Entscheidungsstichwort (Thema)

Unentgeltlichkeit einer Hilfeleistung beim Familienheimbau

 

Orientierungssatz

1. Der in § 14 SGB 4 bestimmte Begriff des Arbeitsentgelts ist für die Auslegung des Begriffs der Unentgeltlichkeit in § 36 Abs 2 Buchst c WoBauG 2 nicht maßgebend.

2. Das Verabreichen von Nahrungsmitteln und Getränken während der Zeit der Hilfeleistung steht der Unentgeltlichkeit der Hilfeleistung nicht entgegen.

 

Normenkette

RVO § 539 Abs 1 Nr 15; WoBauG 2 § 36 Abs 2 Buchst c; SGB 4 § 14

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 03.12.1985; Aktenzeichen L 3 U 157/85)

SG Oldenburg (Entscheidung vom 11.06.1985; Aktenzeichen S 7 U 154/84)

 

Tatbestand

Die Beklagte nimmt den Kläger als Unternehmer nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten auf Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung in Anspruch.

Am 1. April 1982 wurde dem Kläger eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung erteilt. Die Landestreuhandstelle für den Wohnungs- und Städtebau bewilligte ihm am 31. Dezember 1982 ein Aufwendungsdarlehen in Höhe von 37.440,-- DM für die Hauptwohnung mit einer geförderten Wohnfläche von 155,85 qm. Mit Bescheid vom 6. September 1983 wurden der Neubau eines Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung und zwei Garagen als steuerbegünstigte Wohnungen nach §§ 82 und 83 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) anerkannt. In einer Änderungsmitteilung vom 20. Dezember 1983 zu diesem Bescheid heißt es, die Einliegerwohnung werde vom Antragsteller bewohnt, die Hauptwohnung sei an Verwandte iS des § 8 Abs 2 Buchst b II. WoBauG vermietet worden.

In einem Nachweis über ausgeführte nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten für die Zeit vom 1. April bis 30. September 1982 gab der Kläger am 25. September 1982 gegenüber der Beklagten an, sein Vater G       Ö     habe 650 Stunden unentgeltlich Tischler- und Hilfsarbeiten und sein Schwager K     S       habe 430 Stunden unentgeltlich Maurer- und Hilfsarbeiten geleistet, von dem mit ihm nicht verwandten B     S         (S.) seien 355 Stunden Zimmererarbeiten auf Gegenseitigkeit verrichtet worden und der mit ihm ebenfalls nicht verwandte H    B      (B.) habe 650 Stunden Maurerarbeiten auf Gegenseitigkeit erbracht und Verpflegungskosten erhalten.

Mit Bescheid vom 27. Oktober 1982 setzte die Beklagte den von dem Kläger für April bis September 1982 zu entrichtenden Gesamtbeitrag auf 2.257,93 DM fest. Auf den Widerspruch des Klägers, mit welchem er geltend machte, für das Bauvorhaben, bei dem es sich um ein öffentlich gefördertes Familienheim handele, bestehe Beitragsfreiheit, da sämtliche Bauhelfer unentgeltlich aus Gefälligkeit tätig geworden seien, teilte ihm die Beklagte mit Schreiben vom 13. April 1983 mit, daß sich die Beitragsforderung auf 1.260,89 DM ermäßige. Mit Bescheid vom 20. April 1983 erhob die Beklagte auf diesen am 15. November 1982 fälligen rückständigen Beitrag für 1982 einen Säumniszuschlag von 15,12 DM. Durch Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 1984 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, für die Bauhelfer B. und S. habe kein beitragsfreier Unfallversicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 15 der Reichsversicherungsordnung (RVO) bestanden, da sie weder unentgeltlich noch auf Gegenseitigkeit iS des § 36 Abs 2 II. WoBauG tätig geworden seien.

Das Sozialgericht (SG) Oldenburg hat die Klage durch Urteil vom 11. Juni 1985 mit der Begründung abgewiesen, für B. und S. habe die Beklagte zu Recht Beiträge erhoben. Sie hätten ihre Arbeitsleistungen nicht auf Gegenseitigkeit iS des § 36 Abs 2 II. WoBauG erbracht, denn das setze voraus, daß der Kläger ihnen ebenfalls beim Bau eines steuerbegünstigten oder öffentlich geförderten Familienheimes geholfen hätte. Sie seien auch nicht unentgeltlich tätig geworden, da sie im Hinblick auf die mit dem Kläger getroffene Absprache, daß er als Gegenleistung seine Arbeitskraft zur Verfügung stelle, auf ihren Zahlungsanspruch verzichtet hätten. Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen nach Vernehmung der Bauhelfer B. und S. als Zeugen durch Urteil vom 3. Dezember 1985 das erstinstanzliche Urteil und die Bescheide der Beklagten vom 13. und 20. April 1983 idF des Widerspruchsbescheides vom 4. Juni 1984 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, da die streitigen Arbeitsleistungen beim Bau eines Familienheimes erbracht worden seien und der Kläger wenigstens 1,5 vH der Gesamtkosten des Bauvorhabens erspart habe, seien die übrigen Voraussetzungen des § 539 Abs 1 Nr 15 RVO erfüllt. In den beitragsfreien Unfallversicherungsschutz nach dieser Vorschrift seien auch B. und S. einbezogen gewesen. Zwar hätten sie ihre Arbeitsleistungen nicht unentgeltlich erbracht, da der Kläger ihnen seinerseits seine Arbeitskraft angeboten bzw zur Verfügung gestellt habe. Sie seien jedoch auf Gegenseitigkeit iS des § 36 Abs 2 Buchst c II. WoBauG tätig geworden. Ihre Aussagen als Zeugen ließen zwanglos den Schluß zu, daß der Kläger und sie einander jeweils in lockerer Absprache bzw stillschweigend aufgrund der lange Jahre bestehenden Freundschaft gegenseitig ausgeholfen hätten. Für die Hilfe auf Gegenseitigkeit reiche es aus, wenn eine Absprache gegenseitiger Hilfeleistung ohne bestimmte zeitliche Fixierung vorliege. Weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck des Gesetzes erforderten eine einengende Auslegung des Begriffs der Gegenseitigkeit dahin, daß sich die von dem Bauherrn erbrachte oder in Aussicht gestellte Gegenleistung auf Hilfeleistungen bei einem Bauvorhaben iS des § 539 Abs 1 Nr 15 RVO beziehe. Da für B. und S. nach dieser Vorschrift Beitragsfreiheit bestanden habe, seien von dem Kläger weder Beiträge noch Säumniszuschläge zu entrichten gewesen.

Mit der von dem LSG zugelassenen Revision vertritt die Beklagte die Auffassung, der Begriff "auf Gegenseitigkeit" in § 36 Abs 2 Buchst c II. WoBauG könne nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes nur bedeuten, daß die Arbeitsleistungen wechselseitig von einem Bauherrn für den anderen Bauherrn erbracht werden. Das von dem Bundessozialgericht (BSG) herangezogene Argument, daß es auf den zeitlichen Zusammenhang nicht ankomme und die gegenseitige Hilfe Jahre vorher oder Jahre nachher geleistet werden könne, würde seinen Sinn verlieren, wenn die Gegenseitigkeit auch bei jeder anderen (austauschbaren) Arbeitsleistung gewährleistet sei. Im Hinblick auf § 1 Abs 3 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit würde die Schwarzarbeit geradezu legalisiert werden, wenn die vom Gesetz geforderte Gegenseitigkeit in irgendwelchen Gegendiensten bestehen könnte, die weder nach Art und Umfang noch nach der Zeit abgrenzbar seien. Da der Kläger den Bauhelfern B. und S. nicht bei dem Bau eines steuerbegünstigten oder mit öffentlichen Mitteln geförderten Familienheimes geholfen bzw zu helfen beabsichtigt habe, habe für sie kein beitragsfreier Unfallversicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 15 RVO bestanden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 3. Dezember 1985 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 11. Juni 1985 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Nach seiner Ansicht hat das LSG den Begriff der Gegenseitigkeit zutreffend ausgelegt. Entscheidend sei, daß er nicht irgendwelche beliebigen Leistungen, sondern Bauleistungen als Gegenleistung erbracht bzw zu erbringen beabsichtigt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

Soweit sich die Revision gegen die in dem angefochtenen Urteil ausgesprochene Aufhebung des Beitragsbescheides wendet, reichen die tatsächlichen Feststellungen des LSG für eine abschließende Entscheidung des Revisionsgerichts in der Sache nicht aus.

Die Beklagte ist der sachlich und örtlich zuständige Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für Versicherte ua bei nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten, wenn für die geplante Arbeit mehr als 6 Arbeitstage tatsächlich verwendet werden (§ 2 Abs 1, § 3 Abs 3, § 4 der Satzung der Beklagten). Hiervon ausgenommen sind die Fälle des § 657 Abs 1 Nr 8 RVO. Nach dieser Vorschrift sind die Gemeinden und Gemeindeunfallversicherungsverbände ua für die nach § 539 Abs 1 Nr 15 RVO versicherten Personen Träger der Unfallversicherung. Ein Beitragsanspruch der Beklagten gegen den Kläger für die bei seinem Bauvorhaben mithelfenden B. und S. besteht somit nicht, wenn diese während des Beitragszeitraums (April bis September 1982) nach § 539 Abs 1 Nr 15 RVO gegen Arbeitsunfall versichert waren. Nach dieser Vorschrift besteht Unfallversicherungsschutz für Personen, die bei dem Bau eines Familienheimes (Eigenheim, Kaufeigenheim, Kleinsiedlung), einer eigengenutzten Eigentumswohnung, einer Kaufeigentumswohnung oder einer Genossenschaftswohnung im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind, wenn durch das Bauvorhaben öffentlich geförderte oder steuerbegünstigte Wohnungen geschaffen werden sollen.

Die Hilfstätigkeiten, die B. und S. während des Beitragszeitraums an dem Bauvorhaben des Klägers verrichtet haben, sind Arbeitsleistungen im Rahmen der Selbsthilfe iS von § 539 Abs 1 Nr 15 RVO. Nach § 36 Abs 2 II. WoBauG, auf den § 539 Abs 1 Nr 15 Satz 3 RVO für die Begriffsbestimmungen ua verweist, gehören zur Selbsthilfe die zur Durchführung des Bauvorhabens erbrachten Arbeitsleistungen des Bauherrn selbst (Buchst a), seiner Angehörigen (Buchst b) sowie anderer Personen, wenn sie unentgeltlich oder auf Gegenseitigkeit (Buchst c) tätig geworden sind. Da B. und S. keine Angehörigen des Klägers sind, können ihre Hilfeleistungen bei dem Bau des Hauses nur dann als Selbsthilfe iS des § 539 Abs 1 Nr 15 RVO gewertet werden, wenn sie unentgeltlich oder auf Gegenseitigkeit erfolgt sind.

Nach den von der Revision nicht angegriffenen und deshalb gemäß § 163 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG haben sowohl B. als auch S. an dem Bauvorhaben des Klägers unentgeltlich Hilfe geleistet.

Das LSG hat festgestellt, daß B. von dem Kläger gelegentlich Verpflegung (ein Mittagessen) auf der Baustelle bekommen habe. Die Zeugenaussage des B. habe ergeben, daß er dem Kläger Maurer- und Handlangerarbeiten geleistet habe, ohne dafür ein Entgelt erhalten zu haben. Der Kläger habe ihm in den Jahren 1973, 1979 und 1984 bei Arbeiten an gemieteten Häusern geholfen. Der Zeugenaussage des S. hat das Berufungsgericht entnommen, daß er für seine Hilfeleistung von dem Kläger kein Entgelt erhalten habe; es sei in Aussicht genommen worden, daß der Kläger ihm bei der Errichtung einer Garage helfen sollte. Auch S. habe, so ist in dem angefochtenen Urteil ausgeführt, bekräftigt, es habe ohne weitere Abmachungen einer dem anderen geholfen, ohne daß die wechselseitige Hilfe eine Bedingung für das Tätigwerden gewesen sei. Das LSG hat aus den Zeugenaussagen den Schluß gezogen, "daß der Kläger und die Zeugen einander jeweils in lockerer Absprache bzw stillschweigend aufgrund der lange Jahre bestehenden Freundschaft gegenseitig aushalfen". Diese von der Revision nicht angegriffene Schlußfolgerung ist der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen.

Das LSG hat die Unentgeltlichkeit der Hilfeleistungen der beiden Bauhelfer im wesentlichen mit der Begründung verneint, der Kläger habe ihnen seinerseits seine Arbeitskraft angeboten bzw zur Verfügung gestellt. Dieser Rechtsauffassung ist nicht zu folgen.

Der erkennende Senat hat in dem Urteil vom 29. Februar 1984 (SozR 2200 § 539 Nr 97) dargelegt, daß die Vorschriften des II. WoBauG großzügig derart auszulegen sind, daß dem gesetzlichen Ziel, die Bereitschaft zur Selbsthilfe zu fördern oder anzuregen, entsprochen wird. Dem beitragsfreien Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung kommt in diesem Zusammenhang eine dienende Funktion zu (s § 3 Abs 1 Buchst g II. WoBauG). Sie darf nicht dadurch in ihr Gegenteil verkehrt werden, daß ohne Berücksichtigung der Besonderheiten der Nachbarschaftshilfe der weite Entgeltbegriff des § 14 Sozialgesetzbuch - Viertes Buch - (SGB IV) auf dieses Verhältnis angewandt wird, zumal diese Vorschrift den Begriff des Arbeitsentgelts nur für den Bereich der Sozialversicherung bestimmt, zu dem das II. WoBauG nicht gehört, von dessen Vorschriften § 539 Abs 1 Nr 15 RVO, wie aus Satz 3 folgt, ausgeht (BSG aaO). Daß der in § 14 SGB IV bestimmte Begriff des Arbeitsentgelts für die Auslegung des Begriffs der Unentgeltlichkeit in § 36 Abs 2 Buchst c II. WoBauG nicht maßgebend sein kann, folgt auch daraus, daß sich die Definition des Arbeitsentgelts in § 14 SGB IV auf die aus einer Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielten Einnahmen beschränkt. Zum Arbeitsentgelt iS dieser Vorschrift gehören nur die aus oder im Zusammenhang mit einer Beschäftigung, also einer nichtselbständigen Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (vgl § 7 Abs 1 SGB IV), zugeflossenen Einnahmen. Die im Rahmen der Selbsthilfe erbrachten Arbeitsleistungen sind regelmäßig keine durch persönliche Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit gekennzeichneten nichtselbständigen Arbeiten.

In der Entscheidung vom 29. Februar 1984 (aaO) hat der Senat ausgeführt, daß Unentgeltlichkeit vorliegt, wenn die Hilfeleistung unabhängig von einer Gegenleistung erbracht wird, wenn es an der kausalen Verknüpfung zwischen Leistung und Gegenleistung fehlt. Daß der Kläger dem B. bei Arbeiten an dessen gemieteten Häusern geholfen und daß er dem S. Hilfe bei der Errichtung einer Garage in Aussicht gestellt hat, begründet noch nicht die Entgeltlichkeit der von den beiden Bauhelfern verrichteten Arbeiten. Ihre Hilfeleistungen wären nur dann entgeltlich, wenn zwischen ihnen und den Zuwendungen des Klägers eine rechtliche Abhängigkeit bestünde. Eine solche rechtliche Abhängigkeit kann sowohl durch einen gegenseitigen Vertrag als auch dadurch begründet werden, daß die Hilfeleistung rechtlich die Geschäftsgrundlage hat, daß dafür eine Verpflichtung eingegangen oder eine Leistung bewirkt wird (BSG aaO; RGZ 163, 348, 356; Palandt/Putzo, BGB, 47. Aufl, Anm 1 und 2 vor § 622, Palandt/Heinrichs aaO Anm 2 vor § 241) oder daß das Eingehen einer Verpflichtung oder das Bewirken einer Leistung Bedingung der Hilfeleistung ist (RGZ aaO; BGH NJW 1982, 436; Palandt/Putzo aaO). Die Arbeiten des S. wären entgeltlich erfolgt, wenn sich der Kläger ihm gegenüber vertraglich zur Hilfeleistung bei der Errichtung der Garage verpflichtet hätte oder wenn der Arbeitsleistung des S. die Geschäftsgrundlage oder die Bedingung zugrunde gelegen hätte, daß der Kläger ihm bei dem späteren Garagenbau Hilfe leisten werde. Die Hilfe des B. wäre entgeltlich erfolgt, wenn er sie aufgrund einer infolge der früheren Arbeiten des Klägers an seinen gemieteten Häusern entstandenen rechtlichen Verpflichtung erbracht hätte. In diesem Fall hätte B. einen die Entgeltlichkeit seiner Hilfeleistung begründenden Vermögensvorteil dadurch erlangt, daß er von seiner gegenüber dem Kläger bestehenden Verbindlichkeit freigeworden wäre. Da jedoch nach den für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG die einzelnen Hilfeleistungen im Verhältnis zwischen dem Kläger und den beiden Bauhelfern jeweils in lockerer Absprache bzw stillschweigend aufgrund der lange Jahre bestehenden Freundschaft bewirkt wurden, ist eine rechtliche Abhängigkeit der Hilfstätigkeiten des B. und des S. von den ihnen von dem Kläger erbrachten bzw in Aussicht gestellten Zuwendungen nicht gegeben. Die von den beiden Bauhelfern erbrachten Arbeitsleistungen erfolgten weder zur Erfüllung einer dem Kläger gegenüber bestehenden Verbindlichkeit noch lag ihnen als Geschäftsgrundlage oder Bedingung eine Gegenleistung des Klägers zugrunde. Sie beruhten vielmehr auf einem aus freundschaftlichen Beziehungen entwickelten Gefälligkeitsverhältnis, das wegen des fehlenden Rechtsbindungswillens der Beteiligten keine rechtliche Abhängigkeit der gegenseitigen Zuwendungen begründet hat (s auch BGHZ 21, 102, 106; BGH NJW 1968, 1874 und NJW 1971, 1404, 1405).

Aufgrund derselben rechtlichen Erwägungen hat der Senat (Urteil vom 29. Februar 1984 aaO) bereits entschieden, daß das Verabreichen von Nahrungsmitteln und Getränken während der Zeit der Hilfeleistung diese nicht zu einer entgeltlichen macht. Es fehlt an der kausalen Verknüpfung zwischen Leistung und Gegenleistung. Weder die Hilfeleistung noch die Beköstigung haben rechtlich die Geschäftsgrundlage, daß dafür eine Verpflichtung eingegangen oder eine Leistung bewirkt wird (im Ergebnis ebenso: Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, Wohnungsbaurecht, II. WoBauG, § 3 Anm 2 Buchst g; Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 539 Anm 92; Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 4. Aufl, § 539 RdNr 28). Daß B. von dem Kläger während der Tätigkeit auf der Baustelle beköstigt wurde, steht, wovon auch das LSG zutreffend ausgegangen ist, der Unentgeltlichkeit seiner Hilfeleistung nicht entgegen.

Die Voraussetzungen des § 36 Abs 2 Buchst c II. WoBauG sind bereits deshalb erfüllt, weil B. und S. die Arbeitsleistungen zur Durchführung des Bauvorhabens unentgeltlich erbracht haben. Der Senat kann somit offenlassen, ob das Merkmal "auf Gegenseitigkeit" iS des § 36 Abs 2 Buchst c II. WoBauG dahin auszulegen ist, daß sich die dem Bauhelfer von dem Bauherrn erbrachte oder zu gewährende Hilfeleistung ebenfalls auf ein Bauvorhaben iS des § 539 Abs 1 Nr 15 RVO beziehen muß, oder ob es auch erfüllt sein kann, wenn die Gegenleistung des Bauherrn in Hilfe bei anderen Bauvorhaben oder sogar in Diensten anderer Art besteht.

Da nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG der Umfang der Selbsthilfearbeiten dem Kläger wenigstens 1,5 vH der Gesamtkosten des Bauvorhabens erspart hat, ist auch die von der Rechtsprechung geforderte Voraussetzung erfüllt, daß der durch den Wert der Selbsthilfe gegenüber den üblichen Unternehmerkosten ersparte Betrag wenigstens 1,5 vH der Gesamtkosten des Bauvorhabens abgedeckt haben muß (vgl BSGE 28, 122, 126; 45, 258, 262; Brackmann aaO S 475a). B. und S. waren somit im Rahmen der Selbsthilfe iS des § 539 Abs 1 Nr 15 RVO tätig.

Der Senat konnte jedoch nicht abschließend entscheiden, ob die beiden Bauhelfer in dem Beitragszeitraum von April bis September 1982 Selbsthilfe bei dem Bau eines Familienheimes (§§ 7 und 8 II. WoBauG) geleistet haben. Hierfür ist, wie der Senat entschieden hat (BSGE 56, 16, 18; SozR 2200 § 539 Nr 109), erforderlich, daß der Bauherr bereits in dem maßgeblichen Beitragszeitraum die Absicht hatte, das zu errichtende Bauwerk als Familienheim zu nutzen. Da nach § 7 Abs 1 II. WoBauG Familienheime nur solche Eigenheime, Kaufeigenheime und Kleinsiedlungen sind, die abgesehen von der Größe und dem Grundriß (ganz oder teilweise) dazu bestimmt sind, dem Eigentümer und seiner Familie oder einem Angehörigen und dessen Familie als Heim zu dienen, muß die Zweckbestimmung des zu errichtenden Baues als Familienheim schon damals vorgelegen haben (BSGE aaO). Deshalb gehört die Nutzungsabsicht der neuzuschaffenden Wohnungen als Familienheim zu den Voraussetzungen für den beitragsfreien Unfallversicherungsschutz, die während der Selbsthilfearbeiten nachweisbar vorgelegen haben müssen.

Das LSG hat ausgeführt, es sei unstreitig, daß B. und S. bei dem Bau eines Familienheimes tätig gewesen seien. Das werde durch den Inhalt der beigezogenen Bauakten des zuständigen Landkreises bestätigt. Das Berufungsgericht hat keine Tatsachen festgestellt, denen entnommen werden kann, daß der Kläger in der Zeit von April bis September 1982 die Absicht der Eigennutzung des zu errichtenden Wohnhauses hatte. Der Verweis auf die Bauakten läßt nicht erkennen, welche Kriterien das LSG seiner Wertung zugrunde gelegt hat und aufgrund welcher Tatsachen es das Tatbestandsmerkmal, daß die Bauhelfer bei dem Bau eines Familienheimes Hilfe geleistet haben, für erfüllt hält.

Weder aus dem Anerkennungsbescheid vom 6. September 1983 noch aus der zu diesem Verwaltungsakt ergangenen Änderungsmitteilung vom 20. Dezember 1983, in welcher es heißt, die Einliegerwohnung werde vom Antragsteller (Kläger) bewohnt und die Hauptwohnung sei an Verwandte iS des § 8 Abs 2 Buchst b II. WoBauG vermietet worden, läßt sich herleiten, daß die Zweckbestimmung des Bauvorhabens als Familienheim im Beitragszeitraum gegeben war. Daß der Kläger die Eigennutzungsabsicht schon damals hatte, folgt auch nicht zwingend aus dem Bewilligungsbescheid der Landestreuhandstelle für den Wohnungs- und Städtebau vom 31. Dezember 1982. Dem Kläger ist ein Aufwendungsdarlehen für die Hauptwohnung gewährt worden, bei dem es sich um Mittel gemäß § 88 II. WoBauG handelt. Die Bewilligung von Aufwendungsbeihilfen nach dieser Vorschrift setzt nicht voraus, daß ein Familienheim iS des § 7 II. WoBauG errichtet wird. Während nach dem durch Art 1 Nr 35 des Wohnungsbauänderungsgesetzes (WoBauÄndG) 1965 vom 24. August 1965 (BGBl I S 945) neu eingefügten § 88 II. WoBauG in der Zeit vom 1. September 1965 bis 31. Dezember 1967 nur Eigenheime, Eigensiedlungen und eigengenutzte Eigentumswohnungen gefördert werden konnten, ist diese Einschränkung durch Art 18 Nr 6 des Finanzänderungsgesetzes 1967 vom 21. Dezember 1967 (BGBl I S 1259), durch den der bisherige § 88 durch die §§ 88 bis 88b II. WoBauG ersetzt wurde, ab 1. Januar 1968 beseitigt worden. Seitdem können alle Arten steuerbegünstigter Wohnungen mit Aufwendungsbeihilfen gefördert werden, also auch Miet- und Genossenschaftswohnungen sowie sonstige Wohnungen (Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender aaO § 88 Anm 3; Schade/Schubart, Wohnungsbaurecht, § 88 II. WoBauG Anm 1,2). Nach § 88a Abs 1 II. WoBauG ist lediglich sicherzustellen, daß die geförderten Wohnungen in der Regel nur Personen zum Gebrauch überlassen werden, die durch den Bezug der Wohnung eine öffentlich geförderte Wohnung freimachen oder deren Gesamteinkommen die im § 25 II. WoBauG bestimmte Einkommensgrenze nicht um mehr als 40 vH übersteigt. Dieser Zweckbestimmung kann auch durch eine Vermietung der neuzuschaffenden Wohnungen an andere Personen als den in §§ 7 und 8 II. WoBauG bezeichneten Personenkreis Genüge getan werden.

Da das Revisionsgericht die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nicht selbst nachholen kann, war die Sache, soweit die Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides streitig ist, zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens und ggf darüber erneut zu entscheiden haben wird, ob der Bescheid der Beklagten über die Festsetzung eines Säumniszuschlages vom 20. April 1983 rechtmäßig ist. Dieser Verwaltungsakt ist, wovon das LSG zutreffend ausgegangen ist, gemäß § 86 Abs 1 SGG Gegenstand des Vorverfahrens und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juni 1984 Gegenstand des Rechtsstreits geworden (§ 95 SGG), denn es handelt sich um einen Bescheid über eine Nebenforderung, der während des Vorverfahrens gegen den Bescheid über die Hauptforderung (Beitragsbescheid vom 27. Oktober 1982 idF des Bescheides vom 13. April 1983) ergangen ist. Der 12. Senat des BSG (SozR 4100 § 186a Nr 4) hat die Auffassung vertreten, daß ein nach Klageerhebung erlassener Bescheid über Verzugszinsen gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens über die Hauptforderung werde (so auch Peters/Sautter/Wolff, Komm zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl, § 96 Anm 1b; Meyer-Ladewig, SGG, 3. Aufl, § 96 Anm 5), und zur Begründung ausgeführt, bei der aus dem Zweck der Prozeßwirtschaftlichkeit gebotenen weiten Auslegung der Vorschrift erscheine es notwendig, sie auch auf neue Verwaltungsakte auszudehnen, die sich zwar nicht auf den Streitgegenstand im engeren Sinne bezögen, die aber Forderungen beträfen, die im Rahmen des streitigen Rechtsverhältnisses als Nebenforderungen in ihrem Bestand eng mit der geltend gemachten Hauptforderung verbunden seien. Dieser Rechtsgedanke kommt auch bei der Erhebung von Säumniszuschlägen, die mit Wirkung vom 1. Juli 1977 anstelle der bisherigen Zinsregelungen (vgl §§ 397a Abs 2, 751 RVO aF) aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung eingeführt worden sind (BT-Drucks 7/4122 S 34), zum Tragen. Der den §§ 86 Abs 1, 96 Abs 1 SGG zugrunde liegende weitere Zweck, divergierende Entscheidungen zu vermeiden (BSGE 47, 241, 243; 57, 163, 164) und den Betroffenen davor zu schützen, daß ihm Rechtsnachteile erwachsen, wenn er im Vertrauen auf den von ihm eingelegten Rechtsbehelf weitere Schritte unterläßt (BSG SozR Nr 14 zu § 96 SGG; SozR 1500 § 96 Nr 24), erfordern die Einbeziehung von Säumniszuschlag-Bescheiden in das (Vor)verfahren über die Hauptforderung. Dadurch wird ausgeschlossen, daß der Säumniszuschlag-Bescheid wirksam bestehen bleibt, obwohl der Bescheid über die Hauptforderung aufgehoben worden ist. Kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, der Kläger sei nicht zur Beitragsleistung verpflichtet, so ist der Bescheid über den Säumniszuschlag schon deshalb aufzuheben. Entscheidet das LSG zugunsten der Beklagten für die Beitragspflicht des Klägers, wird es zu prüfen haben, ob der Bescheid vom 20. April 1983 bereits wegen fehlender Ausübung des Ermessens aufzuheben ist (s BSGE 56, 55, 60; 59, 157, 170; BSG SozR 1300 § 35 Nr 3; SozR 1200 § 66 Nr 10; SozR 4100 § 186a Nr 18; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11.Aufl, S 196, 231x).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1666716

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