Leitsatz (amtlich)
1. Zeiten der Kindererziehung im Ausland vor dem 1.1.1986 (AVG §§ 27 Abs 1 Buchst c, 28a Abs 1 = RVO §§ 1250 Abs 1 Buchst c, 1251a Abs 1) hat der Rentenversicherungsträger nur vorzumerken, wenn die Tatbestände von AVG § 2a Abs 5 S 1 oder 2 (= RVO § 1227a Abs 5 S 1 oder 2) analog ("Entsendungsfälle") oder von FRG § 28b Abs 1 S 1 ("Vertreibungsfälle") erfüllt sind.
2. Eine planwidrige, durch die Rechtsprechung ausfüllbare Regelungslücke besteht jedenfalls auch insoweit nicht, als eine versicherte Verfolgte nach verfolgungsbedingter Auswanderung Kinder nach dem 31.12.1949 in einem Nichtvertreibungsgebiet erzogen hat, ohne daß ein "Entsendungsfall" vorlag.
3. Die Abgrenzung zwischen vormerkungsfähigen und nicht zu berücksichtigenden Zeiten der Kindererziehung im Ausland ist nicht grundgesetzwidrig.
Orientierungssatz
1. Es ist nicht willkürlich, daß die Regelung der Anrechnung von Kindererziehungszeiten an Inlandsaufenthalt und Inlandserziehung anknüpft.
2. Obwohl der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt von Eltern und Kindern im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei im Regelfall untrennbar mit der Erziehung der Kinder durch die Eltern verknüpft ist, erfaßt die Gebietsgleichstellung nach Art 5 SozSichAbk USA nur den "Aufenthalt" im Gebiet der anderen Vertragspartei, nicht die dort erfolgende Erziehung.
3. Unter "Aufenthalt" ist nach der gewöhnlichen, auch dem SozSichAbk USA zugrundeliegenden Bedeutung ausschließlich der für die zulässige Ausübung von Staatsgewalt bedeutsame tatsächliche Umstand zu verstehen, daß sich eine Person im Hoheitsgebiet eines Staates befindet. Eine weitergehende, die Kindererziehung im Aufenthaltsgebiet erfassende Bedeutung haben die Parteien des SozSichAbk USA nicht vereinbart.
4. Die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil wurde nicht zur Entscheidung angenommen (Gründe vgl BVerfG 1. Senat 2. Kammer vom 11.3.1994 - 1 BvR 1304/88).
Normenkette
AVG § 27 Abs. 1 Buchst. c, § 28a Abs. 1; RVO § 1250 Abs. 1 Buchst. c, § 1251a Abs. 1; AVG § 2a Abs. 5 Sätze 1-2; RVO § 1227a Abs. 5 Sätze 1-2; FRG § 28b Abs. 1 S. 1; AVG § 28a Abs. 3 S. 1, § 32a Abs. 5; RVO § 1251a Abs. 3 S. 1, § 1255a Abs. 5; WGSVG § 1 Abs. 1, § 10 Abs. 1 S. 3; GG Art. 3 Abs. 1-3; VtrRKonv Art. 31 Abs. 1; SozSichAbk USA Art. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist die Vormerkung von Zeiten der Kindererziehung vor 1986.
Die am 5. Juni 1921 geborene Klägerin ist Verfolgte iS des § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG). Vom 1. April 1935 bis zum 30. November 1938 war sie in Berlin angestelltenversicherungspflichtig beschäftigt. Nach verfolgungsbedingter Arbeitslosigkeit wanderte sie im Februar 1939 in die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) aus. Seit dem 9. Juli 1946 ist sie Staatsbürgerin der USA. Dort heiratete sie im November 1947. Am 1. Juni 1953 gebar sie ihren Sohn R. S., am 22. Juli 1958 den Sohn B. D. In den Jahren 1953/54 und 1958/59 war sie in den USA nicht versicherungspflichtig beschäftigt.
Die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gewährt der Klägerin ab Januar 1982 vorzeitiges Frauen-Altersruhegeld von damals zuletzt 992,60 DM monatlich (Bescheid vom 11. Mai 1982). Bei der Rentenberechnung wurden neben den Pflichtbeiträgen aus der Vorkriegszeit die Zeit von Februar 1939 bis zum 31. Dezember 1949 als Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts iS von § 28 Abs 1 Nr 4 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) und die von der Klägerin 1977/78 nach de §§ 9, 10 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) für den Monat September 1953, für die Zeit von Januar bis Dezember 1959 und für die Zeit von Januar 1965 bis Dezember 1978 nachentrichteten Beiträge sowie eine pauschale Ausfallzeit von 36 Monaten berücksichtigt.
Im Februar 1986 beantragte die Klägerin, das ihr ab 5. Juni 1986 zu zahlende Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres unter Anrechnung von Kindererziehungszeiten neu zu berechnen. Mit dem streitigen Bescheid vom 8. Juli 1986, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 3. Oktober 1986, lehnte die Beklagte die Anerkennung von Kindererziehungszeiten iS von § 28a AVG ab. Zur Begründung führte sie aus, nach § 28a Abs 3 AVG iVm § 2a Abs 5 Satz 1 und 2 AVG würden Zeiten der Kindererziehung bis zum 31. Dezember 1985 im Ausland ua nur dann berücksichtigt, wenn Vater oder Mutter während der Kindererziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer Beschäftigung oder Tätigkeit im Ausland Pflichtbeitragszeiten nach dem Angestelltenversicherungsgesetz hätten. Diese Voraussetzung liege nicht vor.
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Berlin die Beklagte unter Aufhebung der streitigen Verwaltungsentscheidungen verurteilt, die Zeiten vom 1. Juli 1953 bis zum 30. Juni 1954 und vom 1. August 1958 bis zum 31. Juli 1959 als Zeiten der Kindererziehung nach § 28a AVG anzuerkennen. Es hat ausgeführt, die Nichtberücksichtigung von Kindererziehungszeiten bei Verfolgten, die verfolgungsbedingt ausgewandert sind und ihre Kinder im Ausland erzogen haben, beruhe auf einer Gesetzeslücke, die im Sinne der Wiedergutmachung nach Gleichbehandlungsgrundsätzen zu schließen sei, indem auch auf diese Personen §28a AVG anzuwenden sei.
Dem tritt die Beklagte mit der - vom SG zugelassenen und mit Zustimmung der Klägerin eingelegten - Sprungrevision entgegen. Sie meint, die Klägerin gehöre nicht zu dem von § 28a AVG begünstigten Personenkreis, weil weder sie noch ihr Ehemann wegen einer Beschäftigung oder Tätigkeit in den USA während der Kindererziehung oder unmittelbar vor Geburt der Kinder Pflichtbeiträge nach dem AVG entrichtet hätten. Die nach § 10 WGSVG nachentrichteten Beiträge seien nicht iS von § 2a Abs 5 Satz 1 AVG aufgrund einer Beschäftigung oder Tätigkeit im Ausland entrichtet worden. Sie seien auch nicht für Zeiten unmittelbar vor der Geburt geleistet worden und im übrigen höher bewertet als eine etwaige Kindererziehungszeit. Eine planwidrige Gesetzeslücke hinsichtlich der verfolgungsbedingt ausgewanderten Versicherten liege nicht vor. Kindererziehungszeiten sollten Lücken im Versicherungsleben von Vater oder Mutter schließen, die durch Kindererziehung entstanden seien. Die Wiedergutmachung in der Sozialversicherung sei durch das WGSVG aber nicht so ausgestaltet worden, daß das gesamte ausländische Versicherungsleben eines ausgewanderten Verfolgten in die deutsche Rentenversicherung eingegliedert werde. Es sei vielmehr für das deutsche Wiedergutmachungsrecht unerheblich. Daher gebe es keinen Grund, für Kindererziehungszeiten im Ausland aus wiedergutmachungsrechtlichen Überlegungen etwas anderes anzunehmen. Die Regelung der Verfolgtenersatzzeiten in § 28 Abs 1 Nr 4 AVG zeige im übrigen, daß der Gesetzgeber eine Wiedergutmachung in der Rentenversicherung für Zeiten ohne eigene Beitragsleistung des Verfolgten nur bis Dezember 1949 für begründet gehalten und dabei als Rechtsform der Wiedergutmachung eine Ersatzzeit, also eine Versicherungszeit mit besonderen Anrechnungsvoraussetzungen gewählt habe. Die Möglichkeit der Beitragsnachentrichtung nach den Vorschriften des WGSVG, die eine eigene Beitragsleistung des Verfolgten erfordere, lasse nicht den Schluß zu, diesem Personenkreis seien erst recht Kindererziehungszeiten zuzubilligen. Entsprechende Nachentrichtungsmöglichkeiten hätten auch für andere, nicht verfolgte Personenkreise bestanden. § 28b des Fremdrentengesetzes (FRG) lasse die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten nur bei solchen Verfolgten zu, die außerdem das Vertreibungsschicksal erlitten hätten, wenn die Erziehung der Kinder im Vertreibungsgebiet erfolgt sei. Es sei sachlich gerechtfertigt, diese vom Eingliederungsgedanken getragene Regelung nicht auf andere Verfolgte auszudehnen. Zwar sei die Problematik in den Materialien zum Gesetz zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten und zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten (Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetz -HEZG- vom 11. Juli 1985, BGBl I S 1450) nicht ausdrücklich angesprochen worden. Da das WGSVG aber eine abgeschlossene und lückenlose Regelung des Wiedergutmachungsrechts in der Sozialversicherung enthalte, wäre eine Sonderregelung für Kindererziehungszeiten im Ausland sogar systemwidrig und deswegen nicht zu erörtern gewesen. Unbeachtet seien diese Gesichtspunkte aber nicht geblieben, wie sich aus Art 2 § 61 Abs 4 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) idF durch Art 3 des Gesetzes über Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung für Kindererziehung an Mütter der Geburtsjahrgänge vor 1921 (Kindererziehungsleistungs-Gesetz -KLG- vom 12. Juli 1987, BGBl I S 1585) ergebe. Danach finden auf die Leistung für Kindererziehung die §§ 18 und 19 WGSVG, welche die Rentenzahlung an Verfolgte ins Ausland betreffen, entsprechende Anwendung. Schließlich habe auch das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, Auslandstatbestände bei Verfolgten seien nicht allein wegen des Verfolgungsschicksals ohne weiteres Inlandstatbeständen gleichzustellen (Hinweis auf BSG SozR 2200 § 1246 Nr 6).
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise, die Verfassungsmäßigkeit des § 28a AVG besonders zu prüfen und im Falle der Feststellung einer Verfassungswidrigkeit die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art100 des Grundgesetzes einzuholen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt vor, durch das KLG werde nun auch den vor 1921 geborenen Müttern, die sich verfolgungsbedingt im Ausland aufhielten, eine Leistung für Zeiten der Kindererziehung zugestanden, es sei denn, die Kinder seien im Ausland geboren. Sachgerechte Gründe für diese Unterscheidung, die ausschließlich auf das Alter der Mütter im Zeitpunkt der Verfolgung abstelle, seien nicht ersichtlich. Die Erziehungsleistung, auf die der Gesetzgeber abgestellt habe, sei bei allen Müttern gleich gewesen. Der Leistung für die menschliche Gesellschaft komme entscheidendes Gewicht zu. Wenn die Gesetzeslücke nicht durch Rechtsfortbildung geschlossen werden könne, verstoße die jetzige Gesetzesfassung gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 des Grundgesetzes (GG) und gegen Art 20 GG (Prinzip des Sozial- und Rechtsstaates).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Sprungrevision der Beklagten ist begründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Vormerkung der streitigen Kindererziehungszeiten zu.
Rechtsgrundlage der Anerkennung von "Zeiten der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986" (§ 27 Abs 1 Buchst c AVG) ist § 28a AVG. Nach Abs 1 Satz 1 dieser Vorschrift werden für die Erfüllung der Wartezeit Müttern und Vätern, die nach dem 31. Dezember 1920 geboren sind, Zeiten der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986 in den ersten zwölf Kalendermonaten nach Ablauf des Monats der Geburt des Kindes angerechnet, wenn sie a) ihr Kind im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder in dem jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze (Inland) erzogen und b) sich mit ihm dort gewöhnlich aufgehalten haben. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn die Klägerin hat ihre beiden Söhne in den USA erzogen.
Eine der Klägerin günstigere Regelung enthält das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA über Soziale Sicherheit vom 7. Januar 1976 (SVA USA -BGBl II S 1358- in Kraft getreten am 1. Dezember 1979 -BGBl II S 1283-) nicht. Zwar gelten nach Art 5 dieses Abkommens, soweit es nichts anderes bestimmt, die Rechtsvorschriften des einen Vertragsstaates, nach denen Ansprüche auf oder die Zahlung von Geldleistungen vom Inlandsaufenthalt abhängen, ua nicht für die Staatsangehörigen der anderen Vertragspartei iS von Art 3 Buchst a SVA USA. Diese stehen vielmehr nach Art 4 Abs 1 SVA USA bei Anwendung der Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates grundsätzlich dessen Staatsangehörigen gleich, wenn sie sich gewöhnlich im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates aufhalten. Daher steht bei Anwendung des § 28a AVG der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Klägerin, einer Staatsbürgerin der USA, mit ihren Söhnen in den USA dem gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gleich. Die Anrechnung von Kindererziehungszeiten nach § 28a Abs 1 Satz 1 AVG setzt aber außerdem voraus, daß die Versicherte ihr Kind im Inland erzogen hat. Die Klägerin hat jedoch ihre Kinder in den USA erzogen. Obwohl der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt von Eltern und Kindern im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei im Regelfall untrennbar mit der Erziehung der Kinder durch die Eltern verknüpft ist, erfaßt die Gebietsgleichstellung nach Art 5 SVA USA nur den "Aufenthalt" im Gebiet der anderen Vertragspartei, nicht die dort erfolgende Erziehung. Eine ausdrückliche Regelung über die Bedeutung des Ausdrucks "Inlandsaufenthalt" iS von Art 5 SVA USA trifft das Sozialversicherungsabkommen nicht. Nach Art 31 Abs 1 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (WVK -BGBl 1985 II S 926- in Kraft getreten für die Bundesrepublik Deutschland am 20. August 1987 -BGBl II S 757), der insoweit bereits zuvor geltendes Völkergewohnheitsrecht kodifiziert (vgl Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 21. Februar 1975, Series A Vol 18 S 14; BVerfGE 40, 141, 167; vgl auch Internationaler Gerichtshof, ICJ Reports 1971 S 40; Brötel, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge im Lichte der WKV, in Jura 1988, 343 ff mwN), ist ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Unter "Aufenthalt" ist aber nach der gewöhnlichen, auch dem SVA USA zugrundeliegenden Bedeutung ausschließlich der für die zulässige Ausübung von Staatsgewalt bedeutsame tatsächliche Umstand zu verstehen, daß sich eine Person im Hoheitsgebiet eines Staates befindet. Eine weitergehende, die Kindererziehung im Aufenthaltsgebiet erfassende Bedeutung haben die Parteien des SVA USA nicht vereinbart. Dies lag auch nicht in ihrem Blick, weil es bei Inkrafttreten des Abkommens nach deutschem Recht noch keine Versicherungszeiten wegen Kindererziehung im Inland gab. Eine ergänzende (sog evolutive bzw dynamische) Auslegung des Wortlauts des Art 5 SVA USA, der - wie allgemein bei zwischenstaatlichen Sozialversicherungsabkommen (BSG SozR 6850 Art 5 Nr 1 S 3 mwN) - der Interpretation enge Grenzen setzt, ist hier schon deswegen nicht zulässig, weil "Aufenthalt" kein offener, dem Wandel tatsächlicher Umstände oder rechtlicher Bewertungen ausgesetzter Vertragsbegriff ist (zu den "evolutiven" Begriffen vgl Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl 1984, S 497f).
Auch nach § 28a Abs 3 Satz 1 iVm § 2a Abs 5 Satz 1 und 2 AVG können die streitigen Kindererziehungszeiten nicht vorgemerkt werden. § 28a Abs 3 Satz 1 AVG bestimmt, daß ua § 2a Abs 5 AVG für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten vor 1986 entsprechend anzuwenden ist. § 2a Abs 5 AVG betrifft in unmittelbarer Anwendung die Pflichtversicherung von Müttern und Vätern wegen der Erziehung von Kindern ab 1. Januar 1986. Nach Abs 5 Satz 1 in entsprechender Anwendung gelten die Vorschriften über die Anrechnung von Zeiten der Kindererziehung vor 1986 auch für Mütter und Väter, die ihr Kind in einem Staat außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes erzogen und sich mit ihm dort gewöhnlich aufgehalten haben, wenn sie wegen einer Beschäftigung oder Tätigkeit in diesem Staat während der Kindererziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz haben. Abs 5 Satz 2 bestimmt, daß die Regelung des Satzes 1 auch für die Ehegatten der in Satz 1 genannten oder der in § 6 AVG aufgeführten versicherungsfreien oder der von der Versicherungspflicht befreiten Personen gilt. Aus den vom SG in Bezug genommenen Akten und aus dem Zusammenhang seiner tatsächlichen, für den Senat bindenden (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) Feststellungen ergibt sich, daß weder die Klägerin noch ihr Ehemann "wegen einer Beschäftigung oder Tätigkeit" in den USA "während der Kindererziehung oder unmittelbar vor der Geburt" der Kinder (1953 bzw 1958) Pflichtbeiträge nach dem AVG entrichtet haben. Zwar hat die Klägerin 1977/78 freiwillig Beiträge ua für September 1953 und für die Zeit von Januar bis Dezember 1959 nachentrichtet, die nach § 10 Abs 1 Satz 3 Regelung 2 WGSVG als rechtzeitig entrichtete Beiträge für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit gelten. Diese fiktiven (so BSG SozR 5070 § 10 Nr 1 S 2) Pflichtbeitragszeiten "hat" die Klägerin jedoch nicht "wegen einer Beschäftigung oder Tätigkeit" in den USA iS von § 2a Abs 5 Satz 1 AVG. Sie stand in den vorgenannten Zeiten in den USA in keinem Beschäftigungsverhältnis. Die Fiktion nach § 10 Abs 1 Satz 3 WGSVG greift hingegen aus Gründen der Entschädigung Verfolgter unabhängig davon ein, ob in den Zeiten, für die - freiwillig - Beiträge nachentrichtet werden, im Ausland eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist. Demgegenüber setzt § 2a Abs 5 Satz 1 AVG die Entrichtung von Pflichtbeiträgen aufgrund einer der Versicherungspflicht in der deutschen Angestelltenversicherung unterliegenden Beschäftigung oder Tätigkeit im Ausland voraus. Das folgt schon aus dem Wortlaut der Norm, ergibt sich aber auch aus ihrem Zweck und ihrer Stellung im Regelungszusammenhang des § 2a AVG. Danach soll die Pflichtversicherung wegen Kindererziehung ab 1. Januar 1986 eine Lücke beim Aufbau von Rentenanwartschaften schließen, die sich auftut, wenn während und - vom Gesetzgeber vermutet - wegen der Erziehung von Kindern im ersten Jahr nach der Geburt des Kindes Pflichtbeitragszeiten oder statt dessen bewertete Ersatz-, Ausfall- oder Zurechnungszeiten in einem Mindestumfang (§ 32 Abs 6a AVG) - nicht erworben worden sind (BT-Drucks 1026/77 S 28; Funke/Francke/Heller, Erziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung, AngVers 1985, 300 ff, 310). Die deutschen Vorschriften über die Versicherungspflicht wegen einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit sind aber grundsätzlich nur auf Erwerbstätigkeiten im Inland anwendbar, auf solche im Ausland hingegen nur, wenn ein völkerrechtlich zulässiger Anknüpfungstatbestand vorliegt, der bei einer Entsendung aufgrund eines inländischen Beschäftigungsverhältnisses iS von § 4 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches -SGB 4- (sog Ausstrahlung), einer Beschäftigung bei einer amtlichen Vertretung des Bundes iS von § 2 Abs 1 Nr 2 AVG oder einer zeitlich begrenzten Auslandsbeschäftigung iS von § 2 Abs 1 Nr 10 AVG gegeben ist. Für diese Fälle sieht § 2a Abs 5 Satz 1 AVG vom Erfordernis der Inlandserziehung ab, weil auch hier eine ausgleichsbedürftige Einbuße an deutschen Pflichtbeitragszeiten infolge der Kindererziehung droht. Folgerichtig schließt § 2a Abs 5 Satz 3 AVG demgegenüber die Eltern von der Pflichtversicherung wegen Kindererziehung aus, die sich zwar mit ihren Kindern gewöhnlich im Inland aufhalten und sie hier erziehen, aber in ihrer inländischen Beschäftigung oder Tätigkeit den deutschen Bestimmungen über Versicherungspflicht nicht unterliegen. Diese Grundsätze gelten nach § 28a Abs 3 Satz 1 AVG für Versicherungszeiten wegen Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986 entsprechend (vgl. auch § 32a Abs 5 AVG). Somit können die von der Klägerin freiwillig nachentrichteten, nicht aufgrund einer nach deutschem Recht rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit abgeführten Beiträge eine Anrechnung der Zeiten der Erziehung im Ausland nicht bewirken.
Dem SG kann nicht beigepflichtet werden, das AVG, das FRG oder das WGSVG enthielten im Blick auf Fälle der vorliegenden Art (Kindererziehung im Ausland nach dem 31. Dezember 1949) eine planwidrige und deshalb durch die Rechtsprechung auszufüllende Regelungslücke.
Der Zusammenhang der §§ 2a, 28a AVG verdeutlicht das Regelungskonzept des AVG. Für neue, dh nach dem 31. Dezember 1985 eintretende Versicherungsfälle wird der Nachteil beim Aufbau einer Rentenanwartschaft, den die Beanspruchung durch Kindererziehung - regelmäßig infolge der eingeschränkten Möglichkeit, versicherungspflichtig in der deutschen Angestelltenversicherung beschäftigt oder tätig zu sein - typischerweise bewirkt, auf zwei Wegen ausgeglichen: Zeiten der Erziehung ab 1. Januar 1986 werden der Pflichtversicherung nach § 2a AVG unterstellt und damit zu Beitragszeiten (§ 112 Abs 3 Buchst g und Abs 6, eingefügt durch Art 2 Nr 35 HEZG), solche vor 1986 als Versicherungszeiten eigener Art iS von § 27 Abs 1 Buchst c AVG auf die Wartezeit angerechnet (§ 28a AVG). In beiden Rechtsformen erfolgt der Nachteilsausgleich unabhängig davon, ob der Versicherte Deutscher ist oder die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates hat, ob er Verfolgter iS des § 1 BEG ist oder nicht. Für den Ausgleich allein entscheidend ist, ob während der auf die Wartezeit anzurechnenden (§ 27 Abs 1 Buchst a und c AVG) Zeit der Kindererziehung Beitrags-, Ersatz-, Ausfall- oder Zurechnungszeiten zumindest in Höhe des Wertes der einem Bruttoarbeitsentgelt von 75 vH des - aufgrund statistischer zurückgelegt worden sind, der einem Bruttoarbeitsentgelt von 75 vH des - aufgrund statistischer Inlandswerte ermittelten (§ 33 Abs 1 AVG, § 18 SGB 4) - durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelts aller rentenversicherten Arbeitnehmer entspricht (§§ 32 Abs 6a, 32a Abs 5 AVG). Nur wenn und soweit dieser Wert durch Pflichtbeiträge nicht erreicht und die Differenz auch durch freiwillige Beiträge oder beitragslose Versicherungszeiten nicht behoben worden ist, liegt der nach dem Plan des Gesetzes auszugleichende - erziehungsbedingte - Nachteil im deutschen Rentenversicherungsschutz vor. Die Nichtberücksichtigung von Zeiten der Kindererziehung im Ausland, in denen keine Pflichtbeiträge wegen einer nach deutschem Recht rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet worden sind und die sich auch nicht unmittelbar an solche Pflichtbeitragszeiten anschließen, ist somit nicht planwidrig, sondern entspricht dem Regelungskonzept des AVG. Für eine richterliche Lückenausfüllung oder Rechtsfortbildung läßt das AVG keinen Raum.
Soweit sich die Klägerin mit dem SG auf eine planwidrige Unvollständigkeit des FRG oder des WGSVG beruft, ist schon fraglich, ob - diesen Vortrag als sachlich zutreffend unterstellt - daraus überhaupt ein Anspruch auf Vormerkung von Versicherungszeiten nach dem AVG hergeleitet oder durch Richterrecht begründet werden könnte. Dies bedarf hier keiner Erörterung, weil die genannte Rechtsansicht der Klägerin und der Vorinstanz nicht zutrifft.
§ 28b Abs 1 Satz 1 FRG (idF durch Art 5 KLG) fügt sich in das Regelungskonzept des AVG nahtlos ein. Danach stehen bei den in § 1 FRG genannten Personen (anerkannte Vertriebene; Deutsche, die infolge von Kriegsauswirkungen einen früher für sie zuständigen Versicherungsträger eines auswärtigen Staates nicht mehr in Anspruch nehmen können; Deutsche, die nach dem 8. Mai 1945 in ausländisches Staatsgebiet zur Arbeitsleistung verbracht worden sind; heimatlose Ausländer; Hinterbliebene der vorgenannten Personen) und bei Personen, die ihren persönlichen Aufenthalt im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik hatten, für die Versicherung und die Anrechnung von Versicherungszeiten wegen Kindererziehung die Erziehung und der gewöhnliche Aufenthalt im jeweiligen Herkunftsgebiet der Erziehung und dem gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich. Soweit diese Personen nicht im Geltungsbereich des AVG oder im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze erzogen haben (vgl § 28a AVG), beruht die Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten auf dem das FRG tragenden Prinzip der Eingliederung (vgl BSG -Großer Senat- BSGE 60, 100 = SozR 5050 § 15 Nr 32 S 97 ff, - 103 f; Moser, Das Fremdrentengesetz, in: Deutsche Rentenversicherung 1988, 455, 456), nach dem alle in die Bundesrepublik Deutschland - insbesondere wegen des Vertreibungsgeschehens oder infolge anderer Kriegsauswirkungen - zugewanderten Personen, die ihren im Herkunftsgebiet erworbenen Versicherungsschutz verloren haben, rentenrechtlich grundsätzlich so gestellt werden, als hätten sie ihn hier erworben. Folgerichtig werden daher in § 28b Abs 1 Satz 1 FRG Erziehung und Aufenthalt im Herkunftsgebiet der Erziehung und dem Aufenthalt im Geltungsbereich des AVG gleichgestellt. § 28b Abs 1 FRG findet außerdem unter den Voraussetzungen der §§ 20, 19 Abs 2 Buchst a zweiter Halbsatz WGSVG auch auf vertriebene Verfolgte Anwendung, die sich nicht ausdrücklich zum deutschen Volkstum bekannt haben. Grund hierfür ist - worauf die Beklagte zutreffend hinweist -, daß diese Verfolgten auch das Vertreibungsschicksal erlitten haben, so daß sie nach den entschädigungsrechtlichen Prinzipien des WGSVG auch hinsichtlich der Kindererziehungszeiten wie anerkannte Vertriebene in das Rentenversicherungssystem der Bundesrepublik Deutschland einzugliedern sind. In allen vorgenannten Fallgruppen rechtfertigt sich die Gleichbehandlung mit inländischen Kindererziehungszeiten daraus, daß der erziehungsbedingte Nachteil im Rentenversicherungsschutz im wesentlichen infolge der Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges (Verlust des früher erworbenen Versicherungsschutzes) nach der Eingliederung des Versicherten in das westdeutsche Rentenversicherungssystem fortwirkt. Da das FRG der Bewältigung nur dieses "außerordentlichen Problems" (BVerfG SozR 5050 § 22 Nr 16) der Kriegsauswirkungen auf den Versicherungsschutz weiter Bevölkerungskreise dient, entspricht es seinem Regelungskonzept, nur die von diesen historischen Vorgängen - in generalisierender Betrachtung - beeinflußten Umstände den im Inland eingetretenen gleichzustellen. Es bedarf keiner näheren Erörterung, daß Zeiten einer Kindererziehung im Ausland nach dem Krieg und außerhalb der Vertreibungsgebiete (§§ 1 Abs 1 und 2 Nr 3, 3 Abs 1 des Bundesvertriebenengesetzes) keine derartigen Umstände sind.
Schließlich hat sich auch im WGSVG infolge der Bestimmungen über die Kindererziehungszeiten im AVG und im FRG keine planwidrige Regelungslücke aufgetan. Zweck des WGSVG ist, den Versicherten, die - wie die Klägerin - Verfolgte iS von § 1 BEG sind, den vollen Ausgleich des durch die nationalsozialistische Verfolgung erlittenen Schadens ua in ihrer Rentenversicherung zu ermöglichen (§ 1 Abs 1 WGSVG; BSG SozR 5070 § 9 Nr 75, 14 mwN). Soweit Verfolgte, die zum Personenkreis der rentenversicherungspflichtig Erwerbstätigen gehört haben, durch die Verfolgung aus dem Versicherungsverhältnis oder aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit verdrängt und gehindert worden sind, weitere Rentenversicherungsbeiträge zu entrichten, wird ihnen der Wiedereintritt in die deutsche Rentenversicherung dadurch eröffnet, daß sie sich weiterversichern (§§ 7, 9 WGSVG) und Beiträge nachentrichten können (§§ 8, 10, 10a WGSVG) und zwar auch dann, wenn dies nach den allgemeinen Vorschriften nicht (mehr) zulässig wäre (BSG SozR 5070 § 9 Nr 8 S 20). Ferner werden bei ihnen verfolgungsbedingte Zeiten der Freiheitsentziehung und Freiheitsbeschränkung, einer daran anschließenden Krankheit oder unverschuldeten Arbeitslosigkeit sowie Zeiten einer Arbeitslosigkeit bis zum 31. Dezember 1946 und eines Auslandsaufenthalts bis zum 31. Dezember 1949 als Ersatzzeiten anerkannt, wenn die Arbeitslosigkeit oder der Auslandsaufenthalt durch die Verfolgung hervorgerufen worden ist oder infolge der Verfolgungsmaßnahmen angedauert hat (§ 28 Abs 1 Nr 4 AVG). Außerdem sehen die §§ 12 bis 17 WGSVG einen Ausgleich von verfolgungsbedingten Nachteilen bei der Berechnung der Rente und die §§ 18, 19 WGSVG eine erweiterte Möglichkeit der Zahlung von Renten an Verfolgte ins Ausland vor.
Alle Entschädigungsregelungen des WGSVG setzen einen durch nationalsozialistische Verfolgungsmaßnahmen verursachten Schaden in einem Rentenanspruch oder in einer Rentenanwartschaft voraus. Da die Verfolgung mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges beendet worden ist, kann nur eine Beeinträchtigung der Rente oder Rentenanwartschaft wiedergutmachungsrechtlich von Bedeutung sein, die durch einen bis Kriegsende geschehenen Verfolgungseingriff verursacht worden ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob Verfolgte einen "Schaden in der Sozialversicherung" iS von § 1 Abs 1 WGSVG erlitten haben, wenn sie in die neuartige, erstmals lange nach Beendigung der Verfolgung eingeführte Verbesserung des westdeutschen Rentenversicherungsschutzes durch Anerkennung von Kindererziehungszeiten nicht durch das WGSVG, sondern nur nach den für alle Versicherten geltenden Bestimmungen einbezogen werden. Fraglich ist schon, ob Kindererziehung als Schaden iS von § 1 Abs 1 WGSVG bewertet werden darf. Zweifelhaft ist ferner, ob bei Kindererziehung nach Abschluß der Verfolgung überhaupt ein verfolgungsbedingter Schaden in der Sozialversicherung vorliegen kann, weil bei dem für die konkrete Schadensermittlung erforderlichen Vergleich zwischen der bis zum Abschluß der Verfolgung erlangten und der zu diesem Zeitpunkt ohne die Verfolgung wahrscheinlich erworbenen Rentenanwartschaft Versicherungszeiten wegen Kindererziehung schon deswegen nicht berücksichtigt werden können, weil es sie damals noch nicht gab; ihre Einführung war noch nicht absehbar. Der sonstige Schaden wird hingegen - wie ausgeführt - ua durch die Einräumung der Möglichkeit, durch Weiterversicherung bzw Nachentrichtung von Beiträgen wieder in die deutsche Rentenversicherung einzutreten, ausgeglichen. Macht der Verfolgte hiervon Gebrauch, liegt es nahe, ihn an den späteren Veränderungen des Rentenversicherungsschutzes in derselben Weise wie alle Versicherten, nicht aber nach wiedergutmachungsrechtlichen Grundsätzen zu beteiligen. Denn grundsätzlich ist der 8. Mai 1945 der Endzeitpunkt, bis zu dem nach dem WGSVG auszugleichende Schäden eingetreten sein können (BSG SozR 5070 § 14 Nr 7 S 16). Dies ist hier jedoch nicht vertiefend zu erörtern. Denn "durch die Verfolgung" erlitten (§ 1 Abs 1 WGSVG) wäre der Schaden jedenfalls im Blick auf Zeiten der Kindererziehung im Ausland nach dem 31. Dezember 1949 nicht. Unmittelbare Folge des Verfolgungseingriffs ist in Fällen der vorliegenden Art der Auslandsaufenthalt des Verfolgten. Wenn daraufhin Kinder nicht im Inland, sondern im Ausland geboren und erzogen werden, handelt es sich allenfalls um eine mittelbare Nachwirkung der Verfolgung. Daß das Wiedergutmachungsrecht keinen zeitlich unbegrenzten Ausgleich solcher indirekten Verfolgungswirkungen vorsieht, ergibt sich bereits aus § 28 Abs 1 Nr 4 AVG, nach dem eine verfolgungsbedingte Arbeitslosigkeit auch dann nur bis zum 31. Dezember 1946 als Ersatzzeit anerkannt werden kann, wenn sie über diesen Stichtag hinaus angedauert hat. Ebenso ist die unmittelbare Verfolgungsfolge des Auslandsaufenthalts nur bis zum 31. Dezember 1949 als Ersatzzeit anzurechnen. Über diesen Zeitraum hinaus kommt daher die Berücksichtigung bloß mittelbarer Nachwirkungen der Verfolgung nicht in Betracht. Gerade bezüglich späterer Zeiten der Kindererziehung im Ausland ist die ursächliche Verknüpfung mit der Verfolgung derart weitgehend gelockert, daß ein rechtlich bedeutsamer Zurechnungszusammenhang nicht mehr besteht. Es entzieht sich vernünftiger Beurteilung, ob eine Versicherte ohne die Verfolgung im Inland geblieben wäre, geheiratet und hier Kinder erzogen hätte oder aber kinderlos geblieben oder aus anderen Gründen später ausgewandert wäre. Jedenfalls bei einem Auslandsaufenthalt über den 31. Dezember 1949 hinaus drängt sich auf, daß es nicht mehr auf den Wirkungen der Verfolgung, sondern auf Gründen der Eingliederung in den neuen Heimatstaat beruhte, wenn die Kinder dort, nicht aber im Inland erzogen wurden (vgl BVerfG SozR 5070 § 10a Nr 8). Eine Einbeziehung solcher Kindererziehungszeiten in das WGSVG wäre demnach - wie die Beklagte richtig ausgeführt hat - system- und planwidrig.
Soweit es im vorliegenden Fall für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die Gültigkeit der §§ 2a Abs 5 Satz 1 und 2, 28a Abs 1 Satz 1 und Abs 3 Satz 1 AVG ankommt (Art 100 Abs 1 Satz 1 GG), bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, die den Senat zwängen, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen. Da - wie ausgeführt - die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen der Vormerkung der streitigen Zeiten der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986 nach § 28a AVG vorliegen, kommt es allein darauf an, ob es verfassungsgemäß ist, daß Zeiten nach dem 31. Dezember 1949, in denen eine Verfolgte ihre Kinder im Ausland erzogen hat, ohne daß sie oder ihr Ehegatte wegen einer Beschäftigung oder Tätigkeit in diesem Staat während der Kindererziehung oder unmittelbar vor der Geburt der Kinder Pflichtbeitragszeiten nach dem AVG hat, keine Versicherungszeiten iS von § 27 Abs 1 Buchst c AVG sind.
Es kommt hingegen nicht darauf an, ob die Regelungen der §§ 2a, 8a, 27 Abs 1 Buchst c, 28a, 32 Abs 6a, 32a Abs 5, 112 Abs 3 Buchst g und Abs 6, 117c AVG sowie § 28b Abs 1 FRG oder diese Bestimmungen im Zusammenhang mit denen des KLG den Vorschriften des GG ganz oder zum Teil widersprechen. Wären nämlich die Normen, auf welche die Klägerin ihr Vormerkungsbegehren stützt, wegen eines Verstoßes gegen die Verfassung nichtig, könnte kein anderes Urteil in der Sache ergehen, weil - wie dargelegt - ein Anspruch auf Vormerkung schon nach § 28a AVG nicht besteht. Gleiches gilt, wenn der Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen gehalten wäre, die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten im Rentenversicherungsrecht etwa durch Einbeziehung anderer Personenkreise oder durch eine für die Rentenberechnung günstigere Regelung nachzubessern (zu den diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Bedenken vgl ua von Maydell, Der Ausschluß älterer Frauen bei der Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem HEZG - verfassungsrechtliche Bewertung, in: Der Betrieb 1987, Beilage Nr 5, S 1-15 mwN; von Einem, Die Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses bestimmter Personen vom Erwerb von Kindererziehungszeiten, in: Mittelungen der LVA Rheinprovinz 1986, 431 ff; Fichte, Die Anrechnung von Zeiten der Kindererziehung in der Rentenversicherung, SGb 1987, 183ff, 187f; König, Kindererziehungszeiten und freiwillige Beitragsleistung, SGb 1988, 147ff, jeweils mwN).
§ 28a Abs 1 Satz 1, Abs 3 Satz 1 iVm § 2a Abs 5 Satz 1 und 2 AVG sind, jedenfalls soweit es für die hier entscheidungserhebliche Frage (s.o.) auf ihre Gültigkeit ankommt, nicht grundgesetzwidrig (im Ergebnis ebenso Ruland, Die Neuregelung der Hinterbliebenensicherung und die Einführung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung, NJW 1986, 20, 25 f mwN). Der Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 bis 3 GG ist nicht verletzt. Eine Unterscheidung nach Geschlecht, Abstammung, Rasse, Heimat, Herkunft oder Glauben (Art 3 Abs 2 und 3 GG) läßt das Gesetz nicht zu. Es differenziert nicht danach, ob die Versicherten Deutsche, Ausländer oder Verfolgte sind, sondern betrifft alle Versicherten in gleicher Weise. Ausschließliches materielles Differenzierungskriterium für die Anrechnung oder Nichtberücksichtigung von Zeiten der Kindererziehung (§ 27 Abs 1 Buchst c AVG) im Ausland - außerhalb der Vertreibungsgebiete - ist, ob der erziehende Elternteil oder der Ehegatte zu dem Kreis der Personen zu rechnen war, die während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes eine angestelltenversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit im Ausland ausgeübt und deswegen Pflichtbeitragszeiten nach dem AVG haben oder solche Pflichtbeitragszeiten nur deswegen nicht zurückgelegt haben, weil sie in ihrer dem Grunde nach angestelltenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit waren (§ 2a Abs 5 Satz 1 und 2 AVG).
Dieses Unterscheidungskriterium ist nicht willkürlich iS von Art 3 Abs 1 GG, nach dem alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Die Vorschrift verbietet dem Gesetzgeber eine objektiv willkürliche Ungleichbehandlung des - trotz gewisser Verschiedenheiten - in den wesentlichen Punkten Gleichen. Welche Sachverhaltselemente so wichtig sind, daß ihre Verschiedenheit eine Ungleichbehandlung rechtfertigt, hat regelmäßig der Gesetzgeber zu entscheiden. Er kann grundsätzlich die Sachverhalte auswählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpfen, die er also als im Rechtssinne "gleich" ansehen will. Sein Spielraum endet erst dort, wo die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte evidentermaßen nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten sachgerechten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für die Differenzierung fehlt (BVerfG stRspr, BVerfGE 9, 334, 337; 13, 31, 36; 71, 39, 58; 71, 255, 271). Wenn fraglich ist, ob ein Sachverhalt zu Recht oder willkürlich zu Unrecht in einen gesetzlichen Tatbestand nicht einbezogen worden ist, kommt es darauf an, welche Aufgabe dem Gesetz gestellt war und welcher rechtlichen Mittel es sich bei ihrer Lösung bedient hat (BVerfGE 9, 291, 294; 19, 119, 125). Dabei sind die sozialpolitischen Entscheidungen des Gesetzgebers hinzunehmen, solange seine Erwägungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des GG unvereinbar sind (BVerfGE 14, 288, 301).
Ziel der Anrechnung von Zeiten der Kindererziehung in der gesetzlichen Rentenversicherung ist - wie ausgeführt - eine individuelle Einbuße beim Erwerb von Anwartschaften in der deutschen Rentenversicherung während der Erziehung eines Kindes im 1. Lebensjahr bis zu einer bestimmten Obergrenze auszugleichen. Dieser Gesetzeszweck ist nicht verfassungswidrig. Er beruht auf der Erwägung, die Beanspruchung durch die Erziehung eines Kindes schränke vor allem die Möglichkeit ein, eine rentenversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit auszuüben und durch Pflichtbeitragsleistungen eigene Rentenansprüche aufzubauen (BT-Drucks 10/2677 S 28). Das ist keine offensichtlich fehlsame Annahme. Die gesetzliche Abgrenzung des Kreises der im Ausland erziehenden Personen, auf die sie zutrifft, dh das oben genannte materielle Differenzierungskriterium, ist ebenfalls nicht evident unsachlich. Infolge der Belastung mit Kindererziehung konnten nämlich nur Personen an der - vollen - Ausübung einer angestelltenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gehindert gewesen sein, die eine solche verrichtet haben oder sie am Ort der Erziehung hätten fortsetzen können. Der Versicherungspflicht in der deutschen Angestelltenversicherung unterliegen aber grundsätzlich nur Erwerbstätigkeiten, die im Inland ausgeübt werden, und Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben (§ 2 AVG, § 3 SGB 4). Folgerichtig und sachlich einleuchtend wird für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten gefordert, daß der Erziehende sich während der Erziehung im Inland gewöhnlich aufgehalten und sein Kind hier erzogen hat. Diese Anknüpfung an Inlandsaufenthalt und Inlandserziehung liegt auch deswegen nahe, weil Pflichtbeiträge als öffentlich-rechtliche Zwangsabgaben nur in den von der Gebietshoheit des Staates gesetzten Grenzen erhoben und beigetrieben werden dürfen. Nur scheinbar durchbricht § 2a Abs 5 AVG diesen Grundsatz. Soweit danach bei Eltern, die sich gewöhnlich im Ausland aufgehalten und ihr Kind dort erzogen haben, Pflichtbeitragszeiten nach deutschem Rentenversicherungsrecht verlangt werden, knüpft das Gesetz lediglich an die Erstreckung der Versicherungspflicht auf eine im Ausland ausgeübte Erwerbstätigkeit nach § 4 SGB 4 und § 2 Abs 1 Nr 2 und Nr 10 AVG an, die zulässig ist, weil ein inländisches oder ein Beschäftigungsverhältnis mit einem deutschen Arbeitgeber zugrundeliegt und jedenfalls ein inländischer Rechtsträger zur Zahlung der Beiträge verpflichtet ist. Soweit ferner auch Pflichtversicherungszeiten nach deutschem Recht "unmittelbar vor der Geburt des Kindes" für die Anrechnung ausreichen, folgt dies unmittelbar aus dem Zweck des Gesetzes, Ausgleich für entgangene Pflichtbeitragszeiten zu gewähren, wenn wegen Kindererziehung eine versicherungspflichtige Erwerbstätigkeit aufgegeben wird. Schließlich sind die Ehegatten solcher Erwerbstätigen in die Anrechnung einbezogen worden, die versicherungsfrei iS von § 6 AVG oder von der Versicherungspflicht befreit (§§8, 9 AVG) worden sind und deswegen selbst nach § 8a AVG grundsätzlich nicht der Pflichtversicherung bei Kindererziehung unterliegen. Das rechtfertigt sich - was keiner Darlegung bedarf - schon aus dem Gleichberechtigungsgebot (Art 3 Abs 2 GG) und aus der besonderen Schutzpflicht des Staates für Ehe und Familie (Art 6 Abs 1 GG), die es nicht gestattet, es dem Erziehenden zum Nachteil gereichen zu lassen, wenn er das Inland verläßt, um mit dem im Ausland erwerbstätigen Ehegatten und dem Kind als Familie zusammenzuleben. Außerdem knüpft das Gesetz auch hier daran an, daß der Ehegatte im Ausland eine in Deutschland dem Grunde nach angestelltenversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit ausübt.
Demgegenüber unterscheidet sich der Sachverhalt, der in der von der Klägerin repräsentierten Fallgruppe vorliegt, mit Blick auf den genannten Gesetzeszweck wesentlich. Die Erwägung, nicht die Erziehung der Kinder, sondern die Integration in ein ausländisches Rechts-, Wirtschafts- und Sozialsystem hätten hier den Aufbau einer deutschen Rentenanwartschaft durch Verrichtung einer angestelltenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit entgegengestanden, ist weder offensichtlich unsachlich noch widerspricht sie der Wertordnung des GG. Versicherte, die keiner angestelltenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgehen, sich mit ihren Kindern gewöhnlich im Ausland aufhalten und sie dort erziehen, sind in aller Regel und typischerweise nicht in der Lage, inländische Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer ausländischen Erwerbstätigkeit zurückzulegen. Falls sie ein Beschäftigungsverhältnis eingehen oder eine selbständige Tätigkeit aufnehmen, wird davon nur ihr ausländischer Versicherungsschutz, nicht ihre Anwartschaft in der deutschen Rentenversicherung berührt. Wird ihre ausländische Anwartschaft durch Kindererziehung beeinträchtigt, liegt kein Risiko vor, das den Gesetzgeber zwänge, eine Einstandspflicht der deutschen Angestelltenversicherung zu begründen. Nichts anderes gilt, wenn der seine Kinder im Ausland erziehende Versicherte Verfolgter ist und das Inland wegen Verfolgung verlassen hat. Eine verfassungsrechtliche Pflicht, ihn im Blick auf die Verfolgung so zu stellen, als habe er im Inland erzogen, ist jedenfalls für Zeiten nach dem 31. Dezember 1949, in denen der Auslandsaufenthalt - wie dargelegt - nicht mehr als verfolgungsbedingter Nachteil anzusehen ist, weder aus Art 3 Abs 1 GG noch aus den Grundsätzen des Rechts- und Sozialstaates herzuleiten. Vielmehr hat der Gesetzgeber bei der Gewährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche für Verfolgte einen besonders weiten Ermessensspielraum (BVerfGE 13, 31, 36). Dessen Grenzen hat er nicht verletzt, weil davon auszugehen ist, daß ab 1950 die Verfolgten im Ausland dort in das Gefüge des Arbeitslebens und der sozialen Sicherung eingegliedert waren.
Nach alledem sind die streitigen Verwaltungsentscheidungen rechtmäßig. Da die Klägerin keinen Anspruch auf Vormerkung von Zeiten der Kindererziehung hat, war die Revision erfolgreich und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen