Verfahrensgang
LSG Hamburg (Urteil vom 18.06.1957) |
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 18. Juni 1957 wird mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
I
Der als Schlosser bei der H. H. (HHA) beschäftigte Kläger macht Entschädigungsansprüche auf Grund eines Unfalls geltend, den er am 9. März 1955 erlitten hat. Über den Sachverhalt ist im Tatbestand des Landessozialgerichts-Urteils folgendes ausgeführt: Die HHA unterhält seit 1940 in R. ein Erholungsheim für ihre Betriebsangehörigen. Diese erhalten einen zusätzlichen kostenlosen Aufenthalt von jeweils 17 Tagen in dem Erholungsheim. Der Aufenthalt wird auf den Jahresurlaub nicht angerechnet. Die Betriebsangehörigen werden für die Verschickung nach dem Lebensalter im Auftrage des Vorstandes von dem Betriebsrat ausgewählt. In den Jahren 1952 bis 1954 wurden jeweils 736 Betriebsangehörige verschickt. Der Leiter und die Bediensteten des Erholungsheimes sind Betriebsangehörige der HHA. Der Kläger wurde vom 7. März bis zum 23. März 1955 zu einem Erholungsaufenthalt in das Betriebsheim verschickt. Am 9. März 1955 glitt er dort bei einem Nachmittagsspaziergang aus und brach sich das rechte Wadenbein.
Durch Bescheid vom 14. Juli 1955 hat die Beklagte den Entschädigungsanspruch abgelehnt. Zur Begründung hat sie ausgeführt: Der Kläger habe sich z.Zt. des Unfalls auf einem Spaziergang befunden, der nach seinem eigenen Belieben zu seiner Erholung gemacht worden sei. Dieser Spaziergang werde nicht dadurch zu einer mit dem Betrieb zusammenhängenden Tätigkeit, daß der Kläger sich auf Kosten des Betriebes in einem Erholungsheim befunden habe. Der Aufenthalt im Heim habe nicht betrieblichen Zwecken, sondern der Förderung der Gesundheit des Verletzten gedient. Er sei nicht anders zu bewerten als das Aufsuchen eines Arztes zwecks Behandlung. Der Betrieb biete durch die Gewährung des Erholungsaufenthalts und durch Übernahme der Kosten zwar die Gelegenheit zur Erholung, damit werde aber noch nicht ein derartiger Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit hergestellt, der Heimaufenthalt als eine versicherte Tätigkeit anzusehen sei.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG.) Hamburg erhoben.
Durch Urteil vom 21. Juni 1956 hat das SG. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Juli 1955 verurteilt, den Unfall des Klägers als Arbeitsunfall anzuerkennen und dem Kläger Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Zur Begründung hat das SG. ausgeführt: Als versicherte Tätigkeiten im Sinne des § 537 RVO würden auch die im Zusammenhang mit Betriebsfeiern oder Betriebssport ausgeübten Tätigkeiten gewertet. Allerdings seien hierbei verhältnismäßig viele Betriebsangehörige zusammen und unternähmen gemeinsam etwas, um sich auch persönlich kennenzulernen und im Betriebssport sich gegenseitig durch körperliche Bewegung gesundheitlich zu fördern. Demgegenüber zeige der Aufenthalt in einem Erholungsheim andere Züge. Hier gehe es darum, einer Schwächung der Arbeitskraft durch den anstrengenden regelmäßigen Dienst vorzubeugen. Insofern nähere sich der Aufenthalt dem Erholungsurlaub oder größeren Ruhepausen. Andererseits werde aber der Erholungsurlaub auf Anordnung des Unternehmens angetreten und sei der freien Disposition des Beschäftigten entzogen. Der Unternehmer selbst regele aber nur An- und Abtransport und den Tagesablauf in den wesentlichen Zeitabschnitten. Innerhalb des Tagesablaufs seien dem Verschickten Zeiten gelassen, in denen er sich frei entschließen könne, wie er sie verbringen wolle. Trotz dieser Freiheiten und trotz der Tatsache, daß Berufstätigkeit in dieser Zeit von ihm nicht erwartet werde, sei die Kammer zu dem Schluß gekommen, daß auch Spaziergänge während des Aufenthalts insoweit geschützt seien, als sie sich innerhalb der vom Unternehmen in großen Zügen geregelten Kur hielten. Die gesetzliche Unfallversicherung solle den Beschäftigten davor schützen, daß er gezwungen werde, im Falle eines Arbeitsunfalls Ansprüche dem Arbeitgeber gegenüber durchzusetzen. Die Voraussetzungen für das Bestehen eines Anspruches seien in der gesetzlichen Unfallversicherung und im bürgerlichen Recht nicht gleich. Versuche ein Unternehmen die Arbeitskraft seiner Beschäftigten dadurch zu erhalten, daß vorzeitiger Abnutzung von einem bestimmten Alter der Beschäftigten an durch geregelten Sonderurlaub vorgebeugt werde, so sei das eine Maßnahme, die zwar dem Unternehmen wirtschaftlich zu dienen geeignet sei, zunächst aber die Tätigkeit des Verletzten selbst nur entfernt berühre. Da Schäden bei solcher vorbeugender Erholung die Gesamtheit der Unternehmer, die in der Berufsgenossenschaft (BG.) zusammengeschlossen seien, insofern belasten würden, als durch ihre Beiträge der Bedarf der BG. zur Schadensdeckung beschafft werden müsse, könne erwogen werden, mindestens für die Zeit, in der Betriebserholungsheime noch eine Seltenheit seien, demjenigen Unternehmer, der sich ein solches Erholungsheim leiste, auch eine Privatversicherung für die Verschickten zuzumuten. Andererseits sei aber das Einrichten von Betriebserholungsheimen eine soziale Maßnahme, die weitgehende Förderung verdiene. Da man sich entschlossen habe, Betriebssport, der freiwillig ausgeübt werde, im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung zu schützen, entspreche es durchaus dem Zug der Zeit, einen solchen Schutz auch dem Aufenthalt in einem Betriebserholungsheim zukommen zu lassen. Gewiß seien noch erhebliche Unterschiede zu erkennen zwischen der Beförderung vom und zum Erholungsheim, der Einnahme der Mahlzeiten im Heim, sonstigen gemeinsamen Veranstaltungen und der Betätigung in der ungeregelt gelassenen Zeit. Insofern aber seien Abgrenzungsmöglichkeiten dadurch gegeben, daß der Sinn des Aufenthalts für die Beschäftigten klar sei und auch die örtlichen Gegebenheiten in der Regel es erleichterten, die Grenzen zu erkennen, innerhalb deren sich das Verhalten des Beschädigten noch im Rahmen der Kur halte. Der Kläger habe sich während des Spazierganges im Rahmen der Kur gehalten.
Gegen das Urteil des SG. hat die Beklagte beim Landessozialgericht (LSG.) Hamburg Berufung eingelegt.
Durch Urteil vom 18. Juni 1957 hat das LSG. die Berufung gegen das Urteil des SG. Hamburg vom 21. Juni 1956 zurückgewiesen. Die Revision ist vom LSG. zugelassen worden.
Zur Begründung hat das LSG. im wesentlichen folgendes ausgeführt: Im Laufe der Jahre sei der Begriff des Arbeitsunfalls erweiternd dahin ausgelegt worden, daß sich der Unfall nicht unbedingt im unmittelbaren Zusammenhang mit einer betrieblichen Tätigkeit ereignet zu haben brauche. Diene eine Tätigkeit oder Veranstaltung nur teilweise eigenwirtschaftlichen Zwecken, liege sie aber gleichzeitig im Betriebsinteresse und sei eine Trennung nicht möglich, dann müsse nach dem Grundsatz der wesentlichen Mitverursachung geprüft werden, ob Unfallversicherungsschutz in Betracht komme. Die Auffassung, ein Erholungsurlaub bzw. der Aufenthalt in einem Erholungsheim stelle immer eine unversicherte eigenwirtschaftliche Tätigkeit dar, könne in dieser Allgemeinheit nicht geteilt werden. Habe sich ein Unfall bei einem Ferienaufenthalt ereignet, den der Verletzte während seines normalen Jahresurlaubs mit seinen Familienangehörigen auf eigene Kosten in einem Betriebsheim verbracht habe, so bestehe kein Versicherungsschutz.
Der vorliegende Fall liege aber völlig anders. Nach Lage dieses Falles sei der ursächliche Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit noch zu bejahen, und zwar auch hinsichtlich des beim Nachmittagsspaziergang eingetretenen Unfalls. Wegen der Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die nachfolgenden Ausführungen Bezug genommen. Das Urteil des LSG. ist in Breithaupt 1958 S. 225 veröffentlicht.
Das Urteil ist beiden Beteiligten am 5. Juli 1957 zugestellt worden.
Gegen das Urteil des LSG. hat die Beklagte am 12. Juli 1957 Revision eingelegt und diese Revision nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 5. Oktober 1957 am 6. September 1957 begründet.
Sie beantragt:
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils in Stattgabe der Berufung der Beklagten gegen das gleichfalls aufzuhebende Urteil des SG. Hamburg unter Wiederherstellung des Ablehnungsbescheides der Beklagten die Klage abzuweisen.
Hilfsweise beantragt sie:
das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt:
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–); sie ist in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden und somit zulässig. Sie ist auch begründet.
Abgesehen von verfahrensrechtlichen Rügen, die sich gegen den Umfang der Sachaufklärung durch das LSG. und gegen einzelne tatsächliche Feststellungen richten, macht die Revision in erster Linie geltend: Durch die Auslegung des Begriffs „Arbeitsunfall”, auf der das angefochtene Urteil beruhe, sei der Unfallversicherungsschutz über den Rahmen der gesetzlichen Vorschriften hinaus ausgedehnt worden. Dieser Rechtsbegriff „Arbeitsunfall” ist vom Gesetzgeber nicht näher umschrieben worden (vgl. § 544 RVO a.F. u. § 542 RVO in der Fassung des 6. Änderungsgesetzes vom 9. März 1942 – RGBl. I S. 107 –).
Die Forderung des Gesetzgebers, daß es sich – abgesehen von der Entschädigung von Berufskrankheiten – um einen „Unfall” handeln müsse, bedarf im vorliegenden Fall keiner näheren Erörterung, da nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des LSG. das Vorliegen eines typischen „Unfall”-Ereignisses im Sinne des § 542 RVO nicht zweifelhaft ist. Auch die Erweiterung des Rahmens der unter Versicherungsschutz stehenden Tätigkeiten, die dadurch erfolgt ist, daß vom Gesetzgeber das Zurücklegen der Wege von und nach der Arbeitsstätte und gewisse mit der Verwahrung, Beförderung, Instandhaltung und Erneuerung des Arbeitsgerätes zusammenhängende Verrichtungen der versicherten Tätigkeit gleichgestellt worden sind (§§ 545 a, 545 b RVO a.F., § 543 RVO n.F.), hat für den vorliegenden Fall keine unmittelbare Bedeutung.
Für die Auslegung des Begriffs „Arbeitsunfall” müssen die Grundsätze herangezogen werden, die von der Rechtsprechung hierfür entwickelt worden sind. Dabei ist es, wie das LSG. zutreffend ausgeführt hat, für den vorliegenden Fall ohne wesentliche Bedeutung, daß das 6. Änderungsgesetz den Begriff „Betriebsunfall” durch den Begriff „Arbeitsunfall” ersetzt hat. Dies beruht in erster Linie auf dem Umstand, daß sich seit dem 6. Änderungsgesetz der Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht mehr auf die in den §§ 537 ff. RVO a.F. einzeln aufgeführten Betriebe und Tätigkeiten beschränkt, sondern jetzt jede im Rahmen eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses verrichtete Arbeit erfaßt. Bei der Auswertung von Entscheidungen, die vor dem Inkrafttreten des 6. Änderungsgesetzes ergangen sind, ist lediglich die bis dahin geltende Beschränkung des Versicherungsschutzes zu beachten.
Wie das LSG. zutreffend ausgeführt hat, zeigt die Rechtsprechung eine deutliche Tendenz, den Begriff „Arbeitsunfall” (bzw. „Betriebsunfall”) erweiternd auszulegen. Bereits in der grundsätzlichen Entscheidung 2690 (AN. 1914 S. 411) hat das Reichsversicherungsamt (RVA.) unter Zusammenfassung der bisherigen Rechtsprechung klargestellt, daß ein „Betriebsunfall” nicht nur dann vorliegt, wenn das Unfallereignis unmittelbar durch die den Zwecken des versicherten Unternehmens dienende Tätigkeit verursacht worden ist und auf einer für diese Tätigkeit typischen Gefahr beruht, sondern daß auch „Unfälle des täglichen Lebens”, die sich während der versicherten Tätigkeit ereignen, Betriebsunfälle sind, wenn zwischen dem Unfall und der Tätigkeit für den Betrieb ein rechtlich wesentlicher ursächlicher Zusammenhang besteht.
Ebenso sind die ursächlichen Zusammenhänge hinsichtlich ihrer rechtlichen Beachtlichkeit abzuwägen, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Entscheidung darüber, ob ein Arbeitsunfall vorliegt, davon abhängt, ob die Tätigkeit, bei der sich der Unfall ereignet hat, noch zu den im Rahmen eines versicherten Arbeitsverhältnisses (§ 537 Nr. 1 RVO) verrichteten und infolgedessen unter Versicherungsschutz stehenden Tätigkeiten gehört (vgl. hierzu z. B. BSG. 3 S. 240 [245]).
Das LSG. hat auf die Folgerungen hingewiesen, die hieraus von der Rechtsprechung hinsichtlich des Versicherungsschutzes für Unfälle beim „Betriebssport” und bei „Gemeinschaftsveranstaltungen” gezogen worden sind. Während die Anerkennung des Betriebssports als Teil der versicherten Tätigkeit zunächst auf die Initiative des damaligen Reichsverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften zurückzuführen war und erst später durch Richtlinien des RVA. näher begrenzt worden ist (vgl. EuM. Bd. 43 S. 253, AN. 1943 S. 231), beruht die Anerkennung des Versicherungsschutzes für Gemeinschaftsveranstaltungen eines Unternehmens auf der vom RVA. durch die Entscheidung über den Versicherungsschutz für Veranstaltungen am 1. Mai eingeleiteten Rechtsprechung (vgl. BSG. 1 S. 179, 7 S. 249).
Wie das LSG. nicht verkannt hat, lassen sich hieraus jedoch keine unmittelbaren Folgerungen für die Entscheidung der Frage herleiten, ob – und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen – ein Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung besteht, wenn ein Unternehmen es den in ihm Beschäftigten ermöglicht oder erleichtert, den Jahresurlaub oder einen zusätzlichen Urlaub zu einem Erholungsaufenthalt zu verwenden. Eine unmittelbare Anwendung der Grundsätze für den Versicherungsschutz bei Gemeinschaftsveranstaltungen entfällt im vorliegenden Fall schon deshalb, weil die Teilnahme an dem Erholungsaufenthalt jeweils nur verhältnismäßig wenig Beschäftigten und nicht allen in dem Unternehmen oder wenigstens in einem Teil desselben Tätigen offenstand und die Teilnehmer infolgedessen auch nach außen hin nicht die Gemeinschaft der im Unternehmen Tätigen und das Unternehmen selbst „repräsentieren” konnten. Vom Betriebssport unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt schon durch das Fehlen des unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs mit der Belastung durch den Arbeitstag oder die Arbeitswoche. Der vorliegende Fall gibt dem Senat keine Veranlassung, allgemein die Frage zu prüfen, ob die nach dem Kriege zur Frage des Versicherungsschutzes für Sportunfälle ergangenen Entscheidungen sich im Rahmen des Gesetzes halten.
Das LSG. hat unter Berücksichtigung der Besonderheiten des zu beurteilenden Sachverhalts geprüft, ob der Erholungsaufenthalt des Klägers in R. mit der Tätigkeit im Unternehmen der HHA in rechtlich wesentlichem Zusammenhang stand. Ein solcher Zusammenhang wird, wie sich aus der vorstehend dargelegten Entwicklung der Rechtsprechung zum Begriff Arbeitsunfall ergibt, nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß der Erholungsaufenthalt nicht unmittelbar den Zwecken des Unternehmens diente.
Andererseits genügt es aber nicht, daß ein der Erholung dienender Aufenthalt insofern auch den Interessen des Unternehmens dient, als er geeignet ist, die Gesundheit zu fördern und damit einem Absinken der Leistungsfähigkeit vorzubeugen oder eine bereits eingetretene Minderung der Leistungsfähigkeit zu bessern oder zu beheben. Aus der Fürsorgepflicht des Unternehmens ergibt sich zwar u. a. auch die Verpflichtung, den im Unternehmen Tätigen ausreichend Freizeit zu gewähren. Für den normalen Urlaub ist der Mindestumfang dieser Verpflichtung in den landesrechtlichen Urlaubsgesetzen festgelegt. Dieser Urlaubsanspruch wird deshalb auch im Arbeitsrecht überwiegend nicht als Teil des verdienten Entgelts aufgefaßt, wie es das LSG. getan hat, sondern als ein Ausfluß der Fürsorgepflicht (vgl. Nikisch, Arbeitsrecht, 2. Aufl. 1955, Bd. I S. 443 mit weiteren Nachweisen).
Trotzdem bleibt die Ausnutzung der Freizeit zu Erholungszwecken eine persönliche Angelegenheit des Arbeitnehmers, die in erster Linie von seinen eigenen Entschließungen bestimmt wird und grundsätzlich ebenso dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen ist wie andere der Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit dienende Maßnahmen (vgl. hierzu auch BSG. 4 S. 219 [223]). Das Interesse des Unternehmens an der Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer ist nicht ausreichend, um den dadurch gegebenen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit als rechtlich wesentlich ansehen zu können. Ein solches Interesse des Unternehmens besteht vielmehr auch an zahlreichen anderen Verrichtungen im Rahmen des unversicherten persönlichen Lebensbereichs – wie z. B. Beschaffung und Instandhaltung von Kleidung, ausreichende und gesundheitlich zuträgliche Ernährung, Beschaffung ausreichenden Wohnraums usw. –, ohne die eine ordnungsmäßige Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis nicht möglich ist (vgl. BSG. 7 S. 255).
Auch die besondere Bedeutung der vorbeugenden Gesundheitsfürsorge in der Sozialpolitik der Bundesrepublik rechtfertigt es nicht, Unfälle während vorbeugender Kuren und Erholungsaufenthalte als Arbeitsunfälle bei einer versicherten Tätigkeit im Unternehmen anzusehen und ihre Entschädigung dem für das Unternehmen zuständigen Versicherungsträger aufzuerlegen.
Eine andere Beurteilung ist nach der Auffassung des erkennenden Senats nicht schon dann gerechtfertigt, wenn das unternehmen von sich aus Maßnahmen der vorbeugenden Gesundheitsfürsorge durchführt und zu diesem Zwecke einen Erholungsaufenthalt ermöglicht, indem es die Kosten ganz oder teilweise übernimmt oder auch eigene Einrichtungen für den Aufenthalt zur Verfügung stellt. Derartige Fürsorgemaßnahmen sind allerdings, wie das LSG. zutreffend ausgeführt hat, keine „Geschenke” des Unternehmens. Abgesehen vom Interesse des Unternehmens an der Gesundheit der Arbeitnehmer sind derartige Fürsorgemaßnahmen geeignet, die Arbeitsfreudigkeit zu erhöhen und, das „Betriebsklima” günstig zu beeinflussen. Das gilt jedoch auch von zahlreichen anderen Einrichtungen, die – besonders allerdings in Großbetrieben – als soziale Hilfe für die Arbeitnehmer oder zur Erleichterung der Freizeitgestaltung unterhalten werden (z. B. Kindergärten, Sportanlagen, verbilligter oder kostenfreier Theaterbesuch usw.). Grundsätzlich, d. h., soweit nicht z. B. ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang mit der Arbeitszeit oder dem Weg von oder nach der Arbeitsstätte (vgl. aber hierzu BSG. 4 S. 219 [223]) oder etwa die verhältnismäßig engen Grundsätze über die Versicherung des Betriebssports eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, steht jedoch die Benutzung derartiger Einrichtungen nicht unter Versicherungsschutz (vgl. auch EuM. Bd. 42 S. 385 [387]; anderer Ansicht: Fink, Soz.Vers. 1957 S. 27).
Das LSG. hat das auch nicht verkannt, sondern vielmehr ausdrücklich unter Bezugnahme auf das Urteil des LSG. Bremen vom 28. September 1956 (Breithaupt 1957 S. 404 = Die Berufsgenossenschaft 1957 S. 393) ausgeführt, daß auch seiner Auffassung nach ein Erholungsaufenthalt während des normalen Jahresurlaubs nicht dadurch in den Versicherungsschutz einbezogen werde, daß der Urlauber ein Erholungsheim des Unternehmens oder mit dem Unternehmen in vertraglichen Beziehungen stehende Hotels oder Pensionen aufsucht und dadurch die Kosten des Aufenthalts wesentlich verringert.
Das LSG. ist aber der Auffassung, daß sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von diesen Fällen insofern wesentlich unterscheide, als das Heim in R. nicht nach Wunsch aufgesucht werden konnte, die jeweiligen Besucher des Heims vielmehr vom Betriebsrat im Auftrag des Vorstands aufgrund ihres Lebensalters ausgewählt wurden, es sich um einen Sonderurlaub handelte, der nicht auf den Jahresurlaub angerechnet wurde, und der Lohn während des Sonderurlaubs weitergezahlt wurde.
Diese Umstände sind jedoch nach der Auffassung des erkennenden Senats für sich allein noch nicht geeignet, eine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Die Gewährung eines zusätzlichen kostenlosen Erholungsurlaubs für ältere Arbeitnehmer, durch den ebenso wie bei dem üblichen Jahresurlaub kein Einkommensausfall eintritt, liegt noch im Rahmen der fürsorgerischen Maßnahmen, deren Inanspruchnahme nach dem vorstehend Dargelegten nicht den versicherten Tätigkeiten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zugerechnet werden kann.
Auch der Umstand, daß der Zeitpunkt des zusätzlichen Erholungsurlaubs mit der Auswahl für die „Verschickung” vom Unternehmen bestimmt wird, unterscheidet einen solchen Zusatzurlaub rechtlich nicht wesentlich vom Normalurlaub. Auch bei diesem sind die Arbeitnehmer zwar aufgrund des Mitbestimmungsrechts an der Aufstellung der Urlaubspläne beteiligt, dem einzelnen Arbeitnehmer gegenüber kann jedoch der Arbeitgeber den Zeitpunkt für den Urlaubsantritt bestimmen (vgl. Nikisch a.a.O. S. 450).
Nach der Auffassung des erkennenden Senats kann es jedoch Fälle geben, in denen ein Kuraufenthalt unter Versicherungsschutz steht. Es ist möglich, daß die Arbeit in einem Unternehmen etwa mit einer besonderen Gefährdung verbunden ist, die zur Vermeidung von Gesundheitsschäden vorbeugende Maßnahmen erfordert, die der Unternehmer entweder aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung (vgl. hierzu EuM. Bd. 46 S. 406) oder freiwillig in Form von Kuren durchführt. Diese müssen aber dann durch die Art ihrer Durchführung erkennen lassen, daß es wesentlich um die Wahrnehmung betrieblicher Belange geht und daß das Interesse des einzelnen an der Kräftigung seiner Gesundheit nur Nebenzweck ist. Desgleichen kann sich aus der besonderen Stellung des Unternehmens, z. B. aus dem Umstand, daß es sich um ein Verkehrsunternehmen handelt, oder aus der besonderen Stellung des Einzelnen im Unternehmen ergeben, daß der Unternehmer Kuren wesentlich in Wahrnehmung seiner besonderen betrieblichen Belange durchführt. Solche besonderen Umstände müssen aber eindeutig ersichtlich sein, sie müssen sich aus der besonderen Natur des Unternehmens oder der Tätigkeit des Einzelnen und aus der besonderen Gestaltung der Durchführung der Kuren ergeben; sonst ist vom Regelfall auszugehen, daß auch eine Kur, die vom Unternehmen zusätzlich zum tariflichen Urlaub und auf Kosten des Unternehmens gewährt wird, wesentlich dem persönlichen Interesse des Einzelnen dient. Für die Annahme eines solchen Ausnahmefalles reichen die vom LSG. getroffenen Feststallungen, wie die Revision mit Recht gerügt hat, nicht aus. Es ist nicht ersichtlich, zu welchem Zweck das Heim geschaffen worden ist, ob es wesentlich den unmittelbar und mittelbar durch den besonders verantwortungsvollen Verkehrsdienst in Anspruch Genommenen zugute kommen sollte und ob andere Personen nur hilfsweise verschickt wurden. Das LSG. hat es ferner unterlassen, den genauen Inhalt der Heimordnung festzustellen. Die Feststellung des LSG. „Selbst der Besuch von Familienangehörigen in den benachbarten Gasthäusern wird von der Heimleitung nicht geduldet und führt dazu, daß der Arbeitnehmer aus dem Heim ausgeschlossen und vorzeitig nach Hause geschickt wird”, ist, wie die Revision zutreffend gerügt hat, mit den Angaben des Klägers in der Verhandlung vor dem LSG. unvereinbar, aus denen sich ergibt, daß bei Besuchen von Angehörigen von der Heimleitung Urlaub erteilt wird. Nur durfte das „nicht zu häufig” vorkommen. Es fehlen auch nähere Angaben über die Leitung des Heims, und zwar insbesondere darüber, ob etwa durch eine besondere ärztliche Betreuung gerade die Erreichung des für das Unternehmen als wesentlich erachtenden Erfolges sichergestellt werden sollte. Auch sonstige nähere Feststellungen über die Durchführung der Kuren sind nicht getroffen. Desgleichen fehlen Feststellungen darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen die Teilnahme an einer solchen Kur abgelehnt werden konnte. Auch aus für den einzelnen Betriebsangehörigen ungünstigen Folgerungen im Falle einer Weigerung, an einer solchen Kur teilzunehmen, könnte auf einen wesentlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit geschlossen werden. Schließlich müßten auch nähere Feststellungen über die Art der Tätigkeit des Klägers getroffen werden.
Da hiernach die vom LSG. getroffenen Feststellungen die Entscheidung des LSG. nicht rechtfertigen, ist die Revision begründet. Das Fehlen ausreichender Feststellung macht eine Entscheidung es erkennenden Senats in der Sache selbst unmöglich. Deshalb mußte das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG. zurückverwiesen werden.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen
BSGE, 222 |
NJW 1959, 1653 |
MDR 1959, 792 |