Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindererziehungszeit bei einer Auslandsrente

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch bei einem nicht angenommenen Teilanerkenntnis ist § 307 Abs 1 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 202 SGG entsprechend anzuwenden (Bestätigung von BSG 22.9.1977 - 5 RKn 18/76 und BSG 12.12.1979 - 1 RA 91/78 = SozR 1750 § 307 Nr 1 und 2).

2. Bis zum 1.4.1988 (Inkrafttreten des DKSVA 1985) sind Renten an Kanadier, die sich ständig in Kanada aufhalten, nicht aus den - beitragslosen - Zeiten der Kindererziehung vor dem 1.1.1986 zu zahlen (DKSVA 1971 Art 5).

 

Orientierungssatz

Der Inhalt des Art 5 Abs 1 Buchst b SozSichAbk CAN widerspricht nicht dem GG (Art 3 Abs 1, Art 14 Abs 1).

 

Normenkette

ZPO § 307 Abs 1 Alt 2; SGG § 202; SozSichAbk CAN Art 5 Abs 1 Buchst b; SozSichAbk1985 CAN Fassung: 1985-11-14; SGG § 101 Abs 2; AVG § 27 Abs 1 Buchst c Fassung: 1985-07-11; RVO § 1250 Abs 1 Buchst c Fassung: 1985-07-11; AVG § 99 Abs 1 S 2; RVO § 1320 Abs 1 S 2; GG Art 3 Abs 1; GG Art 14 Abs 1; AVG § 28a Abs 1 S 1; RVO § 1251a Abs 1 S 1; AVG §§ 97-98; RVO §§ 1318-1319

 

Verfahrensgang

SG Berlin (Urteil vom 22.01.1987; Aktenzeichen S 11 An 1970/86)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der in Kanada wohnhaften Klägerin höheres Altersruhegeld unter Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten zu zahlen ist.

Die am 26. Februar 1921 geborene Klägerin gebar am 14. November 1946 im Kreis Plauen/SBZ ihr erstes Kind B.   , nach ihrer Flucht im April 1947 am 16. April 1950 in Wilhelmshaven ihr zweites Kind T.      und wanderte 1956 nach Kanada aus. Seit 1963 ist sie kanadische Staatsangehörige.

Auf den Antrag vom 23. Januar 1986 gewährte ihr die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) mit dem streitigen Bescheid vom 18. Juni 1986 unter Berücksichtigung des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über Soziale Sicherheit (DKSVA) Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres ab März 1986 von monatlich zuletzt 187,60 DM. Der Berechnung der - wegen Auslandsaufenthalt nur teilweise zahlbar gemachten - Rente zugrundegelegt waren 60 von 88 Pflichtbeitragsmonaten zwischen März 1937 und März 1945 außerhalb des Geltungsbereiches des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG), 44 Monate freiwillige Beitragszeiten zwischen Januar 1980 und November 1983, 16 Monate der Höherversicherung von Januar 1984 bis Mai 1985 und eine pauschale Ausfallzeit von 9 Monaten. Ferner wurden zwei Jahre als Versicherungszeiten anerkannte Kindererziehungszeiten für die persönliche Bemessungsgrundlage der Klägerin, hingegen nicht als anrechnungsfähige Versicherungsjahre berücksichtigt.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage auf höhere Auslandsrente unter Berücksichtigung auch der im Geltungsbereich des AVG zurückgelegten Kindererziehungszeiten abgewiesen (Urteil vom 22. Januar 1987). Es hat ausgeführt, Art 5 DKSVA vom 30. März 1971, in Kraft getreten am 1. Mai 1972 (DKSVA 1971 - BGBl II S 218, 299), gestatte die Auszahlung von Renten an kanadische Staatsangehörige in Kanada nur, soweit sie auf Beitragszeiten entfielen.

Zur Begründung der - vom SG zugelassenen und mit Zustimmung der Beklagten eingelegten - Sprungrevision trägt die Klägerin vor, nach § 99 Abs 1 AVG in Verbindung mit Art 3 Abs 1 Buchst a DKSVA 1971 sei die Rente an in Kanada wohnhafte kanadische Staatsbürger auch aus Kindererziehungszeiten zu zahlen. Art 5 Abs 1 Buchst b DKSVA 1971 stehe nicht entgegen, weil dessen Abschnitte i und ii jeweils getrennt zu sehen seien. Der letztgenannte Abschnitt schließe zwar praktisch die Zahlung aus Ersatz- und Ausfallzeiten aus, erfasse aber nicht die besonderen Versicherungszeiten der Kindererziehung nach § 28a AVG, weil das Abkommen vor der Einführung der Kindererziehungszeiten abgeschlossen worden sei. Da die Bundesrepublik Deutschland nach § 117c AVG die vollen Kosten für die dem Rentenversicherungsträger entstehenden Aufwendungen für die Kindererziehungszeiten erstatte, handele es sich um Beitragszeiten im weitesten Sinne. Eine andere Auslegung widerspreche dem Art 3 des Grundgesetzes (GG). Dies lasse sich an den sachlich ungerechtfertigten unterschiedlich hohen Auszahlungsbeträgen erkennen, falls bei im übrigen unveränderten Verhältnissen Auslandsrenten verglichen würden, bei denen jeweils 100 Beiträge im Geltungsbereich des AVG und 70 Beiträge in der DDR zugrunde lägen, wenn im ersten Falle 24 Monate Kindererziehungszeiten iS von § 28b des Fremdrentengesetzes (FRG) in der DDR, im zweiten Falle 24 Monate Kindererziehungszeiten iS von § 28a AVG und im dritten Falle 16 Monate Kindererziehungszeiten iS von § 28a AVG und 8 Monate der Kindererziehung iS von § 2a Abs 1 AVG zurückgelegt worden seien. Im ersten Fall sei die Auslandsrente aus 194 Monaten, im zweiten aus 170 und im dritten aus 178 Monaten zu berechnen, ohne daß für die unterschiedliche Berechnungsweise gleichgelagerter Fälle ein Sachgrund ersichtlich sei, der vor dem Gleichheitsgrundsatz bestand haben könne.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom

22. Januar 1987 aufzuheben sowie den Verwaltungsakt der Beklagten vom 18. Juni 1986 abzuändern,

2. die Beklagte zu verurteilen, die auf die

Kindererziehungszeiten vom 15. April 1947 bis zum 30. November 1947 und vom 1.Mai 1950 bis zum 30. April 1951 entfallenden Rentenanteile nach Kanada zu zahlen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 12. Juli 1988 hat die Beklagte zur Niederschrift durch das Gericht erklärt, sie anerkenne den Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Rente ab 1. April 1988 insoweit, als sie der Rentenzahlung Kindererziehungszeiten von April 1947 bis November 1947 und von Mai 1950 bis April 1951 in vollem Umfang zugrundelegen wird.

Die Beklagte beantragt im übrigen,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für im Ergebnis zutreffend und trägt vor, Art 5 DKSVA 1971 schließe eine auf Kindererziehungszeiten vor dem 1. Januar 1986 beruhende Rentenleistung aus. Zeiten der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986 seien durch § 28a AVG als Versicherungszeiten eigener Art in die Nähe der Ersatzzeiten gerückt worden. Da sie nicht Beitragszeiten seien, könnten sie nach innerstaatlichem Recht nur gemäß § 99 Abs 1 AVG in das Ausland gezahlt werden. Dem stehe aber Art 5 Abs 1 Buchst b DKSVA 1971 entgegen, der in Übereinstimmung mit Nr 6 des Schlußprotokolls zu diesem Abkommen die Anwendung des deutschen Auslandsrentenrechts für kanadische Staatsangehörige mit gewöhnlichem Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereiches des AVG einschränke. Diese Vorschrift lasse eine Rentenzahlung nur zu, wenn die Rente auf Beiträgen im Bundesgebiet iS von § 97 AVG oder auf reichsgesetzlichen Beiträgen außerhalb des Geltungsbereiches des AVG unter den weiteren Voraussetzungen des § 98 AVG beruhe (Hinweis auf BSG SozR 6580 Art 5 Nrn 1 und 3, BSG SozR 2200 § 1315 Nr 4). Nach dem am 14. November 1985 geschlossenen Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über Soziale Sicherheit nebst der Vereinbarung zur Durchführung des Abkommens (DKSVA 1985 - BGBl 1988 Teil II S 26 ff, in Kraft getreten am 1. April 1988) werde jedoch an in Kanada wohnhafte kanadische Staatsangehörige die Rente in gleichem Umfang wie deutschen Staatsangehörigen gezahlt. Ab Inkrafttreten des DKSVA 1985 könne daher die Rente grundsätzlich auch aus Kindererziehungszeiten vor dem 1. Januar 1986 gezahlt werden.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Sprungrevision der Klägerin ist in dem im Urteilsausspruch genannten Umfang begründet. Insoweit war die Beklagte gemäß ihrem in der mündlichen Verhandlung erklärten Teilanerkenntnis nach dem über § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) entsprechend anwendbaren § 307 Abs 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO; BSG SozR 1750, § 307 Nr 1 und 2) zu verurteilen. Denn die Beklagte hat den mit der Revision verfolgten Anspruch, die Zeiten der Kindererziehung in Westdeutschland vom 15. April 1947 bis zum 30. November 1947 und vom 1. Mai 1950 bis zum 30. April 1951 in vollem Umfang als anrechnungsfähige Versicherungsjahre zu berücksichtigen, zum Teil (§ 307 Abs 1 Alt 2 ZPO), nämlich für den Anspruchszeitraum ab 1. April 1988 vorbehaltlos und endgültig anerkannt. Eines ausdrücklichen Antrags auf Erlaß eines Anerkenntnisurteils bedurfte es nicht, weil der Revisionsantrag auch dahin zu verstehen ist, daß dann, wenn die Beklagte den geltend gemachten Anspruch (zeitweise) anerkennt, durch (Teil-)Anerkenntnisurteil entschieden werden soll (vgl BSG SozR 1750 § 307 Nr 1). Dem Erlaß eines Teil-Anerkenntnisurteils im sozialgerichtlichen Verfahren steht - wie bereits der 5. Senat des BSG (aaO, mwN) ausgeführt hat - § 101 Abs 2 SGG nicht entgegen. Diese Vorschrift enthält keine abschließende Spezialregelung für das Anerkenntnis im Sozialgerichtsprozeß, sondern ermöglicht, das Gerichtsverfahren ohne Urteil zu beenden, wenn der geltend gemachte Anspruch ganz oder zum Teil ("insoweit") anerkannt und das Anerkenntnis angenommen wird. Kommt es - aus welchen Gründen auch immer - nicht zur Annahme des (Teil-)Anerkenntnisses, ist eine Entscheidung über den geltend gemachten und einseitig anerkannten Anspruch durch Urteil unausweichlich. Dazu trifft § 101 Abs 2 SGG keine Regelung. Wenn - wie im Falle der Klägerin - die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung vorliegen, ergeben sich aus dem SGG keine Gründe gegen eine entsprechende Anwendung des § 307 Abs 1 ZPO. Auch dies hat der 5. Senat des BSG (aaO) bereits überzeugend dargelegt. Dem schließt sich der erkennende Senat an. Die Befugnis der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, (Teil-)Anerkenntnisurteile entsprechend § 307 Abs 1 ZPO zu erlassen, setzt § 101 Abs 2 SGG weder "praktisch richterrechtlich außer Kraft" (so Behn, SozVers 1980, 169-171) noch läßt sie diese Vorschrift leerlaufen (so Tannen, Besprechung von BSG SozR 1750 § 307 Nr 1 in DRV 1978, 184-185). Abgesehen davon, daß die analoge Anwendung des § 307 Abs 1 ZPO nur subsidiär eingreift dann, wenn die Voraussetzungen des § 101 Abs 2 SGG nicht vorliegen, werden die Gerichte schon aus auf der Hand liegenden praktischen Gründen zunächst auf eine Erledigung der Hauptsache nach dieser Vorschrift ohne Urteil - Annahme des Anerkenntnisses - hinwirken. Andererseits ist es sachgerecht und widerspricht es nicht dem in § 101 Abs 2 SGG enthaltenen "Vereinfachungsgedanken", bei nicht angenommener Anerkenntnis des Leistungsträgers eine Verfahrensbeendigung zwar durch Urteil, aber ohne weitere Sachprüfung durch das Gericht zuzulassen.

Im übrigen hat das Rechtsmittel der Klägerin keinen Erfolg, weil der streitige Bescheid vom 18. Juni 1986 den Zahlbetrag ihres Altersruhegeldes für den Zeitraum vom 1. März 1986 bis zum 31. März 1988 zutreffend festgestellt hat, so daß sie nicht in ihren Rechten verletzt ist (§ 54 Abs 2 Satz 1 SGG).

Nach Art 5 DKSVA 1971, das mit dem Inkrafttreten des DKSVA 1985 am 1. April 1988 außer Kraft getreten ist (Art 28 Abs 3 Buchst b DKSVA 1985), gilt für die Gewährung von Renten aus der deutschen Rentenversicherung an kanadische Staatsangehörige, die sich - wie die Klägerin - freiwillig gewöhnlich außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, folgendes:

"a) Bemessungsgrundlagen werden aus allen Zeiten

gebildet, die nach den deutschen Rechtsvorschriften für die Rentenberechnung zu berücksichtigen sind.

b) Renten werden nur gezahlt, soweit

i) die deutschen Rechtsvorschriften über

Leistungen aus Versicherungszeiten, die nicht nach Bundesrecht zurückgelegt sind, es zulassen und

ii) soweit die Renten auf Zeiten entfallen,

für die nach Bundesrecht oder früheren Vorschriften der reichsgesetzlichen Rentenversicherungen Beiträge wirksam entrichtet sind oder als entrichtet gelten.

..."

Ferner stehen nach Art 3 Abs 1 Buchst a DKSVA 1971 bei Anwendung der Rechtsvorschriften einer Vertragspartei deren Staatsangehörigen die Staatsangehörigen der anderen Vertragspartei gleich, soweit dieses Abkommen nichts anderes bestimmt. Art 4 Abs 1 DKSVA 1971 schreibt schließlich vor, daß die Rechtsvorschriften einer Vertragspartei, nach denen die Entstehung von Ansprüchen auf oder die Zahlung von Geldleistungen vom Inlandsaufenthalt abhängig ist, nicht für Staatsangehörige der Vertragsparteien gelten, die sich im Gebiet der anderen Vertragspartei aufhalten, soweit dieses Abkommen nichts anderes bestimmt.

Wie das SG im Ergebnis richtig ausgeführt hat, entspricht der streitige Bescheid aber dem Art 5 DKSVA 1971, der - worauf noch einzugehen ist - gegenüber Art 3 Abs 1 Buchst a und Art 4 Abs 1 aaO "anderes" bestimmt.

Die Beklagte hat die - auch der Auslandsrente zugrundeliegende - persönliche Bemessungsgrundlage der Klägerin aus allen nach deutschem Recht zu berücksichtigenden Zeiten (Art 5 Abs 1 Buchst a DKSVA 1971) gebildet; sie hat insbesondere auch 24 Monate der Kindererziehung  - insoweit rentensteigernd - in die Berechnung einbezogen. Dies ist nicht streitig.

Sie hat aber zutreffend die Rente nur zahlbar gemacht, soweit das deutsche Recht über Leistungen aus nicht nach Bundesrecht zurückgelegten Versicherungszeiten es zuläßt und die Rente auf Zeiten entfällt, für die nach Bundes- oder früherem Reichsrecht Beiträge wirksam entrichtet sind oder als entrichtet gelten (Art 5 Abs 1 Buchst b DKSVA 1971). Dies ergibt sich aus folgendem:

Nach §§ 95 bis 99 AVG erhält ein berechtigter Deutscher, dem die Klägerin gemäß Art 3 Abs 1 Buchst a) DKSVA 1971 gleichsteht, für die Zeit seines gewöhnlichen Aufenthalts außerhalb des Geltungsbereichs des AVG die wie bei gewöhnlichem Aufenthalt im Inland berechnete Rente nur mit Einschränkungen: Für die Feststellung der Höhe des Jahresbetrages der Rente werden von den - bei der Inlandsrente - anrechnungsfähigen Versicherungsjahren nur Beitragszeiten berücksichtigt, die im Geltungsbereich des AVG nach Bundesrecht oder für eine Beschäftigung oder Tätigkeit in diesem Gebiet nach den Reichsversicherungsgesetzen iS von § 97 Abs 3 AVG zurückgelegt sind, ferner die außerhalb des Bundesgebietes nach den Reichsversicherungsgesetzen zurückgelegten und die nach dem FRG gleichgestellten Beitragszeiten in demselben Umfang, in dem Beitragszeiten - einschließlich der Zeiten der Höherversicherung - im Geltungsbereich des AVG zurückgelegt worden sind, wenn 60 solcher Beitragsmonate vorhanden sind oder wenn sie überwiegen. Demnach sind für die Auslandsrente der Klägerin 104 Beitragsmonate anzurechnen. Denn sie hat insgesamt 60 Monate Beitragszeiten im Geltungsbereich des AVG zurückgelegt, so daß von den 88 reichsgesetzlichen Monatsbeiträgen für Beschäftigungen außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland nur 60 Monate berücksichtigt werden dürfen. Ihnen sind 44 Monate freiwilliger Beitragsleistung hinzuzurechnen.

Weitere Beitragszeiten sind nicht zu berücksichtigen. Entgegen der Ansicht der Klägerin sind die nach dem Revisionsantrag nur ab 15. April 1947 streitigen Zeiten der Kindererziehung in Westdeutschland vor dem 1. Januar 1986 keine Beitragszeiten. Nach § 27 Abs 1 Buchst a AVG, der mit Art 5 Abs 1 Buchst b Abschnitt ii) DKSVA 1971 übereinstimmt, sind Beitragszeiten - nur - Zeiten, "für die nach Bundesrecht oder früheren Vorschriften der reichsgesetzlichen Angestelltenversicherung Beiträge wirksam entrichtet sind oder als entrichtet gelten". Keine Beitragszeiten, sondern aus anderen Gründen und unter anderen Voraussetzungen anrechnungsfähige Versicherungszeiten sind nach § 27 Abs 1 Buchst b und c AVG (letztgenannter Buchstabe angefügt mit Wirkung vom 1. Januar 1986 durch Art 2 Nr 6 des Hinterbliebenen- und Erziehungszeiten-Gesetzes - HEZG - vom 11. Juli 1985, BGBl I S 1450) die Ersatzzeiten iS von § 28 AVG und die "Zeiten der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986 nach § 28a AVG". Nach § 28a Abs 1 Satz 1 AVG werden für die Erfüllung der Wartezeit Müttern und Vätern, die nach dem 31. Dezember 1920 geboren sind, Zeiten der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986 in den ersten zwölf Kalendermonaten nach Ablauf des Monats der Geburt des Kindes angerechnet, wenn sie ihr Kind im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze erzogen und sich mit ihm dort gewöhnlich aufgehalten haben. Diese Kindererziehungszeiten werden angerechnet, ohne daß Beiträge entrichtet worden sind oder als entrichtet gelten. Der Unterschied zwischen Beitragszeiten und - beitragslosen - Kindererziehungszeiten vor dem 1. Januar 1986 wird schon durch die Fassung des § 27 Abs 1 Buchst a und c AVG augenfällig. Er beruht auf der Entscheidung des Gesetzgebers, für die Zeiten iS von § 28a AVG keine rückwirkende, mit Beitragspflicht oder der Anerkennung fiktiver Beiträge verbundene Pflichtversicherung, sondern eine Versicherungszeit eigener Art zu begründen, um unvorhersehbaren, von Fall zu Fall unterschiedlichen Auswirkungen auf bestehende Rentenanwartschaften vorzubeugen (BT-Drucks 10/2677 S 30 f). Die Aufwendungen für die Anerkennung von Kindererziehungszeiten vor 1986 werden auch nicht durch Beiträge (vgl § 20 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB 4), sondern als Leistungen des Familienlastenausgleichs vom Bund aus Steuermitteln finanziert (§ 117c AVG; vgl BT-Drucks 10/2677 S 30, 31). Wenn die Gesetzesmaterialien (BT-Drucks aa0, Abschnitt B III 2b, S 31) in diesem Zusammenhang von "Pflichtbeitragszeiten für die Kindererziehung vor 1986" sprechen, liegt bei entgegenstehender gesetzlicher Definition in § 27 Abs 1 Buchst a AVG offensichtlich eine Fehlbezeichnung vor. Im übrigen ist aaO im fortlaufenden Text ausführlich und eingehend begründet worden, daß es sich bei diesen Zeiten gerade um Versicherungszeiten eigener Art, nicht um Beitragszeiten handelt. Nach alledem ist die Beklagte im streitigen Bescheid von einer zutreffenden Anzahl bei der Auslandsrente anrechnungsfähiger Beitragszeiten ausgegangen.

Für die Zeit bis zum 31. März 1988 können die Erziehungszeiten vor 1986 auch nicht nach näherer Maßgabe des § 99 Abs 1 Satz 2 AVG als beitragslose Versicherungszeiten angerechnet werden. Die Vorschrift ist auf nach Kanada an kanadische Staatsbürger zu zahlende Renten bis zu diesem Stichtag nicht anwendbar. Das ergibt sich aus Art 5 Abs 1 Buchst b Unterabschnitt ii) DKSVA 1971, nach dem nur Rententeile auszuzahlen sind, die ua auf Zeiten entfallen, "für die ... Beiträge wirksam entrichtet sind oder als entrichtet gelten" (BSG SozR 6580 Art 5 Nrn 1 und 3; BSG SozR 2200 § 1315 Nr 4 jeweils mwN). Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich die Beschränkung der Auszahlungspflicht auf den auf Beitragszeiten entfallenden Rentenanteil aus dem Wortlaut dieser Abkommensbestimmung, der - wie allgemein bei zwischenstaatlichen Sozialversicherungsabkommen (BSG SozR 6580 Art 5 Nr 1 S 3 mwN) - der Auslegung enge Grenzen zieht. Daß die Unterabschnitte i) und ii) des Art 5 Abs 1 Buchstb nicht getrennt gesehen werden dürfen, folgt schon daraus, daß sie durch ein "und" verbunden sind. Somit ist für eine Anrechnung beitragsloser Zeiten insoweit "anderes" iS von Art 3 Abs 1 und Art 4 Abs 1 DKSVA 1971 bestimmt; die letztgenannten Vorschriften werden durch den spezielleren Art 5 Abs 1 Buchst b DKSVA 1971 verdrängt.

Dies entspricht im übrigen der offen erklärten Absicht der vertragsschließenden Parteien des DKSVA 1971. Sie hatten sich damals nicht über eine Verbesserung der kanadischen Bestimmungen über eine Auslandszahlung an deutsche Staatsangehörige im Gegenzug zu einem vollen Export deutscher Renten an kanadische Staatsangehörige verständigen können (vgl Denkschrift zum DKSVA 1971, abgedruckt in: Koch/Hartmann/Schmidt, Die Rentenversicherung im Sozialgesetzbuch unter besonderer Berücksichtigung der Angestelltenversicherung, Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht I, Kanada, B 16 ff - B 39 f -; Strenger, Das deutsch-kanadische Abkommen über Soziale Sicherheit, in: Die Rentenversicherung 1974, S 195 ff - 197 ff -).

Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese bis zum 31. März 1988 reichende Beschränkung der Auszahlungspflicht auf Beitragszeiten bestehen nicht. Der verfassungsrechtlichen Prüfung kann wegen der völkerrechtlichen Natur des DKSVA 1971 nur das dazu ergangene Zustimmungsgesetz vom 20. März 1972 (BGBl II S 217) unterliegen (vgl BVerfGE 45, 83, 96; BSG SozR 6850 Art 5 Nr 3 S 7; Frank in DAngVers 1985, 108 ff, jeweils mwN). Dahingestellt bleiben kann, wie die Verfassungswidrigkeit eines Zustimmungsgesetzes im einzelnen zu erfassen ist und welche rechtliche Bedeutung sie für ein schwebendes Gerichtsverfahren hat (dazu BSG aa0). Der Inhalt des Art 5 Abs 1 Buchstabe b DKSVA 1971 widerspricht jedenfalls nicht dem GG.

Mit ihrer Hauptrüge, die Regelung verstoße wegen der sachlich nicht begründbaren Unterschiede der Auszahlungsbeträge bei im wesentlichen gleichgelagerten Sachverhalten gegen Art 3 Abs 1 GG, kann die Klägerin schon deswegen nicht durchdringen, weil es bei zutreffender Anwendung des Abkommens solche Unterschiede nicht gibt. Bei den von ihr gebildeten Vergleichsfällen hat sie nämlich - worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat - außer acht gelassen, daß bei der jeweiligen Auslandsrente nach Art 5 Abs 1 Buchst b Unterabschnitt ii) DKSVA 1971 nur die nach Bundesrecht oder früherem Reichsrecht im Geltungsbereich des AVG, also im Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland zurückgelegten Beitragszeiten angerechnet werden dürfen, nicht aber die nach §§ 15 und 28 Abs 1 Satz 2 FRG (eingefügt mit Wirkung vom 1. Januar 1986 durch Art 12 HEZG, jetzt idF des Kindererziehungsleistungs-Gesetzes -KLG- vom 12. Juli 1987, BGBl, I S 1585) gleichgestellten "DDR-Beitragszeiten" und nicht die beitragslosen Kindererziehungszeiten, und zwar unter Einschluß derjenigen, die vor 1986 in Mitteldeutschland zurückgelegt und nach § 28b Abs 1 Satz 1 FRG zu berücksichtigen sind. Daher ist die Auslandsrente in den beiden ersten Vergleichsfällen jeweils aus 100 Beitragsmonaten im Bundesgebiet, im dritten Fall - wegen der 8 Monate Pflichtversicherung bei Kindererziehung nach § 2a AVG idF des HEZG - aus 108 Beitragsmonaten im Bundesgebiet zu berechnen.

Der Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG iVm der Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG wird ferner nicht dadurch verletzt, daß durch Art 5 Abs 1 Buchst b DKSVA 1971 der Klägerin ein Recht auf Anrechnung beitragsloser Kindererziehungszeiten nach § 99 Abs 1 Satz 2 AVG entzogen würde. Denn ohne das DKSVA 1971 könnte eine kanadische Staatsbürgerin gemäß § 97 AVG Rente nur "für die im Geltungsbereich dieses Gesetzes", also für die im Bereich der heutigen Bundesrepublik Deutschland zurückgelegten Beitragszeiten erhalten. Erst durch das Sozialversicherungsabkommen ist Kanadiern im Ausland das sonst nach § 98 AVG nur Deutschen vorbehaltene Recht eingeräumt worden, Rente auch aus außerhalb der Bundesrepublik Deutschland nach den Reichsversicherungsgesetzen zurückgelegten Beitragszeiten zu erhalten. Durch Art 5 DKSVA 1971 wird der Klägerin also keine vom Bestand des Abkommens unabhängig gesetzlich begründete Rechtsposition entzogen, sondern eine über das innerstaatliche Recht hinausgehende Rechtsstellung verschafft. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzliche Differenzierung zwischen der Berechnung der Auslandsrente von berechtigten Ausländern und Deutschen (§ 97 und §§ 98, 99 AVG) sind weder dargetan noch ersichtlich (vgl BSG SozR 2200 § 1317 Nr 9 S 13 ff mwN).

Soweit darüber hinaus Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Konzepts des Gesetzgebers, Kindererziehungszeiten rentensteigernd zu berücksichtigen, geäußert worden sind (vgl ua Ruland in NJW 1986, 20 ff - 25 ff -; von Maydell in DB 1987, Beilage Nr 5, S 1 - 15; Fichte, SGb 1987, 183 ff - 187 ff -; von Einem, in AmtlMitt LVA Rheinprov 1986, 431 ff; jeweils mwN), bedarf es dazu im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Wäre nämlich das Gesetz (§§ 28a, 32a Abs 5 AVG, § 28b FRG) wegen der Nichteinbeziehung weiterer Personenkreise oder einer nicht hinreichend günstigen Ausgestaltung der Bewertung dieser Zeiten grundgesetzwidrig und nichtig oder insoweit vom Gesetzgeber nachzubessern, könnte keine andere Entscheidung in der Sache ergehen. Denn hier ist nur streitig, ob die Kindererziehungszeiten der Klägerin im Geltungsbereich des AVG vor 1986 als bei der Auslandsrente der Klägerin anrechnungsfähige Versicherungsjahre zu berücksichtigen sind. Dies ist - wie ausgeführt - bereits aus einfachgesetzlichen Gründen zu verneinen. Die genannten verfassungsrechtlichen Erwägungen sind somit nicht entscheidungserheblich.

Nach alledem ist der streitige Bescheid für die Zeit bis zum 31. März 1988 rechtmäßig, so daß die Revision insoweit keinen Erfolg hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei war zu berücksichtigen, daß der Teilerfolg der Sprungrevision auf einem Teilanerkenntnis der Beklagten wegen einer Rechtsänderung beruht, die erst während des Revisionsverfahrens eingetreten ist (Inkrafttreten des DKSVA 1985 am 1. April 1988).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1653357

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