Leitsatz (amtlich)
Die Gewährung von Anschlußunterhaltsgeld durch die Bundesanstalt für Arbeit an arbeitslose frühere Teilnehmer einer Bildungsmaßnahme setzt nicht zwingend eine unmittelbare (nahtlose) Arbeitslosmeldung nach Abschluß der Maßnahme voraus.
Stand: 24. Juli 2000
Beteiligte
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. April 1999 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt Anschlußunterhaltsgeld (AUhg) für die Zeit ab 9. Januar 1998.
Die 1962 geborene Klägerin bezog ab 16. April 1996 Arbeitslosengeld (Alg) für die Dauer von 312 Werktagen bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 14. April 1997. Vom 22. April 1997 bis 7. Januar 1998 nahm sie an einer Maßnahme zur beruflichen Bildung teil und erhielt Unterhaltsgeld (Uhg) von der beklagten Bundesanstalt für Arbeit (Bescheid vom 13. Juni 1997; Änderungsbescheid wegen neuer Leistungsverordnung vom 2. Januar 1998).
Nach Abschluß der Maßnahme (Mittwoch, 7. Januar 1998) meldete sich die Klägerin am 9. Januar 1998 beim Arbeitsamt (ArbA) arbeitslos und beantragte die Zahlung von AUhg. Die Beklagte lehnte dies ab, weil sich die Klägerin nicht unmittelbar nach Abschluß der Maßnahme, sondern um einen Tag zu spät arbeitslos gemeldet habe (Bescheid vom 4. März 1998; Widerspruchsbescheid vom 24. April 1998). Ab März 1998 übte die Klägerin eine Teilzeittätigkeit (12 Wochenstunden) aus.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, „der Klägerin AUhg vom 9. Januar 1998 an nach den gesetzlichen Bestimmungen” zu zahlen (Urteil vom 22. Oktober 1998). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 21. April 1999). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von AUhg nach § 156 Abs 1 Nrn 1 bis 3 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) seien erfüllt. Die Klägerin sei im Anschluß an die abgeschlossene Bildungsmaßnahme arbeitslos gewesen. Ein nur zweitägiger zeitlicher Abstand zwischen Maßnahmeende und Arbeitslosmeldung sei nicht geeignet, das Tatbestandsmerkmal der Arbeitslosigkeit im Anschluß an eine abgeschlossene Maßnahme zu verneinen.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 156 Abs 1 SGB III. Sie ist der Ansicht, die Anspruchsvoraussetzungen der Arbeitslosigkeit (§ 156 Abs 1 Nr 1 SGB III) seien in §§ 118 Abs 1 Nr 2, 119 Abs 1 Nr 1 SGB III mit der dort geforderten Beschäftigungssuche definiert. Nach § 119 Abs 1 Nr 1 SGB III suche aber eine Beschäftigung nur, wer alle Möglichkeiten nutze und nutzen wolle, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Hierzu gehöre nicht nur die Beschäftigungssuche per Eigeninitiative, sondern auch die persönliche Arbeitslosmeldung, selbst wenn diese in § 122 SGB III als weitere Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von Alg geregelt sei. Zu Unrecht habe das LSG insoweit angenommen, der von § 156 Abs 1 Nr 1 SGB III geforderte Anschluß der Arbeitslosigkeit an die abgeschlossene Maßnahme mit Bezug von Uhg sei auch dann erfüllt, wenn zwischen Ende der Maßnahme und Arbeitslosmeldung ein Tag ohne Arbeitslosmeldung liege. Das gesetzliche Merkmal „im Anschluß” sei vielmehr eng auszulegen und erlaube keine zeitlichen Lücken.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Das Urteil des LSG beruht nicht auf einem Rechtsverstoß; die Klägerin hat – wie vom LSG entschieden – dem Grunde nach (§ 130 SGG) Anspruch auf AUhg ab 9. Januar 1998.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nicht, bis wann die Klägerin diesen Anspruch geltend machen kann, weil das SG und das LSG die Beklagte nur verurteilt haben, AUhg „ab 9. Januar 1998 nach den gesetzlichen Bestimmungen” zu zahlen und nur die Beklagte Revision eingelegt hat. Die Gewährung von Arbeitslosenhilfe für den Fall, daß AUhg nicht zu zahlen ist, ist nicht im Streit.
Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Insbesondere war die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG gemäß §§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG mit Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstandes von über 1.000,00 DM statthaft.
Die Voraussetzungen des § 156 SGB III (idF des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung vom 24. März 1997 - BGBl I 594) sind nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) jedenfalls bis Ende Februar 1998 erfüllt.
Nach dessen Abs 1 haben Anspruch auf AUhg Arbeitnehmer, die
- im Anschluß an eine abgeschlossene Maßnahme mit Bezug von Uhg arbeitslos sind,
- sich beim ArbA arbeitslos gemeldet haben und
- nicht einen Anspruch auf Alg von mindestens drei Monaten geltend machen können.
Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf Alg (Nr 3); denn ihr früherer Alg-Anspruch war bereits am 14. April 1997 erschöpft (§ 110 Arbeitsförderungsgesetz ≪AFG≫). Ein neuer Alg-Anspruch ist wegen der zu kurzen Dauer des Uhg-Bezugs nicht entstanden (§§ 107 Satz 1 Nr 5 Buchst d, 104 AFG iVm §§ 427 Abs 3, 123 Satz 1 Nr 1 SGB III). Die Klägerin hat sich auch am 9. Januar 1998 arbeitslos gemeldet (§ 157 Abs 2 Satz 2 SGB III iVm § 122 SGB III) und war spätestens ab diesem Tag arbeitslos (§ 157 Abs 2 Satz 2 SGB III iVm § 118 SGB III). Insoweit kann offenbleiben, ob § 118 SGB III – wie etwa § 101 AFG – eine Legaldefinition des Begriffs der Arbeitslosigkeit enthält, die über die Regelvoraussetzungen des Alg hinaus für das gesamte SGB III von Bedeutung ist (vgl zur Problematik des § 101 AFG nur BSGE 72, 242 ff = SozR 3-4100 § 49 Nr 4) oder ob der Begriff der Arbeitslosigkeit – was schon nach der Systematik des SGB III naheliegen dürfte – in anderen rechtlichen Zusammenhängen einer funktionsdifferenten Auslegung zugängig ist bzw zugeführt werden muß. Keiner Entscheidung bedarf außerdem die Frage, ob Arbeitslosigkeit nach § 118 SGB III trotz der eigenständigen Normierung der Arbeitslosmeldung in § 122 SGB III bereits vor Arbeitslosmeldung vorliegen kann oder erst mit Arbeitslosmeldung vorliegen muß, die Arbeitslosigkeit also über den Begriffsbestandteil der Beschäftigungssuche (§ 118 Abs 1 Nr 2 SGB III iVm § 119 Abs 1 Nr 1 SGB III) die Arbeitslosmeldung inkorporiert, wie dies auch in § 16 SGB III für den Begriff des „Arbeitslosen” vorgesehen ist. Jedenfalls am 9. Januar 1998 lagen beide Voraussetzungen, also sowohl Arbeitslosigkeit als auch die Arbeitslosmeldung, vor, ohne daß der vom Gesetz geforderte Anschluß an die abgeschlossene Maßnahme mit Bezug von Uhg wegen der eintägigen Zwischenzeit zwischen dem Ende der Maßnahme am 7. Januar 1998 und der Arbeitslosmeldung am 9. Januar 1998 entfallen wäre.
Ob die Klägerin bereits am 8. Januar 1998 trotz fehlender Arbeitslosmeldung die Voraussetzungen des § 118 Abs 1 Nr 2 SGB III iVm § 119 Abs 1 Nr 1 SGB III – Beschäftigungssuche – (beide idF, die die Vorschriften durch das Erste SGB III-Änderungsgesetz vom 16. Dezember 1997 - BGBl I 2970 - erhalten haben) erfüllt hat, also uU sogar nahtlos – wie von der Beklagten gefordert – im Anschluß an die Bildungsmaßnahme mit Bezug von Uhg beschäftigungssuchend war, ist ohne Bedeutung. Nach Sinn und Zweck der Regelung des § 156 SGB III bezieht sich nämlich die Voraussetzung des „Anschlusses” in § 156 Abs 1 Nr 1 SGB III ohnedies nicht nur auf die Arbeitslosigkeit selbst, sondern auch auf die in Nr 2 geforderte Arbeitslosmeldung und damit zwangsläufig auch auf die Nr 3 (kein Anspruch auf Alg von mindestens drei Monaten); dies ergibt sich aus der gesetzlichen Begründung (vgl BR-Drucks 550/96 zu § 156).
Danach soll die soziale Sicherung der Absolventen beruflicher Weiterbildungsmaßnahmen durch ein besonderes AUhg bis zur Dauer von drei Monaten gewährleistet sein, um die Zeit der Suche nach einer Beschäftigung finanziell zu überbrücken, weil eine Arbeitsaufnahme unmittelbar nach dem Ende der Weiterbildungsmaßnahme oftmals nicht möglich ist. Die gegenüber dem AFG neue Leistung des AUhg war insbesondere deshalb erforderlich geworden, weil durch den Bezug von Uhg anders als nach dem Recht des AFG Folgeansprüche auf Alg nicht mehr begründet werden können (vgl BR-Drucks 550/96 aaO). Die Gesetzesbegründung läßt erkennen, daß der Gesetzgeber die in § 2 Abs 3 Nr 1 SGB III allgemein normierte Verantwortung der Arbeitnehmer, zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit jede zumutbare Möglichkeit bei der Suche und Aufnahme einer Beschäftigung zu nutzen, zur gesetzlichen Obliegenheit und gegenüber dem AFG zur zusätzlichen Anspruchsvoraussetzung (vgl BR-Drucks 550/96 S 75 zu § 119) für die Gewährung von AUhg gemacht hat. Bereits das AFG verlangte indes zumindest eine Beschäftigungssuche über das ArbA mittels Arbeitslosmeldung, die nicht nur die Funktion einer Tatsachenerklärung über den Eintritt der Arbeitslosigkeit, also die Anzeige des Eintritts des in der Arbeitslosenversicherung gedeckten Risikos der Arbeitslosigkeit, hat (vgl nur BSGE 77, 175, 178 f = SozR 3-4100 § 105 Nr 2), sondern vornehmlich dazu dient, das ArbA tatsächlich in die Lage zu versetzen, mit seinen Vermittlungsbemühungen zu beginnen, um die Arbeitslosigkeit und damit die Leistungspflicht möglichst rasch zu beenden (BSGE 60, 43, 45 = SozR 4100 § 105 Nr 2; BSG, Urteil vom 11. Januar 1989 - 7 RAr 14/88 -, DBlR Nr 3488a zu § 107 AFG). War mithin auch unter der Geltung des AFG eine Beschäftigungssuche über das ArbA durch Arbeitslosmeldung (§ 105 AFG; jetzt § 122 SGB III) gesetzlich gefordert, um einen Alg-Anspruch zu erwerben, so kann durch § 118 Abs 1 Nr 2 SGB III iVm § 119 Abs 1 Nr 1 SGB III (Beschäftigungssuche) lediglich die zusätzliche Voraussetzung einer Beschäftigungssuche im Wege der Eigeninitiative geregelt sein. Dies könnte bereits dagegen sprechen, die Arbeitslosmeldung des § 122 SGB III als integralen Bestandteil des § 118 Abs 1 Nr 2 SGB III zu verstehen.
Setzt andererseits § 156 SGB III sowohl eine Arbeitslosmeldung, also die Beschäftigungssuche in der Form der Meldung beim ArbA, als auch die darüber hinausgehende Beschäftigungssuche per Eigeninitiative voraus, so sind keine Gründe ersichtlich, bei der Beurteilung des notwendigen Anschlusses an die Bildungsmaßnahme ausschließlich auf die Beschäftigungssuche im Wege der Eigeninitiative abzustellen und eine Arbeitslosmeldung zu irgendeinem späteren Zeitpunkt genügen zu lassen. Auch unter Geltung des SGB III vollzieht sich die Beschäftigungssuche eines Empfängers von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit vielmehr in erster Linie über die Arbeitslosmeldung beim ArbA (vgl § 119 Abs 5 SGB III). Dieser Auslegung, die die Voraussetzung des „Anschlusses an eine abgeschlossene Maßnahme” nicht nur für § 156 Abs 1 Nr 1, sondern auch für Nr 2 des § 156 Abs 1 SGB III fordert und wegen der Antragsfiktion des § 323 Abs 1 SGB III ebenso für Nr 3 Bedeutung gewinnt, widerspricht nicht der Wortlaut des § 156 SGB III: Die Formulierung in Nr 1 („im Anschluß”) ist lediglich gedanklich vor die Nr 1 zu ziehen.
Der Anschluß an die Maßnahme iS der Vorschrift des § 156 Abs 1 SGB III war gewahrt; insoweit ist die von der Beklagten geforderte Nahtlosigkeit keine zwingende Voraussetzung für die Gewährung von AUhg, selbst wenn davon ausgegangen werden muß, daß der Gesetzgeber sich als Regelfall den unmittelbaren (nahtlosen) Anschluß vorgestellt hat. Letzteres läßt sich der Begründung des Gesetzes entnehmen (BR-Drucks 550/96 zu § 156), die von einer Arbeitsaufnahme „unmittelbar im Anschluß an die Weiterbildungsmaßnahme” spricht. Auch der Wortlaut der Norm deutet auf eine Nahtlosigkeit, und zwar insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, daß ein Uhg im Anschluß an eine abgeschlossene Bildungsmaßnahme früher schon einmal nach der ursprünglichen (ersten) Fassung des § 44 AFG in dessen Abs 5 vorgesehen war. Danach wurde einem Teilnehmer an einer Maßnahme Uhg während der Arbeitslosigkeit für 78 Tage oder, wenn die Maßnahme mindestens ein Jahr gedauert hatte, für 176 Tage gewährt, wenn er innerhalb der ersten sechs Monate „nach dem Abschluß der Maßnahme arbeitslos wurde”. Hätte der Gesetzgeber in § 156 SGB III nicht als Regelfall einen nahtlosen Anschluß vor Augen gehabt, hätte er eine ähnliche Formulierung wie im früheren § 44 Abs 5 AFG wählen können. Schließlich entspricht die Nahtlosigkeit als Regelfall auch dem Ziel des SGB III und des § 156 SGB III; denn in § 2 Abs 3 SGB III ist gerade die besondere Verantwortung des Arbeitnehmers betont,jede, also auch eine möglichst frühzeitige (zumutbare) Möglichkeit bei der Suche und Aufnahme einer Beschäftigung zu nutzen. Diese besondere Verantwortung ist – wie bereits ausgeführt – in § 156 SGB III zur gesetzlichen Obliegenheit mit einer für den Arbeitslosen nachteiligen Rechtsfolge bei deren Verletzung ausgestaltet worden. Anders ausgedrückt: Grundsätzlich soll nur derjenige, der seiner gesetzlichen Obliegenheit zur umfassenden Beschäftigungssuche über das ArbA und in Eigeninitiative genügt, in den Genuß der Leistung AUhg kommen.
Obliegenheitspflichtverletzungen setzen andererseits ein dem Leistungsbewerber – ggf typisierend – zurechenbares Fehlverhalten voraus; bei fehlender Zurechenbarkeit kann deshalb der vom Gesetz geforderte Anschluß auch bei fehlender Nahtlosigkeit bejaht werden. In Fällen der Verhinderung an der Arbeitslosmeldung und Beschäftigungssuche (etwa bei Arbeitsunfähigkeit, bei Aufnahme einer Zwischenbeschäftigung ua) könnte deshalb auf die Forderung nach einem unmittelbaren Anschluß an die abgeschlossene Maßnahme zu verzichten sein. Vorliegend bedarf dies jedoch keiner Entscheidung, weil ein Fall der Verhinderung der Klägerin am 8. Januar 1998 nicht vorlag. Offenbleiben kann zudem, ob es – insbesondere in Fällen einer Verhinderung – eine absolute zeitliche Grenze gibt, die ggf mit Rücksicht auf die Zielsetzung des § 156 SGB III bei drei Monaten gesehen werden könnte.
Zwar war die Klägerin an einer Arbeitslosmeldung am 8. Januar 1998 nicht gehindert; gleichwohl genügte unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls die um einen Tag „verspätete” Arbeitslosmeldung und Beschäftigungssuche den gesetzlichen Anforderungen. Ist nämlich der Gesetzgeber grundsätzlich davon ausgegangen, daß sich der Arbeitslose nahtlos um eine neue Beschäftigung kümmern muß, so muß er zwangsläufig Kenntnis oder vorwerfbare Unkenntnis des Leistungsbewerbers darüber vorausgesetzt haben. Dann aber kann das Kriterium des Anschlusses nicht bei Unkenntnis über die Obliegenheit bejaht werden, wenn diese Unkenntnis dem Leistungsempfänger nicht vorgeworfen werden kann, er also nicht in zurechenbarer Weise gegen eine Obliegenheitspflicht verstoßen hat. Die Prüfung der Zurechenbarkeit verlangt deshalb die Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Hinblick auf Sinn und Zweck der Regelung. Die Zielsetzung des § 156 SGB III, die soziale Sicherheit von Absolventen beruflicher Weiterbildungsmaßnahmen durch eine besondere Entgeltersatzleistung bis zur Dauer von drei Monaten zu gewährleisten, um die Zeit der Suche nach einer Beschäftigung finanziell zu überbrücken, erfordert jedenfalls keine ausnahmslose Nahtlosigkeit. In diesem Sinne hat auch der Gesetzgeber zu einer ähnlichen Formulierung in § 25 Abs 3 Nr 3 Sozialgesetzbuch – Rentenversicherung – (SGB VI) in der Begründung zu dieser Vorschrift ausgeführt, daß eine verspätete Arbeitslosmeldung entsprechend dem Zweck des Anschlußübergangsgelds, die Zeit der Beschäftigungssuche nach Ende einer Maßnahme für einen bestimmten Zeitraum finanziell abzusichern, nicht zum Verlust des Anspruchs führen solle (BT-Drucks 11/4124 S 159). In vergleichbarer Weise hat der 9b-Senat des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 59c AFG (jetzt § 166 SGB III) ebenfalls keine Nahtlosigkeit im Anschluß an die Maßnahme verlangt, sondern bei der Beurteilung des Anschlusses iS dieser Vorschrift auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles abgestellt (vgl SozR 3-4100 § 59c Nr 3 S 11 mwN; vgl auch zu dem Begriff des „Anschlusses” in § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst c AFG aF BSGE 48, 27, 32 f = SoR 4100 § 134 Nr 12).
Berücksichtigt man die Einzelumstände im vorliegenden Fall, so ist der gesetzlich geforderte Anschluß an die Maßnahme zu bejahen. Zum einen handelt es sich nur um einen (kürzestmöglichen) Zwischenzeitraum von einem Tag; zum anderen hat die Beklagte die Klägerin, die keine Kenntnis von der Rechtslage hatte, nicht in der erforderlichen Weise beraten (§ 14 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – ≪SGB I≫). Der Klägerin hätten durch eine konkrete, richtige, vollständige und verständliche Belehrung die Rechtsfolgen einer verspäteten Arbeitslosmeldung klargemacht werden müssen. Hierzu hätte vor allem der deutliche Hinweis darauf gehört, daß der Anspruch in vollem Umfang entfalle, wenn sich die Klägerin – eine Verhinderung einmal ausgenommen – nicht im unmittelbaren Anschluß an die Maßnahme arbeitslos melde.
Daß die Beklagte von Amts wegen zur Beratung verpflichtet war, ergibt sich schon aus den gravierenden Rechtsfolgen einer verspäteten Meldung und im Hinblick darauf, daß es sich bei dem AUhg um eine völlig neue Leistungsart handelte und handelt, deren Voraussetzungen weder geklärt noch allgemein bekannt waren oder sind. Derartige Beratungspflichten der Beklagten können auch ohne konkrete gesetzliche Normierung bestehen, wie der Senat in anderem Zusammenhang bereits mehrfach betont hat (vgl nur zu § 119 BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 19 S 99 mwN).
Dieser Beratungspflicht ist die Beklagte weder durch die dem Gericht aus anderen Verfahren bekannten formularmäßigen Schreiben (vorliegend vom 15. Dezember 1997), die den Maßnahmeteilnehmern vor Abschluß der Maßnahme zugesandt worden sind, noch durch die dem Gericht ebenfalls aus anderen Verfahren bekannten Änderungsbescheide wegen einer zum Jahreswechsel in Kraft getretenen neuen Leistungsverordnung nachgekommen. In den besagten Anschreiben heißt es lediglich, für den Fall, daß der Maßnahmeteilnehmer nach Abschluß der Maßnahme arbeitslos sei, solle er umgehend – möglichst noch vor beendeter Maßnahme – bei der Arbeitsvermittlung vorsprechen, damit ihm keine finanziellen Nachteile entstünden. Ein derartiges Schreiben ist erkennbar zu unverbindlich, um der Klägerin die zu erwartenden Rechtsfolgen, nämlich den drohenden Verlust des gesamten Anspruchs auf AUhg, hinreichend vor Augen zu führen. Diese Unverbindlichkeit kann zwar den im Januar verschickten Änderungsbescheiden der Beklagten nicht vorgehalten werden; indes genügt deren Inhalt aus anderen Gründen nicht den Anforderungen an einen verständlichen Hinweis. Wann die Klägerin den Änderungsbescheid überhaupt erhalten hat, ist deshalb ohne Belang. In den Änderungsbescheiden vom Januar 1998 heißt es, eine weitere Voraussetzung für den Anspruch auf AUhg sei es, daß sich der Arbeitslose spätestens am ersten Werktag nach dem Ende der Bildungsmaßnahme, an dem das ArbA dienstbereit sei, beim ArbA persönlich arbeitslos melde. Dieser Hinweis befindet sich allerdings am Ende einer vollbedruckten DIN-A4-Seite eines Formularbescheids, ohne daß der maßgebliche Text in irgendeiner Weise optisch hervorgehoben ist. Hierzu bestand jedoch besondere Veranlassung, weil es sich bei dem AUhg um eine neue, erst mit Wirkung ab 1. Januar 1998 eingeführte Leistungsart handelt und ein Leistungsempfänger nicht davon ausgehen muß, daß in einem formularmäßigen Änderungsbescheid wegen Inkrafttretens einer neuen Leistungsverordnung ein wichtiger Hinweis auf eine andere, künftige Leistung enthalten ist; dies gilt um so mehr, als vor Zugang dieses Änderungsbescheids ein Schreiben anderen Inhalts an den Maßnahmeteilnehmer verschickt worden war. Schließlich bedarf es auch keiner weiteren Untersuchung, ob die Beklagte möglicherweise in einem der Klägerin früher ausgehändigten Merkblatt auf die Notwendigkeit einer unmittelbaren Arbeitslosmeldung hingewiesen hat. In anderem Zusammenhang hat der Senat bereits entschieden, daß Rechtsfolgenbelehrungen zeitnah zu erfolgen haben und nicht durch den Hinweis auf den Inhalt eines Merkblattes ersetzt werden dürfen (vgl nur BSGE 53, 13, 16 = SozR 4100 § 119 Nr 18).
Besteht mithin ein Anspruch auf AUhg dem Grunde nach, so beträgt nach § 156 Abs 2 Satz 1 SGB III die Dauer dieses Anspruchs drei Monate. Wortlaut und Systematik des § 156 SGB III sprechen gegen einen festen Dreimonatszeitraum, der stets mit dem Ende der Maßnahme beginnt; denn das Gesetz hat eine Formulierung gewählt, die der bei der Dauer eines Alg-Anspruchs entspricht (§§ 127 Abs 2, 128 SGB III), und in § 157 Abs 2 Satz 2 SGB III ist auf die Vorschriften über das Alg verwiesen. Wenn sich zudem nach § 156 Abs 2 Satz 2 SGB III die Dauer des AUhg-Anspruchs um die Anzahl von Tagen mindert, für die der Arbeitnehmer im Anschluß an eine abgeschlossene Maßnahme mit Bezug von Uhg einen Anspruch auf Alg geltend machen kann, so spricht auch dies für eine Berechnung der Anspruchsdauer wie beim Alg (so im Ergebnis auch Fischer, SGb 1998, 301, 303; siehe aber zu der anderslautenden Vorschrift des § 1241e RVO BSG SozR 2200 § 1241e Nr 2). Einer abschließenden Entscheidung hierüber bedarf es nicht, weil der Senat lediglich über einen Anspruch dem Grunde nach zu befinden hat. Deshalb bedarf es auch keiner Entscheidung, ob der Klägerin, die ab März 1998 eine Teilzeitbeschäftigung aufgenommen hat, der Anspruch für die volle Anspruchsdauer zusteht oder ob es ab März ggf an der Verfügbarkeit (§ 119 Abs 1 Nr 2 iVm Abs 2 SGB III) fehlt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
BSGE, 147 |
NZS 2001, 106 |
SGb 2000, 413 |
SozSi 2001, 321 |
info-also 2001, 30 |