Leitsatz (amtlich)
Bei Verschlimmerung eines als Schädigungsfolge iS der Entstehung anerkannten Leidens kann eine höhere Rente nur dann gewährt werden, wenn auch die Verschlimmerung in ursächlichem Zusammenhang mit einer Schädigung iS des BVG steht.
Leitsatz (redaktionell)
Wehrdienstunabhängige Verschlimmerung eines iS der Entstehung anerkannten Leidens.
Für die Unterscheidung eines Leidens nach dem Gesichtspunkt der Entstehung oder Verschlimmerung ist lediglich die Tatsache maßgebend, ob zZ des schädigenden Ereignisses iS des BVG schon Anzeichen des Leidens vorhanden waren oder nicht. Die Bezeichnung des Leidens in dem einen oder anderen Sinne hat aber keine Bedeutung für die versorgungsrechtliche Beurteilung einer Verschlimmerung, die später aufgetreten ist. Sie ist selbständig daraufhin zu prüfen, ob sie auch auf schädigende Einflüsse des Wehrdienstes zurückzuführen ist.
Normenkette
BVG § 1 Abs. 3 Fassung: 1950-12-20, § 62 Fassung: 1950-12-20
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 5. April 1962 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Dem Kläger wurden durch Umanerkennungsbescheid des Versorgungsamts (VersorgA) T vom 22. Juli 1952 als Schädigungsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) "Narbe am rechten Knie, Verwachsung des rechten Zwerchfells nach Brustkorbverletzung, Schwerhörigkeit beiderseits" i. S. der Entstehung anerkannt und vom 1. Oktober 1950 bis 31. Januar 1951 Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v. H., ab 1. Februar 1951 um 30 v. H. gewährt. Hierfür hatte das VersorgA ein Gutachten von Dr. W vom 8. Dezember 1949 eingeholt. Wegen der Bewilligung eines Hörgeräts veranlaßte das VersorgA eine Untersuchung durch den Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. M, der in seiner Stellungnahme vom 2. Februar 1955 als Befund der Hörprüfung angab, daß der Kläger Flüstersprache am Ohr und Umgangssprache bis 2 m Entfernung verstehen konnte. Im Dezember 1955 beantragte der Kläger eine höhere Rente wegen Verschlimmerung seiner Schwerhörigkeit und der Folgen seiner Brustkorbverletzung. Auf Grund einer daraufhin vom VersorgA veranlaßten Untersuchung kam der Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten Dr. H in seinem Gutachten vom 18. Juli 1956 zu der Beurteilung, daß jetzt bei dem Kläger eine hochgradige Innenohrschwerhörigkeit beiderseits vorliege, so daß Flüstersprache nicht gehört und Umgangssprache auf jedem Ohr nur noch in 0,25 m Entfernung verstanden werde. Da bei den Begutachtungen am 8. Dezember 1949 und 2. Februar 1955 Umgangssprache noch in 2 m Entfernung und Flüstersprache am Ohr gehört worden sei, habe die Schwerhörigkeit erst nach dem Februar 1955 ohne erkennbare äußere Ursache erheblich zugenommen. Im Hinblick darauf, daß die traumatische Schwerhörigkeit aus dem Jahre 1944 bis zum Jahre 1955 stationär geblieben wäre, sei die Zunahme der Schwerhörigkeit bei dem Kläger mit großer Wahrscheinlichkeit altersbedingt, worauf auch der in dem Gutachten des Dr. H vom 6. September 1950 festgestellte Alterungsprozeß der Aorta hinweise; die Zunahme der Schwerhörigkeit sei somit nicht eine Folge des anerkannten Leidens (traumatische Schwerhörigkeit), so daß die wehrdienstbedingte MdE wie bisher 30 v. H. betrage. Ein fachinternistisches Gutachten vom 18. Juli 1956 ergab ebenfalls keine Verschlimmerung der anerkannten Leiden des Klägers, insofern dieser Brustbeschwerden geltend gemacht hatte. Der Sachverständige Dr. W führte die zeitweiligen stechenden Schmerzen hinter den unteren Brustbeinabschnitten nicht auf die anerkannte Zwerchfellverwachsung nach Brustkorbverletzung, sondern auf eine beginnende coronare Insuffizienz zurück, die wiederum auf Altersveränderungen am Herz und an der großen Körperschlagader beruhe. Die Gesamt-MdE unter Einbeziehung der Schwerhörigkeit betrage weiterhin 30 v. H. Im Anschluß an diese Gutachten lehnte das VersorgA durch Bescheid vom 8. September 1956 den Verschlimmerungsantrag des Klägers ab, da in den anerkannten Schädigungsleiden keine wesentliche Änderung eingetreten sei. Der Widerspruch hatte keinen Erfolg (Entscheidung des Landesversorgungsamts Rheinland-Pfalz vom 18. Oktober 1956).
Auf die vom Kläger erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) noch ein Gutachten des Facharztes für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten Dr. L vom 28. August 1957 eingeholt. Nach der durch diesen Sachverständigen vorgenommenen Hörprüfung konnte der Kläger Flüstersprache nicht und Umgangssprache bis zu einer Entfernung von 1,5 m verstehen. Dr. L. hat in seiner Beurteilung ausgeführt, daß sich das Hörvermögen gegenüber dem Untersuchungsbefund vom 2. Februar 1955 nur geringfügig verschlechtert habe. Die geringgradige Zunahme der Innenohrschwerhörigkeit sei sicherlich altersbedingt und stehe in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der als Schädigungsfolge anerkannten traumatischen Schwerhörigkeit. Der graduelle Unterschied des Hörvermögens im Jahre 1955 und im Jahre 1957 sei so geringfügig, daß sich die MdE um 30 v. H. nicht geändert habe. Das SG Trier hat noch den Terminsachverständigen Dr. B gehört, der sich dem Gutachten des Dr. L anschloß, und durch Urteil vom 5. November 1957 die Klage gegen den Bescheid vom 8. September 1956 mit der Begründung abgewiesen, daß eine Verschlimmerung i. S. des § 62 BVG in den anerkannten Schädigungsleiden des Klägers nicht eingetreten sei.
Im Berufungsverfahren hat der Kläger einen Befundbericht des Ohrenfacharztes Dr. E vom 22. März 1961 vorgelegt. Bei der von diesem Arzt vorgenommenen Hörprüfung hat der Kläger Flüstersprache beiderseits nicht verstanden, dagegen einsilbige Wörter in der Entfernung von 1 m, zweisilbige Wörter in einer Entfernung bis etwa 2 m und Zahlen in einer Entfernung bis etwa 4 m. Durch Urteil vom 5. April 1962 hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Trier vom 5. November 1957 zurückgewiesen; es hat die Revision zugelassen. Das LSG ist zu der Überzeugung gelangt, daß es wegen der teilweise widersprüchlichen Befunde bei den vorgenommenen Hörprüfungen zweifelhaft sei, ob überhaupt eine wesentliche Verschlimmerung der Schwerhörigkeit des Klägers vorliege. Diese Frage könne jedoch dahingestellt bleiben, da eine wesentliche Verschlimmerung der Schwerhörigkeit, selbst wenn sie vorliegen sollte, nicht mehr als Schädigungsfolge erachtet werden könne. Daran ändere nichts der Umstand, daß die Schwerhörigkeit beiderseits als Schädigungsfolge i. S. der Entstehung anerkannt worden ist. Auch in einem solchen Falle sei bei später auftretenden Verschlimmerungen stets zu prüfen, ob sie noch auf eine Schädigung i. S. des § 1 BVG zurückzuführen sind. Leidensverschlimmerungen, die durch irgendwelche außerhalb des ursprünglich schädigenden Ereignisses begründete Einflüsse bewirkt worden seien, könnten versorgungsrechtlich nicht entschädigt werden. Von der Anerkennung als Schädigungsfolge i. S. der Entstehung sei nur die dem Leiden selbst innewohnende Verschlimmerungsneigung, also die schicksalhafte Fortentwicklung des Leidens, mitumfaßt. Voraussetzung einer rechtlichen Trennung zwischen dem als Schädigungsfolge anerkannten Leidenszustand und dem auf schädigungsunabhängigen Ursachen beruhenden weiteren Verlauf des Leidens sei allerdings die tatsächliche Feststellung, daß es sich bei der Fortentwicklung des Leidenszustandes um einen neuen Geschehensablauf handelt, der von einem Schädigungstatbestand i. S. des § 1 BVG klar abgegrenzt werden kann. Eine solche Abgrenzung sei nach den vorliegenden Gutachten gegeben, da der weitere Verlauf der Schwerhörigkeit ausschließlich altersbedingt sei. Durch den stationären Zustand des Leidens von 1944 bis 1955 sei bewiesen, daß der traumatisch bedingten Schwerhörigkeit des Klägers eine Verschlimmerungsneigung nicht innewohne. Die Fortentwicklung des Leidens seit 1956 stelle daher keinen auf der Verschüttung beruhenden schicksalhaften Geschehensablauf dar. Das Fortschreiten des Leidens seit dem Jahre 1956 beruhe vielmehr nach den überzeugenden Gutachten der gehörten Sachverständigen auf einem Alterungsprozeß des Klägers und damit auf einer Ursache, die unabhängig von der im Jahre 1944 erlittenen Verschüttung die Hörfähigkeit ungünstig beeinflußt habe und auch heute noch beeinflusse. Eine Verschlimmerung der übrigen anerkannten Gesundheitsstörungen sei vom Kläger im Berufungsverfahren nicht mehr geltend gemacht worden. Insbesondere beruhten die bei der Untersuchung durch Dr. W geklagten Brustbeschwerden nicht auf der im Wehrdienst erlittenen Brustkorbquetschung, sondern auf einer schädigungsunabhängigen Aortensklerose und Coronarinsuffizienz.
Gegen das ihm am 10. April 1962 zugestellte Urteil des LSG hat der Kläger mit Schriftsatz vom 2. Mai 1962, beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen an demselben Tage, Revision eingelegt und beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 10. Juli 1962 hat der Kläger die Revision mit Schriftsatz vom 1. Juni 1962, eingegangen beim BSG am 4. Juni 1962, begründet. Er rügt eine Verletzung der §§ 1, 62 Abs. 1 BVG und des § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit dem Vorbringen, daß bei einer später eintretenden Verschlimmerung eines i. S. der Entstehung anerkannten Leidens die Rente erhöht werden müsse, ohne daß noch erneut zu prüfen sei, ob die geltend gemachte Verschlimmerung des Leidens in einem ursächlichen Zusammenhang mit schädigenden Einwirkungen des Wehrdienstes stehe. Werde dagegen bei einer Leidensverschlimmerung erneut auf die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs mit schädigenden Einwirkungen des Wehrdienstes abgestellt und müsse diese Beurteilung für jede Leidensverschlimmerung selbständig erfolgen, so würde sich daraus ergeben, daß die bisherige Anerkennung i. S. der Entstehung für die Entscheidung über den ursächlichen Zusammenhang von später auftretenden Verschlimmerungen rechtlich ohne Bedeutung wäre. Hierin sei ein Verstoß gegen die bindende Wirkung der Anerkennung i. S. der Entstehung zu erblicken. Das LSG hätte daher im vorliegenden Falle - unabhängig von der Natur des Leidensverlaufs - die Frage einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse prüfen und zu einer entsprechenden Erhöhung des Grades der MdE gelangen müssen.
Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision als unbegründet; er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die durch Zulassung statthafte Revision des Klägers (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG); sie ist daher zulässig.
Die Revision ist jedoch nicht begründet.
Das LSG hat in dem angefochtenen Urteil die Rechtsauffassung vertreten, daß dem Kläger eine Rente nach einer höheren MdE als 30 v. H. nur dann gewährt werden könnte, wenn seit Erlaß des Umanerkennungsbescheides vom 22. Juli 1952 eine wesentliche Verschlimmerung der als Schädigungsfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen eingetreten und diese Verschlimmerung ebenfalls als Schädigungsfolge anzusehen wäre. Es hat eine Feststellung darüber, ob sich die als Schädigungsfolge anerkannte "Schwerhörigkeit beiderseits" seit Erlaß des Umanerkennungsbescheides verschlimmert hat, im Hinblick auf die teilweise nicht übereinstimmenden Befunde bei den durch mehrere Ohrenfachärzte vorgenommenen Hörprüfungen nicht getroffen. Es hat hierzu ausgeführt, daß es die Zweifelsfragen, die durch die verschiedene Beurteilung des Hörbefundes seitens der Sachverständigen Dr. H in seinem Gutachten vom 18. Juli 1956, Dr. L in seinem Gutachten vom 28. August 1957 und Dr. E in seiner Stellungnahme vom 22. März 1961 aufgetreten seien, nicht zu klären brauche, weil selbst dann, wenn eine wesentliche Verschlimmerung der Schwerhörigkeit des Klägers nach Erteilung des Umanerkennungsbescheides eingetreten sein sollte, diese Leidensverschlimmerung nicht mehr als Schädigungsfolge angesehen werden könne. Das LSG hat damit bei seiner Entscheidung unterstellt, daß eine wesentliche Verschlimmerung der Schwerhörigkeit vorliegt, dazu dann aber festgestellt, daß diese Leidensverschlimmerung nicht auf die i. S. der Entstehung anerkannte Schädigungsfolge "Schwerhörigkeit beiderseits" zurückgeführt werden kann, denn nach dem Beweisergebnis handelt es sich bei dem Kläger hinsichtlich der Fortentwicklung der Schwerhörigkeit um einen neuen Geschehensablauf, der von einem Schädigungstatbestand i. S. des § 1 BVG klar abgegrenzt werden kann. Es hat weiter festgestellt, daß der Zustand der als Schädigungsfolge anerkannten Schwerhörigkeit von 1944 bis 1955 stationär geblieben ist und dieser traumatisch bedingten Schwerhörigkeit eine Verschlimmerungsneigung nicht innewohnt. Die Fortentwicklung der Schwerhörigkeit seit dem Jahre 1956 stellt nach den vom LSG getroffenen Feststellungen keinen auf der Verschüttung beruhenden schicksalhaften Geschehensablauf dar, sondern ist vielmehr auf einen Alterungsprozeß des Klägers und damit auf eine Ursache zurückzuführen, die unabhängig von der im Jahre 1944 erlittenen Verschüttung die Hörfähigkeit ungünstig beeinflußt hat und auch heute noch beeinflußt. Diese tatsächlichen Feststellungen des LSG hat der Kläger mit der Revision nicht angegriffen; sie sind daher nach § 163 SGG für das BSG bindend.
Der Senat hatte hiernach lediglich die Rechtsfrage zu entscheiden, ob bei der Verschlimmerung eines i. S. der Entstehung als Schädigungsfolge anerkannten Leidens (Schwerhörigkeit beiderseits) die Rente auch dann zu erhöhen ist - wie der Kläger meint -, wenn die Leidensverschlimmerung in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der anerkannten Schädigungsfolge oder anderen schädigenden Einflüssen des Wehrdienstes steht. Das LSG hat hierzu die Auffassung vertreten, daß auch bei der Anerkennung eines Leidens als Schädigungsfolge i. S. der Entstehung im Falle später auftretender Verschlimmerungen stets zu prüfen ist, ob sie noch auf eine Schädigung i. S. des § 1 BVG zurückzuführen sind. Ist dies nicht der Fall, so können nach Ansicht des LSG Leidensverschlimmerungen, die durch irgendwelche außerhalb des ursprünglich schädigenden Ereignisses begründete Einflüsse bewirkt worden sind, versorgungsrechtlich nicht entschädigt werden. Dieser Rechtsauffassung des LSG ist zuzustimmen.
Der erkennende Senat hat bereits in dem von dem LSG angeführten Beschluß vom 27. Dezember 1957 - 10 RV 925/55 - darauf hingewiesen, daß für die Unterscheidung eines Leidens nach dem Gesichtspunkt der Entstehung oder Verschlimmerung lediglich die Tatsache maßgebend ist, ob zur Zeit des schädigenden Ereignisses i. S. des BVG schon Anzeichen des Leidens vorhanden waren oder nicht. Die Bezeichnung des Leidens in dem einen oder anderen Sinne hat aber keine Bedeutung für die versorgungsrechtliche Beurteilung einer Verschlimmerung, die später aufgetreten und selbständig daraufhin zu prüfen ist, ob sie auch auf schädigende Einflüsse des Wehrdienstes zurückzuführen ist. Diese Rechtsauffassung ist inzwischen vom BSG in ständiger Rechtsprechung zu den Fällen, in denen nach Verlust eines Auges im Wehrdienst später eine davon unabhängige Erblindung des anderen Auges eingetreten ist, bestätigt worden. Wenn es sich im vorliegenden Falle auch nicht darum handelt, daß durch schädigende Einflüsse des Wehrdienstes die Schwerhörigkeit nur auf einem Ohr verursacht worden und später eine davon unabhängige Schwerhörigkeit des anderen Ohres aufgetreten ist, so ändert dieser Umstand jedoch nichts an der rechtlichen Beurteilung eines Sachverhalts, bei dem eine Schwerhörigkeit beiderseits i. S. der Entstehung als Schädigungsfolge anerkannt ist und sich später die Schwerhörigkeit aus Gründen, die mit schädigenden Einflüssen des Wehrdienstes oder der anerkannten Schädigungsfolge in keinem ursächlichen Zusammenhang stehen, verschlimmert hat. In beiden Fällen ist in gleicher Weise davon auszugehen, daß nach § 1 BVG Versorgung nur gewährt wird "wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung". Diese Folgen werden daran gemessen, inwieweit der Beschädigte in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Wie der Umfang eines Schadens, der durch ein bestimmtes Ereignis eingetreten ist, nur durch einen Vergleich des Zustandes unmittelbar vor und nach dem Ereignis gemessen werden kann, so kann auch der durch ein schädigendes Ereignis i. S. des § 1 BVG entstandene Schaden, für den die MdE das Maß bildet, nur durch einen Vergleich der Erwerbsfähigkeit vor und nach dem schädigenden Ereignis bestimmt werden. Das bedeutet, daß eine zeitlich nach dem schädigenden Ereignis aufgetretene Gesundheitsstörung - im vorliegenden Falle die erst nach elf Jahren seit 1956 aufgetretene Verschlimmerung der Schwerhörigkeit des Klägers -, die nicht selbst auch wehrdienstbedingt ist, nicht berücksichtigt werden kann. Eine solche Gesundheitsstörung, die auf Alter, Anlage oder anderen nicht wehrdienstbedingten Ereignissen beruhen kann, erweitert nicht den wehrdienstbedingten Schaden, sondern stellt einen selbständigen nicht wehrdienstbedingten Schaden (Nachschaden) dar. Nur solche nach dem schädigenden Ereignis eintretenden Tatsachen, welche die für die Feststellung des Anspruchs maßgebenden Verhältnisse, hier also die Verhältnisse betreffen, die für die Anerkennung der Schwerhörigkeit beiderseits und für die Bewertung dieser Gesundheitsstörung mit einer MdE um 30 v. H. bei Erlaß des Umanerkennungsbescheides vom 22. Juli 1952 maßgebend sind, können nach § 62 Abs. 1 BVG berücksichtigt werden und zur Feststellung einer höheren Rente führen. Daß sich in den Verhältnissen, die bei der Anerkennung der wehrdienstbedingten (traumatischen) Schwerhörigkeit beiderseits und bei der Bewertung der MdE dafür maßgebend gewesen sind, etwas geändert hätte, hat der Kläger mit der Revision selbst nicht geltend gemacht; es ist dies nach den bindenden Feststellungen des LSG auch nicht der Fall. Vielmehr ist die seit 1956 aufgetretene Verschlechterung der Hörfähigkeit des Klägers weder mittelbar noch unmittelbar durch wehrdienstliche Einflüsse eingetreten, da diese Änderung im Zustand des Klägers unabhängig von derartigen Einflüssen aufgetreten ist (vgl. hierzu auch das Urteil des erkennenden Senats vom 6. August 1963 - 10 RV 1331/60; ferner zu dem Verlust eines Auges im Wehrdienst und später davon unabhängiger Erblindung des anderen Auges BSG 17, 99, 114, 116, 117; RVG in Bd. 5 S. 156 und Bd. 6 S. 28). Endlich hat der 11. Senat des BSG in seinem Urteil vom 25. Juni 1963 (BSG 19, 201) ausgesprochen, daß die MdE wegen einer Schädigungsfolge nicht höher zu bewerten ist, wenn nach der Schädigung ein schädigungsunabhängiges Leiden hinzukommt und die Schädigung sich deshalb stärker auswirkt als zur Zeit des Eintritts der Schädigung. Der 11. Senat hat in diesem Urteil, das einen Fall betraf, in dem sich die Schädigungsfolgen (Narbenbildung und Einschränkung der Beweglichkeit im linken Fußgelenk) wegen einer erheblichen Übergewichtigkeit des Versorgungsberechtigten wesentlich stärker auswirkten, zutreffend ausgeführt, daß für die Feststellung der gesundheitlichen Folgen des schädigenden Ereignisses stets nur die Verhältnisse maßgebend sind, die bei Eintritt des schädigenden Ereignisses bestanden haben; durch sie allein wird der Schaden, der auf den militärischen Dienst zurückzuführen ist, bestimmt und begrenzt. Es entspricht dem Sinn und Zweck des Versorgungsrechts, die "durch" ein versorgungsrechtlich erhebliches Ereignis aufgetretenen Gesundheitsstörungen zu entschädigen, nicht aber etwa alle Nachteile auszugleichen, die einem Versorgungsberechtigten nach seiner Schädigung ohne ursächlichen Zusammenhang mit der Schädigung erwachsen. Außerhalb des versorgungsrechtlich erheblichen Bereiches liegen Schäden, die zeitlich nach dem schädigenden Ereignis eingetreten sind und nicht mit der Schädigung im Zusammenhang stehen, insbesondere allein oder wesentlich alters- und konstitutionsbedingte Veränderungen des körperlichen Zustandes des Betroffenen oder Veränderungen durch andere nicht wehrdienstbedingte Ereignisse, wie etwa durch Erkrankungen oder Unfälle (vgl. BSG aaO; ferner ebenso im Ergebnis Bayer. LVAmt in Breith. 1953 S. 1094, 1099).
Die seit dem Jahre 1956 eingetretene Verschlimmerung des Gehörleidens des Klägers ist nach den vom LSG auf Grund des Beweisergebnisses getroffenen und für das BSG bindenden Feststellungen altersbedingt und steht in keinem Zusammenhang mit der als Folge der Verschüttung im Jahre 1944 anerkannten Schwerhörigkeit beiderseits. Eine höhere Rente steht daher dem Kläger für die wehrdienstunabhängige Verschlimmerung seines Gehörleidens nicht zu, auch wenn in dem Umanerkennungsbescheid vom 22. Juli 1952 eine Schwerhörigkeit beiderseits i. S. der Entstehung anerkannt worden ist.
Gegen die Feststellung des LSG, daß auch die übrigen Schädigungsfolgen "Narbe am rechten Knie und Verwachsung des rechten Zwerchfells" sich nicht verschlimmert haben, hat der Kläger mit der Revision keine Verfahrensrügen erhoben, so daß auch insoweit das angefochtene Urteil nicht zu beanstanden ist. Die von dem Kläger gerügte Verletzung der §§ 1, 62 BVG liegt somit nicht vor.
Eine Verletzung des § 77 SGG, die der Kläger ebenfalls gerügt hat, kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 8. September 1956 die Bindungswirkung dieser Vorschrift hinsichtlich des Umanerkennungsbescheides vom 22. Juli 1952 beachtet hat. Durch den angefochtenen Bescheid ist lediglich der Rentenerhöhungsantrag des Klägers abgelehnt worden; es ist aber die Anerkennung einer Schwerhörigkeit beiderseits bei einer MdE um 30 v. H., wie sie seinerzeit bestanden hat und in dem Umanerkennungsbescheid vom 22. Juli 1952 bindend festgestellt worden ist, bestehen geblieben. Die Frage, ob eine seit 1956 eingetretene Verschlimmerung des Gehörleidens nach § 1 BVG zu entschädigen ist, weil sie eine wesentliche Änderung der Verhältnisse i. S. des § 62 Abs. 1 BVG darstellt, hat hiernach mit der Bindung an den Umanerkennungsbescheid vom 22. Juli 1952 i. S. des § 77 SGG nichts zu tun.
Da somit das angefochtene Urteil in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden ist, mußte die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen