Leitsatz (amtlich)

Der dem Versicherten übersandte Versicherungsverlauf (§ 17 der 2. DEVO) dient der Sicherung des Nachweises von Tatsachen, insbesondere von Zeiten, die für den Rentenanspruch bedeutsam werden können. Über die Anrechenbarkeit ist erst bei Eintritt des Versicherungsfalles nach den zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtsnormen zu entscheiden.

 

Normenkette

DEVO 2 § 17 Fassung: 1980-05-29

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 18.12.1981; Aktenzeichen L 3 J 61/81)

SG Dortmund (Entscheidung vom 12.02.1981; Aktenzeichen S 15 J 292/80)

 

Tatbestand

Streitig ist die Vormerkung einer Kriegsdienstzeit des Klägers als Ersatzzeit.

Für den am 13. März 1920 geborenen Kläger wurden von August 1935 bis 15. Juni 1940 Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung entrichtet. Vom 1. Juli 1940 an leistete der Kläger Wehrdienst als längerdienender Freiwilliger bei der deutschen Kriegsmarine. Hiervon wurde er am 25. Juli 1944 entpflichtet und in den Beurlaubtenstand übergeführt. Am 1. Oktober 1945 wurde er bei einer britischen Entlassungsstelle registriert. Seit 2. Oktober 1945 ist er wieder versicherungspflichtig beschäftigt.

In der Rentenauskunft der Beklagten vom 25. Januar 1980 wurde für ihn lediglich die Zeit vom 1. Januar 1945 bis 31. Dezember 1946 als Ersatzzeit nach § 1251 Abs 1 Nr 6 Reichsversicherungsordnung (RVO) vorgemerkt. Die streitige Zeit wurde als "versicherungsfreie Zeit, Nachversicherung nicht durchgeführt" bezeichnet. Die Rechtsmittelbelehrung dieser Rentenauskunft ging dahin, daß der Bescheid bindend werde, wenn er nicht binnen eines Monats nach Bekanntgabe angefochten werde. Gleichzeitig schloß die Beklagte eine Bindungswirkung hinsichtlich der voraussichtlichen Rentenhöhe aus.

Mit Schreiben vom 1. Februar 1980 forderte die Beklagte den Kläger auf, durch einen Antrag beim Versicherungsamt die Nachversicherung für den Wehrdienst nach § 72 des Gesetzes Artikel 131 Grundgesetz (GG) klären zu lassen.

Mit seinem Widerspruch begehrte der Kläger die Berücksichtigung des Kriegsdienstes als Ersatzzeit und erklärte, von der Möglichkeit der Nachversicherung keinen Gebrauch machen zu wollen. Diesen Widerspruch leitete die Beklagte als Klage an das Sozialgericht (SG) weiter. Durch Urteil vom 12. Februar 1981 verurteilte das SG Dortmund die Beklagte, die Zeit des militärischen Dienstes als Ersatzzeit vorzumerken. Die Beklagte legte gegen dieses Urteil Berufung ein und erteilte am 24. September 1981 einen weiteren, hinsichtlich der streitigen Zeit mit der Rentenauskunft vom 25. Januar 1980 gleichlautenden Bescheid. Das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen verurteilte die Beklagte zur Vormerkung der Zeit vom 1. Juli 1942 bis zum 25. Juli 1944 als Ersatzzeit (Urteil vom 18. Dezember 1981). Das LSG ging davon aus, daß die streitige Zeit eine Ersatzzeit nach § 1251 Abs 1 Nr 1 RVO sei. Zwar könne diese Zeit nach § 99 Abs 1 Satz 1 Allgemeines Kriegsfolgengesetz (AKG) der Nachversicherung unterliegen, doch bedürfe es hierzu eines Feststellungsbescheides, der noch nicht erlassen worden sei. Eine Verpflichtung des Klägers, die Nachversicherung nach § 99 AKG oder nach § 78 G 131 zu beantragen, bestehe nicht.

Mit ihrer - vom LSG zugelassenen - Revision trägt die Beklagte vor, der Kläger gehöre als längerdienender Freiwilliger zum Personenkreis des § 99 Abs 1 AKG. Angehörige dieses Personenkreises gälten als nachversichert, die Nachversicherung sei nicht von der Erteilung einer Bescheinigung abhängig. Die Nachversicherung sei auch nicht von einem Antrag des Klägers abhängig, sondern könne von Amts wegen durchgeführt werden. Im übrigen sei die Beklagte gehalten, auf die Durchführung des Feststellungsverfahrens der Nachversicherung hinzuwirken, bevor eine Rentenleistung zu gewähren sei. Dies ergebe sich auch aus § 46 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I). Diese Rechtsauffassung werde durch die Neuregelung des § 1260c RVO berücksichtigt.

Die Beklagte beantragt, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und vertritt die Auffassung, die Feststellung der Nachversicherung könne nur durch einen Akt des zuständigen Landesamtes für Besoldung und Versorgung des Landes Nordrhein-Westfalen getroffen werden, jedoch liege noch keine Feststellung vor. Zu einer dahingehenden Antragstellung sei er nicht verpflichtet. Im übrigen fehlte es an den Voraussetzungen der Nachversicherung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

Dem angefochtenen Urteil ist darin zu folgen, daß die streitige Zeit als Ersatzzeit nach § 1251 Abs 1 Nr 1 RVO vorzumerken ist. Während dieser Zeit hat der Kläger Kriegsdienst geleistet.

Mit Recht hat das LSG die Klage als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage behandelt. Die von der Beklagten erteilte Rentenauskunft vom 25. Januar 1980 ist ein Verwaltungsakt (vgl BSG Urteil vom 19. August 1976 - 11 RA 130/75 = SozR 2200 § 1251 Nr 24 S 64). Die Beklagte hat selbst die Rentenauskunft als Verwaltungsakt dadurch gekennzeichnet, daß sie diese Auskunft mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen hat und dort zum Ausdruck gebracht hat, der "Bescheid" werde bindend, wenn nicht fristgerecht Widerspruch erhoben werde. Von der Bindungswirkung hat die Beklagte ausdrücklich nur die Rentenhöhe ausgenommen, diese ist indessen nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Schon wegen der von der Beklagten angekündigten Bindungswirkung der Rentenauskunft hat der Kläger ein Rechtsschutzinteresse an der Vormerkung der von ihm zurückgelegten Ersatzzeit (vgl BSG Urteil vom 21. April 1982 - 4 RJ 157/80 = SozR 1500 § 55 Nr 19).

Die von der Beklagten dem Kläger erteilte Rentenauskunft mit detailliertem Versicherungsverlauf ist kein Rentenbescheid, mit dem über die Anrechnung oder auch nur die Anrechenbarkeit irgendwelcher Versicherungszeiten entschieden würde. Unzutreffend ist in dieser Rentenauskunft die Bezeichnung der streitigen Zeit als "versicherungsfreie Zeit, Nachversicherung nicht durchgeführt". Diese Zeit ist nicht versicherungsfrei; sie ist in jedem Fall eine Versicherungszeit, sei es eine Ersatzzeit oder eine Zeit der Nachversicherung. Es bedarf in diesem Rechtsstreit keiner Erörterung des § 1260c RVO, weil diese Vorschrift, wie sich aus ihrer Stellung im Gesetz und aus ihrem insoweit eindeutigen Wortlaut ergibt, "bei der Berechnung der Versicherten- und Hinterbliebenenrenten" Regelungen für die Anrechenbarkeit gewisser Zeiten aufstellt. Die Übersendung des Versicherungsverlaufs an den Kläger findet vielmehr ihre rechtliche Grundlage in § 17 Abs 1 der Zweiten Datenerfassungs-Verordnung - 2.DEVO - vom 29. Mai 1980 (BGBl I S 593). Diese ist am 1. Januar 1981 in Kraft getreten (§§ 17, 24, 2. DEVO) und daher maßgebend für den von der Beklagten am 24. September 1981 aufgestellten Versicherungsverlauf, der den ersten Versicherungsverlauf vom 25. Januar 1980 ersetzt hat und über dessen Inhalt die Beteiligten streiten. Der erkennende Senat hat bereits in der erwähnten Entscheidung vom 21. April 1982 darauf hingewiesen, daß der Versicherungsverlauf nur dem Nachweis der gespeicherten Daten dient. Erst im potentiellen Leistungsfall, dh nach Eintritt des Versicherungsfalles, sind die mit dem Inhalt des Versicherungsverlaufs im Zusammenhang stehenden Rechtsfragen nach dem zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles geltenden Recht zu entscheiden.

Im vorliegenden Fall geht es darum, im Versicherungsverlauf als Nachweisgrundlage festzuhalten, daß der Kläger in der Zeit vom 1. Juli 1942 bis zum 25. Juli 1944 als Kriegsdienstzeit militärischen Dienst geleistet hat. Das ist im Grunde zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Wenn die Beklagte jedoch die Eintragung dieser Tatsache in den Versicherungsverlauf verweigert, so nimmt sie damit unzulässigerweise schon die Frage einer möglichen Anrechenbarkeit dieser Zeit vorweg. Demgegenüber ist es gerade der Sinn des Versicherungsverlaufs, Tatsachen festzuhalten, damit sie auch bei späterem Eintritt des Versicherungsfalles noch feststehen. Wollte man der Auffassung der Beklagten folgen und im Versicherungsverlauf den fraglichen Zeitraum mit dem Vermerk versehen, daß eine versicherungsfreie Zeit vorläge, so wären die tatsächlichen Grundlagen der streitigen Zeit, nämlich die Ableistung von Kriegsdienst, aus dem Versicherungsverlauf verschwunden, und die Beklagte hätte bereits eine Entscheidung über die Anrechenbarkeit vorweggenommen.

Diese Auswirkung kann die Beklagte ohne weiteres dadurch vermeiden, daß sie die streitige Zeit im Versicherungsverlauf mit einer Nebenbestimmung (§ 32 SGB X) in dem Sinn vorsieht, daß die Anrechnung auf die Rente nach § 1260c RVO ausgeschlossen sein kann. Eine solche Nebenbestimmung stellt klar, daß nur der Rechtscharakter der Zeit selbst und nicht die rentensteigernde Anrechnung als Ersatzzeit anerkannt ist.

Diese Unterscheidung zwischen dem Rechtscharakter einer Zeit und die Auswirkung auf den Rentenanspruch kann bei der Erstellung von Versicherungsverläufen nach der 2. DEVO auch in anderen Fällen von Bedeutung sein. Wenn nach § 17 DEVO dem Versicherten ab Vollendung des 45. Lebensjahres ein Versicherungsverlauf zu übersenden ist, so gehören zu diesem Versicherungsverlauf im Hinblick auf seine Beweisfunktion auch Ersatz- und Ausfallzeiten, obwohl die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für ihre Anrechnung auf die Rente (§ 1251 Abs 2c, 1259 Abs 3 RVO) bei Eintritt des Versicherungsfalles (Altersruhegeld) durchaus entweder erst erfüllt sein oder nicht mehr vorliegen können. Dies kann der Versicherungsträger durch eine entsprechende Nebenbestimmung zum Versicherungsverlauf zum Ausdruck bringen. Eine derartige Verfahrensweise wäre auch im vorliegenden Fall möglich gewesen.

Bei dieser Sach- und Rechtslage bedarf es auch keiner Erörterung der Frage, ob der Kläger überhaupt die dienstrechtlichen Voraussetzungen für eine Nachversicherung nach § 99 AKG erfüllt. Die Die Beklagte behauptet es, der Kläger zieht es in Zweifel. Die Feststellung dieser dienstrechtlichen Voraussetzungen muß durch Verwaltungsakt von der zuständigen Verwaltungsstelle getroffen werden, es handelt sich dabei um eine dienstrechtliche Vorfrage, die nicht der Entscheidung durch die Träger der Sozialversicherung oder die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit unterliegt. Der erkennende Senat schließt sich insoweit in vollem Umfang der Entscheidung des 5. Senats (Urteil vom 24. Februar 1976 - 5 RKn 17/75 = BSGE 41, 198, 200) an.

Nach alldem war die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1660410

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