Orientierungssatz
Hat der Kindergeldempfänger zwar keine unrichtigen oder unvollständigen Angaben gemacht und auch keine gesetzliche Anzeigepflicht verletzt, hat er jedoch aus grober Fahrlässigkeit die Doppel- bzw Unrechtzahlung des Kindergeldes nicht erkannt, so ist das doppelt bzw zu Unrecht gezahlte Kindergeld zurückzufordern.
Normenkette
BKGG § 13 Nr. 2 Fassung: 1964-04-14
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 20.09.1973; Aktenzeichen L 4/Kg 5/72) |
SG Würzburg (Entscheidung vom 13.01.1972; Aktenzeichen S 7/Kr 2/70) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 20. September 1973 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Revisionsverfahren noch um die Berechtigung der Beklagten, von dem Kläger seit dem 1. Januar 1967 doppelt bzw. zu Unrecht gezahltes Kindergeld zurückzufordern.
Der 1931 geborene Kläger, der eine eigene Landwirtschaft mit einem Einheitswert von 11.600,- DM betreibt, ist Vater von 7 (1955, 1956, 1959, 1960, 1963, 1964 und 1965 geborenen) ehelichen Kindern. Er bezog seit dem 1. April 1961 unter der KG-Nummer Zweitkindergeld. Ab Juli 1964 wurde ihm Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) für 5 Kinder im Betrage von monatlich 275,- DM gewährt. Erstmals am 15. Juli 1964 und dann fortlaufend jeweils in der ersten Hälfte des nächsten Monats mit ungerader Zahl wurden dem Kläger 550,- DM durch die Landeszentralbank auf sein Konto bei der Raiffeisenkasse H gezahlt.
Am 27. Oktober 1964 stellte der Kläger "Antrag auf Nachzahlung von Kindergeldbeträgen gemäß § 45 BKGG". Er gab hierbei die KG-Nr. ... an, unter der er früher von der Landwirtschaftlichen Familienausgleichskasse Würzburg Kindergeld bezogen hatte. Die Beklagte bemerkte nicht, daß der Kläger bereits laufend Kindergeld bezog und legte daher eine neue Kindergeldakte unter der KG-Nr. ... an. Sie übersandte ihm ein Antragsformular auf Kindergeld, das der Kläger am 10. Februar 1965 ausfüllte und an die Beklagte zurücksandte. Er führte seine 7 ehelichen Kinder an (das letzte Kind war am 31. Januar 1965 geboren). Die Frage, ob er oder sein Ehegatte schon früher Kindergeld bzw. Zweitkindergeld beim Arbeitsamt beantragt oder bezogen habe, beantwortete der Kläger mit "ja". Die weiteren Fragen, wann und unter welcher KG-Nr. das geschehen sei, beantwortete er nicht. Unter der KG-Nr. ... verfügte die Beklagte am 3. März 1965, daß der Kläger Zweitkindergeld für Juli 1964 und ab August 1964 Kindergeld für 5 Kinder im Betrag von 275,- DM und ab Januar 1965 für 6 Kinder im Betrag von 345,- DM monatlich zu erhalten habe. Die Nachzahlung bis Dezember 1964 in Höhe von 1.400,- DM wurde auf das Konto des Klägers bei der Raiffeisenkasse H überwiesen, ebenso laufend 690,- DM in der Mitte der folgenden Monate mit gerader Ordnungszahl.
Einen ihm unter der KG-Nr. ... im April 1966 von der Beklagten zugeschickten "Fragebogen zur Prüfung des Anspruchs auf Kindergeld und Ausbildungszulage" füllte der Kläger wahrheitsgemäß aus, und die Beklagte gewährte ihm nunmehr unter dieser Kindergeldnummer anstelle des bisher für 5 Kinder in Höhe von 275,- DM gezahlten Kindergeldes Kindergeld in Höhe von 345,- DM monatlich (Bl. 13 der Akte 12452).
Wegen eines am 14. September 1967 (Bl. 17 KG-Akte ...) erlittenen Arbeitsunfalles des Klägers hatte die Beklagte ihm das unter der KG-Nr. ... gezahlte Kindergeld zunächst unter Vorbehalt gezahlt (Bl. 18 dieser Akte) und ihm unter der KG-Nr. ... mit Bescheid vom 4. Juni 1969 das Kindergeld ab 1. März 1968 entzogen und 4.830,- DM zurückgefordert (Bl. 15 in dieser Akte). Aus der Akte ... wurde Kindergeld jedoch weitergezahlt. Erst am 25. November 1969 stellte die Beklagte anläßlich einer Vorsprache des Klägers fest, daß dieser unter den beiden erwähnten Kindergeldnummern doppeltes Kindergeld bezog. Sie entzog ihm daraufhin mit Bescheid vom 17. Dezember 1969 das ab Juli 1964 unter der KG-Nr. ... gewährte Kindergeld und forderte eine Überzahlung von 21.470,- DM zurück. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 14. April 1970 zurückgewiesen. Das Sozialgericht (SG) hat die Bescheide vom 17. Dezember 1969 und 14. April 1970 aufgehoben (Urteil vom 13. Januar 1972), weil die Voraussetzungen des § 13 Ziff. 1 und 2 BKGG nicht vorlägen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten insoweit zurückgewiesen, als es sich um die Rückforderung für die Zeit vor dem 1. Januar 1967 handele und im übrigen die Klage abgewiesen. Der Kläger habe weder vorsätzlich noch grob fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht und auch die ihm nach § 21 Abs. 1 BKGG obliegende Anzeigepflicht nicht verletzt. Der Rückforderungsanspruch der Beklagten für die Zeit vor dem 1. Januar 1967 sei daher verjährt. Es könne dem Kläger auch nicht nachgewiesen werden, daß ihm der Doppelbezug des Kindergeldes bekannt gewesen sei. Er habe aber infolge grober Fahrlässigkeit nicht gewußt, daß ihm das Kindergeld im überbezahlten Betrag nicht zugestanden habe. Jedenfalls gelte das für die Zeit ab 1. Januar 1967. Er habe nach dem Merkblatt, das er in Händen gehabt habe, ohne weiteres die Höhe seines Kindergeldanspruches bei 6 Kindern in Höhe von 275,- DM und bei 7 Kindern (ab 1. Januar 1965) in Höhe von 345,- DM monatlich erkennen können, und bemerken müssen, daß ihm nicht der doppelte Betrag zustehe, zumal ihm jeden Monat Kindergeld gezahlt worden sei und nicht wie üblich, und auch im Merkblatt angegeben, im Abstand von 2 Monaten. Die Gutschriften hätten sowohl die Höhe als auch den Zeitraum sowie die Zahl der Kinder ausgewiesen, für die das jeweilige Kindergeld gezahlt worden sei, zusätzlich auch die Höhe des monatlich zustehenden Kindergeldes. Schon bei geringster Aufmerksamkeit hätte der Kläger daher seit der Zeit, in der ihm das Kindergeld doppelt überwiesen worden sei, davon Kenntnis nehmen müssen, daß ihm nunmehr das Kindergeld zu dem in den Gutschriften jeweils angegebenen Monatsbetrag für die Zeit von 2 Monaten in jedem Monat, also für jeden Monat zweimal überwiesen worden sei. Demgegenüber könne nicht eingewendet werden, daß an der Überzahlung auch die Beklagte ein erhebliches Verschulden treffe. Denn eine Verpflichtung zur Rückzahlung nach § 13 Ziff. 2 BKGG bestehe bereits dann, wenn der Empfänger wußte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht wußte, daß ein Anspruch auf das Kindergeld nicht bestand.
Der Kläger hat die von dem LSG zugelassene Revision in rechter Form und Frist eingelegt und begründet. Er trägt unter anderem vor: Die von dem LSG getroffenen und seiner Entscheidung zugrunde gelegten Feststellungen seien lückenhaft und widersprüchlich. Es habe unter anderem das Schreiben des Klägers vom 25. Juli 1965 sowie die Antwort der Beklagten vom 9. August 1965 überhaupt nicht berücksichtigt. Das gleiche gelte für das Schreiben des Klägers vom 6. Mai 1968, das seinen Arbeitsunfall vom 1. März 1968 betroffen habe. Darüber hinaus fehlten sämtliche Feststellungen für eine Entscheidung nach § 23 Abs. 4 BKGG.
Im übrigen habe das LSG dem Kläger zu Unrecht grobe Fahrlässigkeit angelastet. Es könne ihm kein Schuldvorwurf gemacht werden, wenn er auf die Antwort der Beklagten vom 9. August 1965 vertraut habe, in der ihm mitgeteilt worden sei, daß das Kindergeld ordnungsgemäß an ihn überwiesen worden sei. Bezüglich seines Arbeitsunfalles habe er darauf vertrauen dürfen, daß er seiner Anzeigepflicht genügt habe. Zu Unrecht verweise das LSG den Kläger auf die ihm übersandten Merkblätter. Infolge der Umstellung der Zahlungen auf Computer seien die Zahlungsbelege unverständlich und unübersichtlich geworden. Hierüber gäben die Merkblätter keine Auskunft. Nach seinem Intelligenzgrad sei es dem Kläger nicht zumutbar gewesen, die Zahlungsweise des Kindergeldes zu erkennen. Auch die vom LSG insoweit getroffenen Feststellungen gäben zu Zweifeln Anlaß. Zu Unrecht werfe das LSG dem Kläger seine Verhaltensweise nach der Entdeckung der Doppelzahlung vor. Der Bescheid vom 4. Juni 1969 betreffe nur das Verhältnis Kindergeldkasse - Berufsgenossenschaft. Der Kläger habe nicht damit rechnen können, daß die Beklagte ihm einerseits das Kindergeld entziehe, und andererseits diese Leistung weiterzahle. Das Verhalten des Klägers habe nicht isoliert betrachtet werden dürfen. Sein Verhalten sei zum großen Teil durch die Behörde selbst verursacht worden. Eine grobe Fahrlässigkeit des Klägers könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn die Beklagte sich völlig fehlerfrei verhalten hätte. Das fehlerhafte Verhalten der Beklagten sei nicht nur ursächlich für das Handeln des Klägers gewesen, sondern auch schuldhaft. Rechtstheoretisch stelle der Rückforderungsanspruch einen Anspruch auf Schadensersatz und keinen Bereicherungs- oder Gewährleistungsanspruch dar, denn es werde ein Verschulden vorausgesetzt. Daher müsse § 254 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entsprechend angewendet werden. Zu Unrecht habe sich das LSG auf das BSG-Urteil vom 10. November 1970 - 3 RK 67/67 - gestützt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 20. September 1973 abzuändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 13. Januar 1972 vollen Umfangs zurückzuweisen,
hilfsweise, die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Kläger habe erkannt oder zumindest erkennen müssen, daß ihm Kindergeld unter zwei Namen (... und ...) und zwei KG-Nrn. gezahlt worden sei. Demgegenüber vertritt der Kläger weiterhin die Auffassung, daß aus den Computerbelegen für ihn nicht zu erkennen gewesen sei, daß es sich um Doppelzahlungen unter zwei KG-Nrn. gehandelt habe.
Beide Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG-) einverstanden.
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Revision des Klägers ist unbegründet.
Das LSG hat ohne Verfahrensfehler zu Recht entschieden, daß der Kläger das ihm seit dem 1. Januar 1967 doppelt bzw. zu Unrecht geleistete Kindergeld zurückzuzahlen hat.
Nachdem die Beklagte gegen das Urteil des LSG keine Revision eingelegt hat, ist nur noch der nicht verjährte Rückzahlungsanspruch der Beklagten (§ 14 Abs. 2 Satz 1 BKGG) streitig. Insoweit hat das LSG zutreffend die Voraussetzungen des § 13 Nr. 2 BKGG bejaht, wonach Kindergeld, das für einen Monat gezahlt worden ist, in dem die Anspruchsvoraussetzungen an keinem Tag vorgelegen haben, zurückzuzahlen ist, wenn der Empfänger wußte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht wußte, daß ein Anspruch auf Kindergeld nicht bestand. Das LSG hat ausdrücklich festgestellt, der Kläger habe weder unrichtige Angaben gemacht noch habe er eine ihm obliegende Anzeigepflicht verletzt. Die insoweit erhobene Rüge der Revision, nämlich der Kläger habe der Beklagten rechtzeitig mitgeteilt, er habe einen Arbeitsunfall erlitten, ist daher gegenstandslos. Darüber hinaus hat das LSG auch nicht angenommen, der Kläger habe gewußt, daß er Kindergeld zu Unrecht beziehe, sondern nur, er habe den unrechtmäßigen Bezug infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt, wobei es offensichtlich und unbestritten ist, daß dem Kläger mindestens das seit dem 1. Januar 1967 zurückgeforderte Kindergeld nicht zustand, so daß die Entziehung als solche von ihm auch nicht angegriffen wird.
Unstreitig ist die Doppelzahlung des Kindergeldes, was auch das LSG nicht verkannt hat, dadurch zustande gekommen, daß die Beklagte im Oktober 1964 eine zweite Kindergeldakte für den Kläger unter der KG-Nr. ... anlegte, und daraus laufend Kindergeld zahlte, obwohl bereits eine Akte (KG-Nr. ...) bestand und hieraus ebenfalls laufend Kindergeld gezahlt wurde. Die Revision weist zu Recht darauf hin, daß der Beklagten insoweit und auch bei der weiteren Aktenführung erhebliche Fehler unterlaufen sind. Soweit allerdings eine Überzahlung dadurch eingetreten ist, daß dem Kläger ab 1. März 1968 Kinderzulagen zu einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung gezahlt wurden (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 BKGG), ist die Entziehung des Kindergeldes und die entsprechende, mit dem Bescheid vom 4. Juni 1969 ausgesprochene Rückforderung von 4.830,- DM (Bl. 15 KG-Nr. ...) nicht streitig.
Ein Verschulden der Beklagten an einer Überzahlung schließt jedoch die Rückzahlungspflicht von zu Unrecht empfangenem Kindergeld nicht schlechthin aus. Die Voraussetzungen, unter denen der Empfänger derartige Leistungen zurückzuzahlen hat, sind in den §§ 13 und 14 Abs. 2 BKGG ausdrücklich geregelt. Ob im Hinblick auf das Bewilligungsverfahren eine den §§ 628, 1301 Reichsversicherungsordnung (RVO) entsprechende Regelung der Rückforderung zu Unrecht empfangener Leistungen angezeigt gewesen wäre, war hier nicht zu erörtern. Eine solche Entscheidung füllt allein in den Zuständigkeitsbereich des Gesetzgebers. Die von dem 3. Senat in seinem Urteil vom 10. November 1970 (BSG 32, 52 ff) in dieser Richtung zu § 223 RVO angestellten Erwägungen sind im Kindergeldrecht nicht maßgebend, weil hier, wie auch auf anderen Rechtsgebieten, im Gegensatz zu dem Recht der Krankenversicherung die Voraussetzungen der Rückzahlungspflicht ausdrücklich geregelt sind. Ein Verschulden der Beklagten kann daher nur insoweit von Bedeutung sein, als dadurch ggf. das Maß der Fahrlässigkeit des Empfängers unrechtmäßigen Kindergeldes beeinflußt wird.
Auch die Grundsätze des § 254 BGB können nicht auf die Rückzahlungsverpflichtung nach dem BKGG angewendet werden. Es handelt sich hier nicht um einen Schadensersatz-, sondern um einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, für den der Grundsatz gilt, daß zu Unrecht empfangene Leistungen zurückzuzahlen sind (vgl. BSG 29, 6, 7; 31, 23, 29 jeweils mit weiteren Nachweisen). Für eine Minderung dieses Anspruches bei einem Mitverschulden der Behörde ist in diesem Rahmen kein Raum. Ausgeschlossen ist ein solcher Erstattungsanspruch jedoch dann, wenn seine Geltendmachung gegen den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen würde. Eine Interessenabwägung nach diesen Grundsätzen ist aber nur möglich, soweit das Gesetz sie nicht in Form ausdrücklicher Regelungen bereits selbst vorgenommen hat. Ist das der Fall, so richtet sich die Rückzahlungsverpflichtung allein nach diesen Vorschriften, im Kindergeldrecht somit nach den §§ 13, 14 Abs. 2 BKGG.
Das LSG hat den Begriff der groben Fahrlässigkeit in § 13 Nr. 2 BKGG nicht verkannt. Auszugehen ist dabei von der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen und Verhalten des Betroffenen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles (BSG 35, 108, 112; SozR (neue Folge) 5870 § 13 BKGG Nr. 1). Eine grobe Fahrlässigkeit liegt u. a. vor, wenn der Betroffene die ihm obliegende Sorgfaltspflicht in besonders schwerem Maße verletzt hat (Wickenhagen-Krebs, Bundeskindergeldgesetz Bd. 2, Stand: September 1971, Anm. 9 zu § 13 BKGG; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch 34. Aufl., Anm. 2 zu § 277 BGB), indem er nicht das beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem einleuchten mußte (BGHZ 10, 14, 16, 69, 74) oder wenn er schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt hat (RGZ 163, 106), so daß sein Verhalten auch subjektiv schlechthin unentschuldbar ist (BSG SozR aaO). Diese Voraussetzungen hat das LSG zu Recht als vorliegend angenommen.
Wenn die Revision meint, der Kläger habe nicht über die notwendige Intelligenz und Einsichtsfähigkeit verfügt, um erkennen zu können, daß er jahrelang doppeltes Kindergeld bezog, so trifft das nicht zu. Es ist nichts dafür dargetan, daß er etwa nur über eine unterdurchschnittliche Intelligenz verfügte, und es stellt keinen Denkfehler dar, wenn das LSG die Einsichts- und Erkenntnisfähigkeit des Klägers als selbständigem Landwirt auch daran gemessen hat, daß er Mitglied des Gemeinderates und des Vorstands der Flurbereinigungsgenossenschaft war. Wenn es sich dabei auch vorwiegend um Tätigkeiten gehandelt haben mag, die vor allem praktischen Sachverstand erforderten, so handelte es sich doch bei dem Doppelbezug des Kindergeldes nicht um etwa finanztechnisch schwierige Zusammenhänge, sondern um einen einfachen Sachverhalt, der dem Kläger, ohne daß er besondere Überlegungen hätte anstellen müssen, ins Auge springen mußte, zumal er schon vor Juli 1964 Kindergeld bezogen hatte und aus den Merkblättern der Beklagten ohne weiteres hätte erkennen können, wie hoch sein Kindergeldanspruch war und daß ihm das Kindergeld in der jeweiligen Höhe für 5 bzw. 6 Kinder im Abstand von 2 Monaten und nicht jeden Monat mit dem zweifachen Betrag zustand. Das galt insbesondere auch noch dann, als ihm wegen der zu seiner Unfallrente gewährten Kinderzulagen das Kindergeld entzogen worden war und die Beklagte dennoch, jetzt aber nur noch alle 2 Monate, das Kindergeld weiterzahlte. Die Beweiswürdigung des LSG enthält daher auch insoweit keinen Denkfehler, wenn es bei dieser Sachlage zu dem Ergebnis gelangt ist, der Kläger habe ohne weiteres erkennen können, daß das weiter gezahlte Kindergeld ihm nicht mehr zustand, also zu Unrecht gezahlt wurde.
Der Kläger hat auch nicht etwa eingewandt, er habe die Höhe der Kindergeldzahlungen nicht gekannt. Er hat vielmehr mit ihnen gerechnet und sie bei der Finanzierung seines Hausbaues mit berücksichtigt. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob eine grobe Fahrlässigkeit i. S. von § 13 Nr. 2 BKGG dann nicht vorliegt, wenn der Empfänger des Kindergeldes dessen Höhe gar nicht kennt.
Die Revision bemängelt weiterhin zu Unrecht, das LSG habe das Schreiben des Klägers vom 25. Juli 1965 und die Antwort der Beklagten vom 9. August 1965 überhaupt nicht berücksichtigt. Der Kläger hatte die Beklagte nämlich nicht etwa darauf hingewiesen, er erhalte zuviel Kindergeld, sondern beanstandet, er habe 140,- DM zu wenig erhalten, woraufhin ihm die Beklagte mitgeteilt hatte, sie habe ordnungsgemäß Kindergeld gezahlt; dabei hat sie ausdrücklich die monatliche Höhe und die zweimonatige Zahlungsweise angegeben. Tatsächlich hatte der Kläger aber monatliche Zahlungen erhalten, die zeitweise das Doppelte der von der Beklagten angegebenen Beträge ausmachten. Das von dem LSG bezüglich des Vorliegens einer groben Fahrlässigkeit gefundene Beweisergebnis konnte also durch das Schreiben des Klägers vom 25. Juli 1965 und das Antwortschreiben der Beklagten vom 9. August 1965, die von der Beklagten bereits in ihrem Widerspruchsbescheid ausführlich wiedergegeben wurden, von der Revision aber unvollständig gewürdigt worden sind, nicht beeinflußt werden.
Wenn die Revision weiterhin bemängelt, das LSG habe auf Seite 3 seines Urteils fälschlich festgestellt, der Kläger habe am 16. März 196 4 eine Nachzahlung seit Juli 1964 erhalten, so handelt es sich dabei um einen offensichtlichen Schreibfehler. Das LSG hat aus diesem unrichtig wiedergegebenen Datum keinerlei, insbesondere nicht die von der Revision angenommenen, Folgerungen gezogen. Das gleiche gilt für die Formulierung des LSG auf Seite 3 unten des Urteils "laut beigefügter Anordnung". Tatsächlich heißt es allerdings auf dem Fragebogen "Vor Ausfüllung bitte anliegende Anleitung genau durchlesen". Zwar sind Anordnung und Anleitung inhaltlich verschiedene Begriffe, jedoch hat das LSG auch insoweit keine den Begriff oder die tatsächlichen Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit berührende Schlüsse gezogen, sondern lediglich auf die Merkblätter der Beklagten hingewiesen, aus denen der Kläger ohne weiteres die Höhe des ihm zustehenden Kindergeldes ersehen konnte.
Das LSG hat seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 103 SGG) und der Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 SGG) auch nicht dadurch verletzt, daß es die Überweisungsbelege nicht herangezogen und deren Inhalt nicht gewürdigt hat. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Belege, nachdem sie im Wege der elektronischen Datenverarbeitung angefertigt worden waren, für den Kläger unübersichtlich, mißverständlich oder unverständlich waren. Auch wenn die einzelnen auf diesen Belegen enthaltenen Angaben ihm keinen Überblick über den Zeitraum, für den die Zahlungen bestimmt waren, oder die Kindergeldnummer verschaffen konnten, so ändert das nichts daran, daß er lange Zeit hindurch jeden Monat einen Kindergeldbetrag erhielt, der - im 2-Monatsrhythmus - doppelt so hoch war wie sein gesetzlicher Anspruch, und daß allein diese Tatsache für ihn so augenfällig war oder sein mußte, daß er sie nicht übersehen konnte und nur bei grober Fahrlässigkeit daraus nicht zu dem Schluß gelangt war, er erhalte doppeltes bzw. seit dem 1. März 1968 ihm überhaupt nicht zustehendes Kindergeld.
Schließlich ist das angefochtene Urteil auch nicht deshalb rechts- oder verfahrensfehlerhaft, weil das LSG keine für die Anwendung des § 23 Abs. 4 BKGG iVm § 185 Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung - AVAVG - (ab 1. Juli 1969 § 152 Abs. 4 Arbeitsförderungsgesetz - AFG -) erforderliche Feststellungen getroffen und auch nicht darüber entschieden hat, ob die Voraussetzungen dieser Vorschriften auf den Kläger zutreffen. Die Niederschlagung von Rückforderungen oder die Einstellung des Einziehungsverfahrens steht im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten. Eine Entscheidung darüber soll in der Regel nur auf Antrag des Schuldners und nach Zahlung eines gewissen Teiles der Schuld erfolgen (vgl. die bei Berndt Draeger - Arbeitsvermittlung, Berufsberatung, Arbeitslosenversicherung, Kindergeld, II, Stand März 1974, abgedruckte Zusammenfassung der einschlägigen Vorschriften - § 185 AVAVG A II, § 4, 3 a). Eine derartige Entscheidung über Niederschlagung bzw. Einstellung des Einziehungsverfahrens würde der Nachprüfung durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit insoweit unterliegen, als die Beklagte von der ihr eingeräumten Ermächtigung keinen pflichtgemäßen Gebrauch gemacht hat. Eine solche Entscheidung ist jedoch bisher nicht getroffen worden, so daß eine Nachprüfung auch nicht möglich ist, weshalb entsprechende Feststellungen von dem LSG gar nicht getroffen werden durften. Wenn die Beklagte, bevor sie ggf. auf einen entsprechenden Antrag des Klägers hin eine Entscheidung nach § 23 Abs. 4 BKGG trifft, den Ausgang des Streitverfahrens darüber abwartet, ob und in welchem Umfang eine Rückzahlungspflicht des Klägers überhaupt besteht, so kann darin kein Ermessensfehlgebrauch liegen; denn wenn eine Rückzahlungspflicht rechtskräftig verneint würde, wäre für eine Entscheidung über eine Niederschlagung oder Einstellung des Einziehungsverfahrens kein Raum mehr.
Nach alledem mußte die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen