Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsunfall. Erholungsurlaub
Orientierungssatz
1. Es genügt für die Bejahung des Unfallversicherungsschutzes nicht, daß das Unternehmen ein sehr erhebliches eigenes Interesse an Maßnahmen hat, die geeignet sind, die Gesundheit zu fördern und damit einem Absinken der Leistungsfähigkeit vorzubeugen oder eine bereits eingetretene Minderung der Leistungsfähigkeit zu bessern oder zu beheben.
2. Die Ausnutzung der Freizeit zu Erholungszwecken bleibt eine persönliche Angelegenheit des Arbeitnehmers, die in erster Linie von seinen eigenen Entschließungen bestimmt wird und grundsätzlich ebenso dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen ist wie andere der Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit dienende Maßnahmen (vgl BSG 1957-01-22 2 RU 92/55 = BSGE 4, 219).
Die Teilnahme an dem zusätzlichen Erholungsaufenthalt kann im allgemeinen nicht der versicherten Tätigkeit im Unternehmen zugerechnet werden. Dieser zusätzliche Urlaub gehört vielmehr zum unversicherten persönlichen Lebensbereich.
Normenkette
RVO §§ 542, 537 Nr. 1
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 09.05.1957) |
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 18.04.1956) |
SG Ulm (Entscheidung vom 20.10.1954) |
Tenor
Die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. April 1956 und 9. Mai 1957 sowie des Sozialgerichts Ulm vom 20. Oktober 1954 werden aufgehoben. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 10. September 1953 wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Der Ehemann der Klägerin, der am 13. Mai 1956 verstorben ist, erlitt am 19. März 1953 im Erholungsheim "B..." in I... (Allgäu) einen Unfall. Er war im Werk U... der K... AG. als Lohnbuchhalter beschäftigt. Für dieses Unternehmen ist die Beklagte als Versicherungsträger zuständig.
Über den Unfallhergang enthält der Tatbestand des angefochtenen Urteils folgende Angaben:
Der Arbeitgeber hatte bei dem Inhaber des Erholungsheimes eine bestimmte Anzahl Plätze gemietet, die er in einem regelmäßigen Turnus an erholungsbedürftige Werksangehörige vergab. Der Aufenthalt in diesem Erholungsheim wurde nicht auf den tarifmäßigen Urlaub angerechnet. Er wurde auch wie eine normale Arbeitszeit von der Firma bezahlt. Am 19. März 1953 hielt sich der Kläger vor dem Abendessen im Speiseraum des Erholungsheimes auf. In dem Raum befanden sich noch die bei derselben Firma beschäftigten Kollegen ... und ... die Kontoristin ... sowie die drei- bzw. fünfjährigen Kinder des Pensionsinhabers. Der fünfjährige Sohn versuchte im Zimmer mit Pfeil und Bogen zu schießen, die von dem Arbeitskollegen ..., der zur gleichen Zeit im B... weilte, angefertigt worden waren. … zeigte dem Sohn das Schießen und schoß selbst. Dabei traf er in das linke Auge des Klägers. Der Kläger kam anschließend in das Kreiskrankenhaus W..., wo er sieben Wochen in stationärer Behandlung blieb. Am 23. April 1953 mußte das linke Auge entfernt werden. Die Firma K... AG., Werk U..., erstattete am 20. Mai 1953 bei der Beklagten eine Unfallanzeige und teilte auf Rückfrage mit, daß für die Erholungsverschickung verdiente und bedürftige Werksangehörige ausgesucht würden und daß die Auswahl durch die Geschäftsleitung in Verbindung mit dem Betriebsrat vorgenommen werde. Sie lege großen Wert darauf, daß die ausgesuchten Personen tatsächlich in Erholung gingen.
Die Entschädigungsansprüche des Verletzten sind von der Beklagten durch Bescheid vom 10. September 1953 abgelehnt worden. Zur Begründung ist im Bescheid u.a. ausgeführt: Nach allgemeiner Auffassung werde Urlaub als nicht mit der Betriebstätigkeit in Zusammenhang stehend erachtet. Auch ein Entschädigungsanspruch aus Anlaß des vorliegenden Unfalls müsse abgelehnt werden. Es sei unwesentlich, daß er sich bei einem zusätzlichen Erholungsurlaub in einer Pension ereignet habe, in der vom Arbeitgeber ständig Plätze in bestimmter Anzahl für Werksangehörige belegt worden seien. Einer beruflichen Gefahr sei der Verletzte während der Urlaubszeit nicht ausgesetzt gewesen, und ein gleicher Unfall hätte sich ebenso ereignen können, wenn der Verletzte in der Pension privat untergebracht gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid hat der Ehemann der Klägerin Berufung eingelegt, die nach Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Klage auf das Sozialgericht (SG.) Ulm übergegangen ist (§ 215 Abs. 2 und 4 SGG).
Durch Urteil vom 20. Oktober 1954 hat das SG. den Bescheid der Beklagten vom 10. September 1953 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Verlust des linken Auges als Folge eines entschädigungspflichtigen Arbeitsunfalls anzuerkennen.
Zur Begründung ist nach ausführlicher Darstellung der Rechtsprechung ausgeführt:
Die Begriffe Betriebsunfall und Arbeitsunfall seien in einem weiteren Sinne ausgelegt worden, der Unfälle bei Betriebsausflügen und sonstigen Betriebsveranstaltungen einbeziehe. Damit habe die Rechtsprechung dem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis des Arbeitnehmers Rechnung getragen. Dieses erschöpfe sich selten in den Pflichten, die nach dem Arbeitsvertrag obliegen, und offenbare sich vielmehr auch darin, daß er nicht unmittelbar die Arbeit betreffenden Anordnungen oder Wünschen des Arbeitgebers z.B. bezüglich der Betriebsveranstaltungen, Urlaub und dergl. folgen müsse. Deshalb erscheine es angemessen, den Arbeitnehmern den gleichen Unfallversicherungsschutz überall da zu gewährleisten, wo er sich mit Willen des Arbeitgebers in überwiegendem Betriebsinteresse befinde. Der Unfall habe sich während eines Erholungsaufenthalts ereignet, in welchem der Kläger auf Kosten des Betriebs unter Weiterzahlung des Gehalts ohne Anrechnung auf den Urlaub verschickt worden sei. Derartige Aufwendungen von Betriebsmitteln erfolgten in erster Linie im Interesse des Betriebs. Der Arbeitgeber habe mitgeteilt, daß er die gemieteten Plätze "verdienten" und erholungsbedürftigen Werksangehörigen zukommen lasse. Die Erholungsverschickung diene also als Ansporn zur Leistungssteigerung. Sie biete dem Arbeitgeber die Möglichkeit, Zeitpunkt und Verteilung des Erholungsurlaubs nach dem Betriebsinteresse zu beeinflußen . Denn der Arbeitnehmer werde sich nach einer Erholungsverschickung etwaigen Wünschen des Arbeitgebers bezüglich des tarifmäßigen Urlaubs kaum verschließen können. Die Erholungsverschickung biete außerdem die Gewähr, daß der Urlaub wirklich zur Erholung verwendet werde, und habe den Vorteil, daß der Arbeitnehmer leichter zurückgerufen werden könne, wenn es das Betriebsinteresse erfordere. Die Erholung komme zwar dem Arbeitnehmer zugute, sei aber als Vorteil für den Betrieb in Rechnung gestellt. Der Betriebszweck stehe hier ebenso im Vordergrund wie bei einer Betriebsfeier, die den einzelnen Arbeitnehmern Unterhaltung und Entspannung verschaffe, deren eigentliches Ziel aber die Förderung des Zusammengehörigkeitsgefühls sei.
Die Beklagte hat gegen das Urteil beim Landessozialgericht (LSG.) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Dieses hat durch Urteil vom 18. April 1956 die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG. Ulm vom 20. Oktober 1954 zurückgewiesen.
Die Revision ist vom LSG. zugelassen worden. Zur Begründung hat das LSG. im wesentlichen folgendes ausgeführt: Im Laufe der Jahre sei der Begriff des Arbeitsunfalls erweiternd dahin ausgelegt worden, daß sich der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht mehr auf die Arbeitstätigkeit der Belegschaft beschränke, die der unmittelbaren Förderung des eigentlichen Betriebszwecks diene. Zur Bejahung eines Arbeitsunfalls müsse aber gefordert werden, daß die Veranstaltung mindestens in einem wesentlichen inneren Zusammenhang mit der versicherten Arbeit oder dem Betrieb stehe und den Zwecken des versicherten Betriebs zu dienen bestimmt sei. Im vorliegenden Fall sei anzunehmen, daß die Interessen des Betriebs bei der Schaffung und Unterhaltung der Erholungseinrichtung maßgeblich beteiligt gewesen seien und eine ähnliche Rolle gespielt hätten wie bei anderen Betriebsveranstaltungen, die dem einzelnen Arbeitnehmer Unterhaltung und Entspannung von der Arbeit oder Erholung durch körperlichen Ausgleich verschaffen, deren versicherungsrechtlich bedeutsames Ziel aber die Förderung des Zusammengehörigkeitsgefühls der Betriebsangehörigen und damit mittelbar die Förderung der Betriebszwecke ist. Der Versicherungsschutz werde auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Unfallverletzung nicht durch einen Vorgang verursacht worden sei, der mit den eigentlichen Zwecken des betrieblichen Erholungsheimes in einem inneren Zusammenhang stehe. Wegen der Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die nachfolgenden Ausführungen Bezug genommen. Das Urteil des LSG. ist in Breithaupt 1956 S. 897 veröffentlicht.
Das Urteil ist der Beklagten am 25. Mai 1956 zugestellt worden, an den Bevollmächtigten des Klägers ist es am 24. Mai 1956 durch E-Brief zur Post gegeben worden. Mit Schriftsatz vom 7. November 1956, der beim LSG. am 14. November 1956 eingegangen ist, hat die Beklagte mitgeteilt, daß der Kläger am 13. Mai 1956, also noch vor Zustellung des LSG.- Urteils verstorben sei. Sie hat beantragt, durch Zusatzurteil dahin zu entscheiden, daß das Urteil gegen den Rechtsnachfolger der verstorbenen Partei wirksam sei.
Mit Schriftsatz vom 21. März 1957, beim LSG. am 22. März 1957 eingegangen, hat die Klägerin erklärt, daß das durch den Tod des Ehemannes unterbrochene Verfahren aufgenommen werde. Sie hat beantragt, das Urteil dahin zu ergänzen, daß sie Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Ehemannes geworden sei.
Durch Urteil vom 9. Mai 1957 hat das LSG. wie folgt erkannt:
Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. April 1956 ist gegenüber der Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihres am 13. Mai 1956 verstorbenen Ehemannes wirksam.
Dieses Urteil ist an die Prozeßbevollmächtigten beider Beteiligten am 29. Juni 1957 durch E-Brief zur Post gegeben worden.
Gegen das Urteil vom 18. April 1956 hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 6. Juni 1956, der beim Bundessozialgericht (BSG.) am 7. Juni 1956 eingegangen ist, Revision eingelegt und beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des Sozialgerichts Ulm vom 20. Oktober 1954 in Wiederherstellung des Bescheids der Beklagten vom 10. September 1953 die Klage abzuweisen,
hilfsweise beantragt sie,
das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Mit Schriftsatz vom 3. Juli 1957 (beim BSG. eingegangen am 5. Juli 1957) hat die Beklagte nochmals gegen das Urteil vom 18. April 1956 und zugleich auch gegen das Urteil vom 9. Mai 1957 Revision eingelegt. Sie beantragt,
unter Aufhebung der beiden angefochtenen Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. April 1956 und 9. Mai 1957 und des Urteils des Sozialgerichts Ulm vom 20. Oktober 1954 in Wiederherstellung des Bescheids der Beklagten vom 10. September 1953 die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die angefochtenen Urteile mit den ihnen zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
II
Die Revision ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG); sie ist in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§ 164 SGG) und somit zulässig. Sie ist auch begründet.
Die Revision rügt in erster Linie unrichtige Anwendung des materiellen Rechts. Sie ist der Auffassung, das LSG. habe die Grenzen des § 542 der Reichsversicherungsordnung (RVO) verkannt.
Der Gesetzgeber hat in § 542 RVO den Rechtsbegriff "Arbeitsunfall" nur dahin umschrieben, daß sich der Unfall "bei" einer versicherten Tätigkeit ereignet haben muß. Für die Auslegung dieses Rechtsbegriffs müssen deshalb die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze herangezogen werden. Dabei sind auch die Entscheidungen von Bedeutung, die noch zu dem Begriff "Betriebsunfall" (§ 544 RVO a.F.) ergangen sind. Denn die Einführung des neuen Begriffs "Arbeitsunfall" beruht in erster Linie auf dem Umstand, daß sich seit dem 6. Änderungsgesetz der Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht mehr auf die in den §§ 537 ff RVO a.F. einzeln aufgeführten Betriebe und Tätigkeiten beschränkt, sondern jetzt jede im Rahmen eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses verrichtete Arbeit erfaßt. Der Umfang des Versicherungsschutzes sollte, wie das LSG. zutreffend ausgeführt hat, dadurch nicht eingeschränkt werden. Abgesehen von der Ausdehnung des Versicherungsschutzes durch den Gesetzgeber (vgl. §§ 545a, 545b RVO a.F., § 543 RVO n.F.) zeigt auch die Rechtsprechung, wie das LSG. mit Recht ausgeführt hat, eine deutliche Tendenz, den Begriff "Arbeitsunfall" (bzw. "Betriebsunfall") erweiternd auszulegen. Bereits in der grundsätzlichen Entscheidung 2690 (AN. 1914 S. 411) hat das Reichsversicherungsamt (RVA.) unter Zusammenfassung der bisherigen Rechtsprechung klargestellt, daß ein "Betriebsunfall" nicht nur dann vorliegt, wenn das Unfallereignis unmittelbar durch die den Zwecken des versicherten Unternehmens dienende Tätigkeit verursacht worden ist und auf einer für diese Tätigkeit typischen Gefahr beruht, sondern daß auch "Unfälle des täglichen Lebens", die sich während der versicherten Tätigkeit ereignen, Betriebsunfälle sind, wenn zwischen dem Unfall und der Tätigkeit für den Betrieb ein rechtlich wesentlicher ursächlicher Zusammenhang besteht.
Ebenso sind die ursächlichen Zusammenhänge hinsichtlich ihrer rechtlichen Beachtlichkeit abzuwägen, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Entscheidung darüber, ob ein Arbeitsunfall vorliegt, davon abhängt, ob die Tätigkeit, bei der sich der Unfall ereignet hat, noch zu den im Rahmen eines versicherten Arbeitsverhältnisses (§ 537 Nr. 1 RVO) verrichteten und infolgedessen unter Versicherungsschutz stehenden Tätigkeiten gehört (vgl. hierzu z.B. BSG. 3 S. 240 [245]).
Das LSG. hat auf den, hier zu beurteilenden Sachverhalt die Grundsätze angewendet, die von der Rechtsprechung zur Frage des Versicherungsschutzes für "Gemeinschaftsveranstaltungen" entwickelt worden sind (vgl. BSG. 1 S. 179, 7 S. 249). Eine unmittelbare Anwendung dieser Grundsätze scheidet aber im vorliegenden Fall schon deshalb aus, weil, wie das LSG. auch nicht verkannt hat, die Teilnahme an dem Erholungsaufenthalt jeweils nur verhältnismäßig wenig Beschäftigten und nicht allen in dem Unternehmen oder wenigstens in einem Teil desselben Tätigen offenstand und die Teilnehmer infolgedessen auch nach außen hin nicht die Gemeinschaft der im Unternehmen Tätigen und das Unternehmen selbst "repräsentieren" konnten.
Das LSG. hat die Bejahung des Versicherungsschutzes damit begründet, daß die Gewährung des Erholungsaufenthalts den Zwecken des Unternehmens gedient habe.
Es hat in diesem Zusammenhang - an sich durchaus zutreffend - hervorgehoben, daß auch auf Seiten der Betriebsangehörigen ein Interesse an den Erholungsaufenthalten bestehe und daß durch sie das Gefühl der Betriebsverbundenheit und damit das "Betriebsklima" gefördert werde. Dieser Gesichtspunkt genügt jedoch nicht, um die Teilnahme an einem Erholungsaufenthalt der versicherten Arbeitstätigkeit gleichstellen zu können. Eine gleiche Bedeutung für das "Betriebsklima" haben auch zahlreiche andere Einrichtungen, die - besonders allerdings in Großbetrieben - als soziale Hilfe für die Arbeitnehmer oder zur Erleichterung der Freizeitgestaltung unterhalten werden (z.B. Kindergärten, Sportanlagen, verbilligter oder kostenfreier Theaterbesuch usw.). Grundsätzlich, d.h., soweit nicht z.B. ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang mit der Arbeitszeit oder dem Weg von oder nach der Arbeitsstätte (vgl. aber hierzu BSG. 4 S. 219 [223]) oder etwa die verhältnismäßig engen Grundsätze über die Versicherung des Betriebssports eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, steht jedoch die Benutzung derartiger Einrichtungen nicht unter Versicherungsschutz (vgl. auch EuM. Bd. 42 S. 385 [387]; anderer Ansicht: Fink, Soz. Vers. 1957 S. 27).
Ebenso genügt es für die Bejahung des Versicherungsschutzes nicht, daß das Unternehmen - wie das LSG. weiterhin an sich zutreffend ausgeführt hat - ein sehr erhebliches eigenes Interesse an Maßnahmen hat, die geeignet sind, die Gesundheit zu fördern und damit einem Absinken der Leistungsfähigkeit vorzubeugen oder eine bereits eingetretene Minderung der Leistungsfähigkeit zu bessern oder zu beheben. Aus der Fürsorgepflicht des Unternehmens ergibt sich zwar u.a. auch die Verpflichtung, den im Unternehmen Tätigen ausreichend Freizeit zu gewähren. Für den normalen Urlaub ist der Mindestumfang dieser Verpflichtung in den landesrechtlichen Urlaubsgesetzen festgelegt. Dieser Urlaubsanspruch wird deshalb auch im Arbeitsrecht überwiegend nicht als Teil des verdienten Entgelts aufgefaßt, sondern als ein Ausfluß der Fürsorgepflicht (vgl. Nikisch, Arbeitsrecht, 2. Aufl. 1955, Bd. I S. 443 mit weiteren Nachweisen).
Trotzdem bleibt die Ausnutzung der Freizeit zu Erholungszwecken eine persönliche Angelegenheit des Arbeitnehmers, die in erster Linie von seinen eigenen Entschließungen bestimmt wird und grundsätzlich ebenso dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen ist wie andere der Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit dienende Maßnahmen (vgl. hierzu auch BSG. 4 S. 219 [223]). Das Interesse des Unternehmens an der Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer ist nicht ausreichend, um den dadurch gegebenen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit als rechtlich wesentlich ansehen zu können. Ein solches Interesse des Unternehmens besteht vielmehr auch an zahlreichen anderen Verrichtungen im Rahmen des unversicherten persönlichen Lebensbereichs - wie z.B. Beschaffung und Instandhaltung von Kleidung, ausreichende und gesundheitlich zuträgliche Ernährung, Beschaffung ausreichenden Wohnraums usw. -, ohne die eine ordnungsmäßige Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis nicht möglich ist (vgl. BSG. 7 S. 255).
Auch die besondere Bedeutung der vorbeugenden Gesundheitsfürsorge in der Sozialpolitik der Bundesrepublik rechtfertigt es nicht, Unfälle während vorbeugender Kuren und Erholungsaufenthalte als Arbeitsunfälle bei einer versicherten Tätigkeit im Unternehmen anzusehen und ihre Entschädigung dem für das Unternehmen zuständigen Versicherungsträger aufzuerlegen.
Eine andere Beurteilung ist nach der Auffassung des erkennenden Senats nicht schon dann gerechtfertigt, wenn der Unternehmer von sich aus Maßnahmen der vorbeugenden Gesundheitsfürsorge durchführt und zu diesem Zwecke einen Erholungsaufenthalt ermöglicht, indem er die Kosten ganz oder teilweise übernimmt oder auch eigene Einrichtungen für den Aufenthalt zur Verfügung stellt.
Auch der Umstand, daß der Zeitpunkt des zusätzlichen Erholungsurlaubs mit der Auswahl für die "Verschickung" vom Unternehmer bestimmt wird, unterscheidet einen solchen Zusatzurlaub rechtlich nicht wesentlich vom Normalurlaub. Auch bei diesem sind die Arbeitnehmer zwar aufgrund des Mitbestimmungsrechts an der Aufstellung der Urlaubspläne beteiligt, dem einzelnen Arbeitnehmer gegenüber kann jedoch der Arbeitgeber den Zeitpunkt für den Urlaubsantritt bestimmen (vgl. Nikisch a.a.O. S. 450).
Das gleiche gilt von der Erwägung des LSG., daß das Unternehmen die von ihm selbst zu einem Erholungsaufenthalt "verschickten" Arbeitnehmer im Bedarfsfall leichter zurückrufen könne. Eine solche Möglichkeit ist - insbesondere in dringenden Fällen - auch bei einem normalen Erholungsurlaub gegeben, und es ist nicht nur allgemein im öffentlichen Dienst, sondern vielfach auch im Bereich der privaten Wirtschaft üblich, zu diesem Zweck die Angabe einer Urlaubsanschrift zu fordern.
Allerdings sind auch nach der Auffassung des erkennenden Senats Fälle denkbar, in denen ein Kuraufenthalt unter Versicherungsschutz stehen könnte. Es ist möglich, daß die Arbeit in einem Unternehmen etwa mit einer besonderen Gefährdung verbunden ist, die zur Vermeidung von Gesundheitsschäden vorbeugende Maßnahmen erfordert, die der Unternehmer entweder aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung (vgl. hierzu EuM. Bd. 46 S. 406) oder freiwillig in Form von Kuren durchführt. Diese müssen aber dann durch die Art ihrer Durchführung erkennen lassen, daß es wesentlich um die Wahrnehmung betrieblicher Belange geht und daß das Interesse des einzelnen an der Kräftigung seiner Gesundheit nur Nebenzweck ist. Desgleichen kann sich aus der besonderen Stellung des Unternehmens z.B. aus dem Umstand, daß es sich um ein Verkehrsunternehmen handelt, oder aus der besonderen Stellung des einzelnen im Unternehmen ergeben, daß der Unternehmer Kuren wesentlich in "Wahrnehmung seiner besonderen betrieblichen Belange durchführt. Solche besonderen Umstände müssen aber eindeutig ersichtlich sein, sie müssen sich aus der besonderen Natur des Unternehmens oder der Tätigkeit des einzelnen und aus der besonderen Gestaltung der Durchführung der Kuren ergeben.
Derartige Besonderheiten bestehen im vorliegenden Fall nicht. Für die Verschickung wurden nach den Feststellungen des LSG. "verdiente und bedürftige Werksangehörige" ausgewählt. Der Ehemann der Klägerin war Lohnbuchhalter. Das Unternehmen hatte sich auch lediglich eine bestimmte Anzahl von Plätzen in einer Pension für seine Arbeitnehmer gesichert, und für eine Einflußnahme auf die Gestaltung des Aufenthalts ergibt sich weder aus den Feststellungen des LSG. noch aus dem Vorbringen der Beteiligten ein Anhalt. Die Betriebsangehörigen wurden vielmehr erkennbar in der Pension nicht anders behandelt als sonstige Pensionsgäste.
Hiernach kann im vorliegenden Fall die Teilnahme an dem zusätzlichen Erholungsaufenthalt, währenddessen sich der Unfall ereignet hat, nicht der versicherten Tätigkeit im Unternehmen zugerechnet werden. Dieser zusätzliche Urlaub gehört vielmehr zum unversicherten persönlichen Lebensbereich.
Auf die begründete Revision waren das Urteil des LSG. und das Urteil des SG. Ulm aufzuheben. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 10. September 1953 war abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht aufgrund von § 193 SGG.
Fundstellen