Entscheidungsstichwort (Thema)
KOV. Verschlimmerung. Beweiswürdigung
Orientierungssatz
1. Ist ein Leiden im Sinne der Verschlimmerung anerkannt worden, so ist damit nicht das Grundleiden als solches mit allen späteren Veränderungen als Schädigungsfolge anerkannt, sondern nur der gegenwärtige Anteil des Leidens, der dem Einfluß des Wehrdienstes zuzurechnen ist; bei jeder weiteren Verschlimmerung eines Leidens ist somit stets zu prüfen, ob und inwieweit die geltend gemachte Verschlimmerung des Leidens noch Schädigungsfolge ist oder ob andere, von wehrdienstlichen Einflüssen unabhängige Umstände ursächlich für die Verschlimmerung sind.
2. Beantwortet ein Sachverständiger die vom Gericht an ihn gestellte Frage, ob es wahrscheinlich ist, daß schädigende Einwirkungen des Wehrdienstes und der Internierung oder die anerkannte wehrdienstliche Verschlimmerung der Lungentuberkulose die alleinige Ursache oder die wesentliche Mitursache der weiteren Verschlimmerung ist, nicht mit seiner medizinischen Ansicht, sondern mit einer für das Gericht unmaßgeblichen Rechtsansicht, so verletzt das Gericht § 128 SGG, wenn es diese Antwort als medizinische Antwort auffaßt und seine Entscheidung darauf stützt.
Normenkette
BVG § 62
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 14.07.1966) |
SG Augsburg (Entscheidung vom 05.03.1962) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. Juli 1966 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Gründe
Die Versorgungsbehörde erkannte bei dem Kläger in Ausführung eines vor dem Sozialgericht (SG) abgeschlossenen Vergleichs vom 23. August 1956 mit Bescheid vom 17. Oktober 1956 "Lungentuberkulose im Sinne der Verschlimmerung" als Schädigungsfolge nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) an und gewährte vom 1. September 1953 an eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 60 v. H. und vom 1. August 1954 an nach einer MdE um 40 v. H. Bei einer versorgungsärztlichen Nachuntersuchung im Januar 1960 wurde die Erwerbsunfähigkeit des Klägers infolge Lungentuberkulose festgestellt. In seiner Stellungnahme vom 8. Februar 1960 führte Dr. E aus, daß diese Verschlimmerung des Lungenleidens nicht Schädigungsfolge sei. Den im Februar 1961 vom Kläger gestellten Verschlimmerungsantrag lehnte die Versorgungsbehörde mit Bescheid vom 6. März 1961 ab. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 10. April 1961).
Das SG hat ein Gutachten von Dr. D (vom 3. Oktober 1961) eingeholt, der darin ausführt, daß die jetzige weitere Verschlimmerung der Lungentuberkulose beim Kläger als Schädigungsfolge anerkannt werden müsse, weil in dem erwähnten Vergleich eine "richtunggebende" Verschlimmerung anerkannt worden sei. Dieser Auffassung trat Dr. W in seiner Stellungnahme vom 8. November 1961 unter Hinweis auf die Krankheitsgeschichte des Klägers entgegen. Dr. L verblieb in seiner erneuten Äußerung vom 15. Januar 1962 bei seiner im früheren Gutachten vom 3. Oktober 1961 niedergelegten Auffassung. Das SG hat mit Urteil vom 5. März 1962 den Beklagten in Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger vom 1. Februar 1961 an Versorgungsbezüge nach einer MdE um 100 v. H. zu zahlen.
Hiergegen hat der Beklagte Berufung eingelegt und unter Bezugnahme auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. S vom 9. Mai 1962 ausgeführt, daß die ursprüngliche Anerkennung der Lungentuberkulose nur in Form einer nicht richtunggebenden, abgrenzbaren Verschlimmerung dieses Leidens erfolgt sei. Die jetzige Verschlimmerung könne daher nicht als Schädigungsfolge anerkannt werden. Dieser Auffassung hat sich auch der vom Landessozialgericht (LSG) gehörte Sachverständige Dr. K in seinem Gutachten vom 25. Februar 1965 angeschlossen. Der Sachverständige Dr B hat in seinem Gutachten vom 17. Februar 1966 ausgeführt, daß beim Kläger bereits vor dem Beginn des Wehrdienstes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein tuberkulöser Lungenspitzenprozeß bestanden habe. Ein Nachweis für eine während des Wehrdienstes eingetretene richtunggebende Verschlimmerung lasse sich nicht erbringen. Der Sachverständige fährt dann fort, die im Februar 1948 eingetretene, "jetzt richtunggebende Verschlimmerung des Leidens mit blutigem Auswurf und röntgenologisch nachgewiesener, kirschgroßer, weicher Herdbildung im linken Spitzenobergeschoß läßt sich in keinen zeitlichen Zusammenhang mit dem am 20.12.45 beendeten Wehrdienst bringen. Hier handelt es sich um den schicksalsmäßigen Ablauf eines tuberkulösen Leidens, das bereits vor Beginn des Wehrdienstes bestanden hat." Der Sachverständige führt sodann aus, daß sich diese Ansicht mit der versorgungsärztlichen Auffassung decke und fährt wie folgt fort: "Nachdem, wie in der Beweisanordnung ausgeführt, bindend festgestellt wurde, daß der durch wehrdienstliche Einflüsse verschlimmerte Leidensanteil dem damals 1956 gegebenen Umfang der Lungentuberkulose entsprach, wobei also die 1948 eingetretene, vom Wehrdienst unabhängige richtunggebende Verschlimmerung mit einbeschlossen wurde, wird man folgerichtig die 1960 eingetretene Verschlimmerung auch anerkennen müssen." Mit der Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. K vom 26. Mai 1966 hat sich der Beklagte nochmals gegen eine Anerkennung der jetzigen Verschlimmerung der Lungentuberkulose des Klägers gewendet.
Das LSG hat mit Urteil vom 14. Juli 1966 die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Augsburg vom 5. März 1962 zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt daß eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 62 BVG in den anerkannten Schädigungsfolgen beim Kläger eingetreten sei. Die Verschlimmerung der Lungentuberkulose sei deshalb Schädigungsfolge, weil der im Sinne der Verschlimmerung bereits bindend anerkannt gewesene Krankheitsbefund die wesentliche Ursache der jetzigen Verschlimmerung sei. Für die versorgungsärztliche Beurteilung der weiteren Verschlimmerung des Lungenleidens des Klägers sei es ohne Bedeutung, ob es als Schädigungsfolge im Sinne der Verschlimmerung oder der Entstehung anerkannt worden sei, denn in jedem Falle sei zu prüfen, ob die spätere Verschlimmerung ursächlich auf schädigende Einflüsse des Wehrdienstes zurückzuführen sei. Bei dieser Prüfung müßten die Art des Leidens und seine Entwicklung berücksichtigt werden, ebenso habe der Grad der anerkannten Verschlimmerung hierbei eine beachtliche Bedeutung; wenn ein erheblicher Teil der MdE auf die Verschlimmerung durch wehrdienstliche Schäden zurückzuführen sei, werde die Prüfung der Zusammenhangsfrage beim Auftreten einer weiteren Verschlimmerung regelmäßig ergeben, daß diese von der durch den Wehrdienst bedingten Verschlimmerung nicht getrennt werden könne, es sei denn, daß für die weitere Verschlimmerung Umstände verantwortlich seien, die von wehrdienstlichen Einflüssen unabhängig sind. Durch die frühere Anerkennung und die hierzu festgesetzte MdE sei der gesamte in dem Gutachten des Lungenfacharztes Dr. D vom 23. August 1956 festgestellte Krankheitsbefund umfaßt worden; denn der Beklagte habe den von Dr. D in seinem Gutachten für den Gesamtbefund bewerteten Grad der MdE im Ausführungsbescheid der Verschlimmerung zugrunde gelegt. Damit habe der der Anerkennung im Sinne der Verschlimmerung zugrunde liegende Krankheitsbefund "tatsächlich und rechtlich die Bedeutung einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG" erlangt, dessen ursächlicher Zusammenhang mit wehrdienstlichen Einwirkungen einer Nachprüfung nicht mehr unterliege. Entscheidend sei daher die Frage, ob dieser Krankheitsbefund wesentliche Ursache der im Januar 1960 festgestellten weiteren Verschlimmerung gewesen sei. Dies sei aber zu bejahen. Das LSG habe aus dem Gutachten des Dr. B die Überzeugung erlangt, daß der dem Anerkenntnis zugrunde liegende Krankheitsbefund wesentliche Bedingung der zur Erwerbsunfähigkeit führenden weiteren Verschlimmerung der Lungentuberkulose gewesen ist, weshalb letzterer ebenfalls eine Schädigung gemäß § 1 BVG sei. Die Einwendungen des Beklagten und seiner Versorgungsärzte richteten sich nicht gegen die vorstehend dargelegte Bedeutung der Krankheitsbefunde des Jahres 1956 für die Fortentwicklung des Leidens, sie gingen vielmehr nur dahin, daß nach dem verfolgbaren Gesamtverlauf des Leidens die Verschlimmerung durch den Wehrdienst nicht richtunggebend, vielmehr nur einmalig und abgrenzbar gewesen sei, so daß die weitere Verschlimmerung dem schicksalsmäßigen Krankheitsverlauf entspreche und somit keine Schädigungsfolge mehr darstellen könne. Für derartige Erörterungen sei aber rechtlich kein Raum mehr, weil die Krankheitsbefunde des Jahres 1956 in ihrem vollen Umfang als Schädigungsfolge anerkannt worden seien, so daß ihre ursächliche Bedeutung für den Krankheitsfortgang nicht durch Gesichtspunkte beschränkt werden könne, die möglicherweise hinsichtlich des Grades der MdE im Bescheid vom 17. Oktober 1956 eine andere Festsetzung hätten rechtfertigen können.
Aus der Feststellung, daß die anerkannten Krankheitsbefunde des Jahres 1956 wesentliche Teilursache der weiteren Verschlimmerung gewesen sind, ergebe sich wegen der Erwerbsunfähigkeit des Klägers infolge des Lungenleidens ein Rentenanspruch nach einer MdE um 100 v. H. vom Zeitpunkt des Verschlimmerungsantrages an. Somit habe das SG zu Recht entschieden; die Berufung des Beklagten müsse deshalb zurückgewiesen werden.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen dieses ihm am 11. August 1966 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 6. September 1966, beim Bundessozialgericht (BSG) am 8. September 1966 eingegangen, Revision eingelegt und diese nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 11. November 1966 mit einem beim BSG am 7. November 1966 eingegangenen Schriftsatz vom 3. November 1966 begründet.
Er beantragt,
das Urteil des Bayerischen LSG vom 14. Juli 1966 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Bayerische LSG zurückzuverweisen.
Der Beklagte rügt in seiner Revisionsbegründung, auf die Bezug genommen wird, eine Verletzung der §§ 103 und 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch das LSG und trägt hierzu insbesondere vor, es sei unrichtig, daß er im Vergleich vom 23. August 1956 in Verbindung mit dem Ausführungsbescheid vom 17. Oktober 1956 anerkannt habe, daß die beim Kläger durch wehrdienstliche Einflüsse verursachte Verschlimmerung der Lungentuberkulose den gesamten im Gutachten des Lungenfacharztes Dr. D vom 23. August 1956 festgestellten Krankheitsbefund umfaßt. Es sei ebenso rechtlich abwegig, daß der dem Anerkenntnis zugrunde liegende Krankheitsbefund tatsächlich und rechtlich die Bedeutung einer "Schädigung" im Sinne des § 1 BVG erlangt habe. In dem Vergleich und dem darauf ergangenen Bescheid sei die Lungentuberkulose nur im Sinne der Verschlimmerung mit einer MdE um 40 v. H. anerkannt worden. Daher sei es nicht richtig verständlich, wenn das LSG ausführe, daß der Befund .... die Bedeutung einer "Schädigung" erlangt habe.
Der Beklagte wendet sich ferner gegen das LSG, insofern dieses aus dem Gutachten des Dr. B die Überzeugung gewinnen zu können glaubte, daß die dem Anerkenntnis zugrunde liegenden Krankheitsbefunde wesentliche Bedingung der zur Erwerbsunfähigkeit des Klägers führenden weiteren Verschlimmerung gewesen sind. Diese Beurteilung falle zwar in das Gebiet eines medizinischen Sachverständigen, weil das Gericht sie aufgrund fehlender eigener Sachkunde nicht allein beantworten könne, jedoch habe Dr. B sich hierzu in medizinischer Hinsicht in seinem Gutachten überhaupt nicht geäußert. Der Sachverständige habe auf Seite 5 seines Gutachtens wörtlich ausgeführt: "Nachdem, wie in der Beweisanordnung ausgeführt, bindend festgestellt wurde, daß ... wird man folgerichtig die 1960 eingetretene Verschlimmerung auch anerkennen müssen." Hieraus ergebe sich nicht etwa, daß der Sachverständige unter medizinischen Gesichtspunkten der Auffassung sei, der früher anerkannte Teil der Verschlimmerung der Lungentuberkulose des Klägers sei wesentliche Bedingung für die weitere Verschlimmerung dieses Leidens. Bei der zitierten Stelle des Gutachtens von Dr. B handle es sich um eine "juristische" Meinung. Insoweit hätte sich das LSG also gedrängt fühlen müssen, eine Ergänzung bzw. Klarstellung des Gutachtens herbeizuführen. Jedenfalls habe das LSG aus diesem Gutachten nicht die Feststellung entnehmen dürfen, daß der anerkannte Teil der Schädigungsfolge die wesentliche Ursache der jetzigen Verschlimmerung des Lungenleidens des Klägers ist. Insoweit liege eine Überschreitung des Rechts der freien Beweiswürdigung im Sinne des § 128 SGG durch das LSG vor.
Der Kläger ist in diesem Revisionsverfahren nicht durch einen zugelassenen Prozeßbevollmächtigten vertreten (§ 166 SGG) und hat daher keinen wirksamen Antrag stellen können.
Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG); die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.
Die Beteiligten streiten darüber, ob in der beim Kläger als Schädigungsfolge im Sinne der Verschlimmerung anerkannten Gesundheitsstörung "Lungentuberkulose" eine wesentliche Änderung (Verschlimmerung) eingetreten ist und der Kläger einen Anspruch auf die Rente eines Erwerbsunfähigen hat. Nach § 62 BVG ist dies nur dann der Fall, wenn in den Verhältnissen, die für die Feststellung des Anspruchs auf Versorgung maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eingetreten ist (§ 62 BVG). Der Kläger trägt dazu vor, daß die bei ihm in Ausführung des am 23. August 1956 abgeschlossenen Vergleichs mit Bescheid vom 17. Oktober 1956 im Sinne der Verschlimmerung als Schädigungsfolge anerkannte Lungentuberkulose, für die vom 1. September 1953 an Rente nach einer MdE um 60 v. H. und vom 1. August 1954 an nach einer MdE um 40 v. H. gezahlt worden ist, sich weiter verschlimmert habe, so daß er nunmehr erwerbsunfähig ist. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß bei der Geltendmachung der Verschlimmerung einer Schädigungsfolge - gleichgültig, ob diese im Sinne der Entstehung oder nur im Sinne der Verschlimmerung anerkannt worden ist - stets geprüft werden muß, ob die weitere Leidensverschlimmerung auf schädigende Einwirkungen im Sinne des BVG zurückzuführen ist (BSG 6, 87, 90; 7, 53, 56; 11, 161, 163; 12, 213; 17, 99, 114, 116, 117; 9, 201; 21, 75, 77). Es entspricht dem Sinn und Zweck des Versorgungsrechts, nur die "durch" ein versorgungsrechtlich erhebliches Ereignis aufgetretenen Gesundheitsstörungen zu entschädigen, nicht aber auch alle Veränderungen auszugleichen, die bei einem Versorgungsberechtigten zeitlich nach seiner Schädigung, aber ohne einen ursächlichen Zusammenhang mit dieser Schädigung eingetreten sind. Außerhalb des versorgungsrechtlich erheblichen Bereiches eingetretene Gesundheitsstörungen, die nach dem schädigenden Ereignis eingetreten sind und nicht mit wehrdienstlichen Einflüssen oder der anerkannten Schädigungsfolge im Zusammenhang stehen, insbesondere solche, die allein oder wesentlich alters- und konstitutionsbedingt sind oder auf nicht wehrdienstbedingte Ereignisse, wie etwa auf Erkrankung oder Unfälle zurückzuführen sind, stellen keine Veränderungen der Verhältnisse im Sinne des § 62 BVG dar, welche für die frühere Feststellung des Versorgungsanspruchs maßgebend gewesen sind (siehe dazu auch Urteil des erkennenden Senats vom 4. Oktober 1966 - 10 RV 351/64 -). Ist ein Leiden - wie im vorliegenden Fall - "im Sinne der Verschlimmerung" anerkannt worden, so ist damit nicht das Grundleiden als solches mit allen späteren Veränderungen als Schädigungsfolge anerkannt, sondern nur der gegenwärtige Anteil des Leidens, der dem Einfluß des Wehrdienstes zuzurechnen ist; bei jeder weiteren Verschlimmerung eines Leidens ist somit stets zu prüfen, ob und inwieweit die geltend gemachte Verschlimmerung des Leidens noch Schädigungsfolge ist oder ob andere, von wehrdienstlichen Einflüssen unabhängige Umstände ursächlich für die Verschlimmerung sind. Auch wenn die als Schädigungsfolge anerkannte Verschlimmerung mit einer MdE bewertet worden ist, die einem hohen Anteil an dem gesamten Leidenszustand entspricht, so ist damit noch nicht gesagt, daß diese Verschlimmerung allein bestimmend für den weiteren Verlauf des Leidens ist (vgl. hierzu BSG 6, 87; BSG 7, 53, 56; 11, 161, 163; 12, 213, 216). Nach allem kann also die weitere Verschlimmerung einer als Schädigungsfolge anerkannten Gesundheitsstörung - gleichgültig, ob sie im Sinne der Entstehung oder der Verschlimmerung anerkannt worden ist - im Rahmen des § 62 BVG nur als Schädigungsfolge anerkannt werden und zur Erhöhung der Rente führen, wenn die weitere Verschlimmerung entweder unmittelbar auf schädigende Einwirkungen im Sinne des BVG zurückzuführen ist oder jedenfalls mittelbar insofern, als die bereits anerkannte Schädigungsfolge selbst wiederum die wesentliche Bedingung der weiteren Verschlimmerung der Gesundheitsstörung ist.
Im vorliegenden Fall hat das LSG zutreffend die Befunde, die in den Gutachten des Facharztes für Lungenkrankheiten Dr. D vom 18. Juni und 23. August 1956 niedergelegt sind und zu dem Vergleich vom 23. August 1956 und dem Bescheid vom 17. Oktober 1956 geführt haben, mit den Befunden des Jahres 1960 und insbesondere mit den im Gutachten von Dr. B vom 17. Februar 1966 beschriebenen verglichen und ist dabei zu der Feststellung gelangt, daß sich die Lungentuberkulose des Klägers soweit verschlimmert hat, daß er nunmehr erwerbsunfähig ist. Wenn das LSG in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, "der dem Anerkenntnis im Sinne der Verschlimmerung zugrunde liegende Krankheitsbefund" habe "tatsächlich und rechtlich die Bedeutung einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG erlangt, dessen ursächlicher Zusammenhang mit wehrdienstlichen Einwirkungen einer Nachprüfung nicht mehr unterliegt", so hat es damit zunächst nur zum Ausdruck bringen wollen, daß es bei der Prüfung, ob die weitere Verschlimmerung der Lungentuberkulose des Klägers wiederum durch die im Sinne der Verschlimmerung anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden ist, an die Anerkennung insofern gebunden ist, als darin der auf wehrdienstliche Einwirkungen zurückgeführte Teil der Tuberkulose des Klägers dem Gesamtumfang des Leidens entsprach. Ausgangspunkt für die Prüfung der Frage, ob eine wesentliche Änderung im Sinne des § 62 BVG eingetreten ist, sind die Verhältnisse, "die für die Feststellung des Anspruchs auf Versorgung maßgebend gewesen sind"; diese Verhältnisse ergeben sich aus der ursprünglichen Anerkennung der Gesundheitsstörung, d. h. aus dem früher ergangenen Bescheid. In welchem Umfang oder Anteil eine Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge anerkannt worden ist, muß durch Auslegung des im Bescheid enthaltenen Verfügungssatzes und - sofern dieser mehrdeutig ist - unter Heranziehung des ihm zugrunde liegenden Sachverhalts, notfalls auch der dem Bescheid zugrunde liegenden ärztlichen Gutachten, ermittelt werden. Eine darüber hinausgehende Nachprüfung, etwa in der Weise, ob die Anerkennung einer Gesundheitsstörung zu Unrecht erfolgt ist oder ob sie in anderer Weise hätte erfolgen müssen, ist in diesem Rahmen unzulässig; dies folgt aus der Bindungswirkung des früheren Bescheides gemäß § 77 SGG.
Dieser bindend als Schädigungsfolge anerkannte Teil der Tuberkulose, d. h. der durch Wehrdiensteinwirkungen verschlimmerte Teil der Tuberkulose, ist nach der Feststellung des LSG die Ursache der jetzigen weiteren Verschlimmerung dieser Gesundheitsstörung. Dafür hat sich das LSG auf das Gutachten von Dr. B vom 17. Februar 1966 bezogen. Demgegenüber bringt der Beklagte vor, daß das LSG seine entsprechende Ansicht dem bezeichneten Gutachten nicht entnehmen konnte. Er rügt damit eine Verletzung des § 128 SGG, weil das LSG die Grenzen des Rechts zur freien richterlichen Beweiswürdigung überschritten habe. Diese Rüge ist gerechtfertigt. Eine Überschreitung der Grenzen des Rechts zur freien Beweiswürdigung liegt auch dann vor, wenn das Gericht den Inhalt einer ärztlichen Äußerung verkennt, insbesondere einem Gutachten eine Aussage entnimmt, die in ihm nicht enthalten ist (BSG 4, 112). Das ist hier der Fall. Der Sachverständige Dr. B hat in seinem Gutachten vom 17. Februar 1966 auf Seite 4 unten ausgeführt, daß bei dem Kläger bereits vor Beginn des Wehrdienstes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein tuberkulöser Lungenspitzenprozeß bestanden hat und sich ein Nachweis für eine während des Wehrdienstes eingetretene richtunggebende Verschlimmerung nicht ergibt. Die jetzige Verschlimmerung lasse sich in keinen zeitlichen Zusammenhang mit dem am 20. Dezember 1945 beendeten Wehrdienst bringen; insoweit handele es sich um einen schicksalsmäßigen Ablauf eines tuberkulösen Leidens. Nach weiteren Erörterungen meint der Sachverständige sodann auf Seite 5 seines Gutachtens wörtlich: "Nachdem, wie in der Beweisanordnung ausgeführt, bindend festgestellt wurde, daß der durch wehrdienstliche Einflüsse verschlimmerte Leidensanteil dem damals 1956 gegebenen Umfang der Lungentuberkulose entsprach, wobei also die 1948 eingetretene, vom Wehrdienst unabhängige richtunggebende Verschlimmerung mit einbeschlossen wurde, wird man folgerichtig die 1960 eingetretene Verschlimmerung auch anerkennen müssen." Diese Ausführungen des Sachverständigen enthalten keine medizinische Beurteilung darüber, ob die weitere Verschlimmerung der Lungentuberkulose des Klägers, die zu seiner Erwerbsunfähigkeit geführt hat, in tatsächlicher Beziehung auf die im Sinne der Verschlimmerung anerkannte Lungentuberkulose und damit mittelbar auf wehrdienstliche Einflüsse, zurückzuführen ist. Aus der von Dr. B in dem oben wiedergegebenen Satz vorgenommenen Bezugnahme auf die Beweisanordnung des LSG, in der es neben den Beweisfragen auch rechtliche Ausführungen über die bindende Wirkung der im Vergleich vom 23. August 1956 und dem Ausführungsbescheid vom 17. Oktober 1956 enthaltenen Anerkennung und deren Umfang gemacht hat, ist zu entnehmen, daß der Sachverständige aus dieser ihm vom LSG übermittelten Rechtsauffassung nur eine rechtliche Folgerung ziehen, nicht aber zum Ausdruck bringen wollte, daß die bei dem Kläger als Schädigungsfolge im Sinne der Verschlimmerung anerkannte Lungentuberkulose - also der im Jahre 1956 anerkannte Umfang dieses Leidens - medizinisch eine Bedingung der jetzigen weiteren Verschlimmerung dieses Leidens ist. Anders sind seine Worte: "Nachdem, wie in der Beweisanordnung ausgeführt, bindend festgestellt wurde, daß der durch wehrdienstliche Einflüsse verschlimmerte Leidensanteil dem damals 1956 gegebenen Umfang der Lungentuberkulose entsprach..., wird man folgerichtig die 1960 eingetretene Verschlimmerung auch anerkennen müssen", nicht zu verstehen. Danach hat der Sachverständige Dr. B die in der Beweisanordnung vom 17. August 1965 an ihn gestellte Frage (Nr. III), ob es wahrscheinlich ist, daß schädigende Einwirkungen des Wehrdienstes und der Internierung oder die anerkannte wehrdienstliche Verschlimmerung der Lungentuberkulose die alleinige Ursache oder die wesentliche Mitursache der weiteren Verschlimmerung ist, nicht mit seiner medizinischen Ansicht, sondern mit einer für das Gericht unmaßgeblichen Rechtsansicht beantwortet. Wenn das LSG den bezeichneten Ausführungen des Sachverständigen jedoch entnommen hat, daß es sich insoweit um die medizinische Beantwortung der an den Sachverständigen gestellten Beweisfrage gehandelt hat, so hat es dem Gutachten von Dr. B eine Aussage entnommen, die in ihm nicht enthalten ist. Die Rüge des Beklagten, das LSG habe sein Recht zur freien richterlichen Beweiswürdigung im Sinne des § 128 Abs. 1 SGG verletzt, greift durch; mithin ist die Feststellung des LSG, daß die bei dem Kläger im Sinne der Verschlimmerung anerkannte Lungentuberkulose die wesentliche Ursache der weiteren Verschlimmerung dieses Leidens ist, zu Unrecht getroffen worden. Damit fehlt es an einer den Anspruch des Klägers auf Erhöhung seiner Rente begründenden tatsächlichen Voraussetzung.
Die Revision des Beklagten ist daher begründet, so daß das angefochtene Urteil aufgehoben werden mußte. Der Senat konnte in der Sache abschließend nicht entscheiden, weil keine ausreichenden Feststellungen darüber getroffen sind, ob die derzeitige weitere Verschlimmerung der Lungentuberkulose des Klägers auf seinen Wehrdienst oder die Internierung unmittelbar oder insofern mittelbar zurückzuführen ist, als der im Sinne der Verschlimmerung anerkannte Teil der Lungentuberkulose selbst wiederum als Ursache dafür angesehen werden muß. Die Sache war daher an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Fundstellen