Leitsatz (redaktionell)
1. Außerhalb der versorgungsrechtlich erheblichen Ursachenkette liegen Schäden, die nach dem schädigenden Ereignis eingetreten sind und nicht mit der Schädigung im Zusammenhang stehen, insbesondere altersbedingte Veränderungen des körperlichen Zustandes oder Veränderungen durch andere nichtwehrdienstbedingte Ereignisse wie Erkrankungen, Unfälle, Handlungen Dritter oder des Beschädigten selbst. Nichtwehrdienstbedingte Ereignisse dieser Art "erweitern" nicht den wehrdienstbedingten Schaden, sie erzeugen oder erweitern vielmehr den nichtwehrdienstbedingten Schaden (vergleiche BSG 1962-06-19 11 RV 1188/60 = BSGE 17, 114, 116 mit weiteren Hinweisen). Durch sie ändern sich nicht die Verhältnisse, die für die Feststellung der Rente (BVG § 62 Abs 1 aF) bzw des Anspruches auf Versorgung (§ 62 Abs 1 idF des 1. und 2. NOG KOV)maßgebend gewesen sind. Eine andere Beurteilung ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn die anerkannte Schädigung dieselbe Körperfunktion betrifft (Sehvermögen, Hörvermögen, Atmungsfunktion), die durch den schädigungsunabhängigen Nachschaden zusätzlich beeinträchtigt oder gar aufgehoben wird (zB völliger Verlust des Sehvermögens) In einem solchen Fall kann die Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht nach den Verhältnissen bestimmt werden, die sich nunmehr durch das Zusammenwirken von Schädigungsfolge und wehrdienstunabhängigem Schaden infolge Eintritts des Nachschadens ergeben.
2. Die Feststellung weiterer Gesundheitsstörungen nach BVG § 62 iS einer Verschlimmerung und somit die Zubilligung einer höheren Minderung der Erwerbsfähigkeit kann nur auf der Grundlage der Verhältnisse erfolgen, die bei Eintritt des schädigenden Ereignisses bestanden haben; durch sie und nur durch sie wird der Schaden, der auf den militärischen oder militärähnlichen Dienst zurückzuführen ist, bestimmt und begrenzt.
3. Das Versorgungsrecht dient dem Ausgleich der Schädigungen, die durch ein versorgungsrechtlich erhebliches Ereignis ausgelöst worden sind, nicht dem Ausgleich aller Nachteile, die einem Versorgungsberechtigten nach seiner Schädigung unabhängig von der Schädigung erwachsen.
Normenkette
BVG § 62 Abs. 1 Fassung: 1950-12-20, Abs. 1 Fassung: 1960-06-27, Abs. 1 Fassung: 1964-02-21
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. September 1961 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
Die Klägerin ist die Tochter des während des Revisionsverfahrens verstorbenen Ingenieurs A de la P (P.). Dieser wurde 1939 zur Wehrmacht eingezogen, blieb bis Kriegsende mit einer kurzen Unterbrechung Soldat und wurde im September 1945 aus Kriegsgefangenschaft entlassen. 1954 beantragte er Versorgung wegen eines Herzleidens, das er sich im Gefolge einer 1943 überstandenen doppelseitigen Lungenentzündung mit Rippenfellentzündung zugezogen habe. Nach Untersuchung durch Dr. S wurden mit Bescheid vom 16. Dezember 1955 geringfügige Zwerchfellverwachsungen beiderseits als Schädigungsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) anerkannt; die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde mit 10 v. H. bemessen. Im Widerspruchsbescheid vom 13. März 1956 ist ausgeführt, ein organisches Herzleiden bestehe nicht; Ursache der Beschwerden sei eine Schilddrüsenüberfunktion, die als konstitutionelle Erkrankung in keinem Zusammenhang mit dem Wehrdienst stehe. Die nicht erhebliche Lungenblähung (Lungenemphysem) sei eine altersbedingte Erkrankung. Die geringen Zwerchfellverwachsungen als Folge der nicht belegten Rippenfellentzündungen aus 1943 begründeten keine zum Rentenbezug berechtigende MdE.
Das Sozialgericht (SG) holte Befundberichte vom behandelnden Arzt Dr. L und vom E-Hospital in G (Dr. W) ein und zog Gutachten von Dr. P und von Facharzt für Lungenkrankheiten Dr. G bei. Die Gutachter fanden keinen Anhalt für eine Schilddrüsenüberfunktion bezw. Schilddrüsenvergrößerung, stellten eine hochgradige Lungenblähung mit Rechtsüberlastung des Herzens als schädigungsunabhängiges Leiden und eine Zwerch-Brustfellverschwartung beiderseits fest. Die Funktionsminderung der Lunge durch die Verschwartung wurde mit 30 v. H. bewertet. Der Verschlimmerungsantrag des P. vom 9. Mai 1957 wurde durch Bescheid vom 21. August 1957 abgelehnt, weil eine wesentliche Änderung der anerkannten geringfügigen Zwerchfellverwachsungen beiderseits nicht eingetreten sei. Das SG wies die auf Anerkennung des Lungenemphysems als weitere Schädigungsfolge und Zahlung einer Rente ab 1. September 1954 gerichtete Klage unter Einbeziehung des Bescheides vom 21. August 1957 durch Urteil vom 22. April 1960 ab. Das Landessozialgericht (LSG) wies mit Urteil vom 22. September 1961 die Berufung des P. zurück. Es könne unerörtert bleiben, ob es wegen der wechselnden Angaben des P. über Anzahl und Zeitpunkt der im Kriege durchgemachten Lungen- und Rippenfellentzündungen an dem Nachweis einer Lungenerkrankung überhaupt bzw. ihrer Art und ihres Verlaufs fehle, denn nach dem Urteil aller Sachverständigen schließe der jetzige Befund einen wahrscheinlichen Zusammenhang des Lungenemphysems mit dem Wehrdienst, insbesondere mit einer während des militärischen Dienstes erlittenen Lungenentzündung aus, wobei die letzten Angaben des P. über eine Lungenentzündung 1943 und 1945 mit jeweils nachfolgender Punktion als zutreffend unterstellt würden. Aus der Entwicklung des Lungenemphysems lasse sich eindeutig erkennen, daß es sich um einen konstitutions- und anlagebedingten Alterungsprozeß mit Vergrößerung der Lunge und gleichzeitiger Atrophie des Lungengewebes handele. Mit Recht habe das SG auch eine Erhöhung der MdE für die anerkannte geringfügige Zwerchfellverwachsung beiderseits abgelehnt. Aus den Gutachten der Dres. P und G lasse sich entnehmen, daß hinsichtlich der Zwerchfellverwachsung eine Veränderung nicht eingetreten sei. Nach Dr. G rechtfertigen die Zwerchfellverwachsungen - für sich betrachtet - nach wie vor nur eine MdE von allenfalls 15 - 20 %. Die Gutachter Dr. P und Dr. G hätten zwar den Grad der Funktionseinbuße der Lunge, die auf der Zwerchfellverwachsung beruhe, in Anbetracht der fortgeschrittenen Lungenblähung auf 30 v. H. geschätzt; wenn sie die MdE in dieser Höhe als Auswirkung des Wehrdienstes ansähen, so enthalte ihre Beurteilung insoweit einen Fehlschluß. Die Lungenblähung habe sich unabhängig von der beiderseitigen Zwerchfellverwachsung geringfügigen Ausmaßes entwickelt. 1955 sei sie von Dr. S noch als mäßig bezeichnet worden; Dr. P habe sie 1959 schon als schwer und Dr. G 1960 als hochgradig angesprochen. Der Lungenbefund habe sich demnach nach dem Eintritt der anerkannten Schädigungsfolge zunehmend verschlechtert, und zwar ausschließlich durch die wehrdienstunabhängige Entwicklung der Lungenblähung; diese sei somit nicht die Auswirkung einer Verschlimmerung in dem Verwachsungsbefund. Daß Dr. G mit der Bemessung der MdE um 30 v. H. zu einer unrichtigen Schlußfolgerung gekommen sei, ergebe sich aus dem von ihm angeführten Vergleich zwischen dem Verlust eines Auges bei Herabsetzung der Sehkraft des anderen Auges. Er übersehe, daß in seinem Beispiel eine wehrdienstbedingte Schädigung auf eine bereits gegebene Vorschädigung treffe, hier aber sei es umgekehrt: ein anlagebedingtes Leiden habe sich nach Eintritt einer wehrdienstbedingten Schädigung und unabhängig hiervon entwickelt und damit letztlich das Ausmaß der jetzt vorliegenden Schädigung hervorgerufen. Eine Höherbewertung der Schädigungsfolge nur mit Rücksicht auf den nunmehr gegebenen Gesamtbefund lasse sich nicht vertreten. Da die Voraussetzungen des § 62 BVG somit nicht vorlägen, sei auch der Bescheid vom 21. August 1957, der nach § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Verfahrens sei, nicht zu beanstanden. Es habe auch keine Veranlassung bestanden, von Amts wegen oder auf den Hilfsantrag des Klägers hin gemäß § 109 SGG ohne Kostenvorschuß ein weiteres Gutachten einzuholen. Das LSG ließ die Revision zu.
Die Revision rügt Verletzung der §§ 1, 30 BVG und verfahrensrechtlich Verstöße gegen §§ 103, 128 SGG. Das LSG hätte, wenn es den ursächlichen Zusammenhang des schweren Lungenemphysems mit dem Wehrdienst, besonders auch im Sinne der Verschlimmerung, verneinen und dieses Leiden als alters- und anlagebedingt ansehen wollte, sich nicht mit den Gutachten des Dr. P und Dr. G begnügen dürfen, denn diese seien nicht beweisschlüssig. Das LSG hätte von Amts wegen einen erfahreneren Fachgutachter hören müssen. Die erstmalig nach der Lungenentzündung 1943 aufgetretenen Beschwerden hätten sich nach der zweiten Erkrankung 1945 verstärkt. Vorher habe der Kläger von seiten der Lunge keine Beschwerden gehabt. Das LSG habe die MdE auch nicht unter Nichtbeachtung der von beiden Gutachtern für die Zwerchfellverwachsungen beiderseits angenommenen MdE um 30 v. H. nur mit 10 v. H. bewerten dürfen. Dr. P habe die MdE ohne Einschränkungen und Vorbehalte mit 30 v. H. bemessen. Dr. G sei unter Berücksichtigung des schweren Emphysems zu demselben Ergebnis gekommen, weil nunmehr die anerkannte Schädigungsfolge einen größeren Anteil an der gesamten Erwerbsminderung habe. Die MdE müsse nach dem Einfluß beurteilt werden, den die Schädigungsfolge auf den gesamten Leidenszustand ausübe. Dieser Anteil sei jetzt mit 30 v. H. zu bemessen. Das LSG habe auch verkannt, daß hinsichtlich der anerkannten Schädigungsfolgen eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Aus den Gutachten ergebe sich, daß nicht nur geringfügige Zwerchfellverwachsungen vorlägen, wie der Bescheid vom 16. Dezember 1955 feststellte. Nach den Röntgen- und Durchleuchtungsbefunden seien die Zwerchfelle fast völlig fixiert. Während hierfür Dr. P eine MdE um 30 v. H. annehme, habe Dr. G ausgeführt, daß unter der hypothetischen Voraussetzung, daß das Lungenemphysem nicht vorhanden wäre, eine MdE von 15 bis 20 v. H. gerechtfertigt sei. Gegenüber dem Bescheid vom 16. Dezember 1955 sei somit eine wesentliche Änderung im Sinne der Verschlimmerung eingetreten, die MdE betrage nunmehr mindestens 20 v. H. Das LSG habe die Grenzen des Rechts der freien richterlichen Beweiswürdigung dadurch überschritten, daß es der Leidensverschlimmerung unter Abweichung von der fachärztlichen Beurteilung nicht Rechnung getragen habe. Es hätte sich mindestens zu weiterer Sachaufklärung - durch Rückfrage bei den Gutachtern oder durch Einholen eines neuen Gutachtens - gedrängt fühlen müssen.
Die Klägerin hat nach dem Tode des P. als dessen Miterbin den Rechtsstreit aufgenommen. Sie beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des LSG die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Die gerügten Gesetzesverletzungen lägen nicht vor. Es sei nicht ersichtlich, aus welchen Gründen das Berufungsgericht den Gutachtern nicht hätte folgen dürfen. Es habe auch sachlich-rechtlich davon ausgehen dürfen, daß sich nicht die anerkannte Schädigungsfolge, sondern das Lungenemphysem verschlimmert habe und daß die gegenwärtige MdE für das anerkannte Leiden nicht mehr als 20 v. H. betrage.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig. Sie ist auch im Rahmen des allein gestellten Rückverweisungsantrags begründet, weil die Klägerin einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG gerügt hat, der vorliegt und auf dem das angefochtene Urteil beruht (§ 162 Abs. 2 SGG). Der Senat sah sich trotz fehlenden Erbscheins an einer Entscheidung über diesen Antrag nicht gehindert. Das LSG hatte die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 16. Dezember 1955 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. März 1956, mit dem geringfügige Zwerchfellverwachsungen beiderseits anerkannt worden waren, und des Bescheides vom 21. August 1957, mit dem der Verschlimmerungsantrag abgelehnt worden war, zu beurteilen. Es hat die Anerkennung des Lungenemphysems als weitere Schädigungsfolge und eine Erhöhung der MdE auf einen Grad, der zum Rentenbezug berechtigt, abgelehnt, weil der Verwachsungsbefund sich nicht geändert und die Lungenblähung sich als konstitutionsbedingtes, auf einem Alterungsprozeß beruhendes Leiden unabhängig von den Zwerchfellverwachsungen entwickelt habe.
Soweit die Revision diese Rechtsauffassung angreift und die §§ 1, 30, 62 BVG als verletzt ansieht, weil die MdE nach dem Einfluß zu beurteilen sei, den die Schädigungsfolge jeweils - auch nach Eintritt schädigungsunabhängiger Ereignisse - auf den gesamten Leidenszustand ausübe, kann ihr nicht gefolgt werden. Das Bundessozialgericht (BSG) hat wiederholt entschieden, nach welchen Grundsätzen die MdE für ein anerkanntes Leiden zu bemessen ist, wenn nach der Schädigung (zB Verlust eines Auges) ein schädigungsunabhängiges weiteres Ereignis (Nachschaden) hinzutritt (zB Verlust des anderen Auges) und sich im Gefolge hiervon auch die anerkannte Schädigung stärker auswirkt als zur Zeit des Eintritts der Tatsachen, die für die Anerkennung maßgebend waren. In diesen Fällen hat das BSG ausgesprochen, daß der Nachschaden (Verlust des anderen Auges) keine erhöhte Bewertung der Erwerbsminderung rechtfertigt (BSG 17, 99; 114, 116 ff; vgl. auch BSG 19, 201). Die Anerkennung einer Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 BVG steht zwar der Berücksichtigung weiterer Folgen des schädigenden Ereignisses nach § 62 BVG nicht entgegen. Wenn somit das Ausmaß des Schadens durch die Anerkennung noch nicht festgelegt ist, so kann doch die Feststellung weiterer Gesundheitsstörungen im Sinne einer Verschlimmerung und somit die Zubilligung einer höheren MdE nur auf der Grundlage der Verhältnisse erfolgen, die bei Eintritt des schädigenden Ereignisses bestanden haben. Durch sie und nur durch sie wird der Schaden, der auf den militärischen oder militärähnlichen Dienst zurückzuführen ist, bestimmt und begrenzt (BSG 17, 116). Außerhalb der versorgungsrechtlich erheblichen Ursachenkette liegen Schäden, die nach dem schädigenden Ereignis eingetreten sind und nicht mit der Schädigung im Zusammenhang stehen, insbesondere altersbedingte Veränderungen des körperlichen Zustandes oder Veränderungen durch andere nichtwehrdienstbedingte Ereignisse wie Erkrankungen, Unfälle, Handlungen Dritter oder des Beschädigten selbst. Nichtwehrdienstbedingte Ereignisse dieser Art "erweitern" nicht den wehrdienstbedingten Schaden, sie erzeugen oder erweitern vielmehr den nicht wehrdienstbedingten Schaden (BSG 17, 116 mit weiteren Hinweisen). Durch sie ändern sich nicht die Verhältnisse, die für die Feststellung der Rente (§ 62 Abs. 1 BVG aF) bzw. des Anspruches auf Versorgung (§ 62 Abs. 1 idF des Ersten und Zweiten Neuordnungsgesetzes) maßgebend gewesen sind. Eine andere Beurteilung ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn die anerkannte Schädigung dieselbe Körperfunktion betrifft (Sehvermögen, Hörvermögen, Atmungsfunktion), die durch den schädigungsunabhängigen Nachschaden zusätzlich beeinträchtigt oder gar aufgehoben wird (zB völliger Verlust des Sehvermögens). In einem solchen Fall kann die MdE nicht nach den Verhältnissen bestimmt werden, die sich nunmehr durch das Zusammenwirken von Schädigungsfolge und wehrdienstunabhängigem Schaden infolge Eintritts des Nachschadens ergeben. Das Versorgungsrecht dient dem Ausgleich der Schädigungen, die "durch" ein versorgungsrechtlich erhebliches Ereignis ausgelöst worden sind, nicht dem Ausgleich aller Nachteile, die einem Versorgungsberechtigten nach seiner Schädigung unabhängig von der Schädigung erwachsen (BSG 19, 202). Die Entscheidung über den Antrag auf Rente kann auch nicht um so günstiger ausfallen, je später der Rentenantrag gestellt und beschieden wird; das wäre aber der Fall, wenn bei der Bewertung der MdE auch "Nachschäden" berücksichtigt werden müßten (BSG 19, 203). Die späteren Ereignisse sind jeweils darauf zu prüfen, ob der zur Zeit der anerkannten Gesundheitsstörung bestehende Leidenszustand sich verschlimmert hat; das ist nur dann der Fall, wenn auch diese Ereignisse auf Einflüsse des Wehrdienstes zurückzuführen sind, denn nach § 1 BVG wird Versorgung nur "wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung" gewährt (vgl. auch BSG Urteil vom 13. Mai 1964 - 10 RV 371/62 -).
Die Rechtsauffassung des LSG, daß für die anerkannte Schädigung geringe Zwerchfellverwachsungen beiderseits eine erhöhte, zu einer Rente berechtigende MdE nicht gerechtfertigt sei, ist frei von Rechtsirrtum, wenn eine solche MdE bei Erlaß des Bescheides vom 16. Dezember 1955 nicht vorlag, der Verwachsungsbefund sich nicht geändert hat und das altersbedingte Emphysem 1943/45 auch in den Anfängen noch nicht vorhanden war.
Die Revision rügt aber mit Recht, daß das LSG der rechtlichen Beurteilung Tatsachen zugrunde gelegt hat, die im Widerspruch zu den Gutachten des Dr. P und des Dr. G stehen. Dr. P fand 1959 eine ausgedehnte Zwerch-Brustfellverschwartung beiderseits; Dr. G hebt hervor, daß sich bei der Durchleuchtung die Zwerchfelle fast völlig fixiert zeigten; auf Grund der Röntgenuntersuchung lasse sich annehmen, daß neben den Zwerchfellverwachsungen auch sicher feste Verwachsungen der Pleurablätter beiderseits bestünden. Auf Grund dieser Befunde konnte das LSG unabhängig von der Frage, ob die Schäden in diesem Umfange schon bei Erlaß des Bescheides vom 16. Dezember 1955 bestanden oder erst später eingetreten waren, nicht davon ausgehen, daß eine Erhöhung der MdE nicht in Betracht komme, weil die Zwerchfellverwachsung geringfügig sei. Das LSG hat sich mit den Gutachten insoweit nicht auseinandergesetzt und damit das Gesamtergebnis des Verfahrens nur unvollständig berücksichtigt. Hierdurch ist § 128 SGG verletzt. Das LSG hat zwar auf die Ausführungen des Dr. G Bezug genommen und ihnen entnommen, daß die Zwerchfellverwachsungen - für sich betrachtet - nach wie vor eine MdE von allenfalls 15 - 20 % rechtfertigten; es hat sie aber ausschließlich in dem Sinne gewertet, daß in der anerkannten Schädigungsfolge "geringfügige" Zwerchfellverwachsungen beiderseits eine Änderung nicht eingetreten sei. Dabei hat das LSG auch nicht beachtet, daß Dr. G, nachdem er die Zwerchfellverwachsungen - isoliert betrachtet - mit einer MdE von 20 v. H. bewertet hatte, noch besonders hervorhob, es ließe sich annehmen, daß neben den Zwerchfellverwachsungen auch sicher feste Verwachsungen der Pleurablätter beiderseits bestünden. Die Verschwartung des Brustfells ist bei der zusammenfassenden Beantwortung der Beweisfragen unter 1 b (20 %) des Gutachtens nicht, jedenfalls nicht sicher erkennbar, besonders berücksichtigt worden. P. hat zwar im Berufungsverfahren nur beantragt, als weitere Schädigungsfolge ein Lungenemphysem anzuerkennen und ihm hierfür sowie wegen der bereits anerkannten Schädigungsfolgen ab 1. April 1954 Rente nach einer entsprechenden MdE zu gewähren. Bei verständiger Auslegung dieses Antrages konnte das LSG aber nicht unterstellen, daß P. auf die Anerkennung der Schäden verzichten wollte, die von den Gutachtern festgestellt worden waren und die - unabhängig von der Beurteilung des Lungenemphysems - über die im Bescheid vom 16. Dezember 1955 anerkannte Schädigungsfolge hinausgingen. Denn P. hatte nicht nur eine Verschlimmerung dieser Schäden geltend gemacht, sondern in der Berufungsinstanz gebeten, seinem Antrag in dem Umfang der ärztlichen und gutachtlichen Sachverständigenäußerungen des Dr. P und des Dr. G zu entsprechen. Das LSG hatte daher nicht nur zu prüfen, ob eine wesentliche Änderung eingetreten war (§ 62 BVG), sondern auch ob die Schädigung im Bescheid vom 16. Dezember 1955 zutreffend und vollständig bezeichnet worden war. Das LSG hätte darum bei dem Gutachter anfragen müssen, ob die Verwachsungen der Pleurablätter beiderseits ebenfalls eine Schädigungsfolge darstellten und ob er bejahendenfalls an der MdE von 20 v. H. festhalte.
Dagegen ist nicht ersichtlich, daß das LSG seine Aufklärungspflicht dadurch verletzt hat, daß es zu der Frage, ob das Lungenemphysem Schädigungsfolge sei, nicht einen weiteren erfahreneren Gutachter zugezogen hat. Dr. P hat ausgeführt, daß das Lungenemphysem nicht als Schädigungsfolge anzusehen sei. Die Annahme einer wesentlichen Beeinflussung dieses Leidens im Sinne einer Verschlimmerung durch die zweimalige Erkrankung während der Militärzeit lasse sich medizinisch nicht rechtfertigen. Dr. G hat sich dieser Auffassung angeschlossen und das Lungenemphysem gleichfalls als nicht schädigungsbedingt bezeichnet. Die Revision hat auch nicht angegeben, warum insbesondere dem Lungenfacharzt Dr. G nicht die Sachkenntnis zugetraut werden konnte, die Zusammenhangsfrage zutreffend zu beurteilen. Es fehlt somit auch die nach § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG erforderliche Angabe der Tatsachen, die den Verfahrensmangel ergeben sollen.
Ob die weiter gerügten Verfahrensmängel zutreffen, konnte dahingestellt bleiben; denn das Urteil des LSG muß aufgehoben werden, weil es auf der zutreffend gerügten Verletzung des § 128 SGG beruht (§ 162 Abs. 2 SGG). Bei vollständiger Würdigung des Sachverhalts wäre das LSG wohl nicht zu einer Zurückweisung der Berufung in vollem Umfange gelangt; es hätte den Beklagten verurteilt, die Schädigungsfolge in ihrer wirklichen Bedeutung (ausgedehnte Zwerch- und - möglicherweise - Brustfellverschwartung beiderseits) anzuerkennen. Es besteht auch die Möglichkeit (BSG 2, 197), daß es die MdE etwa mit 25 v. H. bewertet und damit eine Rente zugesprochen hätte. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben.
Der Senat konnte in der Sache nicht abschließend selbst entscheiden. Abgesehen von den mit begründeten Revisionsrügen angegriffenen Grundlagen, von denen das LSG bei der Bemessung der MdE ausgegangen ist, kann die Schätzung als solche in der Revisionsinstanz nur darauf nachgeprüft werden, ob die gesetzlichen Grenzen für die Ausübung des richterlichen Ermessens überschritten sind. Die Schätzung selbst kann das Revisionsgericht nicht durch eigene Schätzung ersetzen. Das BSG hat diese Grundsätze zunächst nur für die gesetzliche Unfallversicherung ausgesprochen (BSG 4, 149), sie haben aber nach Auffassung des Senats auch für die Kriegsopferversorgung zu gelten (vgl. auch BSG 6, 267, 268 und das Urteil des erkennenden Senats vom 30. Juli 1964 - 9 RV 1122/60 -).
Da die Feststellungen des LSG, soweit sie nicht mit Erfolg von der Revision angegriffen sind, zu einer Entscheidung nicht ausreichen, war die Sache nach § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG an das LSG zurückzuverweisen. Bei der erneuten Prüfung wird das LSG neben der Rechtsnachfolge der Klägerin auch noch zu klären haben, ob bereits 1943/45 das Lungenemphysem in den Anfängen bestanden hat und deshalb als Vorschaden unter Umständen zu berücksichtigen ist.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Fundstellen