Leitsatz (redaktionell)
1. Ein triftiger Grund zur Ablehnung einer durch die Versorgungsverwaltung angeordneten Röntgen-Durchleuchtung mit dem Hinweis auf Strahlenschäden ist nicht gegeben. Die hierauf gegründete Entziehung der Rente stellt keine Verletzung des BVG § 63 dar.
2. Die Regelung des BVG § 63, die bezweckt, nicht berechtigten Versorgungsempfängern die Versorgungsleistungen vorzuenthalten, verstößt weder gegen das Grundrecht der Menschenwürde (GG Art 1) noch gegen den Sozialstaatsgedanken (GG Art 20).
3. Das Gericht überschreitet nicht die Grenze des Rechts auf freie richterliche Beweiswürdigung (SGG § 128), wenn es unter Angabe der für seine richterliche Überzeugung maßgebenden Gründe einem fachärztlichen Gutachten folgt, das hinsichtlich der in ihm vertretenen Lehrmeinung von derjenigen abweicht, die nach SGG § 109 gehörter Gutachter vertritt; ein Verfahrensmangel kann hierdurch nicht begründet werden.
4. Das Gericht braucht dem Wunsch eines Beteiligten nach einem Obergutachten nicht nachzukommen; im Rahmen der Sachverhaltsforschung (SGG § 103) kommt es allein darauf an, ob es bei Urteilsfällung die bis dahin bekannt gewordenen Tatsachen als ausreichend ansehen durfte oder sich zu weiteren Ermittlungen hätte veranlaßt sehen müssen.
Orientierungssatz
Das LSG verstößt weder gegen SGG § 128 noch gegen SGG §§ 103 und 109 noch verletzt es den Grundsatz der Unverletzlichkeit der Menschenwürde (GG Art 1), wenn es die Akten mit allen über den Gesundheitszustand eines Versorgungsberechtigten bereits erstatteten Gutachten einem mit der Abgabe eines weiteren Gutachtens beauftragten ärztlichen Sachverständigen zugeleitet hat (vergleiche BSG 1961-07-12 9 RV 908/57 = SozR Nr 7 zu § 118 SGG).
Normenkette
BVG § 63 Fassung: 1950-12-20; SGG § 103 Fassung: 1953-09-03, § 109 Fassung: 1953-09-03, § 128 Fassung: 1953-09-03; GG Art. 20, 1
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 23. Mai 1966 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der 1907 geborene Kläger bezog aufgrund des Umanerkennungsbescheides vom 15. Januar 1952 wegen Magen-Darmkatarrh (Dickdarmkatarrh) als Folge von Ruhr, Teilversteifung an den linken Zehen, leichter Abmagerung des Fußrückens, Versorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v.H.. Da sich der Kläger weigerte, sich nachuntersuchen zu lassen, insbesondere sich einer Röntgenaufnahme und einer Magenausheberung zu unterziehen, stellte das Versorgungsamt (VersorgA) mit dem Bescheid vom 5. Oktober 1956 die Zahlung der Versorgungsbezüge mit Ende November 1956 ein. Auf Grund des Anerkenntnisses vom 30. Januar 1957 vor dem Sozialgericht (SG) Bremen nahm die Beklagte die Zahlung der Rente vom 1. Dezember 1956 an wieder auf, entzog aber mit dem weiteren Bescheid vom 17. September 1957 gemäß § 63 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) nunmehr vom 1. Oktober 1957 an die Rente. Unter dem 5. Februar 1958 hat das VersorgA Bremen zwar die Zahlung der Versorgungsbezüge wieder fortgesetzt, den Kläger aber zugleich erneut zur Untersuchung (Röntgenuntersuchung von Magen und Dickdarm, Untersuchung des Magensaftes) unter Androhung der Folgen nach § 63 BVG aufgefordert. Mit Bescheid vom 14. April 1958 entzog das VersorgA Bremen dem Kläger gemäß § 63 BVG neuerdings die Rente vom 1. Juni 1958 an, weil der Beschädigte der schriftlichen Aufforderung zur ärztlichen Untersuchung nicht nachgekommen ist. Sein Widerspruch hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 1958). Der Kläger hat Klage erhoben, da er die Magenausheberung und die Röntgenuntersuchung nicht für ungefährlich und daher für eine nicht zumutbare Maßnahme hält. Das SG Bremen hat mit Urteil vom 17. März 1960 die Klage abgewiesen. Die Verwaltung habe ihr Ermessen nicht falsch oder mißbräuchlich angewandt. Für die Ablehnung von Magenausheberung und Röntgenuntersuchung seien keine zwingenden Gründe erkennbar. Seit 1952 unterziehe sich der Kläger als nebenamtliche Lehrkraft auch einer Röntgendurchleuchtung.
Das Landessozialgericht (LSG) Bremen hat mit Urteil vom 30. Januar 1962 die Berufung des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat der erkennende Senat des Bundessozialgerichts (BSG) mit Urteil vom 13. Dezember 1962 das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen, weil sich das Berufungsgericht auf ein in einer anderen Streitsache eingeholtes, dem Kläger nicht vollständig mitgeteiltes Gutachten des Röntgenologen, Obermedizinalrat Dr. Sch gestützt hatte. Im erneuten Berufungsverfahren hat sich der Kläger gegen die Einholung eines Gutachtens von Dr. B mit dem Vorbringen gewehrt, daß seine Menschenwürde verletzt werde. Das LSG hat mit Urteil vom 23. Mai 1966 die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil der ersten Instanz erneut als unbegründet zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Es hat ausgeführt:
Die Entziehung der Rente nach § 63 Abs. 1 Satz 1 BVG sei eine Ermessensentscheidung. Das Verlangen nach einer ärztlichen Untersuchung des Magen-Darmtraktes sei nicht rechtsmißbräuchlich. Dem Kläger stehe kein triftiger Grund zur Seite, diese Untersuchung zu verweigern. Der Begriff "triftiger Grund" sei ein unbestimmter Rechtsbegriff, den das Gericht auszulegen habe. Das LSG ist in der Sache dem Gutachten des Direktors des Zentralröntgeninstituts des Zentralkrankenhauses B, Dr. B (Gutachten vom 28. März 1966) gefolgt, wonach die vom Kläger geforderten Röntgenuntersuchungen Maßnahmen sind, welche körperliche Schäden bei fachgerechter Durchführung der Röntgenuntersuchung nicht zur Folge haben können.
Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung von Verfahrensvorschriften und des materiellen Rechts. Er sieht eine Verletzung des Beweiswürdigungsrechts (§ 128 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) darin, daß das LSG dem Gutachten des Röntgenologen Dr. B gefolgt sei, obwohl er diesen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Gericht diesem Sachverständigen entgegen dem Willen des Klägers die Versorgungsakten zugänglich gemacht habe. Der Sachverständige sei unrichtig belehrt worden; ihm sei zur Unterscheidung von duldungspflichtigen und nicht duldungspflichtigen ärztlichen Untersuchungen der Inhalt von Verwaltungsvorschriften bekanntgegeben worden. Die Frage des Gerichts an den Sachverständigen, ob die Röntgenuntersuchung aus einem triftigen Grunde verweigert werden könne, sei eine Rechtsfrage, die zu entscheiden nicht Sache des Sachverständigen, sondern des Gerichts sei. Die Abgabe der Akten, insbesondere der Versorgungsakten, sei ein Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht und damit gegen das Recht der Menschenwürde (Art. 1 des Grundgesetzes - GG -). Versorgungsbehörde und Gericht hätten ihre Schweigepflicht nicht beachtet, obgleich sie vom Kläger nicht entbunden worden seien. Das Gericht hätte daher die Akten nicht dem von ihm ausgesuchten Sachverständigen vorlegen dürfen. In der Klageerhebung sei nach richtiger Ansicht noch keine Entbindung von der Schweigepflicht zu sehen. Das sozialgerichtliche Verfahren könne seinem Wesen nach nur Zivilprozeß sein, nicht aber ein Strafprozeß, so daß sich die ärztliche Schweigepflicht nach § 383 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 385 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) richte. Der Verstoß gegen die Schweigepflicht sei ein absoluter Verfahrensmangel, den auch das Revisionsgericht und notfalls das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu prüfen habe (so auch Peters/Sautter/Wolff § 106 II 74-44 Anm. 4 b). Das LSG hätte dem von Prof. Dr. W erstellten Gutachten beitreten und einen triftigen Grund zur Ablehnung von Röntgenuntersuchungen bejahen sollen, zumindest aber ein Obergutachten einholen müssen (Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG). Die Nichtberücksichtigung der Beurteilungszitate über die Schädlichkeit der Röntgenaufnahmen verstoße gegen die Aufklärungspflicht. Schließlich sei das LSG insofern fehlerhaft verfahren, als es über die Ablehnung der endgültigen Kostentragung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG durch Beschluß entschieden habe. Das Gutachten des Prof. Dr. W habe die Aufklärung des Sachverhalts gefördert. Sie sei auch notwendig gewesen, so daß das LSG die Kosten hätte tragen müssen.
Ein weiterer Verfahrensmangel sei, daß dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des BVerfG in einer ähnlichen Sache (Verfassungsbeschwerde eines Studienrats wegen § 47 Bundesseuchengesetz) nicht stattgegeben worden sei.
Das Anerkenntnis vom 30. Januar 1957 habe zwar die Beklagte noch zur Anordnung einer Nachuntersuchung berechtigt, nicht aber dazu, unverändert eine Röntgenaufnahme und eine Magenausheberung zu verlangen. In dem Anerkenntnis sei vielmehr ein Verzicht der Beklagten zu sehen. Auch dürften nicht Nachuntersuchungen, die mehrere Tage dauerten, gefordert werden. Da die Beklagte nicht mehr darauf bestanden habe, die Magenausheberung durchzuführen, sondern sich damit begnügte, den Gastracid-Test zu fordern, hätte das LSG den Klaganspruch auf Weiterzahlung der Rente anerkennen müssen.
Das LSG habe sich zu Unrecht auf die herrschende Ansicht gestützt, daß Röntgenuntersuchungen zumutbar seien; gerade das Gegenteil sei zutreffend. Das LSG habe offenbar die Ausführungen des Prof. Dr. W nicht verstanden. Dieser Sachverständige habe dargelegt, daß auf je 10 000 röntgenuntersuchte Personen ein Leukämie-Fall treffe. Während sich Prof. Dr. W auf die Untersuchungen von Hiroshima und Nagasaki gestützt habe, habe Dr. B für seine Beweisführung eine zu geringe beobachtete Patientenzahl in der Praxis beigebracht. Prof. Dr. W sei ein hochqualifizierter Röntgenexperte, während dem Sachverständigen Dr. B eine entsprechende Qualifikation fehle. Ohne ein weiteres Gutachten hätte das LSG dem Gutachten des Prof. Dr. W den Vorzug geben müssen. Insbesondere hätte das LSG nicht dem Gutachten des Prof. Dr. W den Vorzug deshalb versagen dürfen, weil dieses Gutachten "zu einem praktisch unhaltbaren Ergebnis" führe.
Schließlich habe die sachverständige Zeugin Dr. F ein übererregbares vegetatives Nervensystem des Klägers bestätigt, so daß ihm Erregungen nicht zumutbar seien, wie sie durch eine Röntgenaufnahme beim Kläger aber hervorgerufen werden. Die Nichterweislichkeit des triftigen Grundes gehe zu Lasten der Beklagten.
Der Kläger beantragt,
1) das Urteil und den Beschluß des Landessozialgerichts Bremen vom 23. Mai 1966, das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 17. März 1960, den Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamts vom 31. Mai 1958 und den Bescheid des Versorgungsamts B vom 14. April 1958 aufzuheben,
2) die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Versorgungsrente nach einer MdE um 30 v.H. über den 31. Mai 1958 hinaus zuzüglich 4 % Verzugszinsen zu zahlen,
3) die Kosten des Gutachtens von Prof. Dr. W auf die Staatskasse zu übernehmen,
hilfsweise,
das Verfahren bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde des Studienrats Dr. E (1 BvR 689/62) auszusetzen,
hilfsweise,
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Bremen zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Verfahrensrügen des Klägers nicht für stichhaltig. Das LSG habe Dr. B mit der Begutachtung betrauen und ihm auch die Akten aushändigen dürfen, ohne gegen die ärztliche Schweigepflicht zu verstoßen. Auch sei das LSG nicht verpflichtet gewesen, ein Obergutachten einzuholen. Das LSG habe verfahrensrechtlich einwandfrei die Kostenübernahme durch Gerichtsbeschluß ablehnen können. Zur Aussetzung des Verfahrens sei das LSG nicht verpflichtet gewesen.
Auch sachlich-rechtlich sei die Entscheidung des LSG gerechtfertigt; im Vergleich (Anerkenntnis) habe das LSG nicht auf Untersuchungsmaßnahmen verzichtet. Den Vermerk "Nachuntersuchung nach zwei Jahren" habe der Prüfarzt Dr. K berechtigterweise vorgenommen. Schließlich widerspreche eine Verzinsung ständiger Rechtsprechung des BSG.
Die Revision ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr.1 SGG). Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 164 Abs. 2 SGG).
Bei der Beurteilung der sachlich-rechtlichen Streitfragen ist von den tatsächlichen Feststellungen des LSG auszugehen; an sie ist das BSG gebunden, wenn gegen diese tatsächlichen Feststellungen zulässige und begründete Verfahrensrügen nicht vorgebracht werden (§ 163 SGG).
Der Kläger greift zunächst die Beweiswürdigung des LSG an.
Nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Das LSG hat sich bei der Beurteilung der Frage, ob der Kläger einen triftigen Grund hat, eine ärztliche Untersuchung abzulehnen, auf das Gutachten des Direktors des Zentralröntgeninstituts des Zentralkrankenhauses in Bremen Dr. B vom 28. März 1966 gestützt. Der Gutachten hat sich dahin geäußert, daß von fachärztlicher ... radiologischer Seite kein triftiger Grund zur Ablehnung einer Röntgenuntersuchung anerkannt werden könne. Diesem Gutachten konnte das LSG folgen, ohne die Grenzen des Rechts auf freie richterliche Beweiswürdigung zu überschreiten. Das Gericht hat auch die Gründe im angefochtenen Urteil angegeben, welche für seine richterliche Überzeugung leitend gewesen sind, sich ausführlich mit dem abweichenden, vom Kläger gem. § 109 SGG beantragten Gutachten des Prof. Dr. W (Direktor des Instituts für medizinische Physik) vom 19. März 1965 befaßt und dargelegt, warum es ihm nicht folgen kann. Zur fehlerfreien Beweiswürdigung gehört es nicht, daß sich das Gericht mit den in den Gutachten ärztlicher Sachverständiger vertretenen, voneinander abweichenden medizinischen Lehrmeinung im einzelnen auseinandersetzt (SozR SGG § 128 Nr. 33). Der Wunsch des Klägers, daß das Gericht dem ihm günstigen Gutachten folge, zielt auf eine unzulässige Einschränkung des freien richterlichen Beweiswürdigungsrechts hin und ist nicht geeignet, einen Verfahrensmangel zu begründen.
Auch die weiteren Rügen des Klägers, welche das Verfahren des Berufungsgerichts betreffen, greifen nicht durch. Die Rüge, das LSG habe die ihm obliegende Aufklärungspflicht nach § 106 SGG versäumt, greift nicht durch. Denn diese Vorschrift betrifft die Aufklärung der Beteiligten, nicht aber der Sachverständigen, die als Richtergehilfen dem Gericht helfen, soweit es das Gericht für nötig hält. Aber auch eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Kläger entfällt, weil dieser rechtskundig ist (so mit Recht Rohwer-Kahlmann SGG § 106 Rz (3d).
Nach § 118 SGG i.V.m. § 406 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen wie ein Richter abgelehnt werden. Gründe, weshalb der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu mißtrauen wäre, hat indes der Kläger entgegen § 406 Abs.3 ZPO nicht glaubhaft gemacht. Dies gilt auch für die beiden dem erkennenden Senat des LSG angehörenden Richter, die der Kläger als befangen abgelehnt hat. Insoweit ist daher das das Ablehnungsgesuch zurückweisende Verfahren des LSG nicht zu beanstanden.
Mit Recht hat das LSG dem Sachverständigen die gesamten zum Bestandteil der Gerichtsakten erklärten Akten zugänglich gemacht. Dazu gehören auch die Versorgungsakten; denn nur aufgrund einer Kenntnis aller Umstände kann sich der Sachverständige ein einwandfreies Bild zur Beurteilung des Sachverhalts machen. Aus diesem Grunde müssen ihm alle schon vorhandenen medizinischen Vorgutachten und Stellungnahmen der Beteiligten zugänglich sein. Da das Gericht verpflichtet ist, das Gesamtergebnis der Beweise zu würdigen (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG), muß auch der Sachverständige mit dem Gesamtergebnis vertraut gemacht werden, damit er den Richter im vollen Umfange beraten kann.
Die Behauptung des Klägers, der Sachverständige Dr. B sei unrichtig belehrt worden, trifft nicht zu, denn das Berufungsgericht hat in dem angegriffenen Beweisbeschluß vom 20. August 1965 dem Sachverständigen nicht, wie die Revision behauptet, die Beachtung von Verwaltungsvorschriften (VV) zur Pflicht gemacht, vielmehr lediglich aus den VV Beispiele von Operationen angeführt, die ein Patient nicht zu dulden braucht. Der Sachverständige hatte darüber zu entscheiden, ob dem Kläger eine Röntgendurchleuchtung bezüglich des Magen-Darmtraktes zumutbar sei oder ob er aus einem triftigen Grund diese Untersuchung ablehnen könne. Es trifft zwar zu, wie der Kläger vorträgt, daß "ein triftiger Grund" ein Rechtsbegriff und zwar, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, ein unbestimmter Rechtsbegriff ist (vgl. hierzu SozR BVG § 63 Nr. 1). Der Kläger übersieht aber, daß Rechtsbegriffe zugleich noch eine tatsächliche Bedeutung haben können, deren Vorliegen das Gericht feststellen kann, indem es dem Vorschlag eines Sachverständigen folgt. Die doppelsinnige Bedeutung des Begriffs "triftiger Grund" als Sachverhalt und als unbestimmter Rechtsbegriff erlaubt dem Gericht lediglich, nicht unbesehen aus der Feststellung des Sachverständigen ohne weiteres zu schließen, daß auch der Rechtsbegriff erfüllt ist.
Der Kläger verkennt auch das Gebot der ärztlichen Schweigepflicht mit dem Vorbringen, daß das Gericht mit der Abgabe der Versorgungsakten an einen ärztlichen Sachverständigen die Schweigepflicht verletze. Eine Schweigepflicht kommt vielmehr nur dem Arzte zu, der über eine Krankenbehandlung oder ärztliche Untersuchung oder ein Untersuchungsergebnis seines Patienten befragt wird. Die vom Kläger als verletzt bezeichneten Vorschriften der §§ 383 und 385 ZPO werden also im vorliegenden Fall unmittelbar gar nicht berührt. Auch der Richter ist in entsprechender Anwendung der §§ 45 Verwaltungsverfahrensgesetz (VerwVG), 141 Reichsversicherungsordnung (RVO) verpflichtet, Verschwiegenheit zu bewahren. Bei der Beurteilung dieser Verschwiegenheitspflicht, der Beachtung des Schutzes der Geheimsphäre des Menschen und damit des Schutzes der Würde des Menschen darf nicht übersehen werden, daß der Richter öffentlich zu judizieren hat. Das Gericht wird in § 106 Abs. 3 Nr. 2 SGG ausdrücklich ermächtigt, Krankenpapiere beizuziehen und die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sowie auszuführen. Die Möglichkeit, Krankenpapiere beizuziehen, wäre aber nicht sinnvoll, wenn ohne Angabe stichhaltiger Gründe, die eine Geheimhaltung rechtfertigen, lediglich unter allgemeiner Berufung auf den Grundsatz der Menschenwürde (Art. 1 GG) von den Unterlagen ein nicht dem Zweck des Verfahrens entsprechender Gebrauch gemacht werden könnte. Abgesehen davon, daß der Kläger in der Klageschrift vom 22. Dezember 1956/22. Januar 1957 über seinen Leidenszustand einen sachverständigen Zeugen benannt hat und in dieser Berufung auf Behandlungsunterlagen eine allgemeine Befreiung des Arztes von der Schweigepflicht zu erblicken ist, wird - wie das BSG bereits am 12. Juli 1961 (9 RV 908/57) entschieden hat (SozR SGG § 118 Nr. 7) - das vom Kläger in Wahrheit verfolgte Interesse, eine angeblich unzulässige Beeinflussung des Gutachters auszuschließen, durch Art. 1 GG nicht geschützt. Der Kläger verweist auf eine Beurteilung in den Versorgungsakten, "er sei außerordentlich empfindlich", und auf eine weitere Beurteilung, "er sei ein vegetativ-stigmatisierter Mensch, bei dem sich die Beschwerden nicht bessern würden". Er will also in Wirklichkeit nicht "den Geheimbereich der eigenen Person" gewahrt wissen, sondern dadurch eine unvoreingenommene Begutachtung erreichen, daß bereits bekannte Tatsachen und bereits vorliegende Beurteilungen dem Sachverständigen nicht mitgeteilt werden. Dies hat aber mit dem Schutz des Geheimbereichs der eigenen Person nichts zu tun und stellt keine stichhaltigen Gründe dar, die eine Geheimhaltung rechtfertigen. Der Kläger will nach seinem Vorbringen ja selbst nicht die Einzelheiten seiner Intimsphäre einem "unvoreingenommenen" Gutachter vorenthalten, sondern er will nur verhindern, daß der vom Gericht ausgewählte Gutachter die Ansicht früherer Gutachter zur Kenntnis nimmt. Damit ist aber ein Verstoß gegen den Grundsatz der Unverletzlichkeit der Menschenwürde (Art. 1 GG) nicht gegeben. Wie das BSG in der o.a. Entscheidung vom 12. Juli 1961 mit näherer Begründung ausgeführt hat, kann ein Gericht die ihm von Amts wegen obliegende Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nur erfüllen, wenn einem Sachverständigen die Akten mit sämtlichen früheren Gutachten übersandt werden. Eine unvollständige Unterrichtung des Sachverständigen würde nicht zu einer erschöpfenden objektiven Aufklärung des Sachverhalts führen und damit auch dem Kläger nicht dienlich sein, wie das BSG in dem bereits angeführten Beschluß vom 12. Juli 1961 näher dargelegt hat. Die Menschenwürde des Klägers, die an sich das höchste Rechtsgut darstellt (BVerfG 12, 53), ist daher wegen Mißachtung der Schweigepflicht nicht verletzt. Sie ist auch nicht dadurch verletzt, daß der Kläger, der von einem öffentlichen Leistungsträger eine Rente beansprucht, dulden muß, daß die Versorgungsverwaltung laufend überwacht, ob dieser Anspruch auf wiederkehrende Versorgungsleistungen noch begründet ist. Das gilt um so mehr, wenn die vorausgegangenen Untersuchungen Anhaltspunkte dafür ergeben haben, daß der Ernährungszustand in Ordnung und die Funktion des Magen-Darmtraktes einwandfrei sein könnte. Die Versorgungsverwaltung würde vielmehr pflichtwidrig handeln, wenn sie den Kläger bei derartigen Anhaltspunkten für eine Minderung der Erwerbsfähigkeit ununtersucht lassen würde und ihn ohne Nachprüfung in dem Genuß der Rente beließe. Die Menschenwürde wird durch eine Untersuchung im übrigen auch deshalb nicht beeinträchtigt, weil der Kläger (rechtlich) nicht verpflichtet ist, sich untersuchen zu lassen; es handelt sich vielmehr nur um eine Obliegenheit, die er erfüllen mag oder nicht erfüllen mag, wenn er nur bereit ist, die Folgen der Verweigerung einer Untersuchung zu tragen. Solche Obliegenheiten sind keine in irgendeiner Art erzwingbare Verbindlichkeiten, sondern lediglich Voraussetzungen für die Erhaltung des Anspruchs auf Versorgung (vgl. §§ 17 ff VerwVG; § 63 BVG); gerade darum handelt es sich im vorliegenden Rechtsstreit.
Auch dem Wunsche des Klägers nach einem Obergutachten brauchte das Gericht nicht nachzukommen. Gemäß § 103 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt - abweichend von der ZPO - von Amts wegen. Hierbei ist es an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden (§ 103 Satz 2 SGG). Demnach bestimmt es allein im Rahmen seines richterlichen Ermessens die Ermittlungen und Maßnahmen, die es für die Aufklärung des Sachverhalts für notwendig hält. Dementsprechend kann es ohne Antrag Beweise erheben oder von der Erhebung weiterer Beweise, die ein Beteiligter beantragt hat, absehen. Es kommt allein darauf an, ob es bei seiner Urteilsfällung die ihm bis dahin bekannt gewordenen Tatsachen für ausreichend ansehen durfte oder sich zu weiteren Ermittlungen hätte veranlaßt sehen müssen. Da aber dem LSG das ausführliche Gutachten des Sachverständigen Dr. B vom 28. März 1966 (abgesehen von dem Gutachten des Röntgenologen Obermedizinalrat Dr. Sch vom 29. Juni 1958) genügen konnte, war das Gericht nicht verpflichtet, weitere Gutachten einzuholen. Prof. Dr. W hat zwar auf die Gefahren von Atomstrahlungen bei Kriegsende in Japan hingewiesen. Da aber solche außergewöhnlich starken Strahleneinwirkungen, die gerade auf die Vernichtung aller Lebewesen hinzielen, bei einer einzelnen ärztlichen Röntgenuntersuchung nicht vorliegen, hat das LSG seiner Sachaufklärungspflicht dadurch genügt, daß es sich auf das Gutachten, dem es folgen wollte, beschränkt hat, zumal dieses Gutachten von den Erfahrungen in der ärztlichen Praxis ausgegangen ist und nach Aufbau, wissenschaftlicher Methode und Inhalt überzeugend war. Der Sachverständige hat schließlich auch durch Anführung einer umfangreichen Liste fachmedizinischer Literatur dargetan, daß er nicht einen einseitigen Standpunkt eingenommen hat. Da außerdem das Gericht nicht verpflichtet ist, den wissenschaftlichen Lehrmeinungen bis ins einzelne nachzugehen, war es nicht genötigt, aus den Literaturangaben des Prof. Dr. W weitere Sachverständige auszusuchen und zu hören.
Schließlich wehrt sich der Kläger dagegen, daß das LSG durch Beschluß nach Urteilsverkündung die Übernahme der Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens abgelehnt hat. Dem Revisionsgericht ist es indes verwehrt, nachzuprüfen, ob hierin ein Verfahrensfehler liegt, weil dieser Beschluß, welcher nach der Urteilsverkündung ergangen ist, nicht mit einem Rechtsmittel anfechtbar ist und auch nicht mit dem Berufungsurteil nachgeprüft werden kann, weil er unanfechtbar ist (§ 177 SGG). Dem Kläger ist durch diese Verfahrensweise kein Nachteil entstanden, weil dieser Beschluß dann hinfällig werden würde, wenn das Revisionsgericht aus anderen Gründen zu einer Aufhebung des Berufungsurteils käme. Entgegen der Ansicht des Klägers ist das Gericht grundsätzlich darin frei, ob es die Entscheidung über die Kostentragung nach § 109 Abs. 2 SGG im Urteil ausspricht oder getrennt vom Urteil durch Beschluß trifft (s. dazu Peters/Sautter/Wolff, SGG I 109 Anm. 7 b Seite II/74-82 f -).
Dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens brauchte das LSG deshalb nicht zu entsprechen, weil die bezeichnete beim BVerfG anhängige Beschwerdesache nicht den vorliegenden Fall betrifft; denn dort handelt es sich um eine beamtenrechtliche Entscheidung über die Duldungspflicht einer Lehrkraft, während hier die Obliegenheit eines Versorgungsberechtigten streitig ist, sich nachuntersuchen zu lassen. Abgesehen davon ist das SG in jeder Instanz gehalten, gem. § 106 Abs. 2 SGG möglichst in einer Verhandlung den Rechtsstreit zu erledigen, so daß für eine Aussetzung des Verfahrens im Gegensatz zum Zivilprozeß grundsätzlich kein Raum ist.
Damit erweisen sich sämtliche Verfahrensrügen des Klägers als nicht stichhaltig, so daß der Senat von den vom LSG festgestellten Tatsachen für seine sachlich-rechtliche Entscheidung auszugehen hat.
Sachlich-rechtlich ist streitig, ob dem Kläger ein triftiger Grund zur Seite steht, um die von der Versorgungsverwaltung beabsichtigten ärztlichen Untersuchungen zu verweigern. Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 BVG in der vor dem 1. Neuordnungsgesetz (NOG) vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) am 1. Juni 1960 in Kraft getretenen Fassung kann die Rente entzogen werden, wenn ein Rentenempfänger ohne triftigen Grund einer schriftlichen Aufforderung zum Erscheinen zu einer ärztlichen Untersuchung nicht nachkommt (§ 63 BVG idF vom 1. Juli 1957 - BGBl I 661 -; diese Gesetzesfassung, welche die Rechtsfolge der Rentenentziehung noch ohne zeitliche Begrenzung zugelassen hat, kommt hier in Betracht, weil der Bescheid vom 14. April 1958 angefochten ist).
Nach § 63 Abs. 1 Satz 2 BVG idF des 1. NOG kann einem Beschädigten die Rente auf Zeit, ganz oder teilweise entzogen werden, wenn er ohne triftigen Grund einer schriftlichen Aufforderung zum Erscheinen zu einer ärztlichen Untersuchung nicht nachkommt. Nach § 63 Abs. 3 BVG idF des 1. NOG muß der Rentenempfänger vor einer Entziehung der Versorgungsbezüge schriftlich auf die Folgen seines Verhaltens hingewiesen werden; ihm ist eine angemessene Frist zur Erklärung einzuräumen. § 63 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 BVG idF des 3. NOG vom 28. Dezember 1966 (BGBl I 70) hat die Begriffe "Rentenempfänger und Rente" durch "Versorgungsberechtigter und Versorgung" ersetzt, ohne sonst den Betroffenen Personenkreis zu ändern.
Da der angefochtene Verwaltungsakt dem Kläger nur die Rente mit Wirkung vom 1. Juni 1958 an vollständig entzogen hat, nachdem der Kläger schriftlich auf die Folgen einer Verweigerung der Untersuchung hingewiesen worden war, sind die Gesetzesänderungen vom 1. NOG (27.6.1960) an für die Beurteilung des konkreten Sachverhalts nicht rechtserheblich. Nach § 63 BVG kommt es darauf an, ob der Kläger einen triftigen Grund hat, eine Röntgendurchleuchtung des Magen-Darmkanals und eine Magenausheberung abzulehnen. Das LSG hat in der angefochtenen Entscheidung dahingestellt sein lassen, ob auch die Verweigerung der Magenausheberung die Rechtsfolge des Rentenentzuges berechtigterweise nach sich ziehen durfte; es hat sich vielmehr darauf beschränkt, die Rechtmäßigkeit des Rentenentzuges vom 1. Juni 1958 an deshalb zu bejahen, weil sich der Kläger ohne triftigen Grund der Röntgenaufnahme des Magen-Darmtraktes entzogen hat. Der Senat hat daher vorgängig die Frage zu prüfen, ob er durch die Beschränkung in der Beurteilung, die sich das Berufungsgericht auferlegt hat, auch gebunden ist, die sachlich-rechtliche Frage in gleichem (beschränktem) Umfang zu prüfen oder ob er den Prozeßstoff im ganzen sachlich-rechtlich zu prüfen hat, da es sich um eine zugelassene Revision handelt. Die Entscheidung dieser Frage hängt davon ab, welche tatsächliche Feststellung das LSG bezüglich der Magenausheberung getroffen hat. Nicht genügend erscheint die Darlegung des LSG, daß es nicht habe feststellen können, "daß das Verlangen der Beklagten, der Kläger solle sich einer ärztlichen Untersuchung des Magen-Darmtraktes während eines Krankenhausaufenthaltes unterziehen, als Rechtsmißbrauch anzusehen sei". Auch der weitere Ausspruch des LSG, daß der Kläger keinen triftigen Grund habe, diese Untersuchung zu verweigern, muß im Zweifel als sachlich-rechtliche Entscheidung und nicht als tatsächliche Feststellung gedeutet werden. Das LSG hat dahingestellt sein lassen, ob der Kläger die chemische Magenuntersuchung aus triftigem Grund verweigert, weil sie nur in Verbindung mit einer Röntgenuntersuchung des Magen-Darmkanals einen Sinn habe. Das Gericht hat also die medizinischen Beweise, welche das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines triftigen Grundes betreffen, um eine Magenausheberung abzulehnen, nicht mehr gewürdigt. Mangels tatsächlicher Feststellung in dieser Hinsicht muß sich daher auch das Revisionsgericht auf die Rechtsfrage beschränken, zu prüfen, ob der Kläger die Röntgenuntersuchung aus triftigem Grund ablehnt (§ 63 BVG). Hierzu hat das LSG, dem Sachverständigen Dr. B im Gutachten vom 28. März 1966 folgend, festgestellt, "daß die vom Kläger geforderten Röntgenuntersuchungen Maßnahmen sind, die körperliche Schäden bei fachgerechter Durchführung der Röntgenuntersuchungen nicht zur Folge haben können". Die Behauptung des Klägers im Schriftsatz vom 28. Februar 1967, der erkennende Senat habe in seinem Urteil vom 13. Dezember 1962 - 8 RV 365/62 - darauf hingewiesen, daß wegen des Gesundheitszustandes des Klägers die Durchleuchtung des Magen-Darmkanals mit einer Strahlengefährdung verbunden sein könnte, trifft in dieser Form nicht zu; denn der Senat hat sich zu dieser medizinischen Frage selbst nicht geäußert; er hat vielmehr nur die Möglichkeit offengelassen, daß der Kläger über diese Frage einen ärztlichen Sachverständigen nach § 109 SGG benennt. Von den Einwendungen der Sachverständigen, welche Bedenken gegen die Röntgenuntersuchungen erhoben haben, hat sich das LSG nicht überzeugen lassen und brauchte dies auch nach der Sachlage nicht zu tun, weil das LSG die Angriffe gegen das Gutachten des Sachverständigen Dr. B nicht für stichhaltig ansehen mußte. Ist aber nach medizinischer Auffassung und zur Überzeugung des Berufungsgerichts bei einer Röntgendurchleuchtung des Magen-Darmkanals kein körperlicher Schaden zu befürchten, so fehlt es an einem triftigen Grund, die Röntgenuntersuchung zu verweigern, so daß die Weigerung des Klägers die Rechtsfolge des Rentenentzuges nach sich zieht. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, daß "triftiger Grund" ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, sind zwar zutreffend und stimmen mit der Entscheidung des BSG in SozR BVG § 63 Nr. 1 überein. Da aber nach den erfolglos angegriffenen und daher das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) kein Körperschaden durch eine Röntgenuntersuchung zu erwarten ist, fehlt es schlechthin an einem objektivierbaren Grund, die Röntgenuntersuchung abzulehnen. Jeder unbestimmte Rechtsbegriff hat einen Begriffskern und einen - im Verhältnis zu dem bestimmten Rechtsbegriff - sehr viel umfangreicheren Begriffshof. Da die Ablehnung der Röntgenuntersuchung sich nur aus subjektiven Gründen erklären läßt, der Rechtsbegriff aber objektiv zu bestimmen ist, hat der Kläger schon im Kernbereich dieses Begriffes keinen triftigen Grund zur Verweigerung der Untersuchung. Das LSG hat mithin frei von Rechtsirrtum den angefochtenen Verwaltungsakt bestätigt, welcher die Rechtsfolge des Rentenentzuges vom 1. Juni 1958 an ausgesprochen hat. Das LSG hat mit Recht ausgesprochen, daß die Versorgungsbehörde das ihr in § 63 BVG (idF vom 1. Juli 1957) eingeräumte Ermessen nicht fehlerhaft oder sachfremd gebraucht hat (BSG in SozR BVG § 63 Nr. 1; RVG 8, 7).
Diese aus § 63 BVG zu ziehende Rechtsfolge wird auch durch das weitere Vorbringen des Klägers nicht beseitigt oder eingeschränkt. Die Versorgungsverwaltung hat dafür zu sorgen, daß die Haushaltsmittel ihrem Zweck entsprechend und sparsam verwandt werden (§ 26 Abs. 1 der Reichshaushaltsordnung). Der Beschäftigte ist verpflichtet, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 12 Abs. 1 Satz 2 VerwVG). Dabei kommt es auf die Ausführungen in den Verwaltungsvorschriften zu dieser Gesetzesvorschrift nicht an. Dieser gesetzlichen Aufklärungspflicht und der in § 63 BVG normierten Obliegenheit, sich röntgenologisch untersuchen zu lassen, setzt der Kläger zu Unrecht entgegen, daß er durch das Anerkenntnis vom 30. Januar 1957 von jeglicher Pflicht entbunden sei, sich untersuchen zu lassen. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Vorbringen der Beklagten zutrifft, daß nur aus formalen Gründen (zu geringe Spezifizierung der vorzunehmenden Untersuchungshandlungen) das Anerkenntnis abgegeben worden ist, denn das Anerkenntnis (der Vergleich) beschränkt die Beklagte nicht darin, überhaupt oder bestimmte medizinische Untersuchungen in Ansehung des Klägers zu unterlassen. Eine solche Verpflichtung einzugehen, würde auch der Aufklärungspflicht von Amts wegen (§ 12 VerwVG) widersprechen und wäre demnach gesetzwidrig. Von einer so weittragenden Verpflichtung kann daher mangels einer schriftlichen Beurkundung nicht ausgegangen werden. Der Vergleich bzw. das angenommene Anerkenntnis hat vielmehr nur das bisherige Verfahren abgeschlossen (§ 101 SGG), nicht aber die Beklagte für die Zukunft in der angegebenen Richtung gebunden. Da eine Prozeßhandlung (Klagerücknahme und Anerkenntnis) bedingungsfeindlich ist, kann der Inhalt des abgegebenen Anerkenntnisses vom 30. Januar 1957 nicht dafür sprechen, daß die Beklagte einen weitergehenden Verzicht ausgesprochen hat, als das SG protokolliert hat.
Die Sozialstaatsklausel (Art. 20 GG) und das Grundrecht der Menschenwürde (Art. 1 GG) sind zwar unmittelbar geltendes Recht, aber doch so wenig konkret, daß sie einer näheren Bestimmung bedürfen, inwieweit mit Rücksicht auf diese Verfassungsnormen Eingriffe der Verwaltung abgewehrt werden können. Dabei bleibt dem Gesetzgeber noch ein erheblicher Spielraum, innerhalb dessen er zur Verhütung zweckwidriger Verwendung von Haushaltsmitteln Leistungsgewährung und Leistungsversagung regeln kann. § 63 BVG ist sinnvoll, indem diese Vorschrift den Zweck verfolgt, nicht berechtigte Versorgungsempfänger von der Zuteilung von Versorgungsmitteln fernzuhalten. Diese Vorschrift verstößt weder gegen die Menschenwürde, noch gegen den Sozialstaatsgedanken. Sache des Gesetzgebers ist es, den durch die Verfassung gegebenen Maßstab an Rechtssicherheit, Rechtsstaatlichkeit, Sozialstaatlichkeit und Gerechtigkeit in das Gesetzeswerk einzubauen. Die der Verwaltung gestellte Aufgabe muß zunächst nach dem einfachen Gesetz gemessen werden. Erst das Gesetz, hier § 63 BVG, ist am Grundgesetz zu messen. Bei dieser Messung erweist sich aber § 63 BVG als rechtsbeständig, weil diese Vorschrift erforderlich ist, um eine gerechte Zuteilung der Versorgungsmittel zu sichern. Der einfache Gesetzgeber hat mithin einen Spielraum, den er mit der Ermächtigung zum Erlaß von Gesetzen hat, im Rahmen des Grundgesetzes gewahrt (vgl. BVerfGE 13, 97, 107; 14, 297; 18, 138).
Der Kläger kann sich auch auf seine angebliche Übererregbarkeit des Nervensystems nicht berufen, jedenfalls nicht bei Erduldung einer Röntgenaufnahme, weil diese das Nervensystem nach ärztlichem Urteil nicht berührt. Der Grundsatz, daß im Zweifel zugunsten des Versorgungsberechtigten entschieden werden muß, ist dem Versorgungsrecht fremd (BSG 6, 70). Es darf zwar aus der Verweigerung der angeordneten Untersuchung nicht ohne weiteres geschlossen werden, daß der Anspruch des Klägers unbegründet ist (SozR SGG § 128 Nr. 32). Aber auch aus dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 444 ZPO ist zu folgern, daß dann, wenn ein Beteiligter die Benutzung eines Beweismittels und damit die Aufklärung des Sachverhalts ohne triftigen Grund und daher aus einem von ihm zu vertretenden Grund vereitelt, dieses Verhalten zugunsten des anderen Beteiligten zu würdigen ist, so daß der Schluß erlaubt ist, daß der Sachverhalt zum Nachteil des Klägers geklärt ist (vgl. Schönberger, Zumutbarkeit diagnostischer Maßnahmen in Die Berufsgenossenschaft 1963, 367). Die Nichterweislichkeit geht also zu Lasten des Klägers, der sich einer Untersuchung ohne triftigen Grund entzogen hat.
Die Anordnung von Untersuchungsmaßnahmen verstößt weiter auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil die damit verbundenen geringen Beschwerden dem Beschädigten in höherem Grade zugemutet werden können, als dem Staat eine zweckwidrige Verwendung wiederkehrender Leistungen.
Schließlich kann die Unzulässigkeit der Nachuntersuchung auch nicht damit begründet werden, daß die Höhe der MdE wegen Besserung des Gesundheitszustandes im Hinblick auf das Lebensalter eines Versorgungsberechtigten nicht neu festzustellen ist (§ 62 Abs. 4 BVG idF des 1. NOG). Das BVG kannte in der vor dem 1. Juni 1960 geltenden Fassung keine derartige Vorschrift. Die Frage der Unterlassung einer Nachuntersuchung ist erstmals in den Verwaltungsvorschriften (VV) vom 3. September 1958 (B.A. Nr. 176) zu § 62 BVG idF vom 1. Juli 1967 (BGBl I 661, 1061) behandelt worden. Nr. 6 VV sah vor, daß eine ärztliche Nachuntersuchung im allgemeinen unterbleiben soll, wenn nach der Art der Schädigungsfolge nicht mit einer wesentlichen Änderung zu rechnen ist. Erst mit dem 1. NOG ist seit dem 1. Juni 1960 eine Neufeststellung (und damit eine Nachuntersuchung - VV Nr. 4) ausgeschlossen, wenn der Versorgungsberechtigte das 60. Lebensjahr vollendet hat. Der Rechtsstreit betrifft die Entziehung der Rente vom 1. Juni 1960 an; damals war der 1907 geborene Kläger noch nicht 60 Jahre alt. Das 2. NOG hat sachlich nichts geändert (§ 62 Abs. 3 BVG idF des 2. NOG). Mit dem 3. NOG ist das Lebensalter zwar auf 55 Jahre herabgesetzt worden; diese Vorschrift gilt aber erst vom 1. Januar 1967 an und umfaßt somit nicht die vorliegende Zeit. Der Kläger konnte daher mit der Berufung auf § 62 BVG die von der Versorgungsverwaltung angeordnete Nachuntersuchung nicht verweigern.
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist das Berufungsurteil in den Gründen und auch im Ergebnis frei von Rechtsirrtum; die Revision des Klägers war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen