflV aF) seien bei einer Entbindung für die Mutter der allgemeine Pflegesatz und für das gesunde Neugeborene 25 vH des allgemeinen Pflegesatzes zu berechnen. Wenn Aufnahme- und Verlegungstag zusammenfielen, könne das abgebende Krankenhaus einen Tag berechnen. Zwar sei die Vorschrift des § 4 Abs 3 Satz 2 BPflV aF hier nach ihren Wortlaut nicht verwirklicht, weil das Kind bei seiner Geburt krank gewesen sei. Gleichwohl könne die Vorschrift auf den vorliegenden Fall angewendet werden. Wie sich der amtlichen Begründung entnehmen lasse, sei der ermäßigte Pflegesatz nämlich dann gerechtfertigt, wenn das neugeborene Kind in der Nähe der Mutter bleibe, nicht besonderer Pflege und Behandlung im diagnostischen und therapeutischen Bereich bedürfe und eine Kostensteigerung aus diesem Grunde nicht eintrete. Das gleiche müsse aber auch gelten, wenn für ein krankes Kind, das sich nach der Geburt in der Nähe der Mutter aufhalte, keine Aufwendungen erwüchsen. Insoweit stehe es mit der Intention des Verordnungsgebers in Einklang, daß nicht der allgemeine, sondern der ermäßigte Pflegesatz in Ansatz gebracht werde. Aber selbst wenn man sich dieser Ansicht nicht anschließe und die Berücksichtigung des allgemeinen Pflegesatzes fordere, könne dies im vorliegenden Falle nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Das Gericht dürfe der Klägerin, da diese lediglich den ermäßigten Pflegesatz begehre, nicht mehr zusprechen als sie verlange. Der Einwand der Beklagten, für das Kind könne weder der allgemeine noch der ermäßigte Pflegesatz gefordert werden, weil das Krankenhaus das Kind nicht aufgenommen habe, sei nicht stichhaltig. Denn die Aufnahme eines Neugeborenen erfolge spätestens mit der Geburt. Das Kind werde in den Krankenhausbetrieb eingegliedert, ärztlich untersucht und medizinisch betreut sowie als Person registriert und gegebenenfalls durch das Krankenhaus beim Standesbeamten angemeldet. Im übrigen machten Festlegung und Unterscheidung mehrerer Pflegesätze für Neugeborene nur deshalb Sinn, weil diese als in das Krankenhaus "aufgenommen" gälten. Daß die Klägerin nicht über eine entsprechende Fachabteilung (Pädiatrie) verfüge, stehe der Aufnahme eines kranken Kindes im Sinne der BPflV aF nicht entgegen. Der Grund für zahlreiche Verlegungen dürfte sein, daß der Patient durch ein anderes Krankenhaus medizinisch besser versorgt werden könne als durch das abgebende Krankenhaus.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte die Verletzung der Vorschriften der §§ 184 und 199 der Reichsversicherungsordnung (RVO) sowie der §§ 3 Abs 1, 4 Abs 3 und 9 Abs 2 BPflV aF. Die Voraussetzungen des § 4 Abs 3 Satz 2 BPflV aF seien nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung des LSG könne die amtliche Begründung hier nicht herangezogen werden. Sie gebe lediglich eine Erklärung dafür, warum für den gesunden Säugling ein verminderter Pflegesatz gezahlt werde. Es sei auch nicht ersichtlich, wie das LSG zu der Auffassung gekommen sei, das Kind habe sich, obgleich krank, in der Nähe der Mutter aufgehalten. Schon der zeitliche Ablauf zeige, daß von einem Aufenthalt in der Nähe der Mutter keine Rede sein könne. Es könne auch nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß sich mit der Geburt die Aufnahme eines Kindes in das Krankenhaus vollziehe. Nach der Entbindung werde das Kind zunächst daraufhin untersucht, ob es krank oder gesund sei. Diese Untersuchung sei als Aufnahmeuntersuchung anzusehen. Stelle sich heraus, daß das Neugeborene krank sei und stationärer Krankenhausbehandlung iS von § 184 RVO bedürfe, sei das Kind, wenn die entsprechenden Behandlungsmöglichkeiten in dem Krankenhaus fehlten, in eine andere Klinik zu verlegen.
Die Beklagte beantragt, unter Aufhebung der Urteils des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Februar 1985 und des Sozialgerichts Aachen vom 21. Mai 1984 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und weist ergänzend auf folgendes hin: Die Beklagte könne sich für ihre Auffassung, daß das Kind nicht in ihrem - der Klägerin - Krankenhaus aufgenommen worden sei, nicht auf die Richtlinien des Bundesausschusses für Ärzte und Krankenkassen über die Früherkennung von Krankheiten bei Kindern berufen. Zwar hätten diese Richtlinien 1980 noch gegolten. Aus der Vergütungsregelung für die erste und zweite Untersuchung könne aber nicht geschlossen werden, daß die ärztliche Untersuchung des Kindes nach der Entbindung eine ambulante Untersuchung sei und darüber entscheide, ob das Kind in das Krankenhaus aufgenommen werde oder nicht.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs 2 SGG).
Die Revision führt zur Aufhebung des Urteils des LSG und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an dieses Gericht, weil dessen Tatsachenfeststellungen zur Entscheidung über den streitigen Anspruch nicht ausreichen.
1. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist eröffnet. Da das Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen durch Urteil vom 30. Juni 1983 - 13 A 911/82 - den von der Klägerin zunächst beschrittenen Rechtsweg zu den Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit rechtskräftig für unzulässig erklärt hat, ist der erkennende Senat gemäß § 52 Abs 2 SGG an diese Entscheidung insoweit gebunden, als er seinerseits nicht die Entscheidungsbefugnis der Gerichte der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit bejahen und den Rechtsstreit an diese Gerichtsbarkeit zurückverweisen kann. Aber auch die durch die Bindungswirkung der Entscheidung des OVG nicht ausgeschlossene Weiterverweisung an das Gericht eines anderen Gerichtszweiges (vgl dazu BSGE 12, 283, 286; Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 2. Aufl, § 52 Anm 4) kommt hier nicht in Betracht. Bei dem Streit über die Zahlung der Krankenhauskosten für das Kind der Frau Petra S. handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung iS von § 51 Abs 1 SGG (BSGE 51, 108, 109 ff; 53, 62, 64 f; BGHZ 89, 250, 252 ff, insbesondere 259 f).
2. Der Senat ist nicht dadurch an einer Sachentscheidung gehindert, daß die Vorinstanzen den bei der Beklagten versicherten Ehemann der Frau Petra S. nicht beigeladen haben. Die Unterlassung einer Beiladung ist als Mangel des gerichtlichen Verfahrens bei einer zulässigen Revision durch das Revisionsgericht nur dann auch ohne Rüge, dh von Amts wegen, zu beachten, wenn die Beiladung nach § 75 Abs 2 1. Alternative SGG notwendig war (BSG, Beschluß vom 12. März 1974 - 2 S 1/74 - und Urteil vom 16. November 1978 - 3 RK 79/77 - SozR 1500 § 75 Nrn 1 und 20). Nach der genannten Vorschrift müssen Dritte zum Gerichtsverfahren beigeladen werden, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Anspruch des Versicherten auf Familienkrankenhilfe nach § 205 Abs 1 iVm § 184 bzw § 199 RVO, der auch die Kosten der Verpflegung eines neugeborenen Kindes mitumfaßt (vgl dazu Entscheidung des RVA vom 18. Februar 1931, AN 1931, 220; Erlaß des RAM vom 2. März 1943, AN 1943, 106; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II/2, § 199 Anm 5 und § 205 Anm 5; Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, 2. Aufl, § 199 Anm 1.4), ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, sondern nur die Frage, ob die beklagte Krankenkasse die Kosten für die Untersuchung, Pflege und eventuelle Behandlung des Neugeborenen durch Entrichtung eines zusätzlichen Pflegesatzes zu begleichen hat. Auch wenn der geltend gemachte Anspruch die Erfüllung des dem Versicherten zustehenden Sachleistungsanspruchs voraussetzt, sind an dem Abrechnungsverhältnis nur der Krankenhausträger und der Träger der Krankenversicherung (iS von § 75 Abs 2 1. Alternative SGG) beteiligt.
Im Urteil des Senats vom 19. März 1986 - 8 RK 15/85 - (SozR 1500 § 75 Nr 59) ist zwar ausgesprochen worden, daß der Krankenhausträger zum Verfahren notwendig beigeladen werden muß, wenn zwischen einer Krankenkasse und einem Versicherten streitig ist, ob dieser einen Krankenhauspflegeanspruch hat. Das beruht auf folgender Überlegung: Aus der Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Krankenhauspflegeanspruchs des Versicherten nach § 184 RVO folgt einerseits die Verpflichtung des Krankenhausträgers der Krankenkasse gegenüber, den Patienten zu behandeln, und andererseits der Anspruch des Krankenhausträgers auf Übernahme der Behandlungskosten. Der Versicherte, der Krankenhausträger und die Krankenkasse sind damit, wenn über das Bestehen oder Nichtbestehen des Krankenhauspflegeanspruchs gestritten wird, an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt, daß die Entscheidung allen dreien gegenüber nur einheitlich ergehen kann (§ 75 Abs 2 1. Alternative SGG). Ist aber - wie im vorliegenden Fall - der unbestrittene Leistungsanspruch des Versicherten durch die Sachleistung erfüllt worden, so beschränkt sich der Streit über die Höhe der zu übernehmenden Kosten auf den Krankenhausträger und die Krankenkasse. Der bereits erfüllte Anspruch des Versicherten bleibt davon unberührt.
3. Da das Kind der Frau S. am 17. September 1980 geboren und noch am gleichen Tage in die Kinderklinik R. verlegt worden ist, richtet sich der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch - wovon das LSG zu Recht ausgegangen ist - noch nach der BPflV aF, die am 1. Januar 1986 außer Kraft getreten ist (vgl § 24 Abs 1 der BPflV vom 21. August 1985 - BGBl I, 1666 - BPflV nF -).
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts läßt sich der Anspruch auf den ermäßigten Pflegesatz nicht aus § 4 Abs 3 Satz 2 BPflV aF herleiten. Diese Vorschrift bestimmte lediglich für Aufenthaltstage, an denen keine Verlegung erfolgt, die Höhe des Pflegesatzes für die Mutter und das gesunde Neugeborene. Wird ein neugeborenes Kind noch am Entbindungstag in ein anderes Krankenhaus gebracht, so war die Berechnung des besonderen Pflegesatzes nach § 4 Abs 3 Satz 2 BPflV aF für den Verlegungstag ausgeschlossen. Es galt die gegenüber dieser Vorschrift speziellere Regelung des § 9 Abs 2 BPflV aF (wörtlich übereinstimmend mit § 9 Abs 2 BPflV nF). Nach Satz 1 durfte grundsätzlich nur das aufnehmende Krankenhaus den Pflegesatz für den Verlegungstag berechnen. Hiervon machte § 9 Abs 2 Satz 2 BPflV aF eine Ausnahme, wenn Aufnahme- und Verlegungstag zusammenfielen. In diesem Falle war es dem abgebenden Krankenhaus freigestellt ("kann"), für den Verlegungstag einen Pflegesatz zu verlangen oder davon abzusehen. Ob weitere Voraussetzungen für die Berechnung des Pflegesatzes und gegebenenfalls welche erfüllt sein mußten, ist dem Wortlaut der Bestimmung nicht zu entnehmen. Gleichwohl fehlte der Vorschrift nicht die notwendige Bestimmtheit. Zwar können nur hinreichend bestimmte Rechtsnormen, die eine willkürliche Handhabung ausschließen, Geltung beanspruchen (BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1970 - IV C 137.68 - DÖV 1971, 102; BVerwGE 56, 63, 64 und 254, 259). Der Inhalt einer Norm ist aber genügend bestimmt, wenn er sich aus dem Zweck der Vorschrift und dem Gesamtzusammenhang, in den die Norm gestellt ist, bestimmen läßt (vgl dazu BVerwGE 2, 172, 175 f; 39, 77, 79 f mwN). Das ist hier gegeben. Der Zweck des § 9 Abs 2 Satz 2 BPflV aF und der Gesamtzusammenhang lassen nämlich erkennen, daß die Krankenhausträger von § 9 Abs 2 Satz 2 BPflV aF nicht nach Belieben Gebrauch machen konnten. Für die Ermächtigung galt vielmehr folgende Einschränkung: Der Verlegungstag durfte nur dann in Rechnung gestellt werden, wenn das unter Berücksichtigung der dem abgebenden Krankenhaus an diesem Tage erwachsenen Kosten gerechtfertigt war. Die BPflV von 1973 ist - wie die BPflV von 1985 - von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates aufgrund des § 16 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze - Krankenhausfinanzierungsgesetz - (KHG) vom 29. Juni 1972 (BGBl I, 1009) erlassen worden. In § 17 KHG hat der Gesetzgeber die nach Art 80 des Grundgesetzes (GG) notwendige Konkretisierung der Verordnungsermächtigung vorgenommen (vgl Begründung des Regierungsentwurfs - BT IV/1874 - zu § 16) und Grundsätze für die Pflegesatzregelung aufgestellt. Danach müssen die Pflegesätze ua auf der Grundlage der Selbstkosten eines sparsam wirtschaftenden, leistungsfähigen Krankenhauses und einer Kosten- und Leistungsrechnung eine wirtschaftliche Betriebsführung ermöglichen und die medizinisch und wirtschaftlich rationelle Versorgung durch die Krankenhäuser sichern. Daß Pflegesätze nur erhoben werden dürfen, wenn der Krankenhausträger entsprechende Kosten hat, ergibt sich auch aus der Begriffsbestimmung in § 2 Nr 4 KHG. Danach sind im Sinne dieses Gesetzes Pflegesätze die Entgelte der Benutzer oder ihrer Kostenträger für stationäre und halbstationäre Leistungen des Krankenhauses (vgl dazu Harsdorf/Friedrich, KHG, Komm, 3. Aufl, § 16 Tz 177 und § 2 Tz 26 bis 27.1). Da der Pflegesatz die durchschnittlichen Kosten eines Krankenhaustages decken soll, schrieb § 9 Abs 2 Satz 1 BPflV aF als Grundsatz vor, daß bei Verlegungen nur einmal, nämlich durch das aufnehmende Krankenhaus, der Pflegesatz für den Verlegungstag verlangt werden durfte. Die Ausnahme des § 9 Abs 2 Satz 2 BPflV aF hob das Prinzip von Leistung und Gegenleistung nicht auf. Sie gestattete dem abgebenden Krankenhaus deshalb auch nicht, von der Ermächtigung ohne Rücksicht auf die etwa entstandenen eigenen Kosten Gebrauch zu machen und - neben dem aufnehmenden Krankenhaus - selbst einen Pflegesatz zu berechnen. Die Erhebung eines zusätzlichen Pflegesatzes war nach § 9 Abs 2 Satz 2 BPflV aF nur dann rechtmäßig, wenn dies angesichts der im abgebenden Krankenhaus am Verlegungstag entstandenen Kosten angemessen erschien.
Für die gesetzlichen Krankenkassen mag diese Einschränkung von geringer Bedeutung sein, solange alle abgebenden Krankenhäuser beim Zusammenfallen von Aufnahme- und Verlegungstag stets einen Krankenhaustag berechnen, weil sich dann die Zahl der in die Berechnung der Pflegesätze einbezogenen Krankenhaustage erhöht, der Pflegesatz pro Tag verringert und so "automatisch" ein Ausgleich bewirkt wird, sich die von den Krankenkassen zu tragenden Kosten daher - insgesamt betrachtet - nicht verändern. Gleiches gilt indessen nicht für den Selbstzahler, der für den Aufnahme- und Verlegungstag den Pflegesatz zweimal zahlen muß. Selbst wenn man davon ausgeht, daß ihm auch der Vorteil eines etwas geringeren Pflegesatzes zugutekommt, so ist - vor allem bei kurzem Krankenhausaufenthalt - dieser Vorteil nicht ausreichend, um die Berechnung eines Krankenhaustages nach § 9 Abs 2 Satz 2 BPflV aF ohne Rücksicht auf die im Einzelfalle entstandenen Kosten als rechtens ansehen zu können.
Bei einem gesunden neugeborenen Kind werden solche besonderen Kosten, die die Berechnung eines Pflegesatzes durch das aufnehmende und das abgebende Krankenhaus sachlich rechtfertigen könnten, im allgemeinen nicht entstehen. Deshalb durfte die Regelung des § 4 Abs 3 Satz 2 BPflV aF über den besonderen, ermäßigten Pflegesatz für gesunde Neugeborene im Rahmen des § 9 Abs 2 Satz 2 BPflV aF nicht angewendet werden. Die Vorschrift des § 9 Abs 2 Satz 2 BPflV aF ließ die Erhebung eines zusätzlichen Pflegesatzes nur zu, wenn es sich um kranke Patienten handelt, bei denen durch diagnostische und therapeutische Maßnahmen dem abgebenden Krankenhaus am Aufnahme- und Verlegungstag Kosten entstehen (vgl dazu Krauskopf/Feuerstein, KHG mit Nebenbestimmungen, Bd II, Anm zu § 9 BPflV). Für kranke Neugeborene galt aber § 4 Abs 3 Satz 2 BPflV aF ohnehin nicht, sondern es war der volle Erwachsenenpflegesatz zu berechnen (Elsholz, BPflV, Komm, 1974, S 86; Krauskopf/Feuerstein, Bd II, Anm zu § 4 Abs 3 BPflV; BR-Drucks 596/72, S 10 - Begründung zu § 4 des Entwurfs der BPflV).
Die Anwendung des § 9 Abs 2 Satz 2 BPflV aF scheitert hier - entgegen der Auffassung der beklagten Krankenkasse - nicht schon daran, daß das Kind der Frau S. nicht durch das Krankenhaus der Klägerin aufgenommen worden wäre. Denn die Aufnahme eines Kindes, das in einem Krankenhaus oder einer Klinik geboren wird, erfolgt mit der Vollendung der Geburt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und wann das Kind durch die Verwaltung des Krankenhauses erfaßt wird (zB Anlegen eines Krankenblattes, Aufnahme in die Patientenkartei). Im allgemeinen wird sich das Neugeborene auch ohne formellen Akt der Krankenhausverwaltung mit deren Willen stationär im Krankenhaus so lange aufhalten wie die stationäre Behandlung seiner Mutter andauert. Für das neugeborene Kind werden in aller Regel unmittelbar nach der Geburt Krankenhausleistungen iS von § 2 Nr 5 BPflV aF erbracht, und zwar zumindest ärztliche Leistungen und Pflege, auch wenn das Kind wenig später in ein anderes Krankenhaus verlegt wird. Diese Leistungen erfolgen bei natürlicher Betrachtungsweise nicht ambulant, sondern stationär. Hiergegen kann die beklagte Krankenkasse auch nicht mit Erfolg auf die damals noch geltende Regelung über Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten hinweisen. Zwar gehörte die Erstuntersuchung von Neugeborenen in dem hier streitigen Zeitpunkt zu den Maßnahmen der Früherkennung von Krankheiten (§ 181 Abs 1 Nr 1 RVO iVm Abschn B Nr 1 der aufgrund der Ermächtigung in § 181 Abs 2 und § 368p Abs 5 RVO erlassenen Kinderrichtlinien vom 28. April 1971 - BAnZ Nr 111 vom 23. Juni 1971 idF vom 26. April 1976 - Beilage 28/76 zum BAnZ Nr 214 vom 11. November 1976 - zuletzt geändert am 31. Oktober 1979 - BAnZ Nr 22 vom 1. Februar 1980 - Beilage zum BAnZ 4/80 - BAnz 22a - in dieser Fassung auch abgedruckt bei Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II/1, § 181 Anm 11) und konnte - wenn sie in einem Krankenhaus oder einer Entbindungsanstalt erfolgte - gesondert neben dem Pflegesatz abgerechnet werden. Diese Regelung galt bis zur Einfügung von Satz 3 in § 368 Abs 2 RVO durch Art 1 Nr 13 Buchst a des am 1. Januar 1982 in Kraft getretenen Gesetzes zur Ergänzung und Verbesserung der Wirksamkeit kostendämpfender Maßnahmen in der Krankenversicherung (Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz -KVEG-) vom 22. Dezember 1981 (vgl auch Art 7 KVEG). Aber weder aus der damals geltenden Regelung einer gesonderten Vergütung der Früherkennungsmaßnahmen noch aus der späteren gesetzlichen Änderung, die zur Dämpfung des Ausgabenanstiegs in der gesetzlichen Krankenversicherung beitragen sollte (BT-Drucks 9/845, S 11 und S 14), läßt sich herleiten, daß ein in der Klinik geborenes Kind nicht mit seiner Geburt iS von § 9 Abs 2 BPflV aF von der Entbindungsklinik aufgenommen wird. Im Gegenteil, die Gesetzesänderung durch das KVEG vom 22. Dezember 1981 macht gerade deutlich, daß der Gesetzgeber (s dazu insbesondere BT-Drucks 9/845, S 14) ein in der Klinik geborenes Kind als aufgenommen und die Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten als mit dem Pflegesatz abgegolten ansieht.
Obwohl somit feststeht, daß im vorliegenden Fall Aufnahme- und Verlegungstag zusammenfielen, kann - wegen des Fehlens entsprechender Tatsachenfeststellungen - noch nicht entschieden werden, ob die Klägerin zu Recht von der beklagten Krankenkasse die Zahlung des ermäßigten Pflegesatzes für den Verlegungstag verlangt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn vor der Verlegung des Kindes in die Kinderklinik R. Leistungen erbracht worden sind, die über die Aufnahme hinausgehen, insbesondere wenn neben der Aufnahmeuntersuchung und der für ein Neugeborenes üblicherweise notwendigen Pflege und Betreuung therapeutische Maßnahmen durchgeführt worden sein sollten. Denn nur diese zusätzlichen Kosten für die therapeutische Behandlung rechtfertigen die Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 9 Abs 2 Satz 2 BPflV aF.
Allerdings ist zweifelhaft, ob das abgebende Krankenhaus, wenn es von der Ermächtigung des § 9 Abs 2 Satz 2 BPflV aF Gebrauch machte, nicht den vollen Pflegesatz in Rechnung stellen konnte. Gegen die Berechnung eines Teilpflegesatzes könnte der Wortlaut der Vorschrift ("einen Tag ... berechnen") sprechen. Diese Frage kann der Senat jedoch offenlassen, da die Klägerin unter Anwendung des § 4 Abs 3 Satz 2 BPflV aF nur einen ermäßigten Pflegesatz verlangt hat und die Gerichte ihr wegen der Bindung an das Klagebegehren (vgl dazu Meyer-Ladewig, § 123 Anm 3) nicht mehr zusprechen dürfen.
Das LSG wird demnach noch festzustellen haben, ob die Ärzte im Krankenhaus der Klägerin das Kind der S. nicht nur untersucht, sondern erste Behandlungsmaßnahmen durchgeführt haben.
Bei der erneuten Entscheidung über die Berufung ist ferner zu berücksichtigen, daß die Klägerin von der Feststellungsklage zur Leistungsklage übergegangen ist und daß der Tenor des erstinstanzlichen Urteils deshalb nicht unverändert bleiben kann. Schließlich wird das LSG auch über die Kosten für das Revisionsverfahren zu entscheiden haben.
Fundstellen