Leitsatz (redaktionell)
1. Zweifel an der Prozeßfähigkeit.
2. Die schriftliche Urteilsausfertigung darf nicht den Eindruck erwecken, als habe das Gericht wesentliche Teile einer im Urteil erwähnten Zeugenaussage außer acht gelassen; entsteht dieser Eindruck, dann liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel auch dann vor, wenn die gesamte Beweiswürdigung im Ergebnis zutreffend ist.
3. Das Berufungsgericht braucht nicht alle Tatsachen, die seinem Urteil zugrunde liegen, in dem von den Entscheidungsgründen äußerlich getrennten Urteilstatbestand zu erwähnen; es genügt, wenn sie in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck kommen.
Normenkette
SGG §§ 71, 136, 162 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. Februar 1966 mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Krankenkasse die Kosten einer von ihr nicht genehmigten Krankenhausbehandlung zu tragen hat.
Die Klägerin begab sich am 12. August 1959 ohne Zustimmung der Beklagten in die Medizinische Universitätsklinik Tübingen, wurde dort von dem damaligen Stationsarzt Dr. M nach einer Untersuchung sofort aufgenommen und bis zum 18. September 1959 wegen einer Infektion der ableitenden Harnwege und wegen starker Osteoporose (Kalkmangel des Knochensystems) stationär behandelt. Die Beklagte lehnte die Übernahme der Behandlungskosten gegenüber der Klinik und der Klägerin ab, weil eine Krankenhausbehandlung weder notwendig noch von ihr genehmigt gewesen sei. Die von der Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Reutlingen erhobene Klage blieb erfolglos.
Auch ihre Berufung, die das SG nicht zugelassen hatte, die das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg aber wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels (Nichtanhörung Dr. M) für zulässig hielt, wurde als unbegründet zurückgewiesen, nachdem Dr. M vom Berichterstatter in einem Erörterungstermin als Zeuge vernommen worden war. Dabei hatte dieser ua ausgesagt:
"Wie ich aus dem von mir geführten Krankenblatt entnehme, bestand bei der Klägerin am Tag der Aufnahme eine erhöhte Körpertemperatur; sie klagte über Schmerzen in der Lendengegend; am nächsten Morgen wurde eine erhöhte Blutkörperchensenkung festgestellt, die in Verbindung mit dem Urinbefund den Verdacht auf einen entzündlichen Vorgang bei den abführenden Harnwegen bestätigte.
Bei einem solchen Befund kann ein verantwortungsbewußter Arzt, der noch ein Bett frei hat, den Patienten nicht wieder nach Hause schicken. Wenn ein Angehöriger meiner Familie in dem Zustand, in dem Frl. Z damals war, von einem Krankenhaus zurückgewiesen würde, würde ich das als unverantwortlich bezeichnen. Ich handhabe es mit Patienten, die sich in einem ähnlichen Zustand befinden, wie damals die Klägerin, immer so wie bei der Klägerin.
Während der Dauer der Behandlung wurde unsere anfängliche Diagnose vollständig bestätigt. Es kam auch während der Behandlung zum Fieberanstieg, zur erhöhten Blutkörperchensenkung und zu einem Urinbefund (massenhaft Leukozyten im Urin), so daß wir gegen Ende der Behandlungsdauer ein spezielles Antibiotikum anwenden mußten. Was ich vorhin über die Dringlichkeit der Behandlung gesagt habe, wurde somit durch die weitere Entwicklung bestätigt."
In Abwesenheit der Klägerin hatte Dr. M sodann weiter bekundet:
"Am Tag der Aufnahme hatte Fr. Z Schmerzen und litt unter Brennen beim Wasserlassen. Bei der besonderen Art ihres psychischen Verhaltens war es verständlich, daß sie sofort handelte und ein Krankenhaus aufsuchte. Einem seelisch voll ausgeglichenen Menschen ist es meiner Meinung nach zuzumuten, mit einem solchen Befund beispielsweise von Freitagabend bis Montagvormittag zu warten, damit zunächst die Genehmigung der Krankenkasse zur Aufnahme ins Krankenhaus eingeholt werden kann. Ein solches Abwarten führt keine gesundheitlichen Nachteile herbei, wenn der Patient in der Zwischenzeit vom Hausarzt bei gelegentlichen Besuchen behandelt wird.
Bei Frl. Z lag jedoch eine Neigung vor, ihre Beschwerden überzubewerten, und es waren auch querulatorische Züge erkennbar. Diese Haltung war für die Klägerin nicht ohne eine psychische Behandlung (zB Psychotherapie) überwindbar. Ich bezeichne diesen Zustand als Neurose.
Bei der psychischen Haltung der Klägerin war es verständlich, daß sie sofort das Krankenhaus aufsuchte. Jeder andere Patient mit diesen körperlichen Befunden und dieser seelischen Verfassung würde entsprechend handeln. Ein anderes Verhalten könnte, jedenfalls wenn keine psychische Unterstützung durch andere gegeben wird, nicht erwartet werden."
Eine daraufhin vom Berichterstatter zur Klärung des Geisteszustandes der Klägerin und ihrer Prozeßfähigkeit angeordnete psychiatrische Untersuchung in einer offenen Abteilung der Universitätsnervenklinik Tübingen wurde von ihr verweigert, weil sie "in keine Nervenklinik gehöre". Das Berufungsgericht führte in den Gründen seines Urteils aus, der Klägerin sei, wie sie einräume, bekannt gewesen, daß nach der Krankenordnung der Beklagten die Gewährung von Krankenhausbehandlung, abgesehen von dringenden Fällen, von der Kasse zu genehmigen sei. Das Gericht habe nicht feststellen können, daß bei der Klägerin im August 1959 ein dringender Fall vorgelegen habe. Dr. M habe als Zeuge ausgesagt, der gesundheitliche Zustand der Klägerin bei der Aufnahme in die Klinik sei so gewesen, daß ein seelisch ausgeglichener Mensch zunächst die Genehmigung der Kasse hätte einholen können, um dann einen Tag oder mehrere Tage später das Krankenhaus aufzusuchen; bei der Klägerin bestehe aber eine Neurose, deshalb sei es verständlich, daß sie sofort die Klinik aufgesucht habe. Anschließend führte das LSG aus: "Die Frage, ob der an sich keinen "dringenden Fall" darstellende körperliche Befund etwa in Verbindung mit einer seelischen Abartigkeit die Klinikaufnahme "dringend" erforderte, kann der Senat nicht aus eigener Kenntnis beantworten. Er ist dabei auf die Hilfe eines psychiatrischen Sachverständigen angewiesen. Die Klägerin hat jedoch durch die Weigerung, die ihr zumutbare psychiatrische Begutachtung auf einer offenen neurologischen Abteilung vornehmen zu lassen, die Erstattung eines Gutachtens unmöglich gemacht". Da somit ein dringender Fall nicht feststellbar sei, habe die Beklagte die Erstattung der Behandlungskosten ablehnen können, ohne ermessensfehlerhaft zu handeln (Urteil vom 26. Februar 1966, der Klägerin zugestellt am 14. März 1966).
Die Klägerin hat hiergegen zunächst persönlich und - nach Belehrung - durch ihre Prozeßbevollmächtigten am 13. April telegrafisch und am folgenden Tage schriftlich Revision eingelegt und diese am 12. Mai 1966 begründet. Sie erhebt folgende Verfahrensrügen:
1. Der Tatbestand des Berufungsurteils sei mangelhaft: Aus ihm sei nicht ersichtlich, daß sie, die Klägerin, eingeräumt habe, die Krankenordnung der Beklagten zu kennen, wie das Berufungsgericht in den Urteilsgründen ausgeführt habe. Sie bestreite auch eine Kenntnis der Krankenordnung.
2. Das Berufungsgericht hätte sich mit ihrer Prozeßfähigkeit auseinandersetzen müssen, nachdem es durch den Gutachtenauftrag an die Universitätsklinik Tübingen insoweit selbst Zweifel zu erkennen gegeben habe. Die Urteilsgründe ergäben nicht, wie und mit welcher Begründung diese Zweifel zerstreut worden seien.
3. Das Berufungsgericht habe die Aussage des Zeugen Dr. M nur zum Teil erwähnt. Es sei nicht auf seine Aussage über die bei ihr am Aufnahmetag und später erhobenen körperlichen Befunde eingegangen und habe auch seine weitere Erklärung unberücksichtigt gelassen, ein verantwortungsbewußter Arzt schicke einen Patienten mit einem solchen Befund, wenn noch ein Bett frei sei, nicht wieder nach Hause.
4. Das Berufungsgericht hätte schon nach der Aussage Dr. M, daß sie an einer Neurose leide, davon ausgehen können, daß sie die sofortige Aufnahme in der Klinik als dringend ansehen mußte. Jedenfalls hätte das Berufungsgericht darlegen müssen, warum es die Erklärungen Dr. M insoweit nicht für ausreichend, sondern noch ein psychiatrisches Gutachten für erforderlich gehalten habe.
5. Das Berufungsgericht hätte schließlich einen psychiatrischen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung hören können, nachdem dieser sie zuvor exploriert hätte. Insoweit habe das Berufungsgericht seiner Aufklärungspflicht nicht genügt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 25. Februar 1966, das Urteil des SG Reutlingen vom 6. Februar 1964 sowie den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 17. Dezember 1959 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der Behandlung in der Medizinischen Universitätsklinik Tübingen vom 12. August bis 18. September 1959 zu übernehmen.
Für das beigeladene Land Baden-Württemberg hat sich die Verwaltung der Kliniken der Universität Tübingen den Ausführungen der Klägerin angeschlossen, ohne einen Revisionsantrag zu stellen.
Die beklagte Krankenkasse beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Verfahrensrügen der Klägerin für unbegründet; im übrigen hätte das Berufungsgericht selbst bei Beachtung aller verfahrensrechtlichen Vorschriften nicht anders entscheiden können. "Alles in allem" habe kein dringender Behandlungsfall bei der Klägerin vorgelegen.
II.
Die vom Berufungsgericht nicht zugelassene Revision der Klägerin ist statthaft. Die Klägerin hat in der vorgeschriebenen Frist und Form (§§ 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) einen wesentlichen Mangel im Verfahren des Berufungsgerichts gerügt (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG).
1. Zu Unrecht hält die Klägerin allerdings den Tatbestand des Berufungsurteils für mangelhaft. Dieser sagt zwar nichts darüber, daß die Klägerin eingeräumt habe, die Krankenordnung der Beklagten zu kennen. Das Berufungsgericht hat jedoch eine entsprechende Feststellung in den Urteilsgründen getroffen und damit den Vorschriften des Prozeßrechts genügt. Dieses verlangt nicht schlechthin, daß alle Tatsachen, von denen das Gericht bei der rechtlichen Würdigung ausgeht, zuvor in den - von den Entscheidungsgründen äußerlich getrennten - Urteilstatbestand als Erklärungen der Beteiligten usw. aufgenommen werden, mag es im allgemeinen auch zweckmäßig sein, mündliche Erklärungen der Beteiligten, sofern sie nicht in der Sitzungsniederschrift protokolliert werden, im Tatbestand festzuhalten (vgl. dazu RGZ 102, 329 f und 145, 393).
Ob die Klägerin im übrigen, was sie jetzt anscheinend bestreiten will, im Verfahren vor den Tatsacheninstanzen ausdrücklich eingeräumt hat, die Krankenordnung der Beklagten zu kennen, könnte das Revisionsgericht, da die Akten einschließlich der Sitzungsniederschriften nichts darüber ergeben (auch der Berichterstatter hat in dem Schreiben an die Nervenklinik Tübingen vom 6. August 1963 eine solche Kenntnis lediglich "unterstellt"), nur durch Befragung der Richter, die an dem angefochtenen Urteil mitgewirkt haben, klären. Der Senat hat davon abgesehen, weil das angefochtene Urteil schon aus anderen Gründen nicht bestehen bleiben kann.
2. Kein Aufhebungsgrund ist allerdings - entgegen der Ansicht der Klägerin - darin zu sehen, daß das Berufungsurteil ohne weiteres von der Prozeßfähigkeit der Klägerin ausgegangen ist, obwohl der Berichterstatter insoweit anfänglich Zweifel gehabt zu haben scheint. Allein der Umstand, daß ein Mitglied eines Kollegialgerichts die Frage der Prozeßfähigkeit eines Beteiligten zunächst für klärungsbedürftig gehalten und dies als Berichterstatter durch einen entsprechenden Beweisbeschluß zum Ausdruck gebracht hat, verpflichtet das vollbesetzte Gericht später nicht, seine abweichende Ansicht im Urteil näher zu begründen. Ob etwas anderes gilt, wenn nicht nur der Berichterstatter, sondern das Gericht als Ganzes früher Zweifel an der Prozeßfähigkeit des Beteiligten geäußert hat, kann dahinstehen.
3. Begründet ist dagegen die Rüge der Klägerin, das Berufungsgericht habe die Aussage des Zeugen Dr. M nur unvollständig gewürdigt. Wie die Klägerin zutreffend ausführt, hat der Zeuge bei seiner Vernehmung durch den Berichterstatter zunächst gesagt, der körperliche Befund der Klägerin sei bei der Aufnahmeuntersuchung und auch während der anschließenden Behandlung so schwerwiegend gewesen, daß kein verantwortungsbewußter Arzt sie bei einem freien Bett wieder hätte nach Hause schicken können. Erst nachdem die Klägerin auf Empfehlung des Berichterstatters den Sitzungssaal verlassen hatte, hat der Zeuge dann sinngemäß erklärt, die Klägerin hätte, wenn sie seelisch ausgeglichen gewesen wäre, einige Tage mit der Krankenhausaufnahme warten können, um vorher die Genehmigung der Beklagten einzuholen; ihre Neurose habe dagegen ihr sofortiges Handeln verständlich gemacht.
Ob eine solche - auf den ersten Blick widersprüchliche - Aussage ohne nochmalige Vernehmung des Zeugen und ohne förmliche Behebung des Widerspruchs von dem Tatsachengericht unter Berücksichtigung aller, nur ihm bekannter Umstände der Vernehmung und des Gesamtergebnisses des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) so gewürdigt werden kann , wie sie das Berufungsgericht gewürdigt hat, mithin die Feststellung begründen kann , daß der körperliche Zustand der Klägerin an sich die sofortige Krankenhausaufnahme nicht erforderte, läßt der Senat dahingestellt (vgl. BSG in Breithaupt 1955, 1302, 1303 = Leitsatz SozR SGG § 128 Nr. 21). Selbst wenn die Frage zu bejahen wäre, so hätte das Berufungsgericht sich, wie die Klägerin mit Recht rügt, mit den gegen seine Feststellung sprechenden Teilen der Aussage des Zeugen wenigstens auseinandersetzen müssen. Indem es wichtige Teile der Aussage bei seiner Beweiswürdigung ganz überging - möglicherweise in der Meinung, jeder lebenserfahrene und mit der Würdigung ärztlicher Aussagen vertraute Leser werde die wirklichen Sachzusammenhänge ohne weiteres erkennen - verstieß es gegen die Pflicht, alle für seine Überzeugungsbildung leitend gewesenen Umstände offenzulegen (§ 128 Abs. 1 Satz 2 SGG; vgl. BSG in SozR SGG § 128 Nr. 10). Die Klägerin konnte jedenfalls beim Lesen des Urteils den Eindruck gewinnen, daß das Berufungsgericht bewußt oder unbewußt wesentliche Teile der Aussage Dr. M außer Acht gelassen habe. Das genügt, um einen Verfahrensmangel zu begründen, ohne daß es darauf ankommt, ob die Beweiswürdigung auch zu einem unrichtigen Ergebnis geführt hat. Schon die Nichtbeachtung der formellen Begründungspflicht macht eine - im Ergebnis vielleicht zutreffende - Beweiswürdigung fehlerhaft, weil sie weder von einem anderen Gericht noch von den Beteiligten nachgeprüft werden kann, mithin die Möglichkeit offen läßt, daß Erwägungen für das Gericht bestimmend geworden sind, die auch im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung rechtlich nicht vertretbar sind (vgl. Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 9. Auflage, § 111 IV 3 S. 543).
4. Hat die Klägerin hiernach mit Recht gerügt, daß das Berufungsgericht auf die Aussage Dr. M, soweit sie die bei der Klägerin erhobenen körperlichen Befunde betrifft, nicht eingegangen ist, so kann ihr der Senat nicht folgen, soweit sie auch eine Begründung dafür vermißt, warum die Aussage des Arztes über ihre Neurose dem Berufungsgericht nicht genügt hat, um ihre Aufnahme in der Klinik im August 1959 als dringend anzusehen. Nach Lage des Falles entspricht die Bemerkung des Berufungsgerichts, es könne die Frage, ob der körperliche Befund der Klägerin etwa in Verbindung mit einer seelischen Abartigkeit ihre Krankenhausaufnahme dringend erforderte, nur mit Hilfe eines psychiatrischen Sachverständigen (also nicht allein auf Grund der Aussage des Internisten Dr. M) beantworten, den Anforderungen, die an die formelle Begründungspflicht des Tatrichters zu stellen sind.
Unbegründet ist ferner die - hiermit zusammenhängende - Rüge der Klägerin, das LSG habe schon nach der Aussage Dr. M davon ausgehen können, daß sie in ihrem neurotischen Zustand die sofortige Aufnahme in der Klinik als dringend ansehen mußte. Welchen Beweiswert das Tatsachengericht der Aussage eines Arztes über Gesundheitsstörungen, die nicht sein eigenes Fachgebiet betreffen, beimessen will, ist grundsätzlich Sache der freien richterlichen Überzeugung (§ 128 Abs. 1 SGG). Daß das Berufungsgericht hier die ihm gezogenen rechtlichen Grenzen verkannt oder überschritten hat, ist nicht ersichtlich.
5. Unbegründet ist schließlich der Vorwurf der Klägerin, das Berufungsgericht habe die Sache insofern nicht genügend aufgeklärt (§ 103 SGG), als es keinen psychiatrischen Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung hinzugezogen habe, der die Klägerin vorher noch hätte explorieren können und (wie die Klägerin offenbar weiter geltend machen will) anhand seiner Befunde und der Angaben Dr. M dann zu einem sicheren Urteil über den Geisteszustand der Klägerin bei der Klinikaufnahme im August 1959 gekommen wäre. Nachdem die Klägerin sich geweigert hatte, der Vorladung zu einer psychiatrischen Untersuchung auf einer offenen Abteilung der Nervenklinik Tübingen zu folgen, ohne dafür triftige Gründe zu nennen und ohne anzudeuten, daß sie mit einer anderen Art der psychiatrischen Untersuchung einverstanden sei, hatte das LSG keinen zwingenden Anlaß, die Klägerin über ihre Haltung zu etwaigen anderen Untersuchungsmöglichkeiten zu befragen. Es wäre vielmehr Sache der Klägerin gewesen, anstelle der von ihr ohne hinreichenden Grund verweigerten stationären Untersuchung die jetzt von ihr angebotene ambulante Untersuchung anzuregen. Nach Ansicht des Senats würde die richterliche Aufklärungspflicht überspannt werden, wenn in einem Fall wie hier das Gericht von sich aus auch entferntere Möglichkeiten der Sachaufklärung mit einem Beteiligten erörtern müßte, wenn dieser die nächstliegende Möglichkeit grundlos verweigert und sich auch im übrigen passiv verhält.
Hiernach hat die Klägerin nur mit der zu 3. erörterten Verfahrensrüge Erfolg. Das genügt aber, um ihre Revision nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG statthaft zu machen. Die Revision ist auch begründet, da nicht auszuschließen ist, daß das Berufungsgericht bei Vermeidung des gerügten Verfahrensmangels zu einem anderen Urteil gelangt wäre. Der Senat kann nicht selbst in der Sache entscheiden, weil die dafür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen fehlen, er hat den Rechtsstreit deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Zweckmäßigerweise wird das Berufungsgericht zunächst Dr. M nochmals hören, um die Widersprüche in seiner Aussage zu klären und eine Feststellung darüber zu treffen, ob etwa doch der körperliche Zustand der Klägerin im August 1959 ihre sofortige Krankenhausaufnahme erforderte. Sollte sich das Berufungsgericht davon nach Ausschöpfung aller Beweismittel nicht überzeugen können, so wäre, gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines psychiatrischen Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung, weiter zu prüfen, ob die seelischen Störungen der Klägerin im August 1959 so stark waren, daß sie wenigstens subjektiv eine sofortige Krankenhausbehandlung für erforderlich halten durfte (vgl. dazu BSG 19, 21, 24). Im übrigen könnte es noch darauf ankommen, ob die Klägerin seinerzeit die Regelung der Beklagten über die Genehmigung einer Krankenhausbehandlung kannte oder ob sie ihr in entschuldbarer Weise unbekannt geblieben war (BSG aaO).
Die Kostenentscheidung wird dem abschließenden Urteil des Berufungsgerichts vorbehalten.
Fundstellen