Entscheidungsstichwort (Thema)
Bierholen
Leitsatz (amtlich)
Zum Unfallversicherungsschutz eines Jugendlichen während des Aufenthalts in einem heilpädagogischen Privatschülerheim.
Leitsatz (redaktionell)
1. Bierholen durch einen Schüler eines heilpädagogischen Privatschülerheims im Auftrage eines dort angestellten Erziehers ist gegen Unfall versichert, wenn es dem Privatschülerheim diente. Das ist dann der Fall, wenn mit dem vorgesehenen Biertrinken eine im Rahmen des Unternehmenszwecks liegende Maßnahme und nicht nur eine davon losgelöste Freizeitgestaltung beabsichtigt war. 1. Ein in einem Heim untergebrachtes noch nicht schulpflichtiges Kind ist während des Besuchs des Kindergartens gegen Arbeitsunfall versichert (RVO § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a), wenn der Kindergarten eine von dem Heim als Betreuungsstätte getrennte Einrichtung zur vorschulischen Erziehung darstellt.
2. Der Aufenthalt eines Jugendlichen in einem heilpädagogischen Schülerheim, in dem Erzieher durch Nachhilfe in den Schulfächern, Arbeitsgemeinschaften, Sport, therapeutische Gruppen und Gesprächsrunden Verhaltensstörungen abbauen und eine Wiedereingliederung in Elternhaus und Schule ermöglichen wollen, begründet keinen Unfallversicherungsschutz nach RVO § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a bis c, Abs 1 Nr 17 Buchst a und b.
Orientierungssatz
Der Begriff der Arbeit ist, wie in RVO § 539 Abs 1 Nr 1, auch in RVO § 539 Abs 2 wirtschaftlich zu verstehen, wobei wirtschaftlich nicht in dem engen Sinne von erwerbswirtschaftlich gemeint ist. Es genügt jede Tätigkeit, die der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient. Welcher Art dieses Bedürfnis ist, ist gleichgültig. Der Zweck der Arbeit braucht nicht ein materieller zu sein; er kann auch rein ideeller Natur sein. Die Betonung des wirtschaftlichen Momentes dient der Abgrenzung von Spiel und Sport. Danach können auch Tätigkeiten, die einem Unternehmen in einem wirtschaftlich nicht ins Gewicht fallenden Maße dienlich und förderlich waren, wie zB das Halten eines Holzbalkens, landwirtschaftliche Arbeiten der Insassen einer Heilanstalt, die Erteilung eines Rates, das Befördern von Briefen, Arbeiten iS von RVO § 539 Abs 1 Nr 1 und Abs 2 sein.
Normenkette
RVO § 539 Abs. 1 Nr. 14 Buchst. a Fassung: 1971-03-18, Buchst. b Fassung: 1971-03-18, Buchst. c Fassung: 1971-03-18, Abs. 2 Fassung: 1963-04-30, Abs. 1 Nr. 17 Buchst. a Fassung: 1974-08-07, Buchst. b Fassung: 1974-08-07
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 21.12.1977; Aktenzeichen L 4 U 44/76) |
SG Kiel (Entscheidung vom 03.05.1976; Aktenzeichen S 2 U 74/75) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 21. Dezember 1977 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der am 1. Oktober 1956 geborene Kläger befand sich 1974 im Rahmen der freiwilligen Erziehungshilfe in dem Heilpädagogischen Privatschülerheim R in A das Mitglied der Beklagten ist. Das Heim nimmt in Zusammenarbeit mit der Kinderstation der Universitäts-Nervenklinik ... Kinder und Jugendliche im Alter von 8 bis 18 Jahren zur Nachbehandlung auf. Die Heiminsassen werden von Erziehern betreut. Deren Aufgabe ist es, durch Nachhilfe in den Schulfächern, Arbeitsgemeinschaften, Sport, therapeutischen Gruppen und Gesprächsrunden bei den Heiminsassen Verhaltensstörungen abzubauen und deren Wiedereingliederung in Elternhaus und Schule zu ermöglichen. Die Heiminsassen besuchen öffentliche Schulen in A und Umgebung. Der Kläger war Schüler des Staatlichen F-S-Gymnasiums in F.
Am 6. Juni 1974 nahm der Kläger ab 19.00 Uhr im Rahmen der heilpädagogischen Maßnahmen an der Arbeitsgemeinschaft Elektronik teil. Danach setzten sich der Leiter der Arbeitsgemeinschaft und andere Erzieher mit den Teilnehmern in einem Aufenthaltsraum zusammen. Die Erzieher beschlossen, bei dieser Gelegenheit eine Flasche Bier zu trinken. Der Kläger erbot sich, das Bier aus einem etwa 100 m entfernten Stubenladen zu besorgen. Die Erzieher erlaubten das. Auf dem Wege zu dem Stubenladen wurde der Kläger beim Überqueren der Straße von einem Kraftwagen angefahren; er erlitt eine Querschnittslähmung.
Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 28. Juli 1975 die Gewährung einer Entschädigung ab, da die Tätigkeit des Klägers zur Zeit des Unfalls dem privaten eigenwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen sei. Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteile des Sozialgerichts - SG - Kiel vom 3. Mai 1976 und des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts - LSG - vom 21. Dezember 1977). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt: Der Kläger habe im Unfallzeitpunkt zu dem Inhaber des Heilpädagogischen Privatschülerheims R nicht nach § 539 Abs 1 Nr 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden. Er sei nicht verpflichtet gewesen, diesem seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Vielmehr sei er dort als Heiminsasse unter besonderer pädagogischer Zielsetzung betreut worden. Ein den Versicherungsschutz begründendes Beschäftigungsverhältnis sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt anzunehmen, daß sich der Kläger aufgrund eigenen Entschlusses erboten habe, für die im Privatschülerheim R angestellten Erzieher Bier zu holen. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob diese Tätigkeit dem Unternehmen überhaupt dienlich gewesen sei. Gegenstand eines Beschäftigungsverhältnisses müsse nämlich eine Arbeitsleistung sein, worunter ein menschliches Verhalten zu verstehen sei, das nach der Verkehrsanschauung wirtschaftlich als Arbeit gewertet werden könne. Das Holen von Getränken aus einem etwa 100 m entfernten Geschäft sei nach der Verkehrsanschauung nicht als Arbeit zu beurteilen. Ein Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 14 b RVO scheide gleichfalls aus. Nach dieser Vorschrift seien Schüler während des Besuches allgemeinbildender Schulen gegen Arbeitsunfall versichert. Der Kläger habe zwar das Staatliche F Sch-Gymnasium in ... besucht, jedoch habe sich der Unfall nicht im Zusammenhang mit dem Besuch dieser Schule ereignet. Der Unfall sei vielmehr während des Aufenthalts im Privatschülerheim R eingetreten, bei dem es sich nicht um eine allgemeinbildende Schule handele. Es habe auch kein Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 14 c RVO bestanden. Danach seien Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung gegen Arbeitsunfall versichert. Der Kläger habe aber nicht zu diesem Personenkreis gehört. Ihm sei im Privatschülerheim R keine berufliche Aus- oder Fortbildung vermittelt worden. Sein Aufenthalt in dem Heim habe allein therapeutischen Zwecken gedient. Ob, wie der Kläger meine, das Sozialstaatsgebot eine Ausdehnung der Unfallversicherung auf Personen fordere, die in sozialpädagogischen Heimen untergebracht seien, sei eine Frage, die ausschließlich den Gesetzgeber angehe und nicht vom Gericht gelöst werden könne. Schließlich scheide auch ein Versicherungsschutz nach § 539 Abs 2 RVO aus. Diese Vorschrift setze eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit voraus. Daran fehle es, weil der Kläger eine wirtschaftlich nützliche Arbeitsleistung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht erbracht habe. Da der Kläger bei der unfallbringenden Tätigkeit nicht versichert gewesen sei, komme es nicht mehr darauf an, welcher Versicherungsträger bei Vorliegen eines Arbeitsunfalls entschädigungspflichtig sein würde.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Der Kläger hat dieses Rechtsmittel eingelegt und im Schriftsatz vom 20. April 1978 wie folgt begründet: Das LSG habe § 539 RVO zu eng ausgelegt. Nach § 539 Abs 1 Nr 14 a RVO genössen nicht nur Lernende im engeren Sinne Versicherungsschutz, sondern auch Kinder während des Besuchs von Kindergärten. Dadurch habe der Gesetzgeber deutlich zum Ausdruck gebracht, daß er Kinder auch dann dem Versicherungsschutz unterstellt wissen wolle, wenn sie Institutionen besuchten, welche die allgemeine soziale Eingliederung und die Festigung für den späteren Schulbesuch und das Berufsleben zum Ziele haben. Dieses Ziel umfasse auch die heilpädagogischen Heime, welche im wesentlichen Jugendliche fördere, die partiell - nicht notwendig in intellektueller Beziehung - mit Kindern im Kindergartenalter vergleichbar seien. Heilpädagogische Heime seien daher ebenso wie Kindergärten sozusagen als "allgemeiner Teil" der allgemeinbildenden Schulen (§ 539 Abs 1 Nr 14 b RVO) oder bei anderen Lernenden als "ähnliche Einrichtungen" (§ 539 Abs 1 Nr 14 c RVO) anzusehen. Die Betreuung durch das heilpädagogische Heim sei einerseits umfassender als die Betreuung durch die Schule, indem sie mehr auf die psychischen Besonderheiten des Einzelnen abgestellt sei, andererseits sei sie enger und sozusagen subsidiär zur Schul- und Berufsausbildung. Jedenfalls stehe fest, daß die Nachreifung in den heilpädagogischen Heimen für die leistungsmäßige Entwicklung in Schule und Beruf von wesentlicher Bedeutung sei. In den vorinstanzlichen Schriftsätzen habe er bereits darauf hingewiesen, daß es in einem heilpädagogischen Heim keinen Feierabend gebe, da das ganze Leben rund um die Uhr dem genannten Ziele diene. Auch die zum Unfall führende Tätigkeit, insbesondere das freiwillige Sich-Erbieten, habe dem Abbau einer Fehlhaltung dienen und damit die soziale Integration ermöglichen sollen, ohne die ein erfolgreicher Schulbesuch in Frage gestellt gewesen wäre. Im Schriftsatz vom 20. Juli 1978 trägt der Kläger ergänzend vor, das LSG habe den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt. Es hätte der Feststellung bedurft, daß es sich bei der Diskussion im Anschluß an die Arbeitsgemeinschaft um eine Fortsetzung der Arbeitsgemeinschaft gehandelt habe. Für diese Diskussion habe das Bier - nicht nur "eine" Flasche und darüber hinaus auch Cola - geholt werden sollen.
Der Kläger beantragt,
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1. |
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das Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 21. Dezember 1977, das Urteil des SG Kiel vom 3. Mai 1976 und den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 1975 aufzuheben; |
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2. |
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die Beklagte, hilfsweise den Beigeladenen zu verurteilen, ihm einen neuen Bescheid zu erteilen, durch den ihm unter Anerkennung des Ereignisses vom 6. Juni 1974 als Arbeitsunfall Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gewährt werden, |
hilfsweise,
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie trägt vor, daß der Kläger auf dem Weg zum Bierholen keine Arbeitstätigkeit verrichtet habe. Er habe auch nicht nach § 539 Abs 1 Nr 14 a RVO unter Versicherungsschutz gestanden. Das Privatschülerheim sei kein Kindergarten und auch keine "ähnliche Einrichtung" iS des § 539 Abs 1 Nr 14 c RVO. Die Verfahrensrüge sei vom Kläger erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist erhoben worden; sie sei daher nicht zu berücksichtigen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die Revision des Klägers ist insofern begründet, als das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist.
Die Auffassung des Klägers, Jugendliche seien allein schon wegen des Aufenthaltes in einem heilpädagogischen Schülerheim gegen Arbeitsunfall versichert, findet in den gesetzlichen Vorschriften keine Stütze. Der Gesetzgeber hat entgegen der Ansicht des Klägers dadurch, daß er nicht nur Lernende, sondern auch Kinder während des Besuches von Kindergärten unter Versicherungsschutz stellt (§ 539 Abs 1 Nr 14 a RVO), nicht zum Ausdruck gebracht, daß er Kinder auch gegen Arbeitsunfall versichert wissen wollte, wenn sie Institutionen besuchen, welche die allgemeine soziale Eingliederung und die Festigung für den späteren Schulbesuch und das Berufsleben zum Ziel haben.
Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten vom 18. März 1971 (BGBl I 237) am 1. April 1971 war lediglich die nicht betriebliche berufliche Ausbildung - mit Ausnahme des Studiums an wissenschaftlichen Hochschulen - in die gesetzliche Unfallversicherung einbezogen (vgl BSGE 35, 207, 210 f). Der Entwurf zu dem vorgenannten Gesetz vom 18. März 1971 erweiterte den Kreis der versicherten Lernenden zunächst um die Schüler allgemeinbildender Schulen und die Studierenden an wissenschaftlichen Hochschulen (BR-Drucksache 454/70; BT-Drucksache VI/1333). Erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurden auf Vorschlag des Bundesrates auch Kinder während des Besuches von Kindergärten in den Versicherungsschutz einbezogen (BR-Drucksache 454/70; BT-Drucksache VI/1644). Kinder und Jugendliche in Heimen genießen danach - ohne Rücksicht auf den Grund des Heimaufenthaltes - denselben Versicherungsschutz wie andere Kinder und Jugendliche, allerdings auch keinen erweiterten (vgl BT-Drucksache VI/1333 Anlage 3). Der erkennende Senat hat bereits entschieden (Urteil vom 14. Dezember 1978 - 2 RU 75/78 -), daß auch ein Kinderheim, welches Kinder ständig betreut und in das auch schulpflichtige Kinder aufgenommen sind, für die noch nicht schulpflichtigen Kinder einen Kindergarten iS des § 539 Abs 1 Nr 14 a RVO haben kann, in dem die Erziehung - insbesondere die vorschulische Erziehung - der noch nicht schulpflichtigen Kinder den Charakter der von dem Heim als ständige Betreuungsstätte aller aufgenommenen Kinder getrennten Einrichtung bestimmt. Danach ist ein in einem Heim untergebrachtes noch nicht schulpflichtiges Kind nicht nur dann nach § 539 Abs 1 Nr 14 a RVO gegen Arbeitsunfall versichert, wenn es einen außerhalb des Heimes befindlichen Kindergarten besucht, sondern es genießt den Versicherungsschutz auch in einem Kindergarten des Heimes, der allerdings eine von dem Heim als Betreuungsstätte getrennte Einrichtung zur vorschulischen Erziehung - eben ein Kindergarten - sein muß (vgl BSGE 44, 203, 205 f; Urteil vom 8. September 1977 - 2 RU 115/77 -).
Den Aufenthalt des im Unfallzeitpunkt fast 18 Jahre alten Klägers im Heilpädagogischen Schülerheim R als Besuch eines Kindergartens zu werten, kann ernstlich nicht erwogen werden. Bei dem Kläger kam schon vom Alter her keine vorschulische Erziehung mehr in Betracht; überdies besuchte er ein Gymnasium. Angesichts des Besuchs einer allgemeinbildenden Schule außerhalb des Heimes bedarf es auch keiner Entscheidung darüber, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Schüler beim Besuch der Schule eines Heimes nach § 539 Abs 1 Nr 14 b RVO gegen Arbeitsunfall versichert sind. Schließlich erhielt der Kläger im Heim auch keine berufliche Aus- oder Fortbildung iS des § 539 Abs 1 Nr 14 c RVO, so daß dahingestellt bleiben kann, ob das Heim im Verhältnis zu den in dieser Vorschrift genannten Bildungsstätten - Betriebe, Lehrwerkstätten, berufsbildende Schulen, Schulungskurse - als eine ähnliche Einrichtung anzusehen sein würde. Nach den Feststellungen des LSG, die mit dem Vorbringen des Klägers übereinstimmen, wurde zB die Arbeitsgemeinschaft Elektronik, an welcher der Kläger vor dem Unfall teilgenommen hatte, als heilpädagogische Maßnahme durchgeführt. Sie war Teil der unter pädagogischer Zielsetzung stehenden Betreuung der Heiminsassen. Danach hat keine Ausbildung für einen angestrebten oder Fortbildung für einen bereits ausgeübten Beruf stattgefunden.
Der Aufenthalt des Klägers im Heilpädagogischen Schülerheim R begründete für sich allein nicht nur keinen Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 14 a bis c RVO, sondern auch nicht nach § 539 Abs 1 Nr 17 a und b RVO. Nach dieser Vorschrift sind Personen, denen bestimmte medizinische und berufliche Hilfen gewährt werden, gegen Arbeitsunfall versichert. Dabei ist jedoch Voraussetzung, daß diese Maßnahme von einem der in § 539 Abs 1 Nr 17 a und b RVO genannten Sozialleistungsträger gewährt wird. Maßnahmen des Landesjugendamtes im Rahmen der freiwilligen Erziehungshilfe (§§ 62 ff des Gesetzes für Jugendwohlfahrt - JWG -) - darauf beruhte der Heimaufenthalt des Klägers - gehören nicht dazu.
Das LSG hat das Bestehen eines Versicherungsschutzes auch unter dem Gesichtspunkt geprüft, ob der Kläger zur Zeit des Unfalls zu dem Heilpädagogischen Schülerheim R in einem Beschäftigungsverhältnis iS des § 539 Abs 1 Nr 1 RVO gestanden hat. Soweit das LSG ihn schon deshalb verneint hat, weil der Kläger nicht verpflichtet war, dem Heim seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, stimmt der Senat dieser Auffassung unter den gegebenen Umständen zu. Anders verhält es sich jedoch mit der Ansicht des LSG, daß das Holen von Getränken aus einem etwa 100 m entfernten Geschäft nach der Verkehrsanschauung nicht als Arbeitsleistung zu beurteilen ist und der Kläger deshalb auch nicht nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO gegen Arbeitsunfall versichert gewesen ist.
Der Begriff der Arbeit ist, wie in § 539 Abs 1 Nr 1 RVO, auch in § 539 Abs 2 RVO wirtschaftlich zu verstehen, wobei wirtschaftlich nicht in dem engen Sinne von erwerbswirtschaftlich gemeint ist. Es genügt jede Tätigkeit, die der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient. Welcher Art dieses Bedürfnis ist, ist gleichgültig. Der Zweck der Arbeit braucht nicht ein materieller zu sein; er kann auch rein ideeller Natur sein.
Die Betonung des wirtschaftlichen Momentes dient der Abgrenzung von Spiel und Sport (vgl Hueck-Nipperday, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl, I. Band, S 35 Fußnote 6; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 9. Aufl, S 476; auch BSGE 10, 94, 96; 15, 292, 294; 16, 98, 100). Danach können auch Tätigkeiten, die einem Unternehmen in einem wirtschaftlich nicht ins Gewicht fallenden Maße dienlich und förderlich waren, wie zB das Halten eines Holzbalkens (BSGE 5, 168), landwirtschaftliche Arbeiten der Insassen einer Heilanstalt (SozR Nr 15 zu § 537 RVO aF), die Erteilung eines Rates (BSGE 25, 102), das Befördern von Briefen (SozR Nr 71 zu § 542 RVO aF), Arbeiten iS von § 539 Abs 1 Nr 1 und Abs 2 RVO sein.
Ob allerdings auch die sonstigen Voraussetzungen für einen Versicherungsschutz des Klägers nach § 539 Abs 2 RVO vorlagen, hat das LSG, da es schon nicht das Bierholen als Arbeitsleistung ansah, nicht geprüft. Entscheidend ist, ob die vom Kläger zur Unfallzeit verrichtete Tätigkeit dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprach, sie ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen, und daß die Tätigkeit derjenigen aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich war, so daß dadurch der innere ursächliche Zusammenhang mit dem unterstützten Unternehmen hergestellt wurde (vgl Brackmann aaO S 475 ff mit zahlreichen Nachweisen auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG -). Daß im vorliegenden Fall der Auftrag zum Bierholen nicht durch den Unternehmer des Heilpädagogischen Schülerheimes ..., sondern von einem dort angestellten Erzieher erteilt wurde, braucht dem Versicherungsschutz nicht entgegenzustehen, sofern das Bierholen, was vom LSG festzustellen sein wird, dem Privatschülerheim diente. Dies hängt ua davon ab, ob mit der Gesprächsrunde, zu der sich nach Beendigung der Arbeitsgemeinschaft Elektronik der Leiter der Arbeitsgemeinschaft und andere Erzieher mit den Schülern im Aufenthaltsraum zu einem Gespräch zusammensetzten und dem dabei vorgesehenen Biertrinken eine im Rahmen des Unternehmenszweckes liegende Maßnahme und nicht nur eine davon losgelöste Freizeitgestaltung beabsichtigt war. Im Revisionsverfahren hat der Kläger in dem erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingegangenen Schriftsatz vom 20. Juli 1978 zur Begründung der Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) vorgetragen, daß die an die Arbeitsgemeinschaft anschließende Diskussion eine Fortsetzung der Arbeitsgemeinschaft gewesen sei und pädagogischen Zwecken gedient habe. Diesem Vorbringen wird das LSG nachzugehen und dabei ua Feststellungen zu treffen haben, inwieweit das Bierholen eine mit dem Unternehmen im inneren ursächlichen Zusammenhang stehende Tätigkeit war.
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das LSG zurückzuverweisen.
Fundstellen