Beteiligte
Klägerin und Revisionsbeklagte |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I
Die Klägerin wendet sich im anhängigen Verfahren gegen die Veranlagung des gewerblichen Teils ihres Kraftomnibusunternehmens zur Gefahrklasse acht (Bescheid vom 10. Dezember 1979). Das Landessozialgericht (LSG; Urteil vom 29. April 1985) ist - anders als das Sozialgericht (SG; Urteil vom 2. Oktober 1984) - zu der Überzeugung gekommen, daß die Beklagte den gesamten Personenverkehr in ihrem 17. Gefahrtarif vom 21. November 1978 in unzulässiger Weise in einer einzigen Gefahrtarifstelle zusammengefaßt hat und die Veranlagung der Klägerin daher rechtswidrig ist.
Im 17. Gefahrtarif der Beklagten sind der kaufmännische und der gewerbliche Teil der Mitgliedsunternehmen getrennt zu den Gefahrklassen veranlagt (kaufmännischer Teil: Gefahrklasse eins). Die kaufmännischen Unternehmensteile spielen im anhängigen Verfahren keine Rolle.
Die gewerblichen Unternehmensteile sind auf sechs Gefahrtarifstellen verteilt. Diese Stellen sind fünf unterschiedlichen Gefahrklassen zugewiesen, nämlich den Gefahrklassen zwei, sechs (zweimal), acht, neunzehn und neununddreißig. Die Güterverkehrsunternehmen sind in der Gefahrklasse neunzehn, die Unternehmen des Personenverkehrs in der Gefahrklasse acht zusammengefaßt.
Die Kraftomnibusunternehmen weisen bei der Gegenüberstellung der in den Unternehmen erzielten Entgelte mit den Unfallbelastungen ein Minus von 36, 6 v.H. auf; demgegenüber beträgt für andere Gewerbezweige des Personenverkehrs das Ergebnis dieser Gegenüberstellung Plus 36, 2 v.H. (Kraftdroschken) bzw. Plus 36, 2 v.H. (Mietwagenunternehmen).
Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, daß die Kraftomnibusunternehmen wegen des besonders günstigen Schadensverlaufs in diesem Gewerbezweig Anspruch auf eine eigene - günstigere - Gefahrklasse hätten. Die Beklagte wies den Widerspruch mit der Begründung zurück, der 17. Gefahrtarif sei infolge der Genehmigung durch die zuständige Behörde bindend geworden (Widerspruchsbescheid vom 21. August 1980).
Das SG hat die Klage abgewiesen. Nach seiner Auffassung ist der Grad der Unfallgefahr für alle Teilnehmer am öffentlichen Straßenverkehr gleich. Eine für alle Mitgliedsunternehmen gerechte Einstufung nach dem Grad der Unfallgefahr sei nicht erreichbar, zumal da die Zusammenfassung größerer Unternehmensgruppen erforderlich sei. Auf die rechnerische Feststellung der Belastung komme es allein nicht an.
Demgegenüber heißt es in dem Urteil des LSG, für die Veranlagung nach dem Grade der Unfallgefahr sei die Eigenbelastung eines Gewerbezweiges gegenüber der Durchschnittsbelastung aller in einer einzigen Gefahrtarifstelle zusammengefaßten Gewerbezweige ein maßgebliches Kriterium; bestehe eine erhebliche Differenz, so müsse dies beachtet werden. Hierfür gebe die errechnete Belastungsziffer einen deutlichen Anhaltspunkt. Nach der Einstufung und Zusammenfassung im 17. Gefahrtarif der Beklagten hätten die Omnibusunternehmen höhere Beiträge zu zahlen als sie der tatsächlichen Unfallbelastung entsprächen. Auch bei Berücksichtigung des Prinzips der Solidarhaftung sowie des erheblichen Regelungsspielraumes der Beklagten bei der Gestaltung ihres Tarifvertrages sei die Abweichung von der durchschnittlichen tatsächlichen Unfallbelastung in der Gefahrtarifstelle drei des 17. Gefahrtarifs bei den Omnibusunternehmen derart groß, daß die Zusammenfassung nicht mehr in Einklang mit höherrangigem Recht stehe.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Nach Auffassung der Revision hat das LSG die Belastungsziffern der Gewerbezweige des 17. Tarifvertrages zur alleinigen Grundlage seiner Entscheidung gemacht. Diese einseitige Betrachtungsweise entspreche weder der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) noch den vielfältigen Einflüssen, welche zu der errechneten Belastung beitrügen. Diese errechnete Größe hänge vorzugsweise von dem in den Gewerbezweigen erzielten Entgelt ab. Demgegenüber schreibe § 730 der Reichsversicherungsordnung (RVO) die Bildung von Gefahrklassen nach dem Grad der Unfallgefahr vor. Dabei falle beispielsweise das unterschiedliche Lohnniveau bei den Gewerbezweigen des Personenverkehrs weniger und angemessener ins Gewicht. Unter diesem rechtserheblichen Gesichtspunkt habe das LSG das differenzierte Material und Vorbringen der Beklagten nicht ausreichend gewürdigt.
Die Beklagte sei bei der Bildung von Gefahrtarifstellen seit je nach den fundierten Empfehlungen des Reichsversicherungsamts (RVA) und des Bundesaufsichtsamts verfahren und habe technologisch artverwandte und in der abstrakten Unfallgefährlichkeit vergleichbare Unternehmen in einer Gefahrtarifstelle zusammengefaßt. Zudem komme es bei einer Versicherung nicht auf das Individualrisiko, sondern vielmehr auf das Risiko von Großgruppen an.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. April 1985 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 2. Oktober 1984 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Das LSG habe neben den Belastungsziffern auch die sonstigen ins Gewicht fallenden Kriterien für die Bildung von Gefahrtarifstellen und für die Ermittlung der Gefahrklassen angemessen in die Betrachtung einbezogen. Die Berücksichtigung beispielsweise der in den Unternehmen erzielten Entgelte stehe in Einklang mit der Abhängigkeit der Höhe der Verletztenrente von dem Jahresarbeitsverdienst des Verletzten. Die Belastungsziffern berücksichtigten ferner Zahl und Schwere von Unfällen in den Gewerbezweigen. Trotz einer erheblich größeren Zahl von Versicherten im Gewerbezweig der Omnibusunternehmen sei die Unfallbelastung bei den Kraftdroschken und im Mietwagengewerbe größer gewesen. In diesem Zusammenhang sei aufschlußreich, daß die Haftpflichtversicherungsprämien für Omnibusse niedriger seien als die für Taxis und Mietwagen.
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, daß die Beklagte wegen der verhältnismäßig günstigen Unfallbelastung durch die Omnibusunternehmen bereits im 17. Gefahrtarif eine Aufspaltung der Gefahrtarifstelle drei (Personenverkehr) vornimmt. Der Senat geht davon aus, daß die Berufsgenossenschaften (BG) eine derartige Vermehrung oder Veränderung der Gefahrtarifstellen erst nach Ablauf einer ausreichenden und angemessenen Zeit der Beobachtung und Neuordnung herbeiführen müssen.
Grundlage der als Verwaltungsakt anfechtbaren Veranlagung der Klägerin zur Gefahrklasse (BSGE 55, 26, 27 m.w.N.) ist der 17. Gefahrtarif der Beklagten. Er ist objektives revisibles Recht, da er sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt (§ 162 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -; BSGE a.a.O.).
Nach § 725 Abs. 1 RVO richtet sich die Höhe der Beiträge nach dem Entgelt der Versicherten und dem Grade der Unfallgefahr in den Unternehmen. Die BGen haben gemäß § 730 RVO zur Abstufung der Beiträge nach dem Grad der Unfallgefahr durch einen Gefahrtarif Gefahrklassen zu bilden. Bei Erfüllung dieser Verpflichtung verbleibt der Vertreterversammlung ein größerer Regelungsspielraum. Er ist allerdings durch die Wertentscheidungen des Gesetzes begrenzt und darf folglich nicht in Widerspruch zu den tragenden Grundsätzen des Unfallversicherungsrechts stehen (BSGE a.a.O.; BSGE 27, 237, 240; BSG SozR Nrn. 1 und 4 zu § 725 RVO; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 10. Aufl. S. 542c m.w.N.). Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben ausschließlich die Übereinstimmung der Satzung der BGen mit diesen Grundentscheidungen des Gesetzgebers zu überprüfen. Nützlichkeits- oder Zweckmäßigkeitserwägungen spielen dabei keine entscheidende Rolle. Angesichts dieser eingeschränkten Überprüfungsbefugnis ist der Senat zu dem Ergebnis gekommen, daß die Einstufung der Klägerin in die Gefahrklasse acht im 17. Gefahrtarif - noch - nicht zu beanstanden ist.
Das System der Unfallversicherung ist durch die Abstufung der Beiträge nach Gefahrklassen von dem in der Kranken- und Rentenversicherung festgelegten bzw. geübten Prinzip der Bestimmung der Beitragshöhe ausschließlich nach der Höhe des erzielten oder - bei freiwilliger Versicherung - zugrundegelegten Arbeitsentgelts abgewichen. Die beitragspflichtige "Zwangsgemeinschaft der Unternehmer" (BVerfGE 23, 12, 22) bildet demgemäß in der Unfallversicherung nicht eine einheitliche Solidargemeinschaft zur Milderung der wirtschaftlichen Folgen der Arbeitsunfälle für den einzelnen Unternehmer. Bei Schaffung des öffentlich-rechtlichen Unfallversicherungsrechts im Jahre 1884 hat der Gesetzgeber den ursprünglichen Gedanken, Betriebe mit derselben Unfallgefahr zu einer Genossenschaft zusammenzufassen, fallengelassen und statt dessen Betriebe, "die der Natur der Sache nach zusammengehören" (Berichterstatter v. Hertling in der Reichstagssitzung am 20. Juni 1884), genossenschaftlich organisiert und zusammengefaßt. Die so begründete Organisation der Betriebe nach Betriebszweigen erfordert demgemäß die Unterscheidung dieser Unternehmenszweige nach dem Grade der Unfallgefahr.
Diese Grundentscheidung des Gesetzgebers ist nach wie vor wirksam. In § 731 Abs. 2 RVO ist ausdrücklich der Zusammenhang zwischen den einzelnen Unternehmenszweigen und der in ihnen bestehenden Unfallgefahr hergestellt. Diese Organisationsform und Risikozusammenfassung kann nicht unter Berücksichtigung des Risikos in den einzelnen Unternehmen erfolgen, so daß der Gesetzgeber schon in § 28 Abs. 1 des Unfallversicherungsgesetzes (UVG) und durchgehend nunmehr in § 725 Abs. 1 RVO nur die Unfallgefahr in denselben bzw. in "den" Unternehmen des Gewerbezweiges zum allgemeinen Maßstab erhoben hat. Schon die Zusammenfassung von technologisch artverwandten Betrieben, also Betrieben etwa gleicher Strukturarbeitsweise, Leistungen oder Erzeugung zu einem Gewerbezweig, unterliegt nicht nur logischen und sachbezogenen, sondern historischen - und damit veränderbaren - Überlegungen. Dies wird in der hier interessierenden Zusammenfassung verschiedener Gewerbezweige in der Tarifstelle drei deutlich, denen zwar die Teilhabe am Personenverkehr gemeinsam eigen ist, welche aber dennoch in sieben unterschiedene Gewerbezweige gegliedert werden konnten und worden sind. Ob die so herbeigeführte Aufteilung der am Personenverkehr beteiligten Betriebe in eine Vielzahl von Unternehmenszweigen mit unterschiedlichen Gefahren überhaupt erst durch die Verwendung neuartiger Büromaschinen ermöglicht worden ist und daher gröbere Unterscheidungen ablöst, kann hier dahinstehen. Jedenfalls ist deutlich, daß die BGen bei Durchführung der ihnen durch § 730 RVO aufgebürdeten Bildung von Gefahrtarifen nach Unternehmenszweigen und den darin bestehenden unterschiedlichen Gefahren einen erheblichen Spielraum eingeräumt erhalten haben (s. zuletzt BVerfG SozR 2200 § 543 Nr. 6).
Die Klägerin zweifelt nicht an, daß die Beklagte bei der im 17. Gefahrtarif erfolgten Aufteilung der Betriebe im Unternehmenszweige den ihr eingeräumten Spielraum ordnungsgemäß ausgeübt hat. Für das Gegenteil ergeben sich auch keine Anhaltspunkte. Sie meint jedoch, die Zusammenfassung der am Personenverkehr beteiligten Gewerbezweige in einer einzigen Gefahrtarifstelle sei rechtswidrig, weil in den sieben Unternehmenszweigen der Gefahrtarifstelle drei derart unterschiedliche Unfallgefahren bestünden, daß der Zusammenschluß nicht mehr der Forderung des § 730 RVO nach einer angemessenen Abstufung entsprechend dem Grad der Unfallgefahr gerecht wird. Diese Auffassung ist nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, wie im folgenden dargelegt wird.
Die Gefahrklassen der Gefahrtarife der Beklagten werden - wie übrigens bei fast allen gewerblichen BGen - aus dem Verhältnis der in einem Gewerbezweig erzielten Entgelt zu der bestehenden Unfallbelastung errechnet, wobei das Ergebnis der Rechnung, als Belastungsziffer gekennzeichnet wird. Diese Belastungsziffer entspricht im großen und ganzen der Gefahrklasse. Es trifft zu, daß die so errechnete Gefahrklasse nur in etwa die wirklich bestehende Unfallgefahr ausdrückt. Insoweit teilt der Senat die Auffassung des LSG und der Beteiligten. So weist die Beklagte beispielsweise zutreffend darauf hin, daß bei unterschiedlichem Lohnniveau in den Gewerbezweigen in einem Zweig ein höheres Entgelt bei gleicher Anzahl Versicherter erzielt wird als in den übrigen Unternehmenszweigen derselben Gefahrtarifstelle; es kann aber sein, daß trotz der unterschiedlich hohen Entgelte in etwa dieselbe Unfallgefahr besteht. Dennoch errechnet sich für den Unternehmenszweig mit höheren Löhnen eine günstigere Belastungsziffer. Dies bedeutet im vorliegenden Falle beispielsweise; daß die Omnibusunternehmen schon wegen, der höheren Lohnniveaus in diesem Unternehmenszweig gegenüber den Taxiunternehmen im Vorteil sind. Dieser Vorteil wird allerdings dadurch erheblich eingeengt, daß ein Teil der Unfallbelastung durch Leistungen verursacht wird, welche am Arbeitsentgelt der Versicherten orientiert sind; denn hierdurch erhöht sich die Last für den einzelnen Unfall im Gewerbezweig Omnibusunternehmen gegenüber dem Unternehmenszweig der Taxiunternehmen. Dem Senat ist ferner nicht entgangen, daß Unfälle mit gleicher Unfallast, einen Gewerbezweig mit geringerem Entgelt stärker belasten. Insoweit trifft zu, daß die Belastungsziffern der Gewerbezweige nur eine ungefähre Aussage über die tatsächlich vorhandene Unfallgefahr zulassen, und daß dies auf die Berücksichtigung der Entgelte bei der Errechnung der Belastungsziffer zurückzuführen ist. Soweit die Beklagte diesen Zusammenhang für eine Entscheidung zu ihren Gunsten vorbringt, ist allerdings darauf hinzuweisen, daß sie das angewandte Verfahren für die Errechnung der Gefahrklassen ohne äußeren Zwang in Selbstverwaltung für sich ausgewählt und mögliche sicherere Methoden der Abstufung der Unfallgefahr unerprobt oder jedenfalls unberücksichtigt gelassen hat.
Auf der anderen Seite ist nicht auszuschließen, daß Gewerbezweige mit niedrigerem Entgelt die Risikogemeinschaft verhältnismäßig erheblich belasten, ohne daß dies durch die errechnete Belastungsziffer ausgedrückt wird. So ist ohne weiteres denkbar, daß die Kosten für die Herabsetzung der Unfallgefahr (Unfallverhütung) und die Kosten des einzelnen eingetretenen Unfalls durch besondere Anstrengungen bei der Heilbehandlung (z.B. Investitionen bei der Handchirurgie oder bei der allgemeinen Chirurgie) außergewöhnlich hoch sind und die Unfallgefahr bzw. Unfallast spürbar senken, ohne daß ein hierdurch besonders begünstigter Gewerbezweig zu den Kosten entsprechend beiträgt; denn die allgemeinen Kosten des technischen und medizinischen Dienstes werden von der Errechnung der Belastungsziffer ausgenommen.
Der Senat geht folglich mit dem LSG und den Beteiligten davon aus, daß die von der Beklagten errechneten Belastungsziffern die tatsächlich bestehende Unfallgefahr nur annähernd zum Ausdruck bringen, weil beide zur Berechnung herangezogenen Faktoren - Entgelt und Unfallast - keine genaue Aussage über die Belastung der Beklagten durch die Unfallgefahren in den einzelnen Gewerbezweigen machen.
Nach der Auffassung des Senats ist die derart festgestellte Belastungsziffer dennoch ein verwertbarer Maßstab für die Beurteilung der Unfallgefahr in den verschiedenen Gewerbezweigen; denn einerseits sind die Unwägbarkeiten nicht unangemessen groß und andererseits darf nicht übersehen werden, daß die Unfallbelastung im allgemeinen für die Errechnung der Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung ebenso maßgeblich ist wie die in den Unternehmen erzielten Entgelte; letztere bestimmen die Höhe der Unfallfolgekosten in erheblichem Maße. Der Senat ist jedoch mit dem LSG und der Beklagten der Auffassung, daß angesichts dieser Umstände nur solche Belastungsziffern, die auffällig voneinander abweichen, den Schluß zulassen, daß in ihnen ein rechtlich erheblicher Unterschied der Unfallgefahren ausgedrückt ist.
Der Senat teilt die Auffassung des LSG und der Klägerin, daß die Unfallgefahr im Gewerbezweig der Omnibusunternehmen zur Einstufung in eine andere Gefahrklasse und damit zu einer vollständigen Neuordnung der Gefahrtarifstellen drei führen mußten. Hiervon mußte die Beklagte allerdings nicht vor Ablauf der Tarifzeit des 17. Gefahrtarifs ausgehen. Dies hat folgende Gründe.
Für die Errechnung der Belastungsziffern berücksichtigt die Beklagte sowohl einen Teil der Altlast als auch die Neulast, welche durch Arbeitsunfälle herbeigeführt worden ist; die im Beobachtungszeitraum (§ 731 RVO) entstandene Neulast wird in die Belastung durch Unfälle, für welche (bereits) eine förmliche Feststellung nach § 1569a RVO erfolgt ist, und die übrigen Unfälle unterschieden. Dadurch ergibt sich für die Beklagte ein sehr differenziertes Bild bei der Gegenüberstellung der in der Gefahrtarifstelle drei zusammengefaßten Gewerbezweige. Dieses wird bei Berücksichtigung vorangegangener Tarifzeiträume noch aussagekräftiger. Es zeigt sich, daß die Belastungsziffern zwischen dem Gewerbezweig der Omnibusunternehmen und dem Unternehmenszweig der Taxiunternehmen als weiterem besonders bedeutsamen Zweig in der Gefahrtarifstelle drei nicht kontinuierlich auseinandergestrebt sind. Vielmehr ergibt sich beim Vergleich ab dem 14. Gefahrtarif der Beklagten, daß der Abstand der Belastungsziffern geschwankt hat. Er betrug zunächst 58 v.H. (14. Tarif), ging auf 42 v.H. zurück (15. Tarif) und stieg dann überproportional auf 100 v.H. (16. Tarif) an. Während dieser Zeit veränderte sich der Abstand der Altlast zugunsten der Taxiunternehmen (Anstieg um das 2,7fache gegenüber einem Anstieg um das 4,3fache bei den Omnibusunternehmen); bei der Neulast durch förmlich festgestellte Unfälle blieb der Abstand unverändert (16 v.H.); bei der erst ab dem 15. Tarif berücksichtigten Belastung durch nicht festgestellte Unfälle wurde der Abstand zwischen den beiden Gewerbezweigen allerdings kontinuierlich vergrößert (51 v.H., 87 v.H.; im 17. Tarif schließlich 154 v.H.).
Dieses uneinheitliche Bild bis einschließlich der Tarifzeit des 16. Gefahrtarifs der Beklagten zeigt nach Auffassung des Senats, daß die Unterschiede in der Belastung durch Unfallfolgen zwischen den bedeutsamen Gewerbezweigen der Omnibusunternehmen und der Taxiunternehmen stets beachtlich waren, daß jedoch die weitere Entwicklung für den 17. Gefahrtarif nicht ohne weiteres verläßlich erkennbar war. Angesichts des erheblichen Regelungsspielraumes, welcher den BGen bei der Abstufung nach Gefahrklassen durch einen Gefahrtarif eingeräumt ist (s. o.), hat auch eine Veränderung innerhalb der Gefahrtarifstellen nicht schematisch und überhastet zu erfolgen, sondern ist vielmehr auch insoweit neben einem ausreichenden Beobachtungszeitraum Platz für die notwendigen weiteren Überlegungen zur rechtmäßigen Neuformierung der Tarifstellen eingeräumt. Dabei bedarf insbesondere die Frage sorgfältiger Prüfung und Berechnung, wie die kleineren Gewerbezweige einer Gefahrtarifstelle bei einer Neuordnung den größeren zuzuordnen sind; denn insoweit hat der Gesetzgeber von Anfang an das Ziel verfolgt, die kleineren Gewerbezweige nicht etwa mit den stärkeren Risiken größerer Gewerbezweige zu belasten (Entwurf der Reichsregierung vom 6. März 1884, Begründung zu § 28 S. 55; Unfall-Versicherungs-Gesetz, erläutert von Behörden, Versicherern und Versicherten, § 28 Anm. 3).
Der erkennende Senat ist nach alledem der Auffassung, daß die Beklagte nicht rechtswidrig handelte, als sie die Gefahrtarifstelle drei des Gefahrtarifes 16 trotz der inzwischen eingetretenen erheblichen Veränderungen in den 17. Gefahrtarif unverändert übernahm, zumal da dieser Gefahrtarif von vornherein nur eine Laufzeit - Beobachtungszeit - von zwei Jahren haben sollte. Dabei übersieht der Senat nicht, daß zwischenzeitlich eingetretene Härten - insbesondere für den Gewerbezweig der Omnibusunternehmen - von der Beklagten nicht ausgeglichen werden. Zwar gewährt die Beklagte auf der Grundlage des § 725 Abs. 2 RVO Nachlässe auf die Beiträge nach der Zahl und Schwere der Arbeitsunfälle. Diese unter dem Gesichtspunkt des gerechten Ausgleichs im Einzelfall vorgeschriebene und praktizierte Verfahrensweise erfolgt jedoch nicht innerhalb der Gewerbezweige mit gleicher Unfallgefahr, also nicht innerhalb der jeweiligen Gefahrtarifstelle. Vielmehr bestimmt § 26 Abs. 2 der Satzung der Beklagten, daß die Nachlaßgewährung auf der Grundlage der "durchschnittlichen Unfallbelastung aller Unternehmen" erfolgt. Auf diese Weise wird also eher eine (nochmalige) Begünstigung der Gewerbezweige in niedriger Gefahrklasse als derjenigen Unternehmen herbeigeführt, welche innerhalb derselben Gefahrtarifstelle eine relativ günstige Belastung durch Unfälle aufweisen. Dennoch ist, wie oben aufgeführt, angesichts des Spielraums der Beklagten eine gewisse Härte - jedenfalls für einen kurzen Zeitraum - von der Klägerin hinzunehmen. Denn Härten im Einzelfall sind bei einer generalisierenden Regelung unvermeidlich und nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinzunehmen, wenn sich für die Ungleichbehandlung noch sachgerechte Gründe finden lassen (BVerfGE 13, 21, 29; 26, 265, 275/276; 45, 376, 390, SozR 2200 § 734 Nr. 3). Daß solche Gründe vorhanden sind, ist oben aufgezeigt worden.
Das Urteil des LSG war aufzuheben; die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.2 RU 40/85
Bundessozialgericht
Verkündet am
12. Dezember 1985
Fundstellen