Entscheidungsstichwort (Thema)
Überraschungsurteil. rechtliches Gehör. Verfügbarkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist verletzt, wenn das Gericht einen Beteiligten mit einer Beweiswürdigung oder einer Rechtsauffassung überrascht, mit der dieser nach dem bisherigen Verfahrensablauf nicht zu rechnen braucht.
2. Zur Verfügbarkeit, wenn der Arbeitslose einen pflegebedürftigen Angehörigen und Kinder betreut, im Falle eines Arbeitsangebots diese Tätigkeit aber aufgegeben und für eine anderweitige Betreuung gesorgt hätte (Abgrenzung zu BSG vom 29.9.1987 - 7 RAr 15/86 = BSGE 62, 166 = SozR 4100 § 103 Nr 39).
Normenkette
SGG § 62; AFG § 103 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-2
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 07.03.1989; Aktenzeichen L 5 Ar 626/88) |
SG Reutlingen (Entscheidung vom 08.12.1987; Aktenzeichen S 5 Ar 577/87) |
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der beklagten Bundesanstalt für Arbeit (BA) Arbeitslosengeld (Alg) nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG), wobei die Erfüllung der Anwartschaftszeit und die Wahrung des rechtlichen Gehörs zu der vom Landessozialgericht (LSG) verneinten subjektiven Verfügbarkeit streitig ist.
Die Klägerin, 1941 geboren, verheiratet mit R.S. vom 17. Dezember 1965 bis zu dessen Tod am 28. September 1986, war nach einem schriftlichen Formulararbeitsvertrag über die Beschäftigung des Ehegatten vom 1. Januar 1966 bei dem Auto-Verleih R.S. und J.St. mit einem Entgelt von zunächst 500,-- DM und der vertraglichen Arbeitszeit von 10 Stunden täglich als kaufmännische Angestellte tätig. Später führte R.S. die Autohansa Autovermietung R.S. als Einzelfirma. Die Klägerin hatte seit 1970 Gesamtprokura.
Ab 1975 bestand die Firma als Autohansa Autovermietung R.S. GmbH und Co KG. Persönlich haftender Gesellschafter war zunächst die TREUVA Treuhand- und Verwaltungsgesellschaft mbH. Die Klägerin war Kommanditistin. Im Dezember 1975 trat anstelle der TREUVA mbH die Helga S. GmbH als persönlich haftender Gesellschafter in die Autohansa GmbH und Co KG ein. Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 16. Juni 1975 über die Gründung der Helga S. GmbH waren deren Gesellschafter die Klägerin und deren Ehemann, wobei die Kapitalbeteiligung des Ehemannes 16.000,-- DM und die der Klägerin 4.000,-- DM betrug. Beschlüsse sollten mit einfacher Mehrheit erfolgen; die Beschlußfähigkeit der Gesellschafterversammlung war von der Anwesenheit von 75 % der Stimmen abhängig. Sowohl der Ehemann wie auch die Klägerin selbst wurden zu Geschäftsführern berufen. Kommanditisten der Autohansa GmbH und Co KG wurden die Klägerin mit 2.000,-- DM und ihr Ehemann mit 8.000,-- DM.
Die Firma geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten. In der Gesellschafterversammlung der GmbH und Co KG vom 15. April 1983 wurde die Klägerin einstimmig mit sofortiger Wirkung von der Geschäftsführung entbunden und ihr Ehemann zum alleinigen Geschäftsführer bestellt. Die Klägerin war weiterhin in der Firma tätig. Am 26. September 1984 beantragte sie Alg unter Vorlage einer Arbeitsbescheinigung, wonach sie in der Zeit vom 1. Dezember 1964 bis zum 15. Oktober 1983, zuletzt als Geschäftsführerin bei einem Arbeitsentgelt von zuletzt 4.700,-- DM monatlich, beschäftigt gewesen war.
Die beklagte BA lehnte Alg mit der Begründung ab, die Klägerin habe in der dreijährigen Rahmenfrist nur in der Zeit vom 15. April (Abberufung als Geschäftsführer) bis zum 15. Oktober 1983 beitragspflichtig gearbeitet, da sie als Geschäftsführerin nicht Arbeitnehmerin gewesen sei (Bescheid vom 31. Oktober 1984; Widerspruchsbescheid vom 4. März 1987). Wegen der für die Schlußphase (ab der Entbindung von der Geschäftsführertätigkeit) anerkannten abhängigen Beschäftigung erhielt die Klägerin aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs Konkursausfallgeld (Kaug), nachdem ein Konkursantrag im Oktober 1983 mangels Masse abgelehnt und das Erlöschen der Firma zum 8. Februar 1984 in das Handelsregister eingetragen worden war.
Die Klage blieb vor dem Sozialgericht (SG) und vor dem LSG erfolglos (Urteil des SG vom 8. Dezember 1987; Urteil des LSG vom 7. März 1989).
Mit der vom Bundessozialgericht (BSG) wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels nach § 160 Abs 2 Nr 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung des rechtlichen Gehörs durch ein Überraschungsurteil (§ 62 SGG).
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide zu verurteilen, Alg entsprechend dem Antrag vom 26. September 1984 nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Zurückverweisung begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der von der Klägerin gerügten Verletzung des rechtlichen Gehörs. Eine den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzende Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Urteil auf Gesichtspunkte gestützt wird, die bisher nicht erörtert worden sind, und dadurch der Rechtsstreit eine unerwartete Wendung nimmt (BVerwG Urteil vom 4. Mai 1988 NVwZ 1989, 151; BVerwG Urteil vom 19. Juli 1985 NJW 1986, 445). Kann ein Beteiligter nach dem bisherigen Verfahren davon ausgehen, daß eine Anspruchsvoraussetzung nicht angezweifelt wird und nur andere Anspruchsvoraussetzungen streitig sind, hat das Gericht bei anderer Würdigung darauf hinzuweisen und Gelegenheit zu geben, einen Beweisantrag zu stellen (BSG SozR 1500 § 160 Nr 70). Eine Prozeßpartei darf nicht mit einer Tatsachenwürdigung überrascht werden, die von keiner Seite als möglich vorausgesehen werden konnte (BGH Urteil vom 13. Juli 1967 VersR 1967, 1095).
Die Klägerin rügt zu Recht, sie sei von der Begründung, mit der das LSG den Klageanspruch verneint habe, überrascht worden. Die Klägerin brauchte nach dem Prozeßverlauf nicht damit zu rechnen, daß ihre Bereitschaft, jede zumutbare Arbeit anzunehmen, vom Gericht in Zweifel gezogen werde. Der Rechtsstreit ist bis kurz vor der mündlichen Verhandlung allein darum geführt worden, ob die Klägerin - entgegen der Auffassung der Beklagten und des SG - auch während ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin abhängig beschäftigt war und damit die Anwartschaftszeit erfüllte. Allein hierauf bezog sich die vor dem SG und vor dem LSG durchgeführte Beweisaufnahme. Die Gründe des Berufungsurteils, die den eigentlichen Abweisungsgrund der fehlenden Bereitschaft nicht in den Mittelpunkt rücken, bestätigen, daß der Klägerin im vorangegangenen Gerichtsverfahren Zweifel an ihrer Arbeitsbereitschaft nicht erkennbar wurden. Das LSG führt in den Entscheidungsgründen auf nahezu sechs Seiten (Seiten 7 bis 12 Mitte des Urteils) aus, die Klägerin habe "wohl" entgegen der Auffassung des SG während der Rahmenfrist mehr als 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden. Unter eingehender Würdigung der Beweisaufnahme und aller maßgeblichen Gesichtspunkte kommt das LSG zu dem Ergebnis, angesichts der zunehmend vollen Bezahlung der Klägerin und ihres zunehmenden zeitlichen Einsatzes für die Firma spreche sehr viel dafür, daß zumindest in den letzten Jahren ein reguläres Beschäftigungsverhältnis bestanden habe, auch wenn die Klägerin in der zeitlichen Gestaltung der Arbeitszeit wohl etwas freier gewesen sei als andere Angestellte. Erst dann wird auf einer knappen Seite ausgeführt, gleichwohl bestehe kein Anspruch auf Alg, weil die Klägerin nach der Antragstellung nicht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden habe.
Das LSG war nach den Entscheidungsgründen nicht davon überzeugt, daß die Klägerin "bereit war", jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die sie ausüben konnte und durfte (Hinweis auf § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG). Das LSG hebt damit eindeutig auf die in der genannten Nr 2 geregelte subjektive Verfügbarkeit ab und nicht auf die in der Nr 1 geforderte objektive Verfügbarkeit. Das LSG schildert sodann in wenigen Zeilen die Belastung der Klägerin mit der Schlußfolgerung, damit bestünden so erhebliche Zweifel an der "Bereitschaft der Klägerin", eine Arbeitsstelle anzunehmen, daß die Verfügbarkeit iS des § 103 AFG nicht bejaht werden könne.
Die Klägerin hat die schriftlichen Fragen des Gerichts allein auf ihre objektive Verfügbarkeit bezogen und dahin verstanden, ob ihre Belastung durch die Mitarbeit in der Firma und die Pflege ihres Ehemannes eine mehr als kurzzeitige Tätigkeit zugelassen habe. Sie durfte die Fragen und die spätere Erörterung auch in diesem Sinne verstehen, da ihre subjektive Bereitschaft, eine zumutbare Beschäftigung anzunehmen, nicht in Zweifel gezogen wurde. Ob die Klägerin davon ausgehen durfte, mit dem Hinweis auf die Zivildienstleistenden ihre objektive Verfügbarkeit belegt zu haben, bedarf hier keiner Entscheidung, da das LSG die Klageabweisung nicht auf das Fehlen der objektiven Verfügbarkeit, sondern auf das Fehlen der subjektiven Verfügbarkeit gestützt hat.
Das LSG hat zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung mit Schreiben vom 21. Februar 1989 um Vortrag zu folgenden Fragen gebeten: a) ab wann die Klägerin Liquidatorin der Gesellschaft war, b) in welchem zeitlichen Umfang (Wochenstunden) und zu welchen Tageszeiten die Klägerin in dieser Funktion tätig war, c) wie lang diese Tätigkeit angedauert hat, d) wann die Einzelfirma der Klägerin (Autovermietung) gegründet wurde und die Tätigkeit dieser Firma aufgenommen worden ist, e) in welchem zeitlichen Umfang die Klägerin hierbei tätig geworden ist. Im Termin vom 7. März 1989 war die Klägerin nicht persönlich zugegen, sondern durch ihren Prozeßbevollmächtigten vertreten. Dieser erklärte zur Niederschrift: Der Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der R.S. GmbH und Co KG ist am 14. Dezember 1983 abgelehnt worden. Liquidator war bis zu seinem Tode 1986 der Ehemann der Klägerin. Die Klägerin ist am 5. März 1987 zur Liquidatorin bestellt worden. Die Einzelhandelsfirma R.S. Autovermietung wurde noch am 30. Juni 1984 vom Ehemann gegründet. Die Klägerin hat mitgeholfen, wenn sie in der Firma benötigt wurde. Im Arbeitsverhältnis hat die Klägerin nicht gestanden, sondern sie hat ihren gelähmten Ehemann als Ehefrau unterstützt. Nach dem Tode des Ehemannes hat sie die Firma fortgeführt. Nach der Niederschrift hat der Vertreter der Beklagten darauf hingewiesen, daß die Verfügbarkeit der Klägerin schwerlich gegeben sein dürfte. Hierzu erklärte der Bevollmächtigte der Klägerin, H.S., der querschnittsgelähmt war, hätte ständig, auch nachts und während seiner Kuraufenthalte Zivildienstleistende um sich gehabt, die ihn betreuten. Diese erledigten auch Tätigkeiten für die Firma.
Hätte das LSG, der Verpflichtung zur Gewährung des rechtlichen Gehörs entsprechend auf seine nach dem Verfahrensablauf für die Klägerin nicht erkennbaren Zweifel an der subjektiven Verfügbarkeit hingewiesen, so hätte die Klägerin - nach ihrem Revisionsvorbringen - ihre Anhörung und das Zeugnis ihrer beiden Kinder sowie ihrer Schwiegermutter dazu angeboten, daß sie nur zu Hause war und dort mitanfaßte, weil sie sonstige Arbeit nicht zugewiesen erhielt. Es ist nicht auszuschließen, daß das LSG aufgrund dieses Vorbringens zu einer anderen Beurteilung der Arbeitsbereitschaft gekommen wäre. Der Rechtsstreit ist deswegen zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Dem Senat ist aufgrund der übrigen Feststellungen des LSG eine abschließende Entscheidung nicht möglich. Der Senat kann insbesondere nicht aufgrund der vom LSG festgestellten Belastung der Klägerin schon deren objektive Verfügbarkeit verneinen. Die Klägerin hat zwar während der streitigen Bezugszeit ihre Arbeitskraft im wesentlichen Umfang für die Führung des vierköpfigen Haushalts und für die Pflege ihres querschnittsgelähmten Ehemannes eingesetzt. Der Senat muß jedoch im Zusammenhang mit der gegen die Verneinung der subjektiven Verfügbarkeit erfolgreichen Verfahrensrüge davon ausgehen, daß die Klägerin bereit war, diese Tätigkeit im Falle eines Arbeitsangebots aufzugeben, da eine ausreichende Pflege durch die beiden Zivildienstleistenden gesichert war.
Eine Betätigung, die auf längere Dauer angelegt und planvoll gestaltet ist, sowie derart betrieben wird, daß sie die für eine Berufstätigkeit erforderliche Zeit vollständig in Anspruch nimmt, die mithin für jeden Tag, an dem sie stattfindet, die Möglichkeit ausschließt, berufstätig zu sein, schließt zwar nach der Rechtsprechung des 7. Senats des BSG die objektive Verfügbarkeit auch dann aus, wenn der Arbeitslose jederzeit bereit war, im Falle eines Arbeitsangebots diese Tätigkeit aufzugeben (BSGE 62, 166 = SozR 4100 § 103 Nr 39). Im Bereich der kulturellen, karitativen, sportlichen oder gesundheitlichen Interessen, deren Betätigung dem Arbeitslosen auch nach Auffassung des 7. Senats offensteht, muß dem Arbeitslosen, insbesondere bei längerer Arbeitslosigkeit, jedoch auch eine planvoll gestaltete, auf längere Dauer angelegte Tätigkeit während der üblichen Arbeitszeit erlaubt sein. Hierauf hat der erkennende Senat bereits zur Eingrenzung der These, daß die Verfügbarkeit nicht in allen Fällen allein durch den Willen hergestellt werden könne, eine anderweitige Tätigkeit im Falle eines Arbeitsangebots aufzugeben, hingewiesen (SozR 4100 § 103 Nr 42). Der 7. Senat hat zwar in seinem Urteil vom 29. November 1989 uneingeschränkt an seiner Auffassung festgehalten (SozR 4100 § 103 Nr 46). Jedoch betraf auch diese Entscheidung eine Bildungsmaßnahme und nicht den sozialen, karitativen oder sportlichen Bereich. Hierzu gehört im weiteren Sinne auch die Führung des Familienhaushalts mit Kindern und die Pflege eines Angehörigen. Zumindest in diesem Bereich kann der Aufgabewille, sofern auch die Verhältnisse die Aufgabe der Tätigkeit und die Aufnahme einer Arbeit zulassen, die Verfügbarkeit begründen.
Der streitige Anspruch auf Alg ist auch nicht nach § 101 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG ausgeschlossen. Hiernach ist der Arbeitnehmer nicht arbeitslos, wenn er eine Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger oder Selbständiger ausübt, die die Grenze des § 102 AFG (kurzzeitige Beschäftigung) überschreitet. Nach den Feststellungen des LSG hatte der Ehemann der Klägerin bereits Mitte des Jahres 1984 und damit vor Beginn der streitigen Bezugszeit wieder eine Autovermietungsfirma gegründet. In dieser half die Klägerin mindestens auf der Ebene Ehefrau/Ehemann mit, und zwar vom Inhalt und Umfang her in etwa gleicher Weise, wie in der R.S. GmbH und Co KG. Diese Tätigkeit hat die Klägerin in ganz erheblichem Umfang zeitlich gebunden, wobei auch von Bedeutung ist, daß ihr Ehemann querschnittsgelähmt war und deshalb gerade auch in geschäftlichen Dingen ihrer Mithilfe bedurfte. Zu den Angehörigen iS des § 101 AFG gehört insbesondere die Ehefrau. Die schon im Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) vom 16. Juli 1927 enthaltene Vorschrift, nach der Personen, die gemeinsam mit Angehörigen den Lebensunterhalt in selbständiger Arbeit erwerben oder erwerben könnten, keinen Anspruch haben, wurde nach der amtlichen Begründung schon damals auf Ehegatten und Abkömmlinge bezogen (BSGE 64, 264, 267 = SozR 4100 § 101 Nr 8). Den Feststellungen des LSG kann indes nicht mit ausreichender Sicherheit entnommen werden, daß die Klägerin in der Einzelfirma mehr als kurzzeitig tätig war. Der Vergleich mit der zuvor für die GmbH und Co KG ausgeübten Tätigkeit deutet zwar darauf hin; andererseits hat das LSG in diesem Zusammenhang aber auch auf die Pflegebedürftigkeit des Ehemannes hingewiesen. Nach der Zielsetzung des § 101 AFG kann indes nur die auf Erwerb ausgerichtete Tätigkeit Berücksichtigung finden. Auch insoweit sind weitere Feststellungen erforderlich. Hierbei wird das LSG zu berücksichtigen haben, ob der Umfang der geschäftlichen Tätigkeit der Einzelfirma in etwa der der GmbH und Co KG entsprochen hat, da bei einem geringeren Geschäftsumfang sich auch die Mitarbeit der Klägerin verringert haben dürfte.
Die Erfüllung der Anwartschaftszeit vermag der Senat entgegen der Auffassung der Beklagten aufgrund der Feststellungen des LSG zur Tätigkeit der Klägerin als Geschäftsführerin nicht zu verneinen. Dem Fehlen eines schriftlichen Arbeitsvertrages über die Geschäftsführertätigkeit der Klägerin kommt für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung (§ 7 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - SGB IV -) keine entscheidende Bedeutung zu. Nach den Feststellungen des LSG ist die Klägerin als Geschäftsführerin bestellt worden, um angesichts der schweren Behinderung des Ehemannes für den Fall, daß dieser krankheitsbedingt längere Zeit ausfallen würde, vorzusorgen. Sie hat tatsächlich eine Art Assistententätigkeit verrichtet. Die von der Beklagten herausgestellte Verpflichtung der Eheleute nach bürgerlichem Recht, ihr Verhalten im wirtschaftlichen Leben so zu gestalten, daß dadurch die Interessen des Partners nicht beeinträchtigt werden, schließt ein Arbeitsverhältnis unmittelbar zwischen den Eheleuten nicht aus, und kann erst recht ein Arbeitsverhältnis zwischen dem einen Ehegatten und einer dem anderen Ehegatten gehörenden oder von ihm beherrschten Gesellschaft nicht hindern. Ob die Klägerin für die GmbH und Co KG mehr als kurzzeitig tätig war, vermag der Senat den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen. Der Zeuge W. hat zwar bekundet, die Klägerin sei im Betrieb nur recht selten zu sehen gewesen; die Klägerin selbst hat indes nach der Zeugenvernehmung zur Frage des Beklagtenvertreters nach den Gründen für die Gehaltshöhe erklärt, das hänge allein mit dem zeitlichen Aufwand zusammen. Die Autovermietung habe häufig Arbeiten nach Geschäftsschluß, etwa um 21.00 Uhr, erfordert, und sie habe dann noch zur Verfügung gestanden. Die Feststellungen des LSG, das gerade wegen des erheblichen Zeitaufwandes ein Beschäftigungsverhältnis als sehr naheliegend annahm, können jedenfalls nicht im Sinne der Feststellung einer nur kurzzeitigen Tätigkeit verstanden werden.
Das LSG wird in der abschließenden Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens und der Nichtzulassungsbeschwerde zu entscheiden haben.
Fundstellen
NJW 1991, 1910 |
NVwZ 1991, 920 |