Leitsatz (amtlich)
Der Übergang der Rente nach RVO § 183 Abs 3 S 2 auf die Krankenkasse umfaßt auch den Kinderzuschuß zur Rente (RVO § 1262).
Normenkette
RVO § 183 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1961-07-12, § 1262 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. Januar 1967 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die beigeladene Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) gewährte dem bei ihr versicherten Ehemann der Klägerin, dem am 23. November 1963 verstorbenen E W vom 20. Oktober 1962 bis zu seinem Tode Krankengeld im Rahmen ambulanter Krankenpflege und Hausgeld während Zeiten der Krankenhauspflege; in diesen Barleistungen waren Erhöhungssätze für die Tochter des Versicherten nicht enthalten.
Mit Bescheid vom 9. März 1964 bewilligte die beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA) der Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes auf Grund eines von ihm zu seinen Lebzeiten gestellten Antrags für die Zeit vom 1. November 1962 bis zum 30. November 1963 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. In dem monatlichen Zahlbetrag von 459,10 DM war ein Kinderzuschuß in Höhe von 47,40 DM für die Tochter des Versicherten enthalten. Von dem gesamten Nachzahlungsbetrag in Höhe von 5.968,30 DM nahm die Beigeladene auf Grund ihrer für die Zeit vom 1. November 1962 bis zum 23. November 1963 an den Versicherten erbrachten baren Kassenleistungen gemäß § 183 Abs. 3 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) einen Betrag von 5.407,30 DM für sich in Anspruch. Die Beklagte entsprach diesem Begehren und zahlte gemäß Bescheid vom 3. Juni 1964 an die Klägerin nur den verbleibenden Rest betrag von 561,- DM aus.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr aus der Rentennachzahlung weitere 151,34 DM zu zahlen, weil ein Übergang der Rente auf die Beigeladene insoweit nicht eingetreten sei, als es sich um den Kinderzuschuß handele; dieser habe deshalb nicht übergehen können, weil die Beigeladene für das Kind keine erhöhten Kassenleistungen erbracht habe.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Forderungsübergang nach § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO umfasse auch den in der Rente enthaltenen Kinderzuschuß. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut des Gesetzes. Zur Rente gehöre auch der darin enthaltene Kinderzuschuß, weil er ein Teil der Rente und keine neben der Rente zu gewährende Leistung sei. Dies gelte auch dann, wenn die Krankenkasse ihrerseits keine Leistungen für das Kind erbracht habe. Denn der Gesetzgeber habe in den Fällen, in denen er den Kinderzuschuß unberücksichtigt lassen gewollt habe, eine entsprechende, ausdrückliche Regelung getroffen, so in § 1278 Abs. 1 RVO. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO sei es, der Krankenkasse einen Ausgleich dafür zu verschaffen, daß sie für den Versicherten Leistungen erbracht habe, auf die ein Anspruch nicht bestanden habe, wie sich mit der rückwirkenden Bewilligung der Rente nachträglich herausgestellt habe. Es sei eine summenmäßige Begrenzung der Ausgleichspflicht auf die Höhe der bewilligten Rente, nicht aber eine artmäßige Begrenzung auf vergleichbare Teile der Kassenleistungen und der Rentenleistung vorgesehen. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Klägerin hat gegen das Urteil Revision eingelegt.
Sie trägt vor: Zwar sei der Kinderzuschuß in der Rentenversicherung nur ein akzessorischer Teil des Hauptanspruchs, der zu einer Erhöhung dieses Anspruchs führe. In Wirklichkeit handele es sich aber um zwei getrennte Leistungen. Außerdem könne der Versicherte in dem Falle, daß ein anderer den Unterhalt des Kindes überwiegend bestreite, den Kinderzuschuß zugunsten dieses Dritten einbüßen (§ 1262 Abs. 8 RVO). Der Kinderzuschuß sei also zweckgebunden und solle zum Unterhalt des Kindes verwertet werden. Diese Regelung zeige eindeutig, daß es möglich sei, die Gesamtleistung aufzuspalten.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 19. Januar 1967 und des SG Dortmund vom 15. September 1965 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. Juni 1964 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 151,34 DM zu zahlen.
Die Beklagte und die beigeladene AOK beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Alle Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
II
Die Revision ist nicht begründet.
Nach § 183 Abs. 3 RVO endet der Anspruch auf Krankengeld mit dem Tage, von dem an eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Altersruhegeld zugebilligt worden ist. Wenn über diesen Zeitpunkt hinaus Krankengeld gezahlt worden ist, so geht der Anspruch auf Rente bis zur Höhe des gezahlten Krankengeldes auf die Kasse über. Dabei ist unter Zubilligung der Rente der Zeitpunkt zu verstehen, von dem an die Rente zu zahlen ist, auch wenn der Bescheid erst später ergangen ist (Urteil vom 26. März 1963 - 3RK 20/62 - in SozR RVO § 183 Nr. 6). Für das Hausgeld gelten nach § 186 Abs. 3 RVO dieselben Vorschriften.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes geht der Anspruch auf Rente ohne Einschränkung über. Dies gilt auch für den Kinderzuschuß. Dieser ist nach BSG 10, 131, 133 ein Bestandteil der Versichertenrente und kein selbständiger Anspruch; dies ergibt sich aus § 1262 Abs. 1 RVO, wonach sich die Rente wegen Berufsunfähigkeit oder wegen Erwerbsunfähigkeit sowie das Altersruhegeld für jedes Kind um den Kinderzuschuß erhöhen. Anspruchsberechtigt für diesen Kinderzuschuß ist der Versicherte, nicht aber das jeweilige Kind. Wenn der Gesetzgeber eine andere Regelung bezüglich des Kinderzuschusses treffen wollte, so hat er dies ausdrücklich gesagt. Deshalb hat er in § 1278 Abs. 1 RVO angeordnet, daß bei der Prüfung, ob eine Rente ruht, der Kinderzuschuß nicht zu berücksichtigen ist. Da in § 183 Abs. 3 RVO eine solche Einschränkung nicht enthalten ist, umfaßt dieser Übergang schon nach dem Wortlaut des Gesetzes auch den Kinderzuschuß.
Dieses Ergebnis entspricht auch der Vorstellung des Gesetzgebers. Es soll niemand Krankengeld erhalten, der eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezieht, weil diese an die Stelle des Lohnes und damit auch an die Stelle des Krankengeldes tritt und den Lebensunterhalt sicherstellen soll. Ist aber Krankengeld gezahlt worden, weil die Rente später rückwirkend bewilligt worden ist, so geht dafür der Anspruch auf Rente über. Der Versicherte soll das ihm an sich nicht zustehende, aber bereits erhaltene (und im allgemeinen auch verbrauchte) höhere Krankengeld behalten, gleichgültig, wie hoch es ist und wie es sich zusammensetzt. Zum Ausgleich erhält aber dafür die Krankenkasse die gesamte Rente, die niedriger als das Krankengeld ist, und zwar ohne Rücksicht, wie sie sich berechnet. Dabei macht es keinen Unterschied, ob sich das Krankengeld nach § 182 Abs. 4 Satz 2 RVO um Leistungen für einen Angehörigen erhöht hat oder nicht, da bei dem Ausgleich nach § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO allein das Entschädigungsinteresse der Krankenkasse berücksichtigt wird, die im Grunde zuviel an den Versicherten geleistet hat. Vom Standpunkt des Versicherten kann das schon deshalb nicht als unbillig empfunden werden, weil er mit dem höheren Krankengeld immer noch mehr als die eigentlich ihm zustehende Rente einschließlich Kinderzuschuß erhalten hat.
Wenn demgegenüber der Kläger darauf hinweist, der Kinderzuschuß könne zugunsten eines Dritten abgezweigt werden, der den Unterhalt des Kindes überwiegend bestreitet (§ 1262 Abs. 8 RVO), so handelt es sich um eine besondere Regelung für die Bezugsberechtigung, die auf andere Fälle nicht anzuwenden ist. Denn es geht hier nicht darum, daß der Kinderzuschuß im Endergebnis dem zufließen soll, der das Kind unterhält, sondern darum, daß der Krankenkasse wenigstens teilweise ein Ausgleich für ein nach der Vorstellung des Gesetzgebers im Grunde zu Unrecht gezahltes Krankengeld gewährt werden soll.
Die Revision muß daher zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen